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DIAGNOSTIK UND THERAPIE
DER
MAGENKRANKHEITEN
I. THEIL.
ALLGEMEINE DIAGNOSTIK UND THERAPIE
DER MAGENKRANKHEITEN.
DIAGNOSTIK UND THERAPIE
DER
MAGENKRANKHEITEN.
NACH DEM HEUTIGEN STANDE DER WISSENSCHAFT
BEARBEITET
VON
DR. I. BOAS,
SPECTALARZT FÜR MAGEN- UND DARMKRANKHEITEN IN BERLIN.
I. THEIL.
Allgemeine Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten.
Mit 41 Holzschnitten.
Vierte vermehrte und neubearbeitete Auflage.
LEIPZIG.
VERLAG VON GEORG THIEME.
1897
Alle Rechte vorbehalten.
Yorrede zur ersten Auflage.
JDie folgenden Blätter verdanken ihre Entstehung einem mir
seitens meiner Zuhörer in den praktischen Cursen wiederholt ge
äusserten Wunsche nach einer kurzen, zusammenfassenden Darstellung
der modernen Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten.
W e n n ich mich nach längerem Zögern zu der Herausgabe der
selben entschlossen habe, so leitete mich hierbei zugleich die er
freuliche Wahrnehmung, dass diesem Gebiete auch von vielen älteren,
mit den neueren Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht
vertrauten Aerzten ein nachhaltiges und ernstes Interesse entgegen
gebracht wird.
So wendet sich denn die Darstellung in Form und Inhalt
wesentlich an den Praktiker, dem sie in möglichster Knappheit und
doch Vollständigkeit die Errungenschaften der neueren diagnosti
schen und therapeutischen Methoden, die wir mit Stolz als Frucht
deutscher Arbeit und deutschen Fleisses bezeichnen können, vor
zuführen sich zur Aufgabe gestellt hat.
Als Arzt mit den Bedürfnissen der Praxis vertraut und durch
meine Collegen auf diejenigen Momente hingewiesen, die dem den
klinischen Hörsälen Entrückten am meisten abhanden gekommen,
habe ich theoretische Erörterungen und Hypothesen, soweit sie nicht
zum Verständniss einzelner Vorgänge nothwendig erschienen, thun-
lichst von der Darstellung fernzuhalten gesucht.
VI Vorrede zur ersten Auflage.
Ausser an den Arzt, der bei dem Uebermass der an ihn heran
tretenden Ansprüche nicht die Zeit hat, der mannichfach zerstreuten
Literatur eine genügende Aufmerksamkeit zu widmen und den Fort
schritten derselben gleichmässig zu folgen, wendet sich das Buch
auch an alle diejenigen, welche theils gebend, theils empfangend
dem Gebiete vertrauter gegenüberstehen. Die letzteren werden
finden, dass die Darstellung keine sklavische Anlehnung an »be
rühmte Muster« in sich schliesst, sondern fast überall einen eigenen,
durch unbefangene mehrjährige Beobachtung erworbenen Standpunkt
einnimmt. Mag derselbe auch nicht überall zutreffen und mag, woran
ich nicht zweifle, der nimmer rastende Forschung^ trieb manches,
was uns heute gesichert scheint, wieder umstossen, ich bescheide
mich nach dem Grundsatze »in magnis voluisse satis«!
Möge es mir im Sinne dieser Grundsätze gelungen sein, auch
durch die folgenden Blätter das Interesse für die Krankheiten der
Verdauungswerkzeuge, dieser eigentlichen Domäne des ärztlichen
Wirkens und Schaffens, weiter zu erwecken und anzufachen.
Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Sanitäts-
rath Dr. S. Guttmann in Berlin für die mannichfachen Anregungen
und praktischen Winke bei der Abfassung dieses Buches meinen
verbindlichsten Dank auszusprechen.
Berlin, im Juli 1890.
Der Verfasser.
Yorrede zur vierten Auflage.
D i e vorliegende Auflage des allgemeinen Theilcs der Diagnostik
und Therapie der Magenkrankheiten erscheint im Stadium der Klä
rung. Viele vordem lieiss umstrittene Fragen, besonders die Art
und der Nachweis der Magensäuren, sind ihrem Abschluss nahe ge
bracht. Dadurch ist der Schwerpunkt wieder mehr und mehr in
jene universell-klinische Auffassung verlegt, die kühl abwägend ihre
Schlüsse nicht ans einem Symptom, sondern aus der S u m m e der
gesammten Erscheinungen zieht.
Im Sinne dieses Standpunktes hat der Verfasser manche sich
neuerdings allzu stark vordrängenden Entcrsuchungsmethoden, wie
z. 1). die Magendurchleuchtung und die Gastroskopie, auf das richtige
Maass der Bewerthung zurückführen zu sollen geglaubt. Hierin und
in manchen anderen Fragen werden Meinungsverschiedenheiten nicht
ausbleiben; sie sind der characteristische Ausdruck der regen Arbeit,
welche Anerkennung verdient, selbst wenn sie im ersten Augenblick
über das Ziel hinausschiesst.
Eine wesentliche Vermehrung und Umgestaltung erfuhr der
zweite Theil: die allgemeine Therapie. Da das Werk ausschliess
lich für Aerzte geschrieben ist, so erwuchs dem Verfasser in immer
höherem Maasse die Pflicht, seinen Collegen alles das an therapeuti
schem Material zu unterbreiten, was sich nach anderer und eigener
Beobachtung als zweckmässig erprobt hat. Selbst scheinbar Neben-
VHI Vorrede zur vierten Auflage.
sächliches erschien ihm in diesem Abschnitt für die Erörterung nicht
zu unbedeutend.
So erscheint die vorliegende Auflage nicht als frischer Aufguss,
sondern als eine durchaus neue und den Fortschritten der letzten
Jahre Eechnung tragende Bearbeitung. Möge ihr das Wohlwollen
der Aerzte in dem Grade wie bisher beschieden sein.
Berlin, im September 1897.
Der Verfasser.
Inhalts -Verzeichniss.
Seite
Einleitung 1
Erstes Capitel. Anatomische und histologische Vorbemerkungen 4
Grösse und Capacität des Magens 6
Befestigung des Magens 6
Histologisches 7
Cefässe und Nerven des Magens. 12
Zweites Capitel. Physiologisch-chemische Vorbemerkungen 14
Der Speichel 15
Der Magensaft 21
Salzsäure 21
Pepsin«»gen und Pepsin 23
Labzymogen und Labenzym (Chymosin) 27
Die Gährungsvorgänge im normalen Magen 29
Die Resorption im Magen 34
Die motorischen Verrichtungen (Peristole, Peristaltik) des Magens 3(3
I. Die allgemeinen Untersuchung-smethoden 45
Drittes Capitel. Die Anamnese 47
Viertes Capitel. Die Krankenuntersuchung 68
Die Inspection 68
Die Palpation des Magens 71
Die Percussion des Magens 85
Die Auseultation des Magens . 92
Die Sondenuntersuchung des Magens 94
Technik der Sondeneinführuug 98
Indicationen und Contraindicationen für die Explorativsondirung
des Magens 100
Insufflation des Magens 102
Bestimmung der Lage und Capacität des Magens 106
Gastro diaphanie und Gastroskopie 113
Anhang. Anwendung der Röntgenstrahlen in der Diagnostik der
Magenkrankheiten 122
X Inhalts -Verzeichniss.
Seite
Fünftes Capitel. Chemische Untersuchungsmethoden 125
Untersuchung des gemischten Mundspeichels 125
Prüfung der chemischen Functionen des Magens 128
Untersuchung des nüchtern gewonnenen Mageninhalts. 138
Untersuchung der Magenfunctionen nach Einwirkung verschiedener
Reize 143
Sechstes Capitel. Mageninhaltsprüfung 147
Makroskopische Untersuchung des Mageninhalts 147
Chemische Untersuchung des Mageninhalts 150
Reaction des Mageninhalts 152
Die Reaction auf freie Salzsäure. 154
Praktischer Werth der Salzsäureproben ., 158
Quantitative Bestimmungen der Salzsäure 160
Praktischer Werth der einzelnen Säurebestimmungsmethoden 180
Diagnostische Bedeutung des Salzsäurenachweises 180
Organische Säuren 183
Untersuchungen auf Enzyme 196
Untersuchung auf Eiweisskörper im Mageninhalt. 202
Untersuchung der Kohlenhydratverdauung im Magen 205
Prüfimg der motorischen Function des Magens 206
Praktischer Werth der einzelnen Methoden 212
Prüfung der Resorptionsfähigkeit des Magens. 214
Abnorme Bestandtheile des Mageninhalts 216
Abnorme Gährungs- und Fäulnissproducte im Mageninhalt 221
Mikroskopische Untersuchungen des Mageninhalts 226
Uebersichtlicher Gang der Mageninhaltsuntersuchung 246
Siebentes Capitel. Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung
hei Magenkrankheiten 24S
Achtes Capitel. Diagnostische Bedeutung der Blutuntersuchung hei
Magenkrankheiten 259
II. Die allgemeine Therapie 265
Neuntes Capitel. Die Diätetik 267
Künstliche Nährpräparate 288
Nährklystiere 293
Anhang. Diätetische Kuren bei Magenkrankheiten 301
Zehntes Capitel. Balneotherapie 308
Elftes Capitel. Massage, electrische, hydriatische, orthopädische Be
handlung 324
Die Massage 324
Die electrisclie Behandlung 328
Die hydriatische Behandlung 334
Die orthopädische Behandlung 335
Inhalts -Verzeichnis«.
Zwölftes Capitel. Magenausspülung, Mugenpumpe, Magendouche
Technik der Magenausspülung
Indicationen der Mageiian>spülung
Die Magendouche
Dreizehntes Capitel. Anwendung von Säuren und Alkalien
Die Säuren.
Die Alkalien
Vierzehntes Capitel. Künstliche Fermente
Ptyalin, Malzdiastase, Takadiastase
Pepsin
Pancreatin
Papayotin und Papain
Fünfzehntes Capitel. Amara und Stomachica
Amara
Stomachica (sive Digestiva)
Anhang. Die Bedeutung und Grundsätze der operativen Behandlung
bei Magenkrankheiten
Sachregister
N a m e n r e g i s t e r
• > % <
Einleitung.
JDie Diagnostik der Magenkrankheiten gehört, obgleich sich
dieselbe seit den frühesten .Anfängen der Heilkunde eines besonderen
Interesses erfreute, zu den schwierigsten Abschnitten der klinischen
Pathologie. Anatomie und Physiologie haben im Laufe vieler Jahr
hunderte die grössten Wandlungen erfahren, von denen die Lehre von
den krankhaften Störungen des Digestionsapparates nicht unberührt
bleiben konnte. Aus einem Gemisch von Falschem und Richtigem,
von Irrlehren und lange Zeit hindurch als Dogmen geltenden Phan
tasmen hat die neuere Medicin das Wahre und Brauchbare heraus
geschält und der Diagnostik zugänglich zu machen gesucht.
Die moderne Zeit knüpft an den epochemachenden Ausbau der
physikalischen Methoden, die Remission und Auscultation an, durch
welche unsere Anschauungen über die Lage und Grösse des kranken
Magens werthvolle Aenderungen und Verbesserungen erfuhren. In
dessen blieb der Erfolg dieser Bestrebungen im ganzen weit hinter
dem auf dem Gebiete der Herz- und Lungenkrankheiten zurück. Die
Verwirrung, die bis dahin in der Nosologie geherrscht hatte, wurde
wenig gemindert, wie sich denn auch bis in die neueste Zeit hinein
die Trugschlüsse einer ausschliesslich auf die physikalischen Ergeb
nisse begründeten Lehre deutlich verfolgen lassen.
Die Einführung der Magensonde in die Diagnostik durch
v. Leube, die der Magenpumpe durch Kussmaul in die Therapie
und die sich daran knüpfenden Ergebnisse sind weitere Marksteine
in der Geschichte der Magenkrankheiten. Hierdurch erhielt die
klinische Richtung gegenüber der bisherigen, wenig befriedigenden
pathologisch-anatomischen eine neue Directive: es entwickelte sich
die Methode der functionellen Diagnostik. Eine grosse Reihe
von Gelehrten hat sicli in erfolgreicher Weise an dem Ausbau
des durch Leube s und K u s s m a u E s Arbeiten geschaffenen Funda
mentes betheiligt, und es ist hierdurch eine nicht geringe Zahl
neuer umgestaltender Gesichtspunkte geschaffen worden, die bereits
Boas, Allg. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. [
2 Einleitung.
heute als gesicherter Besitz unseres ärztlichen Könnens betrachtet
werden dürfen. Hierbei hat sich freilich die anfänglich etwas san
guinisch hervortretende Erwartung, die Diagnostik des Verdauungs-
tractus gewissermassen auf chemische Formeln zu stützen, als
Täuschung erwiesen, und man weiss jetzt, dass auch die Magen
sonde nicht alle diagnostischen Fragen und Räthsel löst. Mit der
zunehmenden Erfahrung wird aber die functionelle Methode den ihr
zukommenden Platz erhalten: als ein wichtiges, ja unentbehrliches
Glied in der Reihe unserer Explorationsmethoden. Ihr Werth
wird vielleicht am besten mit der Bedeutung der Harnuntersuchung
bei Nierenkrankheiten verglichen. Kein Arzt dürfte die Diagnose
eines Nierenleidens allein auf den Palpationsbefund hin und ohne
Rücksicht auf die Urinbeschaffenheit stellen wollen, wie auch um
gekehrt der sorgfältige Diagnostiker die Harnuntersuchung allein
niemals für ausreichend erachten wird.
Dieser Auffassung fehlt es nicht an Freunden, aber auch nicht
an Gegnern. Die letzteren stehen auf dem Standpunkt, dass aus der
Mageninhaltsprüfung weder die Diagnose noch die Therapie der
Magenkrankheiten bisher wesentliche Vortheile gezogen habe. Es
hängt dieses ungünstige Urtheil, wenn ich recht sehe, damit zu
sammen, dass man von der functionellcn Prüfung mehr verlangt, als
sie leisten kann. Man fordert von ihr entscheidende Criterien, wo
sie billiger Weise nur zur Klärung und Sicherung der Diagnose bei
tragen kann. Wer den in diesem Sinne gewonnenen Fortschritt
nicht anerkennt, hat die Pflicht zu beweisen, wie man auf andere
Weise chronische Gastritiden, Insuffizienz der Magenmuskulatur, Neu
rosen, beginnende Carcinome u. s. w. nicht blos vermuthen, sondern
sicherstellen und wie man andererseits, worauf es recht häufig an
kommt, eine etwa in Frage kommende Magenerkrankung ausschliessen
will. Dass dies ohne Magenfunctionsprüfung nicht möglich ist, zeigt
die Verwirrung, die bis noch vor wenigen Jahren in der Literatur
dieser Disciplin geherrscht hat.
Noch unbestreitbarer ist der Fortschritt auf therapeutischem Ge
biete: der Gesundungsprocess spricht sich wohl am besten darin aus,
dass das Heil heutzutage nicht mehr in Bitter- und Digestivmitteln,
sondern in einer streng individualisirenden, rationellen Lebensweise
im weitesten Sinne des Wortes gesucht wird. Die wenigen Mittel, mit
denen der auf der Höhe der Wissenschaft stehende Arzt bei Magen-
affectionen operirt, werden nicht mehr der Reihe nach durchprobirt,
wie es früher allen Ernstes gerathen wurde, sondern auf Grund be
stimmter Ueberlegungen, dann aber auch consequent, angewendet.
Einleitung. 3
Ein eigenartiges Interesse, wie es in ähnlicher Weise kaum ein
zweites Gebiet der Pathologie gewährt, liegt in den vielfachen und
verschlungenen Wechselbeziehungen zwischen Magen- und anderen
Krankheiten. D e m Beobachtungsvermögen des Kranken drängen
sich Störungen im Bereiche der Verdauung naturgemäss am frühesten
und anhaltendsten auf, während sie vor dem kritisch abwägenden
Blick des umsichtigen Arztes in der Symptomatologie nur eine
nebensächliche Rolle spielen. Wie oft kommt es vor dass Kranke
als Dyspeptiker das Sprechzimmer betreten, u m es als Tabiker
oder Nephritiker zu verlassen! In solche scheinbar wirren Symptom
gruppen Licht und Klarheit zu bringen, ist die Aufgabe des denken
den Arztes, und in dem Emstande, dass hierzu reiche Erfahrung
und Detailkenntniss erforderlich ist, liegt die Berechtigung, die Dis-
ciplin der Verdauungskrankheiten als Solidergebiet praktisch und
wissenschaftlich zu eultiviren.
Wie sich aber die Krankheiten des Nervensystems von dem
Mutterstamm der inneren Mediän losgelöst haben, ohne damit den
Zusammenhang mit dieser zu verkennen, so darf die Pathologie der
Verdauungskrankheiten, will sie ihren Besitzstand wahren, keinen
Augenblick den t'onnex mit der allgemeinen Klinik aus den Augen
verlieren.
i-
ERSTES CAPITEL.
Anatomische und histologische Vorbemerkungen.1)
Der Magen bildet das Anfangsglied eines häutigen Röhren
systems, das zunächst von jenem ausgeht und sich in Gestalt eines
Knäuels (Dünndarm) fortsetzt, dann in Form regelmässiger Schlingen
(Dickdarm) verläuft und schliesslich steil abfallend (Mastdarm) nach
unten und aussen endigt.
Lage Der Magen, der weiteste und am meisten ausgebuchtete Theil
" des Verdauungscanales, ist gleichsam zwischen Oesophagus und Dünn
darm eingeschaltet. Er grenzt nach oben an das Zwerchfell und die
Leber, nach unten an den Dünndarm und das Colon transversum,
welche gleichzeitig für ihn eine Art Polster bilden, nach vorn an die
falschen Rippen und die vordere Bauchwancl. Links grenzt er an
die Milz, rechts berührt er den medianen Rand der Gallenblase. Drei
viertel des Magens gehören der linken Körperhälfte an, das der rechten
Hälfte angehörende Viertel nimmt ein Theil des Fundus sowie die
Pylorusregion ein, welche leztere unter normalen Verhältnissen von
dem linken Leberlappen bedeckt ist, so dass sie der Inspection und
Palpation in der Regel nicht zugängig ist. Die lange .Achse des
Magens geht von links oben und vorn nach rechts unten und rückwärts.
pars pyioriea. Die Pars pylori ca (Antrum pyloricum) steigt etwa in der Mittel
linie empor, wobei sie sich dem rechten Rippenbogen nähert. Sie hat
die Form eines conischen Sackes, dessen Achse schief von links vorn
und unten nach rechts hinten und oben verläuft. Nach hinten liegt
sie auf den Stämmen der Pfortader und der Arteria hepatica.
pyioms. Der Pylorus selbst liegt in der Höhe der 7. oder 8. Rippe, und
zwar in der Ebene des Schwertfortsatzes, so dass eine Linie, welche
zwischen rechter Sternal- und Parasternallinie nach unten gezogen
wird, genau die Mitte des Pylorus trifft, Hiervon kommen aber
') Mit Benutzung der Lehrbücher der Anatomie von Henle, Quain-Hoff-
inann, Hyrtl, Cegenbaur, Rüdinger, sowie des Werkes von Luschka: Die Lage
der Bauchorgane des Menschen, Karlsruhe 1873, und des Artikels: »Magen« in
Eulenburg's Realencyclopädie 2. Auflage, Bd. 12 (Klemensiewiczi.
Anatomische und lii>tologi>che Vorbemerkungen. ,")
selbst unter physiologischen Verhältnissen nicht unbeträchtliche Ab
weichungen vor.
Der Fundus des Magens schmiegt sich in seinem oberen Theil Fundus
genau dem Zwerchfell an, von links nach rechts fortschreitend wird ve,,friculi-
er vom linken Lcborlappen bedeckt. Die Verbindung des oberen
Eundustheiles mit dem Zwerchfell ist durch Verwachsung der Serosa
des Magens mit der Peritonealbekleidung desselben eine innige und
feste. Der höchste Punkt des Fundus liegt in der Mammillarlinie im
4. Intercostalraum, nahe der f>. Rippe, von da an bis zur Insertion
der 7. Rippe ist der obere Fundusabschnitt, von Lunge bedeckt. Der
untere (vordere) Fun dusabschnitt liegt bei gefülltem Magen der
Thoraxwand an, in leerem Zustande schiebt sich entweder die Elexur
des Colon oder ein Theil des grossen Netzes dazwischen.
Die Pars cardiaea des Magens (Pars abdominalis oesophago, Pars cardiaca.
Luschka) also der Theil, welcher zwischen dem Hiatus oesophageus
und dem eigentlichen Beginn des Fundus ventriculi liegt, befindet
sich in der Höhe des Sternalrandes der (>. oder 7. Rippe. Es würde
dies hinten dem Beginn des 11. Brustwirbelkörpcrs entsprechen. Die
Gardia selbst ist, zwischen Fundus und kleiner Curvatur eingeschaltet
und liegt 2 — 3 cm unterhalb des Zwerchfells. Da sie vom linken
Leberlappen vollkommen bedeckt ist, so sind Gardiageschwülste nur
unter ausnahmsweisen Verhältnissen (Descensus des Magens) zu fühlen.
Die hintere Magenfläche ist theils der Rückwand der Bauch- Hintere
höhle zugekehrt, der sie indessen nirgends aufliegt, theils nach ab- Ma§'enflache-
wärts gerichtet. Die kleine Curvatur kreuzt daselbst das Fancreas.
Von der Mittellinie an läuft dem Rande der Bauchspeicheldrüse ent
sprechend die Arteria lienalis, was bei perforirenden Magengeschwüren
der hinteren Magenwand leicht zu profusen Blutungen Veranlassung
geben kann (Klemensiewicz).
Von Wichtigkeit in praktischer Hinsicht ist der Verlauf der
den Magen begrenzenden gekrümmten Linien, d. h. der grossen und
kleinen Curvatur.
Die grosse Curratur ist mit ihrer Convexität dem linken Grosse
Ilypochondrium und der vorderen Bauchwand zugekehrt. Der dem Curvatur-
oberen Eundusabschnitt angehörige Theil ist fast ganz von der linken
Lunge bedeckt, der Bauchwand anzuliegen beginnt sie erst etwa an
der Verbindungsstelle zwischen 9. und 10. Rippe. Von dieser Stelle
an ist die Krümmung eine geringe, grösser wird sie erst in der
Medianlinie, wo sie nach rechts und oben ansteigt und an der
medianen Fläche der Gallenblase unter der Leber verlaufend in die
Pars pylorica des Magens übergeht, Den tiefsten Punkt der grossen
6 Anatomische tmd histologische Vorbemerkungen.
Curvatur bildet eine die Insertion von 9. und 10. Rippe treffende
Horizontale, eine Linie, welche etwa 3 —4 cm oberhalb des Nabels
liegt. Der höchste Punkt der grossen Curvatur beginnt mit der
5. Rippe.
Kleine Die kleine Curvatur, vollkommen vom linken Leberlappen be-
'' deckt und daher bei normaler Lage der direkten Untersuchung un-
zugängig, verläuft zunächst in einem leicht gekrümmten Bogen links
von der Wirbelsäule nach unten, macht dann in der Höhe des
12. Brustwirbels, bezw. 1. Lendenwirbels eine kurze brüsque Biegung,
u m dann rechts von der Mittellinie, der ersten Krümmung ziemlich
parallel laufend, die Pars pylorica zu begrenzen.
Grösse und Capacität des Magens.
Im gefüllten Zustande beträgt der grösste Durchmesser 25 bis
30 cm; der Durchmesser des Querschnittes beträgt an der weitesten
Stelle 8—10 cm, am Pylorus dagegen nur 2—5 cm. Bei leerem
Organ beträgt der längste Durchmesser nur 18—20, der breite
7—8 cm, während die Pylorusschleimhautfalten einander ziemlich
berühren. Die Capacität des Magens ist naturgemäss sehr ver
schieden; nach Ewald's') Messungen fasste der kleinste Magen 250,
der grösste 1680 ccm. Der genannte Autor hält nur eine über 16
bis 1700 ccm hinausgehende Capacität für pathologisch.
Befestig-ung- des Magens.
Unter normalen Verhältnissen besitzt nur der untere Fundus
abschnitt Locomotionsfähigkeit, unbeweglich sind dagegen der obere
Fundusabschnitt, die Pars pylorica und cardiaca, etwas beweglich
der Pylorus. Der erstere ist mit der Peritonealbekleidung des
Zwerchfells eng und fest verbunden, so dass der Fundus den Be
wegungen desselben folgt. Nach rechts tritt von der Cardia das
Ligamentum hepatogastricum s. Omentum minus zu, wodurch eine
Verschiebung der Cardia zur Unmöglichkeit wird. Das Pylorusende
wird durch das Duodenum, mit dem es unmittelbar zusammenhängt,
an die Seite der Wirbclkörper angeheftet; das Fehlen einer eigent
lichen bandartigen Befestigung gestattet dem Pförtner gewisse Ex-
cursionen, special nach unten, so dass man nicht selten an der Leiche
ein starkes Herabsinken des Pylorus, selbst bis ins Becken hinein,
') Ewald, Klinik der Verdauungskrankheiten, Theil II, 3. Aufl., S. 86.
Anatomische und histologische Vorbemerkungen. 7
wahrnehmen kann. Von der grossen Curvatur geht das grosse Netz
(Omentum inajus) gegen die Beckenhöhle herab und deckt wie eine
Schürze (Ilyrtl) das Sehlingeiiconvolut des Dünndarms, schlägt sich
dann u m und steigt nach aufwärts, u m am Colon transversum zu
endigen. Der zwischen Magen und Colon transversum liegende Theil
heisst das Ligamentum gastroeolicum. Bei übermässiger Distension des
Magens kann der Fundus trotz dieser Befestigung, wie die Erfahrung
lehrt, sich beliebig weit nach unten hin ausbreiten. Zwischen Magen
und Milz findet gleichfalls eine ligamentöse Verbindung statt: das
Ligamentum gastrolicnalc, desgleichen zwischen Pancreas und Magen
das Ligamentum pancreatico-gastricum.
Histologisches.l)
Die innere Oberfläche des Magens ist durch vielfache gitter-
förinig angelegte Falten in eine grosse Anzahl von Feldern getheilt,
innerhalb deren kleine Höckerchen wahrnehmbar sind, die man als
Mammelons bezeichnet. Dieses höckrige Aussehen wird denn auch,
wo es besonders ausgeprägt ist, Etat rnammelone genannt. Durch
die vielfachen Faltungen ist die Unterbringung eines äusserst reichen
Drüsenapparates ermöglicht; durch Zug lassen sich dieselben aus
gleichen.
Gegen die übrige Schleimhaut heben sich besonders die Oeff-
nungen des Magens, das Antrurn eardiueum und pglorieum ab,
jenes durch seine röthlich graue, glatte Oberfläche gegen den ge
zackten, hellen Rand der Oesophagusschleimhaut, dieses durch eine
starke Duplicatur (Valvula pylori) gegen das Duodenum hin abge
schlossen.
Die im gehärteten Zustande 2 — 3 m m dicke Magenwand setzt
sich aus vier Schichten zusammen: der Mucosa, Submucosa, Muscularis
und Serosa, (s. Fig. 1, S. 8).
Die Mucosa besteht aus dem Epithel, der Tunica propria und
der Muscularis mucosae.
Das Epithel, welches die ganze Fläche der Magenschleimhaut Epithel.
einnimmt und sich nach aussen behufs Bildung der Magengruben
umstülpt, ist ein einfaches Cylinderepithel, welches eine schleimige
Substanz enthält. Bei der Production von Schleim geht das Proto-
i) Unter Benutzung der oben citirten Literatur sowie der vortrefflichen
Darstellung von Ileidcnhain in llermann's Ilandb. der Physiologie Bd.."», Stöhr,
Lehrbuch der Histologie, 3. Aufl. 1889 und A. Oppel, Lehrbuch der vergleichenden
mikrosk. Anatomie der YYirbelthiere 1. Theil: Der Magen. Jena 181«).
8 Anatomische und histologische Vorbemerkungen.
Tunicapropria.
plasma gewisse Veränderungen ein, die sich tinctoriell scharf von
einander abheben. Danach kann man einen oberen schleimigen und
einen unteren, den ovalen Kern enthaltenden protoplasmatischen
Theil unterscheiden. Epithelzellen, deren Schleim ausgetreten ist,
nehmen das Aussehen von »Becherzellen« an.
Die Tunica propria setzt sich aus einem fibrillären, stellen
weise reticulären Bindegewebe zusammen, zwischen dem Leucocyten-
anhäufungen von grösserer oder
Fig. 1.
Epithel-
Magendrüsen.
Mucosa
Muscularis
Tunica
propria
Muse.
mueos.
Submu-
cosa
Innere
Ringfaser-
lage
Acussere
Faserlage
Serosa —
'Hyy
geringerer Mächtigkeit eingestreut
sind. Im übrigen
bildet sie die schmale
Zwischensubstanz zwi
schen und unter den
Drüsen. Nur in der
Pylorusregion ist das
interstitielle Bindege
webe etwas mächtiger
entwickelt.
Den wesentlichen
Bestandtheil der Tu
nica propria bilden die
Magendrüsen, von
denen man Fundus-
und Pylorusdrüsen
unterscheidet. Die Drü
sen des Fundus, wel
chen im wesentlichen
die secretorische Auf
gabe der Säure und
Fermente zufällt, sind
tubulöse einfache oder
auch gabiig getheilte
Schläuche, welche in
die sogenanntenMagen-
gruben (Don der s) oder
Drüsenausgänge (Heidenhain) münden (Fig. 2). Der Magengrube
zunächst folgt der dünnste Theil der Drüse, der Drüsen/mZs, dann
ein dickerer, der DrüscnÄ'ör/ycr, dem der an Dicke in der Regel
nach unten hin etwas abnehmende Dvüsengrund folgt Rollett
unterscheidet die Magengrube, das innere Schaltstück, das äussere
Schaltstück.und das Endstück. Durch die neueren Untersuchungen
•f!-'£
y?y^$ycyye <* x
Senkrechter Schnitt quer durch die Magenwand des
Menschen. Die Tunica propria enthält so dicht neben
einander stehende Drüsen, dass ihr Gewebe nur am
Grunde der Drüsen gegen die Muscularis mucosae
sichtbar ist. (Nach Stöhr.)
Anatomische und histologische Vorbemerkungen. 9
von H e i d e n h a i n 1 ) ,
Pollett2), Jukes 3),
Edinger4), StöhrÄ),
Kupfferß), Sachs) 7
Bonnet*), u.a. sind un
sere Vorstellungen über
den histologischen Bau
der Magendrüsen wesent
lich gefördert wrorden.
Danach besitzen dieEun-
dusdrüsen zweierlei Zel
len, FTaupt- und Beleg-
zellcn. Die erstcren sind
belle, eubische oder cy-
lindrische Zellen mit kör
nigem Protoplasma, das
einen kugeligen Kern um-
giebt. Sie färben sich
nach Krause1') mit Hä-
matoxylin, Karmin, Ani-
') Ileidenhain, Archiv für
mikrosk. Anat. Bd. l>. 1870.
2i Uollett, rntersuchungen
aus d. Institut f. l'hysiol. u.
Histologie zu Graz 1870. 2.H.
3) Jukes, Inaug.-Diss. Göt
tingen 1871.
1) Edinger Arch. f. mi
krosk. Anat. Bd. 17. 1*80.
5) Stöhr, Arch. f. mikrosk.
Anat. Bd. 20.
'') Kupffer, Epithel und
Drüsen des menschlichen Ma
gens. München 188.">.
~C) Sachs, Arch. f. experim.
Pathol. Bd. 2-2 und 24.
s) Bonnet, Deutsche medi-
cinische Wochenschrift lSU.'K
\o. 18.
'•M Krause, Allgem. u. mi
krosk. Anat. il'.d. I: Iland
ltuch d. menschlichen Anat.)
Hannover 1876, citirt nach
Oppel 1. c. S. 471.
Fig. 2.
m—
v //,y.
Längsschnitt einer Labdrüse (nach Stöhr).
a. Magengrube, b. inneres, c. äusseres Schaltstück.
d. Endstück, m. Muskelfasern.
10 Anatomische und histologische Vorbemerkungen.
lin, doppeltchromsaurem Kalium schwächer als die Cylinderzellen
des Ausführungsganges und desgleichen die Belegzellen. Bei Be
handlung mit 0,5—5°/oiger Essigsäure und 0,02 bis 0,05% iger
Salpetersäure hellen sich die Belegzellen auf, während das Pro
toplasma der Hauptzellen sich trübt. Die Hauptzellen färben sich
mit Anilinfarben stärker während der Verdauung als im Hunger
zustande. Die Belegzellen sind grössere, mehrkernige, meist rund
liche oder auch dreieckige Gebilde. Die Vertheilung von Haupt-
und Belegzellen ist derart, dass die letzteren besonders im Drüsen
hals und -Körper sich vorfinden, während der Grund nur einige
spärliche Belegzellen enthält1). Während sie an einzelnen Stellen
der Fundusdrüse buckelartig angelagert erscheinen, liegen sie an
anderen, besonders nach dem Drüsengrund, innerhalb der Drüse nach
ihrer Peripherie hin.
Ueber die Bedeutung der Haupt- und Belegzellen sind die
Ansichten getheilt. Während Heidenhain2), Grützner3), v. Swie-
cicki4) und Sehrwald 5) behaupteten, dass die Hauptzellen die
Fermentbildner, die Belegzellen die Säurebildner darstellen, fanden
S. Fränkel6), F Klug 7), Contejean8), dass von den Belegzellen
Salzsäure und Pepsin gebildet wird. Fränkel und Contejean
fanden in Uebereinstimmung mit früheren Angaben Edinger s fer
ner die Reaction der gesammten Magenschleimhaut, auch die des
Pylorusabschnittes, deutlich sauer, im Gegensatz zu den Resultaten
der Untersuchungen von Ebstein, Klemensiewicz und Heiden
hain, welche das Pylorussecret alkalisch fanden. Von Heiden
hain, Stöhr, Sachs, Stintzing, H a m b u r g e r und Bonnet sind
in den Belegzellen Vacuolen beobachtet worden, von den erst
genannten Autoren neben, von Bonnet theils neben, theils an Stelle
des Kerns. Ueber die Bedeutung dieses merkwürdigen Befundes
sind die Ansichten getheilt, doch scheint es sich hier u m den Aus
druck von Sccretionsvorgängen zu handeln. Bonnet ist ferner der
') Nach Heidenhain sollen die Belegzellen am Drüsengrund ganz fehlen,
was indessen von Stöhr, Kupffer u. a., denen ich mich auf Grund eigener
Untersuchungen anschliessen nmss, bestritten wird.
2) Heidenhain, Schultze's Arch. f. mikr. Anat. Bd. 6, 1870, S. 368.
») Grützner, Arch. f. d. ges. Physiologie Bd. 20, S. 410.
i) v. Swigcieki, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 13, S. 452.
5) Sehrwald, Münch. med. Wochenschr. 1888, No. 11.
ß) S. Fränkel, Pflüg. Arch. Bd. 48, S. 63. 1890.
7) Klug, Ungar. Arch. f. Medicin Bd. 1, S. 35. 1892.
8) Contejean, Arch. d. Physiol. P7., 3, S. 5H4.
Anatomische und histologische Vorbemerkungen. ]]
Nachweis gelungen, dass ein Theil der in den mehrkernigen Beleg
zellen auffallend chromatinreichen Kerne zweifellos Leucocvten an
gehört, die in allen Stadien der Einwanderung in die Belegzellen
nachgewiesen werden können.
Die Pylorusdrüsen sind gleichfalls schlauchförmige Gebilde,
von theils einfacher, theils vielfach verzweigter Formation der Aus
läufer. Auch hier folgt der Magengrube zunächst der Drüsenhals.
sodann Körper und Grund. Die Magengrube ist mit Epithel von
dem Charactcr des Oberflächenepithcls ausgestattet, während die
eigentliche Drüse Zellen aufweist, welche ganz den Charactcr der
Ilauptzellcn der Fundusdrüsen an sich tragen. Daneben kommen
vereinzelte Zellen vor, die sich in ihrer Gestalt und Reaction mehr
den Belegzellen nähern ( N u s s b a u m sehe Zellen). Die genetisch
interessante Frage nach dem Zusammenhang zwischen diesen beiden
Zcllformen darf hier übergangen werden.
An der (frenze zwischen Pylorustheil und Fundus erhalten
die Labdrüsen ein etwas anderes Aussehen, sie sind kürzer und ge
wundener. In der Cardiagegcnd können nach KupfferM die Beleg
zellen vollständig fehlen. Die einfachen oder gegabelten Magen
gruben, welche sich bis zur Hälfte der Schleimhautdickc erstrecken,
gehen in weite, theils kürzer, theils länger gewundene Drüsenschläuche
über, die nur von einem gleichmässigen niedrigen Epithel aus
gekleidet sind.
Ausser den genannten Drüsen sind noch einfache Schleimdrüsen,
d. h. ganz mit Oylinderepithel ausgekleidete Drüsen und Lymph
drüsen beobachtet. Die letzteren liegen als Knoten im Schleimhaut
gewebe und können bei starker Schwellung die Drüsenschläuchc
auseinander drängen.
Während der Verdauung ändert sich das Aussehen der Drüsenelemente in
characteristischer Weise: Die Belegzellen werden grösser, schwellen an, um gegen
Ende der Verdauung an Grösse wieder abzunehmen. Desgleichen vergrössern
sich die Ilauptzellen, werden dunkler, trüber und erreichen erst mehrere Stunden
nach der Verdauung ihr früheres Aussehen und ihre Grösse.
Sogenannte Mastzollen kommen nach Stintzing2) sowohl im Fun
dus als auch im Pylorus zahlreich vor. Im gesunden Magen verlassen
sie nie das Bindegewebe, wohl aber im pathologischen: hier treten
sie zwischen der Tunica propria und den Drüsenzellen auf. Sie
können zwischen zwei Drüscnzellen hineingebohrt und bis ans Lumen
i) 1. c.
-'} Stintzing, München, median. Wochenschr. 1889, Xo, 8.
12 Anatoniische und histologische Vorbemerkungen.
heranreichend gefunden werden. Dieser Vorgang ist wohl zu unter
scheiden von der Durchwanderung der Leucocyten durch das Ober
flächenepithel.
Bindegewebe. Das Bindegeivebsgerüst des menschlichen Magens ist in dem
Fundustheil äusserst spärlich. Drüse liegt dicht an Drüse, nur da
und dort durch etwas Bindegewebe und die der Muscularis mucosae
entstammenden Muskelfasern oder Gefässe unterbrochen. Reichlicher
an Bindesubstanz und glatter Muskulatur dagegen ist die Pvlorus-
gegend, wo auch eine bedeutende Infiltration mit Leucocyten und
zahlreiche Lymphknötchen vorhanden sind (Bonnet).
Muscularis Die Muscularis mucosae besteht aus zwei oder drei Lagen in
mucosae, yerschiedenen Richtungen sich ausbreitender glatter Muskelfasern,
von denen Ausläufer auch in die Drüsenpartie emporsteigen.
submucosa. Die Submucosa setzt sich aus lockeren Bindegewebsfasern oder
auch elastischen Fasern zusammen und bildet das Stützgewebe der
Mucosa. In den Bindegewebsmassen finden sich zuweilen mehr oder
minder grosse Anhäufungen von Fettzellen.
Muscularis Die Muscularis ventriculi zeigt am Pylorustheil zwei scharf
ventncuii. getrennte Fasersysteme (Fig. 1, S. 8): eine innere Ringschicht und äus
sere Longitudinalfasern: in den übrigen Abschnitten des Magens wird
durch die Beimischung von Muskelfasern des Oesophagus das Bild
ein sehr complicirtes, so dass man an Durchschnitten die verschie
densten Anordnungen antrifft. Dieselbe an dieser Stelle genauer zu
verfolgen, ist praktisch ohne Interesse.
Gefässe und Nerven des Magens.
Arterien und Die Arterien des Magens entspringen aus der Arteria coeliaca.
Von ihren Aesten versorgt die direct aus der Coeliaca entspringende
A. coronaria sinistra und die aus der A. hepatica entspringende
A. coronaria dextra die kleine Curvatur; beide zusammen bilden den
Arcus ventriculi superior. Die grosse Curvatur erhält gleichfalls einen
Ast aus der A. hepatica, die A. coronaria ventricul isinistra, welche
sich von der A. splenica abzweigt zum Arcus ventriculi inferior. Die
Venen folgen im allgemeinen dem Arerlauf der Arterien. Die von
der A. coronaria sinistra entspringenden ergiessen sich in die
V. splenica, die die A. coronaria dextra begleitenden endigen in der
V mesaraica oder V portae, in welche auch in der Regel die Y. coro
naria superior mündet. A m Pylorus befindet sich ein selbständiger
Venenstamm, die V pylorica, die entweder in die V coronaria
inferior oder direct in die Pfortader mündet.
Anatomische und histologische Vorbemerkungen. 13
Von der Serosa aus durchsetzen die Gefässe die Muscularis
und bilden in der Submucosa ein in der Fläche sich ausbreitendes
Netz, von dem feine, die Drüsenschläuche umziehende Capillaren
nach aufwärts steigen, u m an der Drüsenmündung ein zweites Netz
zu bilden. Aus diesem bilden sich wieder feine Capillaren, die
kranzförmig die Mündungen der Drüsen umgeben. Aus den Ca
pillaren entwickeln sich Venenstämmchen, welche in ähnlicher Weise
wie die Arterien nach unten steigen und in der Tunica propria ein
in der Fläche ausgebreitetes venöses Netz bilden.
Die Ijymphgefasse bilden u m die Drüsenschläuche grosse Lymphgefässe.
röhrenartige Räume, welche einerseits von der Membrana propria
der Drüsen, andererseits von Endothelien des interstitiellen Binde
gewebes begrenzt sind (Luven). Zwischen den einzelnen Schläuchen
ziehen gleichfalls Lymph-(Chylus-)capillaren, welche durch vielfache
Anastomosen mit einem in der Submucosa gelegenen weitmaschigen
Flächennetz zusammenhängen. Die daraus entspringenden, klappen
führenden Lymphgefässe verbreiten sich in der Tunica muscularis.
Hier ergiessen sich auch die vielen in den Muskelschichten befind
lichen Lymphcapillaren. Unter der Serosa laufen die Lymphgefässe
bis zum Ansätze des Mesenteriums, zwischen dessen Platten sie
weiter ziehen.
Die Nerven des Magens stammen theils aus dem Vagus, theils Nerven.
aus dem Plexus solaris. Die zumeist marklosen Fasern bilden unter
der Serosa ein Netzwerk, dringen nach der Muscularis vor und bilden
zwischen Längs- und IUngmuskelschicht ein ausgedehntes Geflecht, den
Plexus myentericus (Plexus Auerbachii). An den Knotenpunkten
dieses Geflechtes liegen zahlreiche multipolare Ganglienzellen. Aus
diesem Geflecht entspringen Nervenfasern, welche theils in den
Muskelfasern endigen, theils nach der Submucosa. vordringend ein
zweites Geflecht, den Meissner sehen Plexus bilden. Von ihm ent
springen feine Fasern, welche zwischen den Drüsen bis in die Zellen
verlaufen.
14 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
ZWEITES CAPITEL.
Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
Historisches: van Helmont {'}' 1044) erwähnt ausdrücklich die Magensäure.
Spallanzani und Reaumur lassen an Fäden befestigte Sehwämmehcn verschlucken
und entfernen sie nach Durchtränkung mit Magensaft, 1780. Carminati, 178i3,
findet, dass der in der Verdauung begriffene Magen der Gamivoren einen sehr
sauren Saft absondere. Front (1824) entdeckt die Salzsäure im Magensaft In
das Jahr 182;"» fallen die bahnbrechenden Untersuchungen Beaumont's an dem
Canadier St. Martin. Seine erste Publication darüber erschien im American Record
Vol. VUI, 1825 und hatte den Titel: The case of Alexis St. Martin, who was
wounded in the stomach by a load of duck-shot with experiences. Pas Haupt
werk führt den Titel: Experiments and observations of the gastric juice and the
physiologv of digestion, Peutscli 1834 von B. Luden. (Ein unvergängliches Muster
scharfer Beobachtung und klarer, knapper Darstellung!! Eberle (1834) bereitet
zuerst künstlichen Magensaft. Bossow und Blondlot (1842 43) legen zuerst Magen
fisteln an, Bidder und Schmidt, Bardeleben u. a. erweitern die Methodik und
Technik. Schwann (1836) stellt das Pepsin dar und Aveist auf seine Verbindung
mit Salzsäure hin. Mialhe (1846) untersucht das Product der Umwandlung der
Albuminstoffe unter dem Einfluss des Magensaftes und nennt sie Albuminosen.
Lehmann studirt diese Umwandlungen genauer und führt den Namen Pepton ein.
1858 stellt Busch seine berühmten Versuche über Magendarmverdauung an (s. a.
die Literaturangaben am Schlüsse dieses Abschnittes).
Die physiologisch-chemischen Vorgänge der Magenverdauung
nehmen sich anders aus, je nachdem sie der Arzt oder Physiologe
oder Chemiker betrachtet. Während es den letzteren mehr u m die
Kenntniss der Vorgänge ihrer selbst wegen zu thun ist, hat der Arzt
das Bestreben, aus dem normalen Verhalten Schlüsse für sein Han
deln am Krankenbett zu ziehen. Während ferner der Physiologe das
Organ getrennt von den übrigen betrachtet, fasst der Arzt die Magen
verdauung als Theilerscheinung der Verdauung überhaupt und im
Zusammenhang damit auf. Dahin gehört also auch die Mundhöhlen-
und Darmverdauung. Die folgende Darstellung soll nur die cardinalen
Momente der Verdauungsvorgänge berücksichtigen, ausführliche Be
lehrung bieten die unter Literatur bezeichneten Handbücher.
Dass die Verdauung mit der Zerkleinerung der Bissen oder
dem Hinunterschlucken der Flüssigkeit beginnt, weiss jeder. Auch
dass hierbei eine innige Vermischung mit dem Speichel (Einspeiche-
lung) vor sich geht, die sich im Magen fortsetzt und daselbst wich-
I'hysii»logisch-chemische Vorbemerkungen. 15
tigc Umsetzungen zu Stande bringt, und dass gleichzeitig der Bissen
dünnflüssiger und schlüpfriger wird, ist eine jedem Arzt geläufige
Thatsaeho. Man weiss ferner, dass bei schlechter Beschaffenheit der
Zähne, Fäulnissvorgängen im Munde, Erkrankungen der Speichel
drüsen die Verdauung mehr oder weniger beeinträchtigt wird Die
Störungen weisen mit grosser Bestimmtheit auf bacterielle Ursachen
hin, in deren Kenntniss wir durch die Forschungen der letzten
Jahre die ersten Schritte gethan haben. Besonders verdanken wir
\V. I). Ali Her 1) ausgezeichnete Untersuchungen über Mundpilze und
deren Beziehungen zu den Verdauungsvorgängen, auf die wir noch
wiederholt zurückzukommen haben werden. In der Mundhöhle und
ebenso im Magen fand Miller zwei Gruppen von Organismen, welche
(Jährungen hervorrufen. Die eine zerlegt Kohlenhydrate unter Bil
dung saurer Substrate, die andere ruft Eiwei^szersetzungen unter
Bildung alkalischer Producte hervor. Je nach der Anwesenheit oder
dem Eeberwiegen der einen oder anderen Nährstoffe werden bald
beide Arten von (Jährungen, bald nur die eine vorkommen. Miller
hat ferner nachgewiesen, dass bei der Einwirkung von Microbien
auf Eiweissstoffe regelmässig Fäulnisserscheinungen unter Entwick
lung von Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Kohlensäure u. s. w. und
einer grossen Reihe von Basen (Ptomainen) auftreten. Dass hierbei
eine Lösung oder richtiger ein Zerfall von Eiweissstoffen stattfinden
kann, bedarf keiner Erwähnung. Von einem Vergleich dieser Wir
kung mit der peptonisirenden Eigenschaft der uns wohlbekannten
Magen- und Darmenzyme kann aber, wie dies auch Miller hervor
hebt, keine Rede sein. Unter eiweisszersetzenden Organismen haben
wir demnach den Körper und die Verdauungssphäre schädigende zu
erblicken.
Durch diese Untersuchungen werden die lebhaften, schon den
alten Aerzten bekannten Wechselbeziehungen zwischen Mundhöhlen-
und Magenverdauung dem Verständnisse näher gerückt (s. u.).
Das wichtigste Sccret der Mundhöhle ist der Speichel, auf
dessen Bedeutung für die Verdauung wir genauer eingehen müssen.
1. Der Speichel.
Der Mundspeichel ist das Gemisch der Speicheldrüsen- und Mundspeichei.
Schleinidrüsensecrete des Mundes und stellt eine klebrige, zähe, opa-
lescireude Flüssigkeit dar. Die Menge des in 24 Stunden abgeschie-
M W D. Miller, Die Mikroorganismen der Mundhöhle. 2. Aufl. Leipzig,
G. Thieine, 1892.
16 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
denen Speichels beträgt nach Angaben vonBidder und Schmidt 1)
1000—2000 g, das specifische Gewicht schwankt zwischen 1002 bis
1009, meist zwischen 1003 — 1004. Die Reaction ist meist alkalisch,
kann aber auch sauer sein. Nach Sticker2) können 2 — 3 Stunden nach
dem Frühstück und 4—5 Stunden nach dem Mittagessen Maxima der
Acidität vorkommen; desgleichen kann der Speichel nach Mitternacht
bis zum Morgen schwach sauer sein. Nach demselben Autor soll mit
gesteigerter Aufnahme von Amylaceen während der Hauptmahlzeit der
Alkaligehalt des Speichels steigen, bei reiner Fleischkost abnehmen.
Die Menge der festen Stoffe schwankt zwischen 5—10%o, und zwar
bestehen sie aus Epithelien und Schleim, Ptyalin, Albumin und
Salzen. Eine dem Speichel eigenthümliche Substanz ist das Mucin.
Rhodankaiium. Ferner enthält der gemischte Mundspeichel Rhodankaiium,
auch Schwefelcyankalium oder rhodanwasserstoffsaures Kalium ge
nannt, eine an Kalium gebundene, bis jetzt noch nicht rein darge
stellte Säure, die praktisch, wie es scheint, von untergeordneter Be
deutung ist. Z u m Nachweis derselben säuert man den Speichel mit
Salzsäure an und fügt tropfenweise sehr verdünnte Lösung von Eisen
chlorid hinzu, wodurch er dunkel bis burgunderroth gefärbt wird
(Bildung von Eisenrhodanid). Oder man fügt zum Speichel etwas
Jodsäure, welche vom Rhodan unter Bildung freien Jods, das leicht
durch Kleister nachweisbar ist, reducirt wird (Reaction von Soleva).
In Fällen von chronischer Pharyngitis und abnormer Sehleim
bildung, ferner beim Vomitus matutinus, ist der Gehalt des Speichels
an Rhodankaiium häufig gesteigert.
salpetrige Im Speichel kommt auch, nach der Beobachtung Sehönbein s3),
salpetrige Säure vor. Giebt man nämlich zu Speichel mit Schwefel
säure angesäuerten Jodkaliumstärkekleister, so entsteht sehr häufig
blaue Jodstärke.
speichei- Die wesentliche Wirkung des Mundspeichels ist die diastatische,
diastaso.
s|e })era]^ ailf cier (legenwart eines äusserst haltbaren und energisch
wirkenden Enzyms, des Ptyalin oder besser der Speicheldiastase,
durch welche sämmtliche Amylumarten, sowie das Glykogen ver
zuckert werden. Das Ptyalin wirkt bei schwach alkalischer, neutraler
und äusserst schwach saurer Reaction. A m kräftigsten scheint es nach
den Angaben von Schmidt und Chittenden in neutraler oder in
einzelnen Fällen ganz schwach saurer Reaction zu wirken.
') Bidder imd Schmidt, Die Verdauungsgefässc und der Stoffwechsel.
Mitau u. Leipzig 1852.
2) Sticker, Deutsche Medizinalzeitung 1889, No. 2.
a) Schönbein, Journ. für praktische Chemie Bd. 80, S. 451.
Physiologisch-chemische Vorbemerkungen. 17
Es ist nicht Aufgabe dieser Darstellung, den Begriff Enzym, dem wir
noch weiter begegnen worden, auf Grund der neuerdings hierüber geäusserten
Anschauungen näher zu erläutern, umsoweniger, als befriedigende Aufschlüsse
hierül»er noch nicht vorliegen. Sicherlich wird die Reindarstellung von Enzymen
und die Kenntniss ihrer niolecularen Zusammensetzung unsere Anschauungen über
ihre Wirkung wesentlich modificiren, bis dahin müssen wir uns mit den biologi
schen Unisetzungen begnügen, die für uns das Critcrium ihrer Anwesenheit bilden.
Unter der Einwirkung der Speicheldiastase wird Stärke in Producta der
Maltose (Musculus und v. Mering 1), B r o w n und Heroii)2), bezw. Verdauung.
Isonadtose (E. Külz und J. Vogel3) K. Hamburger) 4) und geringe
Mengen Traubenzucker umgewandelt. Die Umwandlung geschieht
schneller bei gekochter (Kleister) als bei roher Stärke, doch geht, wie
ich gefunden habe5) und wie man sich leicht überzeugen kann, auch
die Convertirung der letzteren schon in wenigen Minuten vor sich,
keineswegs langsamer als bei Einwirkung von Pancreasdiastase. Die
Schnelligkeit der Speichelwirkung ist eine fast augenblickliche, so
dass man in wenigen Secunden bereits reducirende Substanz in dem
Gemisch nachweisen kann. Trotzdem lassen sich bis zur endgültigen
Verzuckerung mehrere Zwischenstufen unterscheiden, die besonders
von Brücke 6) sorgfältig studirt worden sind, und zwar folgende drei:
1. Die Stärke wird unter dem Einflüsse der Diastase verflüssigt,
sie stellt im Gegensatz zu dem Kleister eine wirkliche Lösung dar.
Dieses Product, Amidulin oder Amylodextrin genannt, giebt mit
verdünnter Jodjodkaliumlösung (Jod. pur. 1,0, Kalii jodat. 2,0, Aqu.
(lest, 100,0) noch deutliche Blaufärbung.
2. Allmählich wird die mit Jodlösung eintretende Färbung mehr
violettblau, violett, rothviolett, roth oder mahagonibraun. Alan be
zeichnet diese Stärkemodification als Erythrodextrin.
3. Bei weiterer Einwirkung nimmt die violette oder braune
Färbung immer mehr ab, und man bekommt mit Jod ein farbloses
Dextrin, das man Acliroodaetrin nennt, Während ferner die lösliche
Stärke durch Gerbsäure und Alkohol gefällt wird, werden die ge
nannten Dextrinarten nur durch letzteren gefällt.
Zwischen Achroodextrin und Maltose soll nach Herz'fcld7) noch ein Pro
duct entstellen, das er Maltodextrin nennt, welches der Maltose nahesteht, aber
nach Brown und Ileron unvergährbar ist. Die speeifische Drehung für Malto
dextrin beträgt (a) D = 174,5°.
]) Musculus und v. Mering, Zeitschi', für physiol. Chemie Bd. 2.
2) Brown und Heron, Liebigs Annalen Bd. 199 u. 204.
3) E. Külz und J. Vogel, Zeitschr. für Biologie Bd. 31.
4) K. Hamburger, Pflüger's Archiv Bd. 60, S. 543—597.
5) Boas, Zeitschr. für klinische Median Bd. 17, Heft 1 u. 2.
6 Brücke, Wiener academ. Sitzungsberichte, April 1872.
') llerzfeld, Berichte der deutsch, chemischen Gesellschaft Bd. 12, S. 2120.
Boas, Allg'. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. 2
IS Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
Das Endproduct der Speicheldiastase ist die Mutlose oder Ptya-
lose (Nasse) C i a H M O u + H2(). Maltose bildet rein dargestellt feine,
weisse, warzig gruppirte Nadeln, welche im Wasser sowie in Aethvl-
und Methylalkohol leicht löslich sind, in erst er em jedoch etwas
schwerer als Dextrose. Das specifische Drehimgsvermögen der Mal
tose beträgt («)D = 150,4 (Brown und Heron), also fast das drei
fache der Dextrose (a) = 52,5. Maltose reducirt Fehling'sche und
ähnliche Lösungen schwächer als Dextrose, indem sie nur etwa 2/s
des von Dextrose abgeschiedenen Kupferoxyduls abscheidet. Das ge
naue Verhältniss ist nach B r o w n und H e r o n 60,8:100. Bei An
wendung einer 200 m m langen Beobachtungsröhre ist jeder abgelesene
Drehungsgrad bei 17,5u C = 0,362 Maltose in 100 ccm. Durch Be
handeln mit verdünnter Salz- oder Schwefelsäure wird die Beduc-
tionsfähigkeit der Maltose erhöht, Maltose geht allmählich in Dex
trose über. Nach Soxhlet entspricht 1 ccm F e hl in g'scher Lösung
= 7,78 m g Maltose in l%iger Lösung, falls erstere unverdünnt
war, und 7,4 mg, falls die Fehling'sche Lösung verdünnt war. Mal
tose ist ferner in ihren Lösungen mit Hefe direct vergährbar. Von
der Dextrose unterscheidet sich die Maltose noch dadurch, dassBar-
foed's Reagens (eine schwache Lösung von essigsaurem Kupfer
[0,5—4%J, welcher 1 % Essigsäure zugesetzt ist) von erstem' redu
cirt wird, von letzterer nicht. Zur leichteren Uebersicht über die
verschiedenen bei der Convertirung der Stärke sich entwickelnden
Producte diene die folgende
Tabelle.
1. Lösliche Stärke (Amylodextrin, Ami- ) mit Jod blau, ist durch Gerb-
dulin)
Dextrin
arten
3. Maltose
Ervthrodextrin
Jodreaction
violett bis
mahagoni
braun
Aehroodextrin ) Jod bleibt
Maltodextrin { ungefärbt
\ säure und Alkohol fällbar.
Gerbsäure fällt die Lösungen
nicht, dagegen Alkohol und
Aether. Fehling sehe Lö
sung wird nicht reducirt, mit
Hefe tritt keine
ein.
Vergährung
löslich in Alkohol, unlöslich
in Aether, Fehlin g sehe Lö
sung wird reducirt, dagegen
nicht Barfoed's Peagens,
mit Hefe vergährbar.
Physiologisch-chemische Vorbemerkungen. 10
in Alkohol und Aether un
löslich, leichter in verdünn-
,
7, tem Weingeist sowohl Feh-
1, Dextrose > ,
ling s als auch Bartoed s
Lösung werden reducirt. Mit
Hefe leicht vergährbar.
Glykogen wird durch Speicheldiastase gleichfalls durch mehrere
Zwischenstufen hindurch in Maltose und Dextrose umgewandelt, Fügt
man zu filtrirtem Mundspeichel Glykogen, so verschwindet die Braun
rothfärbung, die Jodjodkalium mit letzterem giebt. Allmählich erhält
man eine reducircnde Substanz, zunächst wahrscheinlich Maltose,
später lieben Maltose auch Dextrose.
Die Speichel Wirkung im Magen.
Bei der Schnelligkeit der diastatischen Wirkung des Speichels
müsste in kurzer Zeit eine vollkommene Verzuckerung der Kohlen
hydrate eintreten. Dass dies nicht der Fall ist, kann man leicht
durch Magoninhaltsuntersuchungen am Gesunden nach Darreichung
von Amvlaceenkost erweisen. Man erhält noch nach mehrstündigem
Verweilen derselben mit Jodlösungen Violettfärbung. Es ist dies
teleologisch betrachtet insofern von Bedeutung, als bei abnorm
schneller Verzuckerung die Möglichkeit einer rapiden Vergährung
unter starker Gasbildung gegeben wäre.
Die Einschränkung der Speichelwirkung wird bedingt durch Einwirkung
die zuue/tmende HCl-Seevetion, wie dies von van den Velden1), ™Vspl\cheT-
dann Ellenberger und Hofmeister2) und Ewald und mir3) nach- '"as^ so.
gewiesen wurde. Es hat sich nämlich gezeigt, dass freie Säuren die
Speicheldiastase schon in kleiner Menge hemmen, in grösseren völlig
vernichten. Die folgende kleine Tabelle, der ich die von Ewald
und mir gefundenen Werthe, die übrigens mit denen anderer Forscher
( H a m m a r s t e n , C bittenden und Griswold, Xvlen, Langlev
und Eves u. v. A.) ziemlich genau übereinstimmen, zu Grunde lege,
giebt die betreffenden Zahlen.
') van den Velden, Deutsches Archiv für klinische Mediän, Bd. 25,
S. 105. 1880.
2) Ellenberger und Hofmeister, Arch. f. wissenschaftl. und praktische Thier-
heilkunde 188C». Bd. 12, S. :V.',2.
3) Ewald und Boas, Virch. Arch. Bd. 104, S. 271.
2*
20 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
Die Speichelwirkung wird
Salzsäure
Milchsäure
Buttersäure
Essigsäure
gehemmt
0,07%'
0,1 o/o
J 0,2 %
zerstört
iurch
0,12 %
0,15 %
0,4—0,5 °/o
Da nun unter normalen Verhältnissen der Salzsäuregehalt bis
0,2% und selbst darüber steigen kann, so ist hieraus die Thatsache
der Verzögerung der Amylolyse ohne weiteres erklärlich. Zugleich
erhellt hieraus auch der ungünstige Einfluss, den starke Superacidität
auf die Verzuckerung ausüben muss, ebenso wie umgekehrt bei un
gehinderter Diastasewirkung Gährungsproducte in excessiver Weise
sich entwickeln können, worauf wir noch weiter zurückkommen werden.
Es schliesst sich hieran die wichtige Frage, die, wie es scheint,
weder klinisch noch physiologisch bisher genügend gewürdigt ist, ob
das diastatische Ferment durch Säureexcess dauernd oder nur facul-
tativ zerstört wird, mit anderen Worten, ob bei Absinken der Säure-
secretion oder Tilgung durch Alkalien die Diastase wieder reactivirt
wird. Ich habe versucht, diese Fragen zu entscheiden, und bin zu
dem Resultat gekommen, dass eine nachträgliche Alkalisirung oder
auch Herabminderung der Säure die Ptyalinwirkung wieder hervor
ruft. So konnte ich z. B. an einem mit 0,15% HCl versetzten
Speichel nach einstündigem Stehen durch Alkalisirung mit Sodalösung
in kurzer Zeit reducirencle Substanz bei Kleisterzusatz beobachten.
Daraus folgt, dass in den späteren Stadien der Magenverdauung bei
Nachlass der Säureproduction eine Verzuckerung wahrscheinlich
wieder vor sich gehen kann.
Einzelne Autoren, zuerst van den Velden1), haben auf Grund
der obigen Thatsachen zwei Stadien der Verdauung unterschieden:
ein amylolytisches und ein proteolytisches. Dies ist insoweit richtig,
als die Amylumverdauung beim Fehlen von HCl in der ersten Zeit
überwiegt, die Albuminverdauung, die der freien Salzsäure nicht ent-
rathen kann, dagegen relativ geringfügig ist. 'trotzdem sind auch
in diesem Stadium die Producte der Proteolyse deutlich nachweisbar.
Wechsel- Ausser der diastatischen Wirkung scheint dem Speichel noch
SohenllspeiZchei eine besondere Einwirkung auf die Magenverdauung zuzukommen,
und Magenver
dauung.
!) van den Velden, 1. c.
I'liYsiologiM'h-chemiselic Vorbemerkungen. 0\
die besonders von Sticker1) und Biernacki2) studirt worden ist.
Der erstgenannte Autor stellte fest, dass ein Ausfall der Mundspeichel-
wirkung von einer Aufhebung oder Verminderung der Magensaft-
secretion gefolgt sei. An der Hand weiterer Untersuchungen zeigte
Biernacki, dass nicht der Speichel als solcher sondern vielmehr
die Berührung der Speisen im Munde mit, Speichel die Verdauung
begünstige. Zu denselben Resultaten wie Biernacki gelangte auch
A. Schuld 3).
2. Der Magensaft.
Der Magensaft ist im reinen Zustande eine klare, fast farblose,
sauer rcagirende Flüssigkeit von einem faden säuerlichen Geschmack
und einem spec. Gewicht von etwa 1002—100:5. Die festen Be-
standtheile darin betragen nur 0,5(5%. Die Menge des in 24 Stun
den abgesonderten Saftes wird verschieden angegeben; B e a u m o n t
berechnet sie auf ca. ISO g, Grunewald auf 1580, offenbar ent
spricht die letztere Zahl unseren heutigen Vorstellungen mehr als
die B e a u m o n U s . Der Magensaft ist ausgezeichnet durch eine kräf
tige Mineralsäure — die Salzsäure — sowie durch mehrere Enzyme,
welche in Verbindung mit ihr digestive Eigenschaften entfalten.
1. Salzsäure.
Der Salzsäuregohalt beträgt beim Menschen 0,1—0,22%, beim
Hunde steigt er bis auf 0,o und darüber.4) Dass es sieb im Magen-
satt um Salzsäure handelt, hat Schmidt (1847) zuerst analytisch
festgestellt. Wurden nämlich in einem Magensäfte sämmtliche Basen:
Kali, Natron, Kalk, Magnesia, Eisenoxyd und Ammoniak und die
Menge des Chlors bestimmt, so ergab sich nach Sättigung aller Basen
mit Salzsäure noch ein Chlorrest, der einein Salzsäuregehalt von
2,5—5 g im Liter entsprach. Genau dasselbe Ergebniss hatte die
titrimetrische Untersuchung mittelst Kalk- und Barytwasser.
') Sticker, Wechselbeziehungen zwischen Speichel und Magensaft. Yolkm.
Sammlung klinischer Vortrüge Xo. 2',l7.
2) Biernacki, Die Bedeutung der Mundverdauung und des Mundspeichels
für die Thiitigkeit des gesunden und kranken Magens. Zeitschr. f. klin. Medicin
Bd. 21, lieft 1 und 2.
3) A. Schuld, Inaug.-IMssert. Leiden 1892. Maly's Jahresb. für Thier-
cheinic. 1S(.>,">, S. 2.">7
4) Schouniow-Sinianowski (Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. e.:je
fand in ganz reinem unvermischten Hundeniagensafte einen Säuregrad von
4,0~r>,ö0/oü.
22 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
Den oben genannten Säuregrad erreicht die Salzsäure nicht so
gleich, sondern erst auf der Höhe der Digestion; im Beginn und
gegen Ende der Verdauung sinkt der Säurewerth erheblich.
Die Salzsäure wirkt nach fünf verschiedenen Eichtungen hin,
die alle von grosser Bedeutung für den normalen Ablauf der Ver
dauung sind.
1. Die Magensalzsäure wirkt antizymotisch und antiseptisch,
sie verhindert abnorme Gährungen und vernichtet pathogene Orga
nismen (Koch 1), Falk 2), Frank 3), Wesener 4), Miller5), M a c
fadyen6), Strauss und Wurtz 7), Kurloff und Wagner 8), Käst9),
H. Hamburger 1 0) u. a.), welche mit den Ingestis oder auf andere
Weise in den Magen gelangen. Diese antibacilläre Wirkung erstreckt
sich nicht allein auf den Magen, sondern auch auf das Duodenum,
vielleicht noch auf weitere Dünndarmabschnitte. Einzelne Forscher,
z. B. Bunge 1 1), sind soweit gegangen, in der antizymotischen Wir
kung der Magensäure die Hauptfunction des Magens zu erblicken,
was offenbar übertrieben ist.
2. Die Magensäure hat die Fähigkeit, aus den inactiven Proen
zymen des Magens (Pepsinogen, Labzymogen) active Enzyme abzu
spalten, und zwar in kurzer Zeit (nach Langley binnen einer Minute)
und in grossem Umfange.
3. Der Salzsäure kommt vermuthlich eine gewisse regulatorische
Bedeutung für den Ablauf der Peristole zu. Doch scheinen auch bei
Ausfall derselben regulatorische Centren vicariirend hierfür eintreten
zu können.
4. Salzsäure bildet mittelst des Pepsins aus Eiweisskörpern
Peptone, aus Leim Leimpeptone, aus Elastin Elastinpeptone. Doch
ist hierbei das Wesentliche das Pepsin, da die Salzsäure auch durch
andere Säuren (Salpetersäure, Phosphorsäure, Oxalsäure, Schwefel
säure, Milchsäure, Buttersäure u. a.) ersetzt werden kann.
>) Koch, Mittheil. a. d. Kaiser!. Gesundheitsamt 1881 u. 1884.
2) Falk, Yirch. Arch. Bd. 93, 188:3.
3) Frank, Deutsche medicinische Wochenschrift 1884, Xo. 20.
4) Wesener, Fütterungstuberkulose. Freiburg 1885.
s) Miller, Deutsche medicinische Wochenschrift 1885, Xo. 49; 1886, Xo. 8.
fi) Macfadyen, Journ. of Anat. and Physiology, Vol. 21, 1887.
*') Strauss et Wurtz, Arch. de medec. experim. I, Xo. :',. 1889.
8) Kurloff und Wagner, Wratsch 1889, No. 42 u. 48.
9) Käst, Festschrift zur Eröffnung des neuen Krankenhauses zu Hamburg-
Eppcndorf 1889.
10) II. Hamburger, Centralblatt für klinische Medicin 1890, Xo. 24.
•i) Bunge, Lehrb. der physiol. und pathol. Chemie. Leipzig 1887.
Physiologisch-chemische Vorbemerkungen. 23
5. Durch Salzsäure wird Bohrzucker in Invertzucker (Dextrose
und Laevulo-e) unigewandelt, Diese Eigenschaft theilt die Salzsäure
mit einer Reihe von Spaltpilzen, welche, wenn auch erst nach län
gerer Zeit, Bohrzucker gleichfalls invertiren.
2. Pepsinogen und Pepsin.
Pepsin wandelt bei Gegenwart freier Salzsäure Eiweisskörper
in Peptone um, nimmt dem Leim seine Fähigkeit zu galatiniren unter
Bildung von Leimpepton. Keine andere Mineralsäure, noch weniger
die organischen, geben mit Pepsin gleiche oder bessere Digestions
resultate, a.ls die Pepsin-Chlorwasscrstoffsäure; es scheint dies darauf
zu beruhen, dass HCl aus Pepsinogen am schnellsten und intensivsten
Pepsin abspaltet. Nach Untersuchungen von Langlev und Edkins 1),
sowie von Podwvssotzki 2) und neuerdings Herzen 3) ist das Secret
der Fundusdrüsen nur das inactive Proenzym. Dasselbe characteri-
sirt sich ausser durch seine schnelle Umwandlung in Pepsin durch
HCl noch durch sein Vorhalten zu Natriumcarbonat und Kohlensäure.
Während erstcres das Pepsin schon innerhalb weniger Minuten zer
stört, wird Pepsinogen durch Kohlensäure rasch zerstört, während das
Pepsin nur langsam vernichtet wird. Im allgemeinen besitzt das
Pepsinogen eine hohe Resistenz, es wird selbst bei hochgradigen
Veränderungen der Magenschleimhaut, bei Catarrhen, selbst bei
Krebs des Magens, nicht vollständig zerstört, Ein Mageninhalt, der
gar kein Pepsinogen enthält, gehört nach meinen Erfahrungen zu
den seltenen Befunden.
Die Peptone, das Product der Einwirkung der Pepsinchlor- Peptone und
wasserstoffsäure, zeigen gewisse auch praktisch wichtige Eigenschaften. ulmoseu-
Die Umwandlung der Eiweisskörper und Leimsubstanzen erfolgt wie
beim Amylum nicht auf einen Schlag, sondern stufenweise. Fs ge
lingt schwer, diese Zwischenproducte, da es sich u m eine »Reihe in
Bewegung« handelt und die Zusammensetzung in jedem Augenblick
schwankt, genau zu fixiren. Indessen kann man aus dem compli-
cirten Eiweissgemisch einige constante, chemisch gut characterisirte
Verbindungen isoliren und aus ihrem Vorhandensein (s. hierüber den
Abschnitt über die Untersuchung des Mageninhalts) einige Schlüsse
i) X. X. Langlev und J. S. Edkins, Journ. of Phyiol. Vol. 7, p. 371—-415.
2) Podwvssotzki jun., Pflügers Archiv Bd. 39, S. 502—574.
3) Herzen, Annali di chim. e di farmac. Bd. 8, S. 302. Malv's Jahresb. für
Thierchemie Bd. 18. S. 193.
24 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
ziehen. Die erste Verbindung, die entsteht, ist das Acidalbumin,
auch Syntonin, genannt; sie ist einfach eine mehr oder weniger
innige Verbindung von Eiweiss mit Säure. Das Syntonin hat die
Eigenschaft, in Säuren und Alkalien gelöst zu bleiben, bei neutraler
Reaction dagegen gefällt zu werden (daher auch Neutralisationsprae-
cipitat genannt). Bei fortgesetzter Einwirkung des Magensaftes er
folgt zunächst und wesentlich die Bildung von Albumosen, während
eigentliche Peptone im Sinne K ü h n e s (sogen. Amphopeptone) nur
in geringem Maasse gebildet werden.
Durch die neueren Untersuchungen von K ü h n e und (mittenden1),
Wen z 2 ) , jj. Neumeister3) haben unsere früheren Anschauungen über die all
mähliche Eiweissumwandlung unter dem Einfluss des Magensaftes eine wesentliche
Veränderung erfahren. Danach entstehen aus dem Syntonin zwei verschiedene
Albumosen (bisher als Propepton oder Hemialbumose bezeichnet), die Protalbu-
mose und die Heteroalbumose. Aus jeder dieser beiden Albumosen entwickelt
sich in der weiteren Folge der Magenverdauung je eine Deuteroalbumose, die
aber in ihren Eigenschaften wenig verschieden sind. Erst diese Deuteroalbumosen
werden durch weitere Spaltungen in echte Peptone übergeführt. Zur besseren
Uebersicht dieser Verhältnisse geben wir (nach R. Neumeister) das folgende
Schema:
Natives Eiweiss
Syntonin
Protalbumose Heteroalbumose
Deuteroalbumose Deuteroalbumose
Pepton. Pepton.
Beactionen der Albumosen und Peptone.
Unter Albumosen verstand man früher Eiweisskörper, welche
beim Sieden nicht gerinnen. Speciell studirt hiervon war die Hemi
albumose, welche bei Sättigung ihrer essigsauren Lösung mit Koch-
') Kühnen, ('bittenden, Zeitschr. f. Biol. X.-F Bd. 1, 1883, S. 159. Ebenda
Bd. 2, 1884, S. 11; Ebenda Bd. 4, 1886, S. 42:1. W Kühne. Verband], d. natur-
hist. Ver. z. Heidelberg N.-F. Bd. 3, 1885, S. 28«. Zeitsclir. f. Biol. X.-F Bd 11
1893, S. 1.
2) Wenz, Zeitschr. f. Biologie. X.-F. Bd. 4, 1886, S. 11.
3) R. Xeumeister, Zeitsclir. für Biolog. X.-F. Bd. 5, 1SS7, S. 381; ferner
Bd. 6, 1888, S. 267; vgl. ausserdem des Verf. Lehrbuch der physiol. Chemie 1893
S. 182 u. f.
Physiologisch-chemische Vorbemerkungen. 25
salz in der Kälte ausscheidet, in der Hitze löst. Dieselbe Reaction
tr.il auch bei Behandlung mit überschüssiger Salpetersäure ein. Durch
Essigsäure und Ferrocvankalium wurde die Ilemialbumose gleichfalls
aus Lösungen ausgeschieden. Als Peptone bezeichnete man früher
in Wasser leicht lösliche, in der Hitze nicht gerinnbare Eiweisskörper,
deren Lösungen im Gegensatz zu der Ilemialbumose weder durch
Salpetersäure, noch durch Xeutralsalze und Säure, noch durch Fssig-
säure und Ferrocvankalium gefällt werden.
Man schrieb früher den Peptonen und Albumosen folgende
Eigenschaften zu: sie geben die sämmtliclien Farhenreactionen des
Eiweisses, besonders die Biuretprobe. diese aber im Gegensatz zum
Eiweiss in purpurrother Nuance. Sie werden gefällt von: ammoniaka-
lischer Bleiessiglösung, Sublimat, Alkohol, Gerbsäure, Phosphor-
wolfram- und Phosphormolybdäiisäure, Kaliumquocksilberjodid und
Salzsäure und endlich auch von Pikrinsäure. Albumosen und Pep
tone sind ferner diffusionsfähiger als die nativen Fiweisskörper, und
zwar u m so stärker, je pcptonhaltigor sie sind.
Neuerdings benutzt man nach dem Vorgänge von Hevnsius
und K ü h n e als Trennungsmittel von Albumosen und Pepton das
Ammoniumsulfat. Die Verdauungsproducte, welche bei Behandlung
mit Ammoniumsulfat in Substanz gefällt werden, werden als Albu
mosen, die hierbei in Lösung gehenden Körper dagegen als echte
Peptone bezeichnet. W a s die Reactionen der einzelnen Albumosen
betrifft, so gilt ganz allgemein der Satz, dass je weiter die Verdauung
fortschreitet, desto schwerer die Fällung von Albumosen mittelst che
mischer Reagentien erfolgt.
Im Einzelnen unterscheiden sich nach der Darstellung X e u m eist er 's, der
wir hier folgen, die Verdauungsproducte durch folgende Reactionen:
Die primären Albumosen lassen sich aus ihren neutralen Lösungen mit
Kochsalz aussalzen, die neutralen Lösungen der Datteroallwuiosen dagegen bleiben
klar, eine Ausscheidung erfolgt erst bei Säurezusatz.
Salpetersäure fällt Protalbumose und Heteroalbumose ohne (Jegenwart von
Salzen, die Deuteroalbumosen gar nicht oder doch nur bei (Gegenwart von Salzen,
aber selbst dann nur unbedeutend.
Ferrocvankalium und Essigsäure, überschüssige Pikrinsäure sowie neutrale
Kupfersulfatlösung fällen die primären Albumosen kaum schwieriger als die
Eiweisskörper; die T>euteroalbuniosen werden dagegen durch Fssigsäure und Ferro
cyankalium erst nach längerem Stehen gefällt, Kupfersulfat trübt reine Deutero
albumose gar nicht.
Die rcliten Peptone bilden honiggelbe, ungemein hygroskopische, amorphe
Pulver, von ekelhaft bitterem Ucschmack. Benetzt man sie mit wenig Wasser,
so zischen sie auf wie Pliosphorsäureanhydrid, und zwar unter beträchtlicher
Wärmeentwicklung.
26 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
Von den Albumosen unterscheiden sich die Peptone durch folgende Reac
tionen: sie sind völlig indifferent gegen Sättigung mit Xeutralsalzen, sie diffun-
diren leichter als Albumosen. Die meisten Fällungsreagentien der Eiweisskörper
und der Albumosen (Salpetersäure mit oder ohne Kochsalz, Essigsäure und Ferro
cvankalium, überschüssige Pikrinsäure, Trichloressigsäure. Jodquecksilberjod
kalium und Salzsäure) bleiben bei Peptonen unwirksam. Sie werden nur gefällt
durch absoluten Alkohol, Gerbsäure, Phosphorwolframsäure und Sublimat.
Die im Obigen angegebenen Reactionen beziehen sich nur auf
die Albumosen des Fibrin, doch zeigen auch andere Eiweisskörper
ein analoges Verhalten.
Salzsäure und Pepsin müssen in einem bestimmten Mengen
verhältnis* zu einander stehen, d. h. es darf die Säure im Verhältniss
zum letzteren nicht excessiv hoch werden. Das Optimum der Säure
liegt (nach Untersuchungen an natürlichen Magensäften von Dr. Trze-
binski in meinem Laboratorium) bei 0,25%, höhere und niedere
Säuregrade wirken entschieden verlangsamend auf die Albuminver
dauung.
Quantitative Bestimmung des Pepsins.
Für die quantitative Bestimmung des Pepsins existiren eine
Reihe von Methoden. Von den für physiologische Zwecke brauchbaren
erwähnen wir die von Brücke, Grützner und Samojloff.
Brücke's 1- Methode von Brücke 1)- Man fügt zu jeder Vergleichs-
Methodo der
flussigkejt soviel HCl, class jede davon 1 °/on enthält. Ausserdem
relativen •' ' uu
Pepsin- braucht man eine Salzsäurelösung, die gleichfalls l"/oo enthält. Xun
bestimmune'. ,.. , ,.
TT , . . n , , . ., , . .
verdünnt man die erste Vergleichsnüssigkeit auf '/2, '/s, '/4, '/s u. s. w.,
erhält sie aber dadurch, dass 1 °/ooige Salzsäurelösung verwendet wird,
auf demselben Säuregrade. In derselben Weise verfährt man mit der
zweiten Flüssigkeit. In jede der Verdünnungsflüssigkeitcn kommt nun
eine Fibrinflocke. Durch Vergleichung der Verdauung erhält man
einen brauchbaren Zahlenausdruck für die relative Pepsinanwesenheit.
Nennen wir z. B. die Vergleichsfiüssigkeiten A und B und finden wir,
dass 72 A der Verdauungsflüssigkeit B entspricht, so ist in A 2 mal
soviel Pepsin vorhanden als in B.
Grützner-s -• Methode von Grützner.2) Die Methode ist eine colori-
Methode. metrische und beruht auf der vergleichenden Abschätzung der Farben
intensität des durch die pepsinhaltigen Flüssigkeiten gelösten Carmin-
') Brücke, Sitzungsber. der Wiener Acad. Bd. 37. S. 131,
2) Grützner, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. s, S. 452. 1847.
Physiologisch-chemische Vorbemerkungen. 27
flbrius.1) Zur besseren Vergleichung dient eine Earbenscala von
10 Gliedern, zu deren Herstellung Uarminlösuneen im Verhältniss von
li),!l Wasser zu 0,1 Glyeorinearmin, lil.-s Wasser und 0,2 Glycerin-
Ciirmin u. s. w. verwendet werden.
3. Methode von Samojloff.2) Hühnerei weiss wird in enge samojiofrs
(1 m m Durchmesser) Glasröhrchen eingezogen und bei SU>° (• coagu-
lirt. Nach 2 — 3 Tagen werden die Glasröhrchen in kleine (ungefähr
12 nun lange) Stücke zerschnitten. Je zwei Röhrchen werden in je
ein Reagensglas, welches die saure Pepsinlösiing enthält, geworfen
und 10 Stunden lang bei 37 — 40° C im Thermostaten gelassen.
Darauf misst man die Länge des nicht verdauten Fiweisscvlinders,
welcher demnach einen direkten Ausdruck der enzvinatischeii Kraft
der Verdauungsflüssigkoit darstellt. Aus der Schnelligkeit der Ver
dauung (durch die obigen Zahlen ausgedrückt) berechnet man die
relativen Pepsinmengeii nach dem zuerst von Schütz3) gefundenen
Gesetz, wonach die Poptondrehungen sich wie die Quadratwurzeln
aus den Pepsinmengeii verhalten.
Ueber die quantitative Bestimmung des Pepsins im Magen
inhalt zu diagnostischcn Zwecken s. Capitel (>.
3. Labzymogcn und Labenzym (Chymosin).
Im normalen menschlichen Alagen kommt bereits von der
frühesten Kindheit (Leo) an ein Enzym vor, welches die Eigen
schaft besitzt, in neutraler Lösung .Milch zu coaguliren, d. h. das
Uasein derselben auszufällen. Das Verdienst, das Labenzym ent
deckt und in umfassendster Weise studirt zu haben, gebührt dem
berühmten schwedischen Physiologen Hamniarsten 4) (1H72). A m
Menschen wurde es zuerst von Schumburg 5) untersucht, dann von
mir6), Raudnitz7) (an Säuglingen), Klemperer s) Johnson,9)
i) Carniinfibrin stellt man sich nach Grützner so dar, dass man Fibrin
20 Stunden lang in eine animoniakalische Carminlösung einlegt, wäscht und dann
in verdünnter Salzsäure quellen lässt.
2) Samojloff, Arch. des sciences biologiques, Bd. 2, S. (598—72!).
3) Schütz, Zeitsclir. f. physiol. Chemie Bd. 0, S. 077—590.
') Hamniarsten, Fpsala Lackareförenings Förhandlinger Bd. 2. 1S72.
&) Schumburg, Yireh. .Arch. Bd. 97, S. 260.
«) Boas, Centralblatt f. d. med. Wissenschaften 1887, Xo. 23. Zeitschr. f.
klin. Med. Bd. 1H87, S. 24«. 1—279.
'! Raudnitz, Prager med. Wochenschrift 1887, Xo. 24.
«) Klemperer, Zeitschrift f. klin. Med. Bd. 14, S. 280.
•') Johnson, Ibid. S. 240,
28 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
C. Rosenthal,1) Leo,2) Arthus und Pages3) u. a. an Gesunden
und Kranken geprüft. Meine ITntersuchungen an Gesunden, die
später durch C. Bosenthal in den wesentlichsten Punkten Bestäti
gung gefunden haben, ergaben, dass das Labenzym mit Beginn der
Anwesenheit freier HCl auftritt und dann parallel mit dem Anstieg
derselben zunimmt, mit dem Abfall sich vermindert. Wie das Pepsin
besitzt auch das Labenzym eine Vorstufe, das Labzymogen, welches,
mit Säuren behandelt, binnen Kurzem in Labenzym übergeht. Des
Weiteren theilt das Labenzym mit dem Pepsin die Eigenschaft, durch
Alkalien bereits in geringer Concentration zerstört zu werden,
während das Labzymogen, wie das Pepsinogen, sich relativ resistent
dagegen verhält. Dagegen wirken nach meinen Untersuchungen (1. c.)
Pepsin, Mundspeicliel, Fette auf das Labenzym gar nicht ein, und
Galle nur insoweit, als sie dem Magensaft einen Theil der Säure
raubt und dadurch die Umwandlung des Proenzyms in actives Enzym
hindert. In einer mit 3 % HCl-Lösung versetzten kräftig wirkenden
Infusion reiner Magenschleimhaut kann durch Erwärmen auf 37 bis
40° C während 4) Vermehrter Zusatz von Kalilauge zerstört auch das Labzymogen.
Physiologisch-chemische Vorbemerkungen. 2!'
Quantitative Bestimmungen des Labs.
In ähnlicher Weise wie beim Pepsin kann man, wie Unter
suchungen, die ich in Gemeinschaft mit Dr. Trzebinski angestellt
habe, lehren, durch allmähliche Verdünnung den Gehalt eines Magen
inhaltes an Labfcrment und Labzymogen ziemlich genau bestimmen.
Für das Labferment konnten wir als äusserste Verdüimungsgrenzc
1 : 30 — 40. für das Labzymogen 1:75 bis 1:50 feststellen. Diese
Methode gestattet, wie in dem Abschnitt über Magcninhaltsunter-
suchungen näher ausgeführt werden soll, wichtige diagnostische
Schlüsse für die Secretionsstärke der .Magendrüsen.
Ausser den genannten Eigenschaften ist die Magenschleimhaut auch be
fähigt, Neutralfette in Glycerin und Fettsäuren zu zerlegen (Ogatai. Die Menge
der Lettsäure beträgt nach Klemperer und Scheurlen1) unter normalen Be
dingungen 1—2u/oo, bei excessiven Gührungsvorgüngeii im dilatirten Magen bis
(PVoo. l'äne Aufsaugung des neutralen Fettes oder der freien Fettsäuren findet
nach den genannten Autoren im Magen nicht statt.
In den letzten Jahren ist vielfach die Frage an der Hand einschlägiger
Versuche erörtert worden, ob dem Magen auch die Ligenschaft zukomme, körper
fremde Substanzen auszuscheiden. Nachdem dieselbe durch eine grosse Reihe
von Forschern (Leineweber, Blanchier und Kochefontaine, Kandidoff
und Bongers) in positivem Sinne beantwortet worden war, hat Xencki, wie
ich glaube, einwandsfrei gezeigt, dass eine derartige Ausscheidung nicht statt
findet. Lin mit den obengenannten Autoren übereinstimmendes Resultat erhielt
Xencki nur dann, wenn dem Magensaft Galle beigemischt war.
Die Gätirung-svorgfängre im normalen Magen.
Da wir mit unserer Nahrung Gährungserregcr der verschie
densten Art in den .Magen bringen, so kann man sich leicht vor
stellen, dass sich dieselben unter geeigneten Bedingungen vermehren
und weitere Gährungsprocessc veranlassen. Andererseits ist durch
die schönen Untersuchungen Miller s2) bekannt, dass im Speichel,
resp. in der Mundhöhle zahlreiche gährfähige Mikroorganismen (Milch-
säurebacillen u. a.) vorkommen, die in den Magen gelangend fer-
mentative Umsetzungen hervorrufen. Es ist dies a priori u m so
wahrscheinlicher, als nach den Untersuchungen Miller's erst durch
•) Klemperer und Scheurlen, Zeitschrift für klin. Med. Bd. Li, S. 370.
'-') Miller, deutsche medicinische Wochenschrift 188f>, Xo. 4P.
30 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
so hohe Salzsäuregrade, wie sie der Magen erst auf der Höhe der
Verdauung erlangt, eine H e m m u n g der Gährung eintritt.
Es wird sich hierbei im wesentlichen u m Kohlenhydratgährung
handeln, da Eiweisszersetzung bei saurer Reaction entweder gar nicht
oder nur in sehr beschränktem Maasse vorkommen kann.
Bevor wir das Auftreten von Kohlenhydratvergährung im Magen
selbst erörtern, ist es nothwendig, die hierbei in Frage kommenden
Umsetzungen zu besprechen. Es handelt sich hierbei um:
Milchsäure- I Milchsäuregährung. Bei dieser wird der Milchzucker
g&hrung. (^ jp ^ o u ) , wahrscheinlich nach vorgängiger Umwandlung in 2 Mole-
cüle Glykose = 2 (C 6H r j0 6), einfach in 4 Molecüle Milchsäure ge
spalten = 4(C 3H 60 3). In anderen Fällen werden neben Milchsäure
noch Kohlensäure und Wasserstoff, desgleichen Essigsäure, Ameisen
säure, Bernsteinsäure und vielleicht Buttersäure gebildet.
Schon im Jahre 1857 zeigte Pasteur1), dass die Entwicklung
von Milchsäure aus Milchzucker auf der Gegenwart eines Mikroorga
nismus beruht (ferment lactique).
Aber erstHueppe 2) hat aus der
Milch einen bestimmten Bacillus
nach Koch'schen Methoden ge-
Hueppe's J ^ l i l ^ ^ ^ ^ züchtet(Fig.3). Dieser von H u e p p e
Milchsäure- <^M^^ ? "* ; als Bacillus acidi lactici bezeich-
gahrung. JSSEKSS'^V i , '.'7
nete Mikroorganismus bildet kurze plumpe Stäbchen von 1 —1,7 //
"•*Äe. Länge und 0,3—0,4// Dicke, ist
-» *w^ unbeweglich, bildet Sporen. Die
Ä X X^X Temperaturgrenzen der Entwicke-
* Y<4 lung liegen zwischen 10° und 45,5°
C, das Optimum zwischen 35 bis
42° C. Neben der Milchsäurebil-
Bacillus acidi lactici (Hueppe). düng besitzt der Bacillus acidi
(Nach Günther, Einführimg in das Studium lactici invertirende Eigenschaften
der Bacteriologie.)
unci spaltet ferner auch aus Rohr
zucker, Milchzucker und Mannit Milchsäure unter gleichzeitiger
Kohlensäureentwickelung ab.
Ausser den genannten Stäbchen sind noch eine Reihe anderer
(etwa 15) Bacterienarten bekannt, welche in Kohlenhvdratlösungen
Milchsäurebildung hervorrufen. Von Miller3) ist aus dem Mund-
Fig. 3.
') Pasteur, Annales de Chimie et de Physiologie 1857.
2) Hueppe, Mittheil. a. d. Kaiser!, Gesundheitsamt Bd. 2, S. 307.
3) Miller, Die Mikroorganismen der Mundhöhle. 2. Aufl. Leipzig 18'J2.
Physiologisch-chemische Vorbemerkungen. 31
Speichel ein Pilz gezüchtet worden, welcher morphologisch und physio
logisch mit dem von H u e p p e entdeckten identisch zu sein scheint.
Ob derselbe auch im Magen die Milclisäuregährung bewirkt, oder
oh hieran, was wahrscheinlicher, mehrere Bacterienarten Theil nehmen,
isl noch nicht festgestellt.
Durch IICl-Anwcsenheit schon in geringer Concentratioii (über
0,7%>) wird nach den übereinstimmenden Untersuchungen von
F- Colin'), E- IlirschfeUE), Strauss und Bialocou r3) die Milcli
säuregährung sistirt.
II. Buttersäuregä/iruug. Untersuchungen von Fitz4) und nuttersäure-
Flügge:') haben es wahrscheinlich gemacht, dass die Elitwickelung ffährung-
Fig. 4.
Bacillus butyricus.
n, b Kaulquappen- und Spindelformen, z. Th. mit Sporen, c Zoogloeazustand.
A Keimung einer Spore. (Nach Prazinowski.)
von Buttersäure durch verschiedene Bacterienformen bewirkt wird.
Die meisten der Buttersäuregährung hervorrufenden Pilze sind anaerob,
wodurch ihre Reinzüchtung auf grosse Schwierigkeiten stösst. A m
besten gekannt ist der von Prazino wski6) studirte Pilz der Butter
säuregährung (Bacillus butyricus oder Clostridium butvricum). Er Bacillus
bildet Stäbchen von 2 — 12/7 Länge und wächst entweder einzeln
oder in langen Ketten oder endlich in Zoogloeaform. Bei der Sporen
bildung treten eigenthümliche Veränderungen auf, wodurch Spindel-,
Ellipsoid- und Kaulquappenformen entstehen (Fig. 4). Durch Luft-
i) F. Colin, Leber die Einwirkung des künstlichen Magensaftes auf Essig
säure und Milclisäuregährung. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 14, S. 75.
2) L. llirschfeld, Leber die Einwirkung des künstlichen Magensaftes auf
Essigsäure- und .Milclisäuregährung. Pflüg. Arch. Bd. 47, S. 560.
») Strauss u. Bialoeour. Zeitschr. f. klin. Mediein. Bd. 28, S. 507—578.
4) Fitz, Ber. d. deutsch, ehem. (Gesellschaft Bd. 15, S. 867—881.
5) Flügge, Die Mikroorganismen. Leipzig 1886. S. 296.
6) Prazmowski, Untersuchungen über die Entwicklung und Fermentwirkung
einiger Bacterienarten. Leipzig 1880.
32 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
zutritt wird die Gährungsthätigkeit des Bacillus butyricus gehemmt
oder aufgehoben.
Der Buttersäurepilz zeigt eine charakteristische Reaction gegen
Jod, welche im Verein mit seiner Form die Auffindung des Pilzes in
Gemischen wesentlich erleichtert. Er färbt sich mit Jod blau bis
schwarzviolett, diese Färbung tritt aber nur in Stärke-Cellulose-
lösungen, sowie bei Gegenwart von Glycerin und milchsaurem Kalk
ein, während sie in Dextrin- und zuckerhaltigen Lösungen meist fehlt.
Ich habe mehrmals im nüchternen Magensecret die charakteristischen
Buttersäurebacillen beobachtet, die normaler Weise sich bekanntlich
auch in den Faeces in grosser Menge finden; sie lagen theils einzeln,
theils in grossen Haufen und hatten Citronen- oder Wetzsteinform.
Ob die Gegenwart des Buttersäurebacillus in solchen Fällen als
pathologisches Vorkommniss anzusehen ist, vermag ich nicht zu ent
scheiden.
In der Milch entwickelt sich nach Flügge') die Buttersäure-
gährung nach vorgängiger Bildung von Milchsäure.
Den Vorgang können wir uns durch folgende Gleichung ver
anschaulichen :
2 (C2H603) - C 4 H 8 0 , + 2 CO, + 4II
Milchsäure Butter- Kohlen- Wasser
säure säure st off
Danach würde auch neben Buttersäure noch Kohlensäure und
Wasserstoff frei. Die Milclisäuregährung schafft übrigens insofern für
Fig. 5. die Buttersäurebildung günstige Verhältnisse, als
Ö 0 0 ^ der Milchsäurepilz in exquisiter Weise Sauerstoff
o absorbirt.
Essigsäure- j> III. Essiqsäureqährunq. Zur Bildung von
gährung.
0& , . ,
oo&~ 0 /
l u d "
gahrung.
alnvolutionsformen C 2 H 4 0 -f- 0 = G,H 40 2
700:1. Aldehyd Ess'igsiiure
Durch denselben Pilz sollen auch kleine Mengen CiL und ILO
gebildet werden (Xaegeli). Diese Unisetzung findet im Magen,
') 1. c.
Plivsiologisch-cheinische Vorbemerkungen. 33
weil bereits bei 35° C die Essigsäure sistirt. nicht statt auch sind
durch die Mageubewegungen für die Entwickelung des Mykoderma
aceti, welches nur Oberfiächcnwaohsthum zeigt ungünstige Bedin
gungen geschaffen. Endlich wird nach den Versuchen von F Colin1)
sclion durch einen Salzsäuregelialt von 0,05 m. p. die Entwickelung
der Fssigsäuregährung verhindert.
IV TIefegähruug. Dieselbe beruht auf der Gegenwart ver- Heie-
schiedener Formen von Saccliaromyces (S. cerevisiae, vini), welchen ealiruns"
allen die Eigenschaft zukommt, Glykose unter Abspaltung von Alko
hol und Kohlensäure zu vergäliren nach der Formel:
CJI 1 2O f i=2(C. 2IEO) -f-2C02
Aethylalkohol Kohlensäure
Dieser Process beruht wahrscheinlich auf der Bildung eines
specifischen Fermentes, des Invertin, das man auch isolirt aus Hefe
gewinnen kann. Auch Rohrzucker und Milchzucker werden vergährt
aber erst nach vorgängiger Spaltung in Glykosen, wobei Rohrzucker
in Dextrose und Laevulose, Milchzucker (durch das Ferment gewisser
in der Luft vorkommender Pilze) in Galactose und Dextrose über
geführt wird.
Bei dem Process der Glykosegährung kommt es aber, wie schon unehsäu
Pasteur gezeigt hat, gleichzeitig zur Bildung von Glycerin- und e ^ ™
Bernsteinsäure und Spuren von Essigsäure und Amylalkohol. Doch
ist es nicht testgestellt, ob hierbei die Mitwirkung anderer Organis
men absolut ausgeschlossen werden kann.
Das Optimum der Hefewirkung liegt bei 25° C, doch ist die
Temperaturgrcnze unter verschiedenen Bedingungen ungleich. Hem
mend auf die llefogährung wirken: Freie Alkalien, schweflige Säure,
Sublimat, Chloroform, während Schwefelwasserstoff, arsenige Säuren,
Carbolsäure, Strychnin, Blausäure entweder gar nicht oder erst in
höheren Conccntrationsgraden hemmend wirken. Auch HCl in den
im Magen vorkommenden Concentrationen wirkt auf die Hefegährung,
wie wir jetzt durch vielfache Beobachtungen erfahren haben, keines
wegs ungünstig ein.
Bei der Erörterung der Milclisäuregährung im normalen Magen
muss man folgende drei Möglichkeiten auseinander halten:
1. Anwesenheit von Milchsäure bedingt durch Einführung fort-
pfianzungsfähiger Milchsäurebacillcn in geeigneten Nährböden (z. B.
in saurer Milch, Buttermilch, Sauerkraut, sauren Gurken u. a.).
2. Anwesenheit von Milchsäure bedingt durch Einführung von
>) 1. c.
Boas, Allg. Diagnostik u. Therapie m.
Betz1), Lesshaft2) und B a u m 3 ) scheint indessen festgestellt, dass
weder eine active Rotation durch Contraction der Magenmuskulatur
noch passiv eine Achsendrehung stattfinden könne. Die einzige Be
wegung, die der Magen im angefüllten Zustande macht, ist die, dass
die im leeren Zustande nach unten gerichtete grosse Curvatur sich
nach vorn und demgemäss die vordere Mageiiwand etwas nach oben
wendet, Hierbei rückt die kleine Curvatur nach hinten.
Ueber die aetiven Bewegungen des Magens sind die Ansichten Active
noch getheilt, Alan nimmt an, dass mit der Einführung der Ingesta Bewoguneei
eine kurze Zeit hindurch eine tonische Zusammenziehung des Magens
u m dieselben stattfindet, Dieselbe macht etwa x j % — \ Stunde dem
regelmässigen Spiel der Peristole Platz. Ueber die letztere selbst
weiss man, dass in kurzen Zwischenräumen Wellen vom Fundus nach
dem Pylorus hin verlaufen. Schon B e a u m o n t hat darauf hinge
wiesen, dass dieses Wellenspicl eine ganz besondere Activität in Ge
stalt ringförmiger Erscheinungen (transversal band) am Pylorus er
hält, B e a u m o n t konnte mittelst der in die Magenfistel (de.^ Cana
diers St. Martin) eingeschobenen Thermometerkugel zeigen, dass feste
Körper vom Antrum pyloricum gefasst, bis in den Pylorus gewälzt,
dort festgehalten und endlich durch aiitiperistaltisehe Wellen wieder
in das Magencavuni, und zwar längs der kleinen Curvatur zur Cardia
zurückgedrängt werden und von hier wieder in den Fundus zur
grossen Curvatur u. s. f. wandern. Mögen wir uns den Vorgang der
Peristole in der genannten Weise oder nach der analogen An-
i) Betz, Prager Vierteljahrsschrift f. prakt. Heilkunde 1853, S. 10G.
2) Lesshaft, Virchow's Archiv 1S82, Bd. S7, S. 09.
3) Baum, Deutsch. Zeitschr. f. Thiermedicin und vergl. Pathologie Bd. 15,
S. 401, 1889.
38 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
schauung von Brinton1) vorstellen, der den Magen mit einem
(Minder verglich, in welchem ein in der Mitte durchbohrter Stempel
vorgeschoben wird, wobei auf die peripheren Schichten ein Druck
in bestimmter Richtung geübt wird, während die centralen gezwungen
werden, in der entgegengesetzten Richtung auszuweichen, soviel scheint
festzustehen, dass am Pylorus eine lebhafte, die innige Durchtränkung
des Chymus bezweckende Bewegung stattfindet. Welcher Art diese
Bewegung ist, von wo sie ausgeht und durch welchen Impuls sie
ausgelöst wird, ist eine der interessantesten, aber auch umstrittensten
Fragen der Physiologie des Magens. Nach Untersuchungen von Hof
meister und Schütz2) am ausgeschnittenen Magen frisch getödteter
Hunde soll es sich u m zwei typische Bewegungsphasen handeln. Die
erste beginnt mit Bewegungen im Fundustheil, dessen Ringmuskulatur
sich allseits contrahirt. Gleichzeitig sieht man verticale Einschnü
rungen von der Cardia nach dem Pylorustheil fortschreitend, die am
stärksten an der grossen Curvatur und an der Grenze des Pylorus-
theiles ausgebildet sind. Die zweite Bewegungsphase erstreckt sich
ausschliesslich auf den Pylorustheil; von der tiefen Einschnürung an
der Grenze beginnend, contrahirt sich die Längs- und Ringmuskulatur
des Pvlorus, so dass dieser Theil stark verkürzt und verschmälert
wird, und endet mit kräftiger Contraction des Sphincter pylori.
Nach Aufhören derselben beginnt das Spiel von Neuem. Rückläufige,
vom Sphincter pylori ausgehende Contractionswellen im Sinne Beau
mont's sahen Flof meist er und Schütz nur, wenn der Magen feste
Partikel enthält, sodass dem Pylorus, entsprechend der alten Theorie
van Helmont's, eine Art electiven Vermögens zukommt. Wesentlich
gestützt werden die genannten Beobachtungen durch die neuesten
Untersuchungen von A. Hirsch3) und Fr. Moritz4). Der erstge
nannte Autor hat an Thieren mit hoher Duodenal- oder Dünndarm
fistel experimentirt und kam hierbei zu dem Resultat, dass die Ex-
pulsion des Chymus in directer Abhängigkeit von der Verdauungs
fähigkeit der aufgenommenen Nahrung steht, Während nämlich die
compacte Nahrung geraume Zeit im Magen verweilte und ganz all
mählich und in kleinen Quantitäten eliminirt wurde, erfolgte die Aus-
stossung von Flüssigkeiten in erheblich kürzerer Zeit. Durch Auf
nahme massiger Quantitäten frischen Wassers wurde die Expulsion
') Brinton, Lcctures on the diseases of the stomach. London 1864.
2| Hofmeister und Schütz, Archiv f. exp. Pathol. Bd. 20, S. 1.
3) Hirsch, Centralbl. f. klin. Medicin 1892, S. 993.
^ F. Moritz, Verhandl. der 65. Versammlung der Gesellschaft deutsch. Naturf.
und Aerzte in Nürnberg.
Lhvsioloia-cli-chemische Vorbemerkungen. 39
auch fester Substanzen erheblich beschleunigt, In guter Ueberein-
shmniung mit diesen Resultaten stehen die Ergebnisse von Fr. Moritz.
Derselbe beobachtete bei Versuchen, die er theils an sich, theils an
Tliieren mit hoher Duodcnalfistel anstellte, dass der Fundus nur
schwache, der Pvlorus dagegen stärkere Contractionswellen aufweist.
Im ersteren geht eine Art Sortirung der Speisen vor sich, so dass
die flüssigen Aufhelle zuerst befördert werden. Die Bewegungen des
Magen- erfolgen im übrigen rhythmisch. Wir haben demnach am
Magen zwei in motorischer Hinsicht ganz verschiedene Abschnitte zu
unterscheiden: den Magenfundus, der nur als eine Art Reservoir
oder Digesfionskamme;' (Fr. Moritz) dient und sich an der Aus
treibung des Chymus nicht oder nur höchst unbedeutend betheiligt,
und den Pvlorusthcil, an welchem sicli Contractionswellen fast aus
schliesslich abspielen. In mancher Hinsicht ähnlich sind auch die
Beobachtungen OpcnehowskUs 1). Hiernach gewahrt man an der
Grenze zwischen dem oberen und mittleren Drittel des Magenkörpers,
zuweilen auch etwas tiefer, eine Mittelfurche, die solange erhalten
bleibt, bis der Magen seine Bewegungsphase beendet hat. Letztere
besteht darin, dass eine peristaltische Welle gieichmässig von dieser
Muskelfurche bis zur Pars pylorica herübergeht und sich besonders
am Antrum pvlori deutlich markirt, Das der Cardia anliegende
obere Magendrittel nimmt hieran keinen Antheil. Cardia und Py
lorus zeigen besondere, abwechselnde Schliessung und Hoffnung, und
zwar im entgegengesetzten Sinne. O p c n c h o w s k i führt diesen
Sehluss- und Heffnuiigsmechanismus auf das Vorhandensein gewisser
in der Serosa gelegener und mit Vagosympathicusfasorn in Verbin
dung stellender Ganglienzellengruppen zurück.
Zu wesentlich anderen Resultaten ist Rossbach 1) bei Unter
suchungen an Hunden gelangt, Nach seinen Beobachtungen beginnen
im vollen Magen die peristaltischen Bewegungen zuerst schwach, ver
stärken sich allmählich und dauern 4 — H Stunden fort, Die Bewegun
gen verlaufen ausschliesslich in der dem Pylorus benachbarten Magen
hälfte, der Fundustheil bleibt während der ganzen Verdauungszeit
ohne jegliche Bewegung und ist nur massig um seinen Inhalt contra
hirt. Die Bewegungen des Magens beginnen immer an derselben
Stelle ungefähr in der Mitte de^ Magens, schnüren den Magen da
selbst tief ein und laufen in circa 20 Secunden wellenförmig zum
') Tb. v. Opcnchowski, Deutsche medicinische Wochenschrift 1SS9, Xo. 35.
2) Hossbach, Beiträge zur Lehre von den Bewegungen des Magens, des
Pylorus und Duodenums. Deutsch. Arch. f. klin. Modicin Bd. 40, S. 29(1.
40 Physiologisch-chemische Vorbemerkmi gen.
Pylorus, wo sie wie abgeschnitten aufhören. Die Contractionswello
schneidet auf der Höhe der Verdauung so tief ein, dass das Lumen
des Magens verschwindet. Die peristaltischen Bewegungen können
durch nicht zu grosse Mengen kalten und warmen Getränkes vermehrt
werden, grosse Mengen kalten Wassers heben die Bewegung auf, was
therapeutisch wichtig ist, ebenso hemmen die Narcotica. Der nüch
terne Magen erscheint klein und welk, zeigt nur selten schwache
Contractionen, meist ist er ohne Eigenbewegung'. Der Pylorus soll
nach Rossbach während der ganzen 4—8 Stunden Verdauuugszeit
fest geschlossen sein und keinen Tropfen Speisebrei ins Duodenum
lassen (?). Diese Entleerung in den Darm erfolgt plötzlich, und
zwar spritzend in mehreren Absätzen. Während und ausserhalb der
Verdauung ist der Schliessmuskel des Pylorus in solcher Spannung,
dass der Magen vom Darm abgeschlossen ist. Das Duodenum bleibt
während der ganzen Magenverdauung ohne jede Eigenbewegung,
wohl aber geht die Secretion von statten; erst wenn der Pylorus
sich öffnet, beginnen die peristaltischen Bewegungen des Duodenum
und dauern solange fort, als noch Speisebrei übertritt; hört der
Magen auf zu arbeiten, so sistiren auch die Bewegungen im obersten
Theil des Darmes. Rossbach ist ferner der Ansicht, dass ein Zu
sammenhang zwischen Innervation des Magens, des Pylorus und des
Duodenum, und zwar in der Weise besteht, dass die durch die Speisen
gesetzten sensiblen Reize der Magenschleimhaut refleetorisch zuerst
eine starke Innervation des Pylorusschliessrnuskels und eine Hem
mung der Duodenalmuskelbewcgiing bewirken; zuletzt findet das
Gegentheil statt.
Die Duodenalruhe während der Magenverdauung bezweckt, die
Darmsäfte sich ansammeln zu lassen und dadurch den Magensaft zu
neutralisiren.
Die Widersprüche zwischen den einzelnen Ergebnissen und
hiermit zugleich die Schwierigkeit der definitiven Lösung der Peri-
stolefrage treten am schärfsten hervor in den neuesten Untersuchun
gen von Oser1), die ergaben, dass der Pylorusverschluss bei ver
schiedenen Thicrcn verschieden ist und selbst bei demselben Thiere
während der Dauer des Versuches wechselt, Begünstigt wird der
vollständige Verschluss des Pylorus durch sehr rasches Einfliesscn
des Wassers in den Magen; ähnlichen Einfluss schienen auch sehr
niedrige Temperaturen der Flüssigkeit zu haben, während höhere
Temperaturen keinen solchen Einfluss hatten.
i) Oser, Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. 20, S. 285.
I'hvsiologiM-h-chcuiiM'hr Vorbemerkungen 4 1
De- Weiteren hat <>>er ^elir einrollend die Innervation des Emfiu^ d«
Magens an curnivsirlen Hunden studirt. Hierbei kam der Verlader lnnorva,i011
zu folgenden Resultaten: Sowohl bei intaeten aE auch bei durch-
schniHenen Nerven bestehen spontane Maumbewegungen. die ohne
bestimmten Rhythmus verlaufen. Mitunter findet man Thiere. deren
Magen in vollständiger Ruhe verharrt. Die Vagusreizung bewirkt
eine starke, den Reiz nicht wesentlich liberdauernde * ontraction
und darauf folgende Erweiterung, die eine kurze Zeit andauert. Die
Vagusroizung hemmt nicht den Verlauf der vor derselben bestehen
den Peristaltik des Magens. Die Splaiichnieusreizuiig verursacht eine
sehr schwache Contraction, aber eine den Reiz lange überdauernde
Erweiterung des Magens. Der Ablauf der vor der Splanchnicus
reizung bestellenden spontanen Bewegungen wird gehemmt. Als
Nachwirkung der Splanchnicusreizung entwickelt sich häufig eine
gesteigerte Peristaltik, die viel lebhafter ist als vor der Reizung.
Die als Nachwirkung der Splanchnicusreizung eintretende gesteigerte
Peristaltik kann durch Splanchnicusreizung gehemmt werden. Bei
gleichzeitiger Vagus- und Splanchnicusreizung tritt zu Beginn der
motorische Effect der Vagusreizung ein, es wird, aber durch dieselbe
nicht die Wirkungsweise der Splanchnicusreizung in ihrem weiteren
Verlaufe vorändert, Während der durch die Splanchnicusreizung
bewirkten Magenruhe ist die Vagusroizung mehr oder weniger un
wirksam, es steigert sich der Effect derselben, je später die Vagus
reizung nach der Splanchnicusreizung ausgeführt wird. Die Vagus
reizung ist im Stande, die als Nachwirkung entstehende lebhafte
Peristaltik zu hemmen. Der Vagus sowohl als der Splanclmicus
wirken unmittelbar während und nach der Reizung im motorischen
und hemmenden Sinne, nur ist des Verhältniss zwischen der moto
rischen und hemmenden Wirkung beider Nerven ein verschiedenes,
d. h. es überwiegt bei dein Vagus die motorische, bei dem Splanch-
nicus die hemmende Function. Die Vagusreizung überdauert den
Reiz nur sehr kurze Zeit, während die Splanchiiicuswirkung sich
erst im vollen Maasse nach der Reizung, und zwar in doppelter Weise
entwickelt, zutriebst als Hemmung, dann als lebhafte Peristaltik.
Trotz dieser anscheinend sehr complicirten Einrichtung scheint
der Process der Magenperistaltik im wesentlichen so vor sich zu
gehen, wie es die Untersuchungen von Hofmeister und Schütz,
Opcnchowski, Hirsch und Moritz uns gelehrt haben: Es
findet die Entleerung in rhythmischer Weise, und zwar wesentlich
in der Pvlorusreuion statt. Dabei werden zuerst die flüssigen
und breiartigen Substanzen ausgetrieben, während die festen zu.
42 Physiologisch-chemische Vorbemerkungen.
nächst noch zurückgehalten werden. Da ferner der Druck im
Magenfundus sehr gering ist, so werden auch hierdurch nur die
leichter beweglichen, flüssigen Antheile des Mageninhaltes nach dem
Pylorus zugeschwemmt, wodurch sich eine Art Sortirvorrichtung ent
wickelt.
Das die Von Interesse ist weiter die Fragt; nach dem die peristaltische
auflösende Aetion auslösenden Moment. Wir können uns vorstellen, dass dies
Moment,
ei n mal durch den mechanischen Einfluss der Ingesta, oder durch die
erhöhte Congestion zu den Blutgefässen der Magenschleimhaut ge
schieht. Man hat aber seit Brücke 1) die Ansicht nie wieder auf
gegeben, dass die Magensäure die FVsaehe für die Bewegungen des
Magens darstellt. Andrerseits hat v. Pfungen 2) die Hypothese auf
gestellt, dass die Alkalien eröffnend, die Säuren hemmend auf
den Pylorusverschluss einwirken. Versuche, diese Widersprüche zu
lösen, sind von A. Hirsch3) unternommen. Derselbe fand bei
Thieren mit Duodenalfisteln, dass sowohl neutral als auch alka
lisch reagirende Flüssigkeiten in kurzer Zeit aus dem Magen ins
Duodenum übergeführt werden, desgleichen aber auch verdünnte
Essigsäurelösungen. Nur Salzsäurelösungen von 1 — ö%o Salzsäure
gehalt verweilten längere Zeit im Magen. Noch stärker saure Lö
sungen (gleichgültig ob Essigsäure oder Salzsäure) führten zu Er
brechen. An sich scheint demnach der Pylorusschluss von der
Reaction des Inhaltes unabhängig zu sein; erst dann, wenn die
Magenschleimhaut ein inadäquater Reiz trifft, erfolgen lebhafte Be
wegungen des ganzen Magenkörpers, die sich dann auf den Pvlorus
übertragen. Bei einer gewissen Stärke des Reizes kann dann nach
der Ansicht von Hirsch die Contraction eine solche Energie er
reichen, dass am Pvlorus eine Art Tetanus entstellt; brechen sich
die Wellen am tetanisch geschlossenen Pylorus. so werden sie rück
läufig; es erfolgt reflectorisch eine Erweiterung der Cardia und des
Oesophagus, und die Scene endigt mit einem Brechaet.
L i t e r a t u r .
Zum Studium der Physiologie der Verdauung sind chronologisch geordnet
die folgenden Lehrbücher und Monographieen zu empfehlen:
Prerichs' Artikel Verdauung in Wagner's Handwörterbuch der Physiologie.
Bd. HI. 1846.
') Brücke, Lehrbuch der Physiologie 4. Aufl., Bd. I, S. 322.
2) v. Pfungen, Leber Atonie des Magens. Klin. Zeit- und Streitfragen.
Wien 1887.
3j Hirsch, Centralbl. f. klin. Med. 1893, Xo. 4.
Pliysiologi-ch-eliemisehe Vorbomerk innren 43
Bidder und Sclnnidt, Die Verdauungssäfte und der Stoffwechsel. 1S52.
Leipzig und Milan.
C (L Lehmann, Lehrbuch der physiol. Chemie. 2. Aufl. 1 s."i3. Bd. II 11. III.
C (>. Lehmann, Zoochcmic (Gmelin's Handbuch der Chemie. Bd. Villi. IsöS,
Cl. Bernard, Lecons siir les liipiides de lorganisme. Paris 1859.
\V. Kühne, Lehrbuch der physiol. Chemie. Leipzig 1SGS.
M. Schiff, Lecons sur la physiologie de hl digestion. Llorence et Turin isils.
v. Gorup-Besaiiez, Lehrbuch der physiologischen Chemie. 4. Auflage
Braunschweig 1878.
F. Iloppe-Seyler, Physiologische Chemie. Bd. IL Die Verdauung und
Resorption der Nährstoffe. 1878.
IL Maly, Chemie der Verdauungssäfte und der Verdauung. HermannV
Handbuch der Physiologie. Bd. Va. 1X80.
Pönsgen, Die motorischen Verrichtungen des menschlichen Magens. Stra**-
burg 1882. (Reichhaltige Literaturangalien namentlich aus der älteren Zeit.)
Brücke, Vorlesungen über Physiologie. Bd. I. 4. Auflage. |SRT>.
Grünhagen, Lehrbuch der Physiologie. ;.. Auflage, issfi.
C A. Ewald, Klinik der Verdauungskrankheiten. I. Die Lehre von der
Verdauung. 3. Auflage. 1890.
Bunge, Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie. 2. Auf
lage. Leipzig 1889.
Hamniarsten, Lehrbuch der physiologischen Chemie. 2. Auflage. Wies
baden 1895. (Hierselbst auch die chemische Technik.)
R, Xeumeister, Lehrbuch der physiologischen Chemie. Th. I. Die Er
nährung. Jena 1893.
Canigee. Die physiologische Chemie der Verdauung-. Deutsche Ausgabe
von L. Asher u. IL R. Beyer. Leipzig u. Wien. 1897.
Ausserdem gewähren die sorgfältigen und eingehenden Jahresberichte für
Thierchemie, sowie die Jahresberichte über die Anatomie und Physiologie, heraus
gegeben von Hofmann (seit 1SS5 Hermann) und Schwalbe reiche Belehrung über
die Detailforschungen auf dem Gebiete der Physiologie und physiologischen
Chemie der Verdauung.
I.
Die allgemeinen Untersuchungsmethoden.
DRITTES CAPITEL.
Die Anamnese.
Dass eine erschöpfende, die springenden Punkte scharf ins
Auge fassende, dabei nicht allzusehr in die Breite gehende Anamnese
einen integrirendeii Theil der Diagnose in sich schliesst, ist von
allen Klinikern und klinischen Lehrbüchern so oft hervorgehoben,
dass eine Betonung ihrer Bedeutung an dieser Stelle überflüssig er
scheinen niuss. Eingehende Besprechung verdient dagegen die
Technik der Anamnese bei Krankheiten der Verdauuiigsorgane,
weil, wie ich mich wiederholt überzeugt habe, die Erhebung der
in Betracht kommenden Thatsachen und Daten in der Regel nicht
mit der Sorgfalt und Genauigkeit zu geschehen pflegt, wie sie für
die richtige Auffassung des Krankheitsbildes unerlässlich ist.
Der localen, auf die Verdauungswerkzeuge und deren Functio- Allgemeine
neu gerichteten, niuss ausnahmslos die allgemeine, sich auf sämmt-
liclie früheren Erkrankungen, sowie auf die hereditären Verhält
nisse erstreckende Anamnese vorausgehen. Ja man wird im Interesse
einer möglichst unbefangenen Prüfung in allen Fällen gut thun, sich
durch die bereits früher (s. S. 3) erwähnte Prädilection der Kranken,
die Anomalieen ihres Verdauungsvormögens in den Vordergrund des
Interesses zu rücken, nicht täuschen zu lassen. Bei den häufigen
Wechselbeziehungen zwischen Digestionsanonialieen und anderen
Organerkrankungen, sowie bei der rein symptomatischen Folie, welche
die ersteren in dem Uoinplex der Erscheinungen bei constitutionellen
Leiden (Tuberculose, Syphilis, Diabetes mellitus, Farcinose, Gicht,
Leukämie, Chlorose, pernieiöse Anämie u. a.) spielen, niuss man sich
vor übereilten Schlüssen ganz besonders hüten.
Die loeale- auf die speciellen Störungen im Bereich des Vor- u>caie
dauungscaiials gerichtete Anamnese niuss alle Punkte berücksichtigen, Anamnese-
die für die Diagnose irgend in Betracht kommen können. Alan wird
48 Die Anamnese.
am wenigsten Unterlassungssünden begehen, wenn man so handelt,
als sei die Erhebung des status praesens aus irgend einem Grunde
überhaupt unmöglich.
Die folgenden Fragen dürften besser als langathuiige Ausein
andersetzungen die bei der Anamnese ins Gewicht fallenden Momente
erkennen lassen.
1. W a n n trat das Leiden auf und wie lange besteht es?
2. Trat es plötzlich oder allmählich auf; falls ersteres: unter
welchen Umständen oder Begleiterscheinungen (Fieber, Frost,
Infectionskrankheiten) oder durch welche Ursachen bedingt
(Indigestion, plötzliche Abkühlung, Trauma, Schreck u. a.)
?). Wie äusserte sich das Leiden im Beginn der Krankheit; traten
im weiteren Verlaufe derselben bis jetzt Acnderungen im Krank
heitsbilde auf und welche ?
4. Worin bestehen die augenblicklich vorhandenen Klagen?
A. Wie verhält sieh der Appetit?
a) ist er regelmässig oder nicht?
b) besteht vollkommene Appetitlosigkeit?
c) oder launische, auf gewisse Substanzen gerichtete Appetenz?
d) besteht Appetitsteigerung oder selbst krampfhafter, trieb
artiger Heisshunger?
e) ist Appetitlosigkeit vorhanden, die sich beim Fssen verliert,
oder umgekehrt, geht der gute Appetit nach wenigen Bissen
verloren ?
f) besteht zeitweiliger, mit Anorexie wechselnder oder ein von
normaler Appetenz oder selbst Anorexie in Heisshunger um
schlagender Appetit?
g) ist nach der Speiseaufnahme Gefühl von Sättigung vorhanden
oder nicht?
B. Besteht vermehrter Durst?
a) Ist die Urinsecretion der Wasseraufnahme entsprechend?
C. Wie ist der Geschmack?
a) Normal, fade, pappig, unangenehm, faulig?
h) Wechselt der Geschmack nach Tageszeiten oder Stunden?
I). Beschaffenheit und Zeit der einzelnen Mahlzeiten?
a) Approximative Angaben über die Quantitäten von Nahrungs
mitteln und Flüssigkeiten?
b) Wie verhält sich die Xahrungseinfuhr mit Bücksicht auf Ei
weisskörper, Kohlenhydrate, Fette, Salze, Flüssigkeiten (Al
coholica, Theo, Kaffee, Cacao, Milch, Wasser | Mineralwässer I)?
Die Anamnese. 49
E. Bestehen Schi uckbaseh werden oder Symptome ron Dysphagie?
a) in Form eines Knäuels?
b) Gefühl eines Widerstandes oder Fremdkörpers (an welcher
Stelle)?
c) Treten Schmerzen im Gebiete des Pharvnx oder Oesophagus
auf (welcher Art: regelmässig oder tmregelmässig, in oder
ausser Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme, Intensität
derselben)?
d) besteht ein directes Hinderniss für die Passage der Ingesta
(an welcher Stelle und für welche Nahrungsmittel [feste,
halbfeste, breiige, flüssige Substanzen])?
e) sind Blutungen aus Bachen und Speiseröhre vom Kranken
beobachtet oder ärztlich festgestellt?
F Besteht Druck in der Magengeigend?
a) an welcher Stelle, wo am stärksten?
b) nur mich dem Essen oder auch unabhängig von der Nahrungs
aufnahme?
c) beginnt der Druck unmittelbar oder erst einige Zeit (genaue
Angabe erwünscht!) nachher?
d) wie langt1 hält der Druck an (stundenlang oder nur während
der Verdauungsperiode, u m sich dann wieder zu verlieren)?
e) übt die Qualität und Quantität der Speisen einen Einfluss
auf das Auftreten und die Intensität des Druckes aus?
G. Ist ein Gefühl von Völle (Vollsein) nach dem Essen vor
handen?
a) in der Magengrube oder weiter unten oder im ganzen Ab
domen?
b) auch nach den kleinen Mahlzeiten oder nur nach den Haupt
mahlzeiten ?
c) sofort oder erst im Verlaufe der Verdauung?
d) Ist die Qualität und Quantität der Speisen und Getränke
von Einfluss auf das Völlegefühl? (Fleisch, Gemüse, Fette,
Flüssigkeiten.)
e) besteht das Gefühl von Völle auch ausserhalb der Mahlzeiten?
IL Bestehen Sehmerzen in de)- Magengegend?
a) im Anschluss an die Mahlzeiten oder unabhängig davon?
b) wenn letzteres, treten die Schmerzen zu regelmässigen Stun
den, Tagen, Wochen, Monaten und immer in derselben Inten
sität und mit demselben Charactcr (krampfartig, bohrend,
stechend, brennend u. s. w.) auf?
Boas. Allg. Diagnostik u. Therapie il. Magenkrankheiten. 4. Aufl. i
50 Die Anamnese.
c) an welcher Stelle localisiren sich die Schmerzen? (ungefähr
zu beschreiben!), innerhalb einer circumscripten Stelle, Gegend
oder eines Abdominaltheils, oder wechseln sie ihren Ort?
d) sind sie auf die betreffenden Stellen fixirt, oder strahlen sie
nach verschiedenen Bichtungen und welchen aus?
e) Character der Schmerzen (bohrend, reissend, nagend [Gefühl
einer wunden Stelle!], brennend [Sodbrennen!], krampfartig),
kann Patient hierbei seiner Thätigkeit nachgehen, oder mnss
er das Bett aufsuchen?
f) werden die Schmerzen durch Speisezufuhr dauernd oder vor
übergehend gelindert, oder exacerbiren sie im Gegentheil, oder
bleiben sie hierdurch unbeeinflusst?
g) falls sie durch Nahrungszufuhr provocirt werden, geschieht
dies mehr durch flüssige, weiche Kost oder durch feste Sub
stanzen ?
h) werden die Schmerzen in ruhiger Lage gelindert und durch
Bewegung vermehrt?
i) beseitigt oder lindert Druck auf die schmerzhafte Stelle den
Schmerz, oder steigert er den letzteren?
I. Aufstossen (Repetiren).
a) leicht oder quälend?
b) leise oder laut hörbar (explosiv)?
c) im Anschluss an die Digestion oder auch bei leerem Magen?
d) Character der Ructus: geruchlos oder riechend (nach faulen
Eiern, fäculent; nach Säuren [fettig, ranzig])?
e) gleichzeitig damit Regurgitiren von Speisen (Geschmack, Ge
ruch, sonstige Beschaffenheit des letzteren)?
f) Dauer der Ructationsperiode (Stunden lang oder kürzer oder
den ganzen oder halben Tag über)?
K. Erbrechen und Uebelkeit.
a) Ist die Uebelkeit dauernd oder vorübergehend, in Zusammen
hang mit der Nahrungsaufnahme oder nicht?
b) Beschaffenheit des Erbrochenen: Speisen, Schleim, Galle,
Säure; Menge, Farbe, Geruch?
c) findet das Erbrechen täglich statt, und wenn dies der Fall,
zu welchen Zeiten?
d) tritt es bei leerem, nüchternem Magen oder nach dem Fssen
auf und eventuell wie lange nachher?
e) zeigte das Erbrochene jemals Blut oder sonstige abnorme
Beimengungen, bestand es überhaupt daraus?
Die Anamnese. 51
f) ist das Erbrechen periodisch (mit Intervallen normalen Be
findens.-'), und in welchen Perioden erfolgt dasselbe?
g) Beschreibung des Vomitusactes (vorher Druck, Völle, Uebel
keit, Würggefühl, heftige, krampfartige Schmerzen)?
h) geht dem Brechact ein Stadium des Unbehagens voraus, oder
werden die Speisen ohne derartige abnorme Sensationen
herausgeworfen V
i) tritt mit dein Brechact Erleichterung ein oder nicht?
k) wiederholt sich das Erbrechen mehrmals am Tage oder in
der Nacht und in welchen Intervallen?
Stuhlentleerung.
a) besteht Verstopfung oder Diarrhoe?
b) wenn ersteres, erfolgen überhaupt spontane Stuhlgänge und
in welchen Zeiträumen?
c) falls nicht welche Hilfsmittel wurden verwendet (Abführ
mittel |milde oder scharfe!], Fingiessungen oder Clysniata)
und mit welchem Erfolg?
d) Aussehen, Farbe, Geruch, abnorme Beimengungen der Stühle
(Sehleim, Blut, Eiter, theerfarbene Stühle)'?
e) erfolgten die Stühle unter Schmerzen und an welcher Stelle?
f) besteht abnorm häufiger Stuhlgang und in welcher Häufig
keit und Consistenz; von welchem Aussehen, Farbe?
g) sind Hämorrhoiden, Blutungen, Schleimabsonderung oder
ähnliche Absonderungen aus dem After vorhanden? Welcher
Natur und wie stark sind dieselben?
h) besteht Wundgefühl oder Brennen, waren am After einmal
Fisteln, Proctitis oder Poriproctitis vorhanden?
i) war jemals Blinddarmentzündung vorhanden, oder eine Bruch
einklemmung oder Darmverschlingung ?
Blähungen (Flatulenz).
a) Character derselben und Begleiterscheinungen (starke Auf-
treibung des Leibes, unangenehme Sensationen [Kopfschmerz,
allgemeine Abgeschlagenheit u. a.|)?
b) nur nach gewissen oder nach allen Speisen?
e) in welcher Dauer und zu welchen Zeiten (sofern längere
Zeit nach dem Essen, kurze oder längere Zeit anhaltend,
regelnlässig oder periodisch, mit typischen Perioden oder
unrogeimassigen Intervallen) ?
d) Borborygini, Kollern, Gurren, Wühlen?
4*
52 Die Anamnese.
N. Subjectiv wahrnehmbare peristultische Bewegungen.
a) in welcher Gegend des Abdomens?
b) abhängig oder unabhängig von den Verdauungszeiten ?
c) regelmässig oder unregelmässig?
0. Fremdkörpergefühl im Abdomen.
a) an welcher Stelle, bei Körperbewegungen die Lage wechselnd
oder nicht?
b) auf Druck schmerzhaft oder nicht; sind an der betreffenden
Stelle spontane Schmerzen vorhanden?
c) hat der vermeintliche Fremdkörper an Grösse zugenommen?
Während einzelne Punkte der Anamnese hinsichtlich ihres dia
gnostischen Werthes ohne weiteres klar sind, bedürfen einige andere
einer eingehenden Besprechung.
Das Verhalten des Appetits ist von nicht zu unterschätzender
Bedeutung. Die extremsten Grade pathologischer Abweichungen des
Anorexie. Nahrungsbedürfnisses bezeichnet man als Anorexie einer- und Bu-
limie andererseits. Anorexie, d. h. absoluter Mangel an Esslust ist
grossentheils der Ausdruck eines Nervenleidens und kommt besonders
im jugendlichen Alter vor. Sie ist häufig in den höheren Ständen
zu finden und prädominirt beim weiblichen Geschlecht schon wegen
der bei letzterem so häufigen Hysterie. Starke Gemüthsbewegungen,
anhaltende geistige und körperliche Ueberanstreiigungen, auch Furcht
vor Beschwerden oder Schmerzen nach dem Essen erzeugen einen
Alangel au Esslust oder selbst Ekel vor Speisen. Hierbei können
im übrigen objeetive und subjeetive Magenbeschwerden fehlen oder,
falls vorhanden, durch die Art ihres Auftretens den Verdacht auf
ein nervöses Leiden bestätigen. Häufig beobachtet man hartnäckiges
Daniederliegen des Appetits bei beginnender Lungenphthise. Es ist
daher eine gründliche Untersuchung der Lungen in jedem Falle
hartnäckiger Anorexie unabweisbar.
Bei Magenleiden organischer Art wird absolute, lang anhaltende
Anorexie nach meinen Erfahrungen nur in besonders schweren Fällen
beobachtet.
Das umgekehrte Verhalten des Appetites, die krankhafte Stei-
ßuiimio. gerung wird als Bidimie (Ochsenhunger) oder als Cgnorexie (Hunde
hunger) bezeichnet. Sie ist der Ausdruck einer excessiven Erreg
barkeit der centripetalleitendcn, das Hungergefühl vermittelnden
Nerven. In den meisten Fällen ist Bulimie Theilerscheinung ner
vöser Störungen; in anderen kann sie auch als Coniplication ner
vöser oder organischer Magen- und anderer Leiden vorkommen (LT-
Die Anamnese. 53
cus ventriculi, Bandwurm, Soxualcrkrankungon. Gchirnaffectinnen,
Neurasthenie).
Von der Bulimie müssen wohl unterschieden werden die Poly- p0iyPhaj
phagie und Aeorie Bei ersterer werden ohne besondere Steigerung Acono-
der Appetenz abnorm grosse Mengen von Speisen und Getränken
aufgenommen, und zwar kann dies die Folge abnormer Umsetzungen
im Körper sein oder — und ich habe mehrere solcher Fälle be
obachtet — auf einem Mangel an Sättigungsgefühl beruhen.
Dieser Zustand kann als selbständige Neurose des Magens oder als
Theilorscheinung allgemeiner Neurasthenie vorkommen und wird
dann als Aeorie bezeichnet. Fälle dieser Art haben in neuester
Zeit A. Beyer') und ich2) beschrieben. Polyphagie wird am häu
figsten beobachtet bei Diabetes, bei der Beconvalesccnz von schweren
Krankheiten (Typhus, Intcrmittens u. a.), sie erreicht unter U m
ständen eine erschreckende Flöhe bei Geisteskrankheiten (Epilepsie,
Hydrocephalie, Gehirntumoren u. a.).
Zwischen diesen Extremen liegen die verschiedensten Formen
der Appetitveränderung' ( Parorexie) Ihre Aeusscrungen sind so parorexii
verschiedenartig und gleichzeitig in so hohem Grade von äusseren
und physischen Einflüssen abhängig, dass das Verhalten der per
versen Appetenz als Symptom von Magenleiden sich schwer für die
Diagnostik verwenden lässt Die im Folgenden aufgestellten An
haltspunkte, die das Resultat eigener vierjähriger Beobachtungen
darstellen, beanspruchen nur eine relative Gültigkeit.
A m meisten liegt der Appetit bei den schwersten organischen Appetit
Magenleiden danieder, bei Krebs, bei Atrophie der Magenschleim- Q ™ 1 ^
haut, bei der Gastritis chronica in ihren schweren Formen, bei
amyloider Degeneration u. a. Hier fehlt der Appetit zeitweilig
fast ganz, oder er ist auf gewisse, in der Hegel verbotene Substanzen
(meist saure, scharf gewürzte) gerichtet. Viele Krebskranke verlangen
dringend Heringsalat, saure Gurken, Salate, Bier u. a. Fast in allen
Fällen besteht, director Widerwille, selbst Ekel vor Fleisch und an
deren Eiweisssubstanzen. Zeitweiligen Heisshunger habe ich dagegen
hierbei nie zu beobachten gehabt, wohl aber normalen Appetit,
Sehr verschiedenartig ist das Verhalten des Appetits bei Magen- Appetit
er Weiterung je nach Ursache, Grad sowie nach dem Zustande des
e r ^ E
Chemismus. Es besteht normale Appetenz, zuweilen selbst Heiss-
') A. Peyer, Feher 3Iagcnaffeetionen bei männlichen Genitalleiden. Volkm.
Samml. klin. Vorträge Xo. 356, S. 25.
-') Boas, Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten. II. Theil. 3. Aufl,
S. '212.
54 Die Anamnese.
hunger bei den mit Hyperchlorhydrie verlaufenden Dilatationen, da
neben häufig excessives Durstgefühl. Schlechte, zeitweilig gänzlich
mangelnde Appetenz besteht bei den mit Fäulnissprocesscn im Magen
verbundenen Ectasieen.
Appetit bei Bei Ulcus ventriculi ist der Appetit im allgemeinen erhalten,
uicus ven- j a es k a n n .mca ^ev intercurrent ein krankhaft gesteigertes Nahrungs
verlangen, zumal in den schmerzfreien Intervallen bestehen. In sel
tenen Fällen kann aber das Hungergefühl auch herabgesetzt sein.
Davon ist wohl zu unterscheiden die Furcht vor Nahrungsaufnahme
wegen der hierdurch gesetzten Gastralgieen; sind die letzteren be
seitigt, so äussert sich auch wieder das Nahrungsbedürfniss.
Das Verhalten des Appetites bei den Folgezuständen des Ulcus
(Pylorusstenose, Dilatation, Uebergang in carcinomatöses Geschwür)
ändert sich allmählich und zeigt den Character, den dieselben auch
sonst aufweisen.
Appetit Becht clifferent ist das Nahrungsverlangen bei Gastroneurosen.
beiMaegJn°-sen Ein Haupttypus dieser Art ist das Schwinden der Appetenz nach
affectioDon.
e j n e r |)ej ausgezeichnetem Nahruiigsverlangen begonnenen Mahlzeit;
es tritt schon »nach dem ersten Löffel Suppe« Gefühl von Sätti
gung ein, der Magen erscheint voll »wie eine centnerschwere Last«.
In anderen Fällen ist der Appetit launenhaft, bizarr, je nach der
Gemüthsstimmung, bald gesteigert, bald wieder auf Null reducirt.
Auch wechseln Perioden guten mit solchen weniger guten, selbst
fehlenden Appetits. Gerade hierbei k o m m e n eine Menge von Varia
tionen der eigenthümlichsten Art vor, die sänimtlich aufzuzählen hier
zu weit führen würde. Allen gemeinsam ist der wechselnde, sprin
gende, ins Extreme umschlagende Character, der auf den nervösen
Ursprung des Leidens mit grosser Deutlichkeit hinweist.
Appetit bei Ein verschiedenes, gleichfalls in weiten Grenzen schwankendes
den Mag«?-" Verhalten zeigen diejenigen Verdauungsstörungen, die als Bcgleit- oder
affectionen. Folgeerscheinungen anderer chronischer Krankheiten, z B. Lungen-,
phthise, Malaria, Herzfehler, Nephritiden auftreten: hier lässt sich
ein bestimmtes Verhalten auch nicht einmal annähernd abstrahiren,
da hierbei die Art und der Grad des zu Grunde liegenden Leidens
den Zustand der Verdauungsfünotionen wesentlich heeinflusst.
Schliesslich möchte ich zu erwähnen nicht unterlassen, dass
das Verhalten der Appetenz keinen Schluss auf die Beschaffenheit
der Magenftinetionen gestattet, Ich habe mich bei völlig danieder
liegendem Nahrungsverlangen wiederholt von dem normalen Verhalten
der ersteren überzeugen können und kenne unigekehrt eine grosso
Die Anamnese. 55
Reihe von Fällen, wo bei schweren Functionsstörungen der Appetit
ein vortrefflicher ist
Von grosser Wichtigkeit ist das Verhalten des Durstes. Nur Durst.
ausnahmsweise ist der Durst vermindert, bei vielen Magenaffectionen
verhält er sich normal. Line auffallende Vermehrung des Durstes
kommt bei Magenaffectionen mit daniederliegender Alagenmotion
vor, am ausgesprochensten bei Mageneotasie. Hier besteht zugleich
der diagnostisch ungemein wichtige Antagonismus zwischen Wasser-
einfuhr und Urinsecrction. Auch bei Ulcus ventriculi ist der Durst
und die Diuresc nicht selten gesteigert. Desgleichen besteht bei
manchen Alagenneurosen vermehrter Durst,
Das Verhalten des Geschmackes ist für die Diagnose von sehr <;Cschmac
beschränktem Werthe. Er kann bei schworen Magenaffectionen nor
mal, bei leichten in den verschiedensten Graden altcrirt sein. Fade,
pappig, bitter ist er häufig bei chronischen Gastritidcn und beim
Carcinom, faulig bei starken Gährungsprozessen und bei ulccrirenden
Carcinomen im Magen, desgleichen bei Zersetzungen im Gebiete der
Intestina, Auch bei nervösen Dyspepsieen kann der Geschmack
qualitativ verändert sein. Dagegen ist er bei Ulcus und bei allen
mit Superacidität verbundenen Magenstörungen gewöhnlich normal.
Selbstverständlich kann ein schlechter Geschmack auch durch Krank
heiten der Mundhöhle und des Pharynx bedingt sein. Auch cariöse
Zähne, Periodontitis, Alveolar- und Pulpaentzündungen, Tonsillarpröpfe
(J. Herzfeld)1) können faden, fauligen oder bitteren Geschmack
bedingen.
Die Beschaffenheit und Zahl der einzelnen Mahlzeiten kann Reiatioi
werth volle Anhaltspunkte für die Diagnose ergeben. Namentlich ist TnTiTrp
die Berücksichtigung der Diät für die Beurtheilung des Ernährungs- gewiew
zustandes, sowie von Körpergewichts-Zu- und Abnahmen von grossem
Werth. Sehr häufig sind nämlich Klagen über Gewichtsverlust nicht
sowohl, mindestens aber nicht allein der Ausdruck eines destruetiven
Leidens, sondern weit mehr der einer verkehrten Ernährung. So wird
uns z. B. ein Gewichtsverlust bei Personen, die längere Zeit hindurch
lediglich von Milch und Fleisch leben, nicht Wunder nehmen können,
ebenso wie auch die Abstinenz von Fett und Fette enthaltenden
Nahrungsmitteln verringerten Fettansatz bewirken muss.
Wie häufig wird nicht unter Ausscrachtlassung dieser scheinbar
trivialen Gesichtspunkte ein ernstes prognostisch ungünstiges Leiden
diagnosticirt, das sich bei richtiger Anordnung des Speisezettels als
gutartig erweist!
ij J. Ilerzfeld, Therapeutische Monatshefte 1897, Januarheft,
56 Die Anamnese,
Wichtig ist auch die Menge und Art der Getränke. Grosso
Quantitäten Flüssigkeiten, mögen sie in Suppen, Kaffee, Theo, Mineral
wässern oder alkoholischen Getränken bestehen, disponiren immer
zur Erschlaffung der Magenmuskulatur, wenngleich, wie die Studenten
zeit lehrt, der Magen nach dieser Hinsicht eine bewundernswerthe
Connivenz zeigt. Practisch ist von Wichtigkeit, dass der Suppeu
schi'endri'an in der von. manchen lerzten noch immer beliebten,
mögliehst ausgiebigen Anwendung nicht wenig zur Verschlim
merung vieler Magenleiden und zur Gewiehtsreduction führt.
Diagnostische Die anamnestischen Angaben über dysphuyische Beschwerden
BedderUng sind zwar ohne Zuhülfenahme der objeetiven Untersuchung kaum
Dysphagie, verwerthbar, vermögen indessen der Diagnose häufig eine bestimmte
Richtung zu geben. Hierbei hat man zunächst die Frage zu
ventiliren, ob den Schluckbeschwerden Deglutitionshindernisse oder
Hindernisse in der Passage zu Grunde liegen Erstere weisen auf
Affectionen des Pharynx, letztere auf solche im Bereich des Oeso
phagus hin. Von grösster Bedeutung bei letzteren ist der Grad der
Behinderung, welcher sich aus der augenblicklichen Ernährungsweise
des Kranken (feste, festweiche, flüssige Substanzen) ergiebt.
Nicht übersehen darf die Frage werden, ob die Schluckbe
schwerden nur zeitweilig vorhanden sind und ob Tage oder Stunden
mit normaler Durchgängigkeit der Speiseröhre vorkommen. Auch
ist zu eruiren, ob der Krampf oder Aehnliches unabhängig von der
Nahrungsaufnahme auftritt, Man würde unter diesen Umständen an
Oesophagismus zu denken haben.
Bei Verdacht auf Divertikel ist ein diagnostisch nicht werth-
loser Anhaltspunkt das Begurgitiren von Speisen oder Flüssigkeiten
und deren Character (sauer, fade, schleimumhüllt), obgleich letz
terem Punkte keine übergrosse Bedeutung zugemessen werden darf.
Ausserdem vermögen die Kranken selbst die Aufmerksamkeit des
Arztes auf eine gewisse Anschwellung der Halsgegend des typi
schen Sitzes der Oesophagusdivertikel — nach Nahrungsziifuhr zu
lenken.
Das Globusgefühl bei Hysterischen wird wohl kaum bei sorg
fältiger Erhebung der Anamnese unbeachtet bleiben, doch wird, wie
vielleicht hervorzuheben nicht überflüssig ist, ein dem Globus sehr
ähnliches Gefühl durch zähe, der Pharynx- oder Oesophaguswand
anliegende Schleiimnassen bewirkt,
Schmerzen während der Passage der Pissen ohne Stenose
sprechen für einfache und entzündliche Processe im Oesophagus
oder dessen nächster Eingebung (Mediastinum, Lymphdrüsen u. a.).
Die Anamnese. 57
Die Provenienz von Blutungen bei Dysphagie lässl sich in der
Hegel durch die anamnostischen Angaben nicht sicherstellen und er
fordert daher eingehende weitere Untersuchung.
Druck tm Epigastrium ist ein vielen Krankheiten des Magens Druck im
gemeinsames Symptom. Diagnostisch kann dasselbe daher zur Diffe- E]'"'
renzirung der in Betracht kommenden Affortionen kaum verwendet
werden. Doch kann der Grad des Druckgefühls vielleicht einen
Sehluss auf die Intensität der Digestionsstörung gestatten. In den
leichteren Fällen besteht kurz nach dem Essen ein leichter, erträg
licher, im Laufe der Verdauung schwindender Druck, während bei
schweren Oastropathieen der Druck Stunden lang anhält; in wieder
anderen Fällen stellt sich der Druck erst auf der Höhe der Magen
verdauung ein. Schliesslich giebt es Kranke, die stets ein Gefühl
von Druck und Völle in der Magengegend, selbst bei leerem Magen
empfinden; dieses Druckgefühl wird häufig durch Lebersehreellungen
hervorgerufen, kommt aber auch in einzelnen Fällen bei nerveisen
Magenaffectionen, bei Verstopfung, Hämorrhoiden u. a. vor.
Mit dem Druck ist häufig, aber nicht immer das Gefühl von ocruhi von
Völle verbunden. Meist geht mit dem letzteren auch das erstere
Fland in Hand, während umgekehrt Druck allein ohne Völlegefühl
vorkommt, Es gestattet ebensowenig wie der epigastrische Druck
irgend wie brauchbare diagnostische Schlüsse, indess niuss man bei
hochgradiger Völle in erster Linie an abnorm langes Verweilen der
Ingesta, also auf Störungen in der motorischen Sphäre denken.
Schmerzen in der Maigemjegend bilden ein ungemein bedeu- si-umer«
tungsvolles und diagnostisch wichtiges Symptom, wenn man sieb
Mag.en^'P
die Zeit nimmt, die Eocalisirung, die Intensität, den Character und
das zeitliche Auftreten derselben genau zu erheben. In erster
Reihe ist es wichtig, sich darüber zu unterrichten, ob die »Magen
schmerzen« wirklich vom Magen ausgehen Selbst intelligente Pa
tienten führen Schmerzen an irgend einer Stelle des Abdomens con-
sequent auf den Magen zurück. Man thut daher gut, diesen Behaup
tungen nicht zu viel Gewicht beizulegen und niuss hier neben
Cardialgieen an Cholelithiasis, Nephrolithiasis, Darmkoliken denken
und darauf hin examiniren. Hat die Anamnese es wahrscheinlich
gemacht, dass Magenschmerzen vorliegen, so kommt es darauf an
festzustellen, ob ein Zusammenhang zwischen letzteren und der
Nahrungsaufnahme besteht. Ein solcher Zusammenhang findet sich
theils bei organischen, theils bei nervösen Magenaffectionen, am
häufigsten bei ersteren. Es ist ferner von Interesse, dass eine
urosse Leihe chronischer Magenatfectionen ganz ohne Schmerz ver-
58 Die Anamnese.
laufen können. Dies ist z. B. bei den sogenannten subacuten Dys-
pepsieen ferner bei den meisten chronischen Magencatarrhen (im
engeren Sinne) in ihren verschiedenen Stadien, endlich auch bei
manchen nervösen Magenaffectionen der Fall. Auch Magencarci-
nome, wenn sie nicht, direct am Pylorus sitzen, können völlig
schmerzlos oder wenigstens ohne grössere Schmerzen verlaufen. Bei
Pvloruscarcinomen sind dagegen Schmerzen namentlich in vorge
schritteneren Stadien die Regel, Fehlen derselben zählt zu den Aus
nahmen.
Verschieden verhält es sich mit dem Schmerz bei Myasthenie
und Magendilatationen.; geringere Grade derselben können durch
aus ohne Schmerzen verlaufen, erst bei starken Abfiussbehindcrungen,
besonders aber bei Gährungsprocessen stellen sich (wohl infolge der
starken Gasansanimluiig, vielleicht auch wegen abnormer Reizungen
durch die hierbei gebildeten Toxine) mehr oder weniger hochgradige
Schmerzen ein. Jedenfalls deuten heftige Schmerzen bei Magendila
tation (falls frisches Ulcus und Carcinom auszuschliessen) auf wesent
liche Anomalieen im Magenchemismus hin.
Selten fehlt Schmerz beim Ulcus ventriculi oder duodeni.
Doch können Magengeschwüre, wie die zufällig bei Sectionen gefun
denen ITcusnarben und plötzliche, ohne vorgängige Erscheinungen
eintretende Perforationen eines Ulcus pepticum lehren, fast völlig
symptomlos verlaufen. Der UIcusschmerz hat einen ganz bestimmten
Character, der ihn von den übrigen an dieser Stelle vorkommenden
Schmerzarten in der Regel ziemlich scharf unterscheidet: er ist na
gend, brennend, wie von einer 'wunden Stelle herrührend. K o m m t
es zum Magenkrampf, so strahlt er entweder diametral oder seitlich
und hinten nach den Brustwirbeln zu aus. In seltenen Fällen ist
der Wirbelschmerz ausgesprochener als der epigastrische. Für Ulcus
ventriculi spricht das Eintreten des Schmerzanfalles etwa 80 bis
45 Minuten nach der Nahrungsaufnahme, bei Ulcus duodeni tritt
der Schmerz erst erheblich später (!)0 bis 120 Minuten) nach der
Nahrungsaufnahme auf. Bei letzterem ist der Ausgangspunkt des
Schmerzes in der linken ParaSternallinie, bei Ulcus ventriculi am
häufigsten genau in der Mittellinie. Im übrigen kommen für die
Differentialdiagnose im wesentlichen Gastralgieen und Cholelithiasis
in Betracht,
Sehr ähnlich, wenn nicht identisch sind die Schmerzattaquen,
wie sie bei hochgradiger Ilyperohlorhydrie auftreten. A m meisten
unterscheiden sie sich vom UIcusschmerz dadurch, dass Eiweissdar-
reichung (Milch Fleisch, Eier, Gallerten u, a.) sie auf kürzere Zeit
Die Anamnese. 59
i'egohnässig beseitigt, doch kommt dies auch zuweilen bei Ulcus vor
Wahrscheinlich wird der Superaciditätssclnner/ hervorgerufen durch
kleine, folliculäre Ulcerationen, die bei weiterer Einwirkung von In
sulten allmählich zunehmen und zur Bildung des tvpisehon Ulcus
führen. Denn dass Hyporchlorhydrie an sich keineswegs heftige
Schmerzen zu verursachen braucht, davon habe ich mich wiederholt
überzeugen können.
\ 011 grossem diagnostischen und prognostischen Interesse sind criscv,
periodische Gasfrulgieen, wie sie entweder aU Crises gastriques bei -a";trir|l"'s-
Tabes dorsalis oder als Vorläufer derselben oder als selbständige
Neurose vorkommen (Levden 1), H ö m o n d 2 ) , Boas 3), Vagedcs1))-
Der Schmerz, der in solchen Fällen nur selten ganz fehlt, zeichnet
sich durch eine ausserordentliche Acuität, durch krampfartige Zu-
saminenschiiürungen dos Epigastriums aus, die nach unten sowie nach
dem linken Hypochondriuni bis zur Wirbelsäule bin ausstrahlen. Meist
ist hiermit copiöses, sich über mehrere Tage, selbst Wochen hinziehen
des Erbrechen verbunden. Derartige in verschieden langen Inter
vallen auftretende Attaquen sind meist als InitiaEyinpt.omc von Tabes
aufzufassen, falls nicht andere Krankheiten zu Grunde liegen, welche
den Symptomenoomplex erklären.
Hierher gehört auch die Gustroxynsis (Hossbuch Ü) oder oastrox.vnsii
Gastro,eie (Lepine), bei welcher gleichfalls in unregelmässigen In
tervallen mitten im völligen Wohlbefinden plötzlich heftige, mit dem
Gefühl der Schärfe und Anälzung der Magenwand und intensiven
Kopfschmerzen einhergehende und in copiöses Erbrechen auslaufende
Schmerzen auftreten.
Zu erwähnen bleibt noch das sogen. Sodbrennen, die Pip-osis, eyrosis.
welches einmal durch Einwirkung scharf sauren, in den Oesophagus
regurgitirenden Chymusbreies (Pvrosis hydrorhloriea, Sticker)'1), so
dann leicht auch durch die im Verlaufe der Verdauung entstehenden
Gase (Ammoniak u. a,), eventuell auch durch organische Säuren hervor
gerufen wird. Doch können auch, wie Ale Naught gezeigt hat, bei
normalem Säuregehalt des Magens die Symptome der Pvrosis vor-
i) Levden, Zeitsclir. f. klin. Medicm 1882, Bd. 4, 11.4, S. (!05.
-') Remond, Arch. .ueueral. de medecine 1880.
3) Boas, Deutsche medicinische Wochenschrift lsso, Xo. 42.
4) Vagedcs. Inaug.-Diss. Berlin 180 1.
•
rn Ifusshach, Deutsches Archiv f. klin. Med. 188.1, Bd. :;.!.
<>) Sticker, Ilypersccrotion und llyperacidität des Magensaftes. Münchener
med. Wochcusehr. l.s,S(>, Nu. '02 u. oo.
60 Die Anamnese.
banden sein. E w a l d 1 ) , dem sich neuerdings auch v. Leube 2) an-
schliesst, glaubt das Sodbrennen als eine Art motorischer Neurose,
und zwar als einen Roizzustand der motorischen Sphäre ansehen zu
sollen.
Das Aufstossen kann je nach dem Character, den es zeigt,
schon ungefähr auf die Art dos Leidens hinweisen. Ist es andauernd,
krampfhaft und geschmacklos, so weist es ohne weiteres auf ein
nervöses Magenleiden (Kruetatio nervosa) hin. Desgleichen spricht
das Aufstossen und Hochkommen von Speisen für eine Neurose,
wahrscheinlich eine Cavdiupavese. Hierbei macht es einen Enter
schied, ob die Speisen ausgespieen oder nochmals hinuntergeschluckt
werden. Im letzteren Falle liegt Ruminution vor; häufig stellt das
Regurgitiren den ersten Beginn der Rumination dar.
Das Aufstossen kann ferner sauer sein: es ist dies nach meiner
Erfahrung selten durch Salzsäure, sondern meist durch organische
Säuren, speciell Milch- und Buttersäure bedingt, Nur wo scharf
ätzende, die Zähne stumpfende Massen in den Mund regurgitiren,
darf man an Superacidität, durch Salzsäure bedingt, denken. U m
gekehrt spricht fauliges, nach Schwefelwasserstoff riechendes oder
sonst fötides Aufstossen für hochgradige Gährungs-, bezw. Fäulniss-
processe im Magen. Auch die Provenienz des Aufstossens ist unter
Umständen nicht ohne Bedeutung. Zuweilen ist, wie ich mich mehr
fach überzeugen konnte, die Quelle des Aufstossens gar nicht der
Magen, sondern der Darm.
Su ist dies 55. B. hei einem meiner Patienten der Fall, bei dem ein höchst
explosives Aufstossen in fast regelmässigen Intervallen erfolgt. Die Auscultation
ergiebt, dass die Gasbildung zuerst im Colon descendens, sowie auch im Bezirk
der Dünndarnischlingen hörbar ist, erst einige Seeunden später hört man auch
im .Magen Geräusch, und dann erst erfolgt eine mit starkem Gepolter einher
gehende absatzweise Eructation. Bei demselben Patienten ergiebt die Auscultation
des Magens ausser den gewöhnlichen Geräuschen nichts abnormes, wohl dagegen
die Auscultation des Colon ascendens, descendens und der Dünndarnischlingen, an
welchen Partieen man kurz vor dem Anfalle ein starkes Sausen (wie das Rauschen
der Blätter im Walde bei starkem Wind) vernehmen kann.
Erwähnenswert!) ist noch, dass bei manchen Kranken die Eruc
tation, weil sie im Publicum als ein Zeichen des Wohlbefindens gilt,
sportmässig betrieben wird, woraus sich allmählich eine Frschlaffüng
der Cardia entwickeln kann.
>j kwald, Klinik der Verdauungskrankheiten IL 8. Aufl., S. ;10.1.
j^ v. Leube, Specielle Diagnose der inneren Krankheiten I, S. 240.
Die Anamnese. 61
Die auainiiestischon Angaben über Uebelkeit und besonders über
Erbrechen ~,jn,l von hoher serniotisrher Bedeutung, ja sie können
unter Umständen allein die Diagnose sichern.
Uebelkeit kommt bei einer grossen Leihe von Magenleiden vor, uebelkeit.
namentlich ist sie bei den verschiedenen Formen des chronischen
Mageneatarrhs ein häufiges Symptom. \uch beim Careinoin de>
.Magens kommt die Uebelkeit in Begleitung von Erbrechen oder auch
ohne dasselbe vor. Sie ist ferner auch ein häufiges Symptom des
Baudwurmleiden.s. Sodann kommt Uebelkeit bei verschiedenen ner
vösen Magenleiden vor; bei Myasthenie und Gastrectasie mit Gäli-
ruiigserschcinungen ist sie neben Erbrechen oder auch allein ein
häufiges Symptom. Auch bei Anäniieen und den damit verbundenen
dyspeptisehen Beschwerden gehören Uebclkcitcn zu den alltäglichen
Erscheinungen. In der Hegel schliesst sich das Gefühl von Uebel
keit oder Unbehagen unmittelbar an die Nahrungsaufnahme an, doch
kann es auch auf der Höhe der Verdauung eintreten. Uebelkeit bei
leerem Magen tritt häufig ein bei nervösen Magenleiden, besonders
bei Bulintie, bei Hysterischen, bei auf nervöser Basis beruhender
Ilyperacidität; hierbei wird die Uebelkeit durch Nahrungsaufnahme
meist schnell beseitigt,
Weit wichtiger noch ist das Erbrechen. Erbrc.her
Zunächst niuss man wohl unterscheiden, ob es sich bei dem in
Frage stehenden Falle u m wirkliches Erbrechen oder u m andere ähn
liche Zustände handelt. Fs kommen hiermit in Betracht: 1. Re. w. In keinem dieser Fälle darf man sich auf die Aus
sagen der Kranken verlassen sondern ist verpflichtet eine genaue
Inspeetion, bezw. Digitalexploration vorzunehmen.
Blähungen (Flatulenz) kommen sowohl als Begleiterscheinungen Flatulenz.
von Magen-, als auch Darmerkrankungen vor. Das zeitliche Auftreten
ergiebt oft einen brauchbaren Hinweis der Ursache der Flatulenz.
So spricht Auftreten bald nach dem Essen für abnorme Gasbildung
im Magen, während es nach Beendigung der Digestion auf Gährungs-
proecsse im Darm hindeutet, Der gut beobachtende Kranke weiss
häufig auch anzugeben, ob hierbei die Qualität der Ingesta (Gemüse,
Mehlspeisen u. a.) eine Rolle spielt. Periodisch in unregelmässigen
Intervallen auftretende Flatulenz, unabhhängig von der Art der Nah
rung, spricht für die nervöse Genesis der Störung. Kollern, Gurren
spricht gleichfalls für abnorme Fermentationsprooesso im Darm, die
Ursache derselben kann indessen ohne genaue Untersuchung nicht
festgestellt werden.
Subjeetiv waJirnehmbare pcristaltische Bewegungen im Ab- Peristaiusc
dornen beobachten zuweilen die Kranken selbst und geben es direct
an. Sie haben dabei das Gefühl, als wenn ein W u r m sich langsam
fortschlängelt (daher die sehr richtige Bezeichnung »wurmförmige
Bewegung«). Welchem Abschnitt diese in jedem Falle abnormen
Vorgänge entsprechen, muss die weitere Untersuchung lehren. Die
diagnostische Bedeutung derselben s. unter Inspeetion S. 70.
Bei manchen Individuen, die einen Tumor in ah domine herum- Premdkörp
tragen, besteht ein characteristisches Fremdkörpergefülil. Dies &efuhl-
kommt allerdings mehr bei verschieblichen, mit der Respiration auf_
und absteigenden Tumoren vor, doch auch bei Geschwülsten des
Magens wird es nicht so selten von den Kranken erwähnt, Die
Kranken vermögen auch ungefähre Angaben über den Sitz, die Grösse,
die Sehmerzhaftigkeit, das Wachsthum u. a. zu machen Dass solchen
Angaben ein wesentlicher diagnostischer Werth nicht beigemessen
werden darf, ist selbstverständlich, indessen kann man die Angaben
bei der Erhebung des Status praesens mitunter doch mit Vortheil,
aber auch mit \'orsicht benutzen.
5*
68 Die Krankenuntersuchung.
VIERTES CAPITEL.
Die Krankenuntersncliung.
1. Die Inspeetion.
Die Inspeetion, die bei der Diagnostik innerer Krankheiten
zwar keine so hervorragende Rolle als die übrigen Untersuchungs
methoden spielt, unter gewissen Umständen jedoch einen nicht zu
unterschätzenden Factor bei der Diagnose in sich schliesst, ist eins
der schwierigsten und ein nur durch grosse Uebung und Erfahrung
am Krankenbett zu erlernendes diagnostisches Hilfsmittel.
Die Inspeetion hat alle diejenigen Momente zu berücksichtigen,
die überhaupt bei der Diagnose eines inneren Leidens in Betracht
kommen. Für die genaue Diagnose von Digestionskrankheiten kom
men aber noch einige besonders wichtige Punkte hinzu, deren Kennt-
niss unerlässlich ist. Hierzu gehört in erster Linie eine sorgfältige
Inspeetion der Mundhöhle.
Dieselbe soll uns unterrichten: 1) über die Beschaffenheit der
Zähne und des Zahnfleisches, 2) über Aussehen und Yerhalten der
Zunge, 3) über etwaige Abnormitäten des Gaumens, 4) über den Zu
stand des Pharynx, eventuell auch des Nasenrachenraums!
inspeetion Das Aussehen und der Zustand der Zähne gewährt insofern An-
nundhönie. haltspunkte, als cariöse Zähne oder Gingivitis und Stomatitis sehr
leicht die Ursache eines Magenleidens bilden, bezw. es befördern
können. Ebenso kann der Mangel einer gehörigen Mastication bei
Fehlen von Zähnen hartnäckige, lang anhaltende Reizzustände des
Magens im Gefolge haben. Eine besondere Beachtung verdient auch
der Zustand etwa vorhandener Gebisse. Dieselben können bei tech
nisch mangelhafter Ausführung chronische Reizzustände der Zahn-
und Mundschleimhaut mit ihren ungünstigen Folgen für die Magen
verdauung nach sich ziehen. Ferner bilden, wie jeder erfahrene
Praktiker weiss, Gebisse bei ungenügender Sauberkeit wahre Brut
stätten für Pilzinvasion, die theils durch locale Reizung, theils
durch Hineingelangen in den Magen den Digestionsablauf stören
kann. Miller1) giebt in seinem mehrfach angezogenen, trefflichen
i) Miller, 1. c.
Die Kranken Untersuchung. 69
>>orke eine lehrreiche Darstellung dieser in der Praxis viel zu wenig
gewürdigten Thatsachen.
Das \ussefni»eti-n
zu den letzterwähnten diagnostischen Hilfsmitteln meines Erachtens
immer noch weit überschätzt. Ich kann nach Erfahrungen an
einem reichen Material Magen- und Darmkranker sagen dass die
diagnostische Bedeutung des Aussehens der Zunge, wenn auch nicht
vollkommen werfhlos, so doch von höchst untergeordneter Bedeutung
ist, Ich habe Patienten mit »belegten« Zungen gesehen, die sich
eines beneidenswertben Appetites und, wie die Sondenuntersuchung
lehrte, der besten Magenverdauung erfreuten, und ich kenne um
gekehrt Patienten mit den reinsten Zungen, die an Wochen- und
nionatolangor Anorexie litten. Namentlich auffallend ist die meist
glatte Beschaffenheit der Zunge bei Magenkrebs. Die Beschaffenheit
der Zunge ist im allgemeinen (von acuten fieberhaften Krankheits-
zuständen abgesehen) im wesentlichen nichts anderes als ein Aus
oder besser Abdruck der' Mund- oder Raeheuhö/ilenbesehaffeuheit.
Bei sorgfältiger Untersuchung der letzteren wird man kaum jemals
als Ursache der schlechten Zunge Zahncaries, Periodontitis, Gingivitis?
Stomatitis, Pharyngitis, Schwellungen im Nasenrachenraum, adenoide
Vegetationen, Salivation, veränderte Beschaffenheit des Mundspcichels
u. a. vermissen. Häufig sieht man auch bei absoluter Milchernährung
eine belegte Zunge, ohne dass der Magen hieran betheiligt ist. Erst
wenn man alle diese Zustände mit Sicherheit ausschliessen kann,
gewinnt der Gedanke eines Zusammenhangs der Zungenveränderiing
mit dem Magenleiden an Wahrscheinlichkeit. Aber selbst für diese
Fälle glaube ich mich auf Grund direct auf diesen Punkt gerichteter
Untersuchungen zu dem Schluss berechtigt, dass bei chronischen.
Verdauungsaffcctioiien 1) Appetenz und Beschaffenheit der Zunge
nicht in direetem, ersichtlichem Zusammenhang mit einander stehen,
•J) dass die Beschaffenheit der Zunge absolut keinen Schluss auf das
Verhalten des Magens, die Art und den Grad der Störung gestattet,
A m weichen Gaumen kommen am wesentlichsten die Bo- inspeetion
schatfenheit der Tonsillen (Grösse, Narben, Entzündungen, Geschwüre) t.^ha™.
in Betracht, insofern sie zu einer vermehrten Speicholsoeretion führen
und hierdurch zu Digestionsstörungen Veranlassung bieten können.
Der Pliarqnx ist besonders wegen der hauptsächlich bei
Rauchern und Potatoren häufigen chronischen Entzündung desselben
von grosser Bedeutung. Da nicht selten chronische Magenleiden
Eolgozustände verschleppter Pharyngitiden darstellen, so kann gerade
dieser Zusammenhang diagnostisch wie therapeutisch nicht sorgfältig
70 Die Krankenuntersuchung.
genug beachtet werden. Ich habe jahrelang als »Magencatarrhc« be
handelte Fälle nach Beseitigung des Pharynxcatarrhs in überraschend
kurzer Zeit heilen sehen.
inspeetion Die Inspeetion des Abdomens selbst bietet zwar in manchen
Abdomens Bällen nur spärliche, in anderen dagegen recht brauchbare Resultate,
Bevor man an die Inspeetion des Abdomens geht, muss man
sich klar machen, was man überhaupt sehen kann. Man kann unter
günstigen Verhältnissen, namentlich bei abnormer Luftansammlung',
die Umrisse des Magens, besonders seine vordere untere Fläche, bei
Dcscensus ventriculi die kleine und grosse Curvatur, ferner auch
Umrisse einzelner Darmschlingen oder selbst Darmpartieen sehen;
weiter kann man mehr oder weniger scharf hervortretende abnorme
Hervorwölbungen gewisser Theile der Abdominalwand oder, be
sonders bei dünnen Bauchdecken, Neubildungen erkennen und auch
deren Grösse und Grenzen einigermassen abschätzen. Namentlich
wenn Sonnenlicht oder von einer Sammellinse Lampenlicht vom
Kopfe des zu Untersuchenden her auf die Abdominalwand fällt, kann
man eine grosse Menge feiner Nuancen wahrnehmen, welche für dann
folgende Palpation eine brauchbare Directive bieten.
In manchen Fällen hat man Gelegenheit, peristaltische Bewe
gungen im Bereich des Magens und Darmcanals zu sehen. Die
selben sind entweder ohne weiteres sichtbar oder sie werden es auf
äussere Reize hin (Aetherspray, Faradisirung u. a.). In der Magen
gegend verlaufen die Bewegungen in der Richtung der physio
logischen Peristole, in seltenen Fällen (z. B. bei Enterostcnosen oder
auch bei hochgradiger Pylorusstenose) beobachtet man auch anti-
peristaltische Bewegungen.
peristaltische W o die abnormen Bewegungen am Magen stark ausgesprochen
mruhe.
g-n(1 un(1 aU(,|1 nnahhängig von der Nahrungsaufnahme vorkommen,
spricht man nach dem Vorgang von Kussmaul1) von »peristaltischer
Unruhe« des Magens. Dieselbe ist entweder der Ausdruck eines er
schwerten Exportes aus dem Magen und beweist immer eine Ver
engerung am Pförtner oder stellt eine Art Motilitätsneurose dar
(Tormina ventriculi nervosa). Ich habe Gelegenheit gehabt, einen
derartigen Fall von nervöser peristaltischer Unruhe des Dünn
darms mit gleichzeitig bestehender Obstipation und Schmerzen im
Bereich des Darmcanals längere Zeit zu beobachten.
i) Kussmaul, Die peristaltische Pnruhe des Magens etc. Volkmann's Samml.
klin. Vorträge No. 181, 1SS0.
Die Krankenuntersuchung. 7]
Eichhorst1) giebt in einigen Fällen an, während tles Lebens
das Botehen einer Sanduhrform dos Magens an einem tiefen Ab
schnitt etwa in der Mitte der grossen Curvatur erkannt und durch
die Section totgestellt zu haben. Auch ich verfüge über einen Fall
von Gastrectasie mit deutlich sichtbarer Sandurtheiluug des Magens,
allerdings ohne Seetionsbefund.
1 ober die Inspeetion dv< Magens nach Kolileiisäureaufblähung
s. S 102.
2. Die Palpation des Magens.
Die Palpation des Magens ist ein (Ren so schwieriger wie an
diagnostischen Ergebnissen fruchtbarer Theil der Untersuchungs-
methoden. Sie ist gleichsam die Quintessenz aller diagnostischen
Eiiehciroson und als solche unentbehrlich. Allerdings ist es mit dem
»blossen Hineingreifen ins volle Menschenleben« nicht gethan, als
Bedingung niuss vielmehr gelten, denkend zu palpiren und pal-
pirend zu danken.
Die Technik des Palpirens ist, wie leicht hegreiflich, nicht aus Beschrei-
hungen zu lernen, sondern es kommt hierbei mehr oder weniger auf die persön
liche Fehung an. Febrigens weicht auch die Technik *\vv Palpation hei ver
schiedenen Untersuchen] in weiten Grenzen ah. So z. B. wird von manchen
hervorragenden Aerzten mit flachen, von anderen mit gekrümmten Fingern
palpirf, manche Aerzte halten das Anziehen der Kniee bei der Palpation des
Abdomens für erleichternd, andere nicht. Trotzdem halten sich im Laufe der
Jahre einige allgemein bewährte Grundsätze eingebürgert. Ich werde gleichzeitig
mit diesen meine eigenen Erfahrungen in folgenden Punkten foriniitiren. 1) Eine
gründliche Palpation hat zur Voraussetzung, dass der Verdauungscanal leer ist;
indessen stört in vielen Fällen massige Füllung des Magens und Darmes die
Palpation nicht. Bei starker Füllung oder bei Auftreibung des Leibes durch
Gase oder reichlichen Inhalt ist eine Entleerung des .Magens (durch Sonden-
einführung) und des f»armes (durch Irrigation) unbedingt nothwendig. 2> Die
Palpation hat mit genügend erwärmter Hand zu geschehen, Berührung mit
kalten Fingern ist nicht allein für den Patienten unangenehm, sondern er
schwert auch die Procedur wegen der hierbei auftretenden reflcctorischen
Spannung der Bauchdecken. .">) Die Palpation niuss stets in Rückenlage vor
genommen werden, weil nur so die nöthige Entspannung der Abdoniinalwand
bewirkt wird; man kann zwar zuweilen die Palpationsergelmisse in Rückenlage
mit denen in stehender Stellung vergleichen, bezw. sie zuweilen selbst ergänzen,
im wesentlichen alter vermag man in der Regel in Rückenlage alle der Palpation
überhaupt zugänglichen Theile am sichersten und schärfsten durchzuführen.'-'} -L F m
auch sonst den nöthigen Entspannungsgrad zu erreichen, thut man gut, die Auf
merksamkeit des Patienten durch Fragen anamnestischer oder mit dvv eigent-
M Eichhorst, Lehrbuch der physikalischen Untersuchungsmethoden, Bd. II.,
S. 107.
-j Von Chlapowski. Lennhoff, Schuster u. A. ist neuerdings die Palpation im
Bade, besonders zur Erkennung zweifelhafter Tumoren, lebhaft empfohlen worden.
72 Die Krankenuntersuchung.
liehen Krankheit in keinem Zusammenhang stehender Natur von dem unter
such tingsub je et abzulenken. 5) Bei manchen Patienten ist Beugung der Kniee
oder auch Hüftgelenke behufs Erschlaffung cmpfchlenswerth, in anderen ist auch
hierdurch wenig zu erreichen. (>) Dagegen ist kurzes schnelles Athmen fast
immer von günstigem Einfluss. 7) Ein für alle Tumoren des Abdomens empfeh-
lenswerther Handgriff besteht in der bimanuellen Palpation, die theils so zu
geschehen hat, dass man sich mit der einen Hand den fraglichen Tumor ent
gegendrückt, so dass dann die andere ihn bequem abtasten kann. In vielen
Fällen hat es sich mir bei Tumoren des Magens, Darms und der Leber, des
Pancreas, der Milz u. a. zweckmässig erleichternd erwiesen, mit der einen
Hand einen kräftigen Druck auf den Rücken zu üben und hierdurch tiefliegende
Neoplasmen der palpirenden Hand zu nähern.]) 8) Häufig wird ein Tumor des
Magens erst in linker oder rechter Seitenlage gefühlt, der sonst der Palpation un
zugänglich ist oder Schwierigkeiten bereitet. 9) Bei genügender Erschlaffung ist
in erster Linie eine kurze Orientirang über die Topographie der Abdominal
organe äusserst wichtig. Man palpire demnach vom Epigastrium anfangend der
Reihe nach das Mcsogastrium, die Hypochondrien, die Pnibilicalgegend, die Regio
iliaca, bezw. die Ileocöcalgegend, das Hypogastrium und die Inguinalgegend.
Hierbei achte man sofort auf etwaige Schnierzhaftigkeit, überzeuge sich von der
Beschaffenheit der Bruchpforten und achte auf das Vorhandensein einer abnormen
Resistenz, auf etwa vorhandene acustische Phänomene. Plätschern, Gurren oder
eine Neubildung und sonstige Abnormitäten. 10) Es folgt jetzt eine nochmalige
systematische Palpation der wichtigsten Abdominalorgane. Man beginnt zweck
mässig mit der Abtastung der Magengegend, berücksichtigt sofort das Quercolon,
palpirt die Leber- und Gallenblasengegend, geht dann das Colon abwärts, tastet
die Dünndarmpartieen ab, geht zum Colon descendens und palpirt die Milzgegend.
Bei der Häufigkeit von dislocirten oder Wandernieren thut man in jedem Falle
gut, beide-Nieren gegenden bei der Palpation der betreffenden Colonabschnitte mit
zu berücksichtigen. 11) Der Palpation des Abdomens hat bei Frauen die Unter
suchung der Genitalien bei irgend welchem Verdacht auf organische Erkrankungen
zu folgen. 12) Bei Männern mid Frauen thut man gut, in den meisten Fällen
die Untersuchung per rectum vorzunehmen und hierbei auf etwaige Fissuren, Proc-
titis oder Periproctitis Analfisteln, Hämorrhoiden, Geschwülste oder Geschwüre
sorgfältig zu achten. Wo Blutungen, Schleim- oder Eiterabsonderung aus dem
Mastdarm staltfinden darf, die Rectalexploration nie versäumt werden.-)
Hat die in der genannten Weise ausgeführte Palpation ein ano
males Verhalten ergeben, so ist dasselbe weiter genau zu prüfen.
In Betracht kommen hierbei:
!) Feh erinnere mich mehrerer Fälle meiner Consultativpraxis, bei denen
die betreffenden Collegen einen Tumor trotz genauester Untersuchung nicht zu
fühlen vermochten, während er mittelst des erwähnten Handgriffes mit über
raschender Deutlichkeit zu Tage trat.
'*) L e u b e erwähnt in seiner ausgezeichneten «Diagnostik innerer Krank
heiten«, wie oft von anderen Aerztcn als Hämorrhoidalleiden diagnosticirte Fälle
sich als Carcinome des b'ectuins entpuppt hätten. Ich kann mich auf Grund der
gleichen in den letzten Jahren mindestens ."> Mal gemachte Erfahrung, wobei es
sich übrigens stets u m jüngere Individuen handelte, dem eindringlichen Rath
dieses erfahrenen Forschers in jeder Hinsicht ansehlicssen.
Die Krankenuntersuchung. 73
a) Druckempfindlichkeit, S c h m e r z , Druckpunkte.
Man stellt zunächst den Ort und die Ausbreitung der schmerz
empfindlichen Gegend fest, wodurch man Anhaltspunkte gewinnt,
welchem Theile der Bauchhöhle dieselbe angehört. Schmerzhaftigkeit
der liegio epigastrica ist nicht immer auf den Magen zu beziehen,
da auch Entzündung und Schwellung des linken Febcrlappons, viel
leicht auch des Pancreas, schmerzhaften Druck hervorrufen kann.
Auch Schmerzhaftigkeit in der Gegend der grossen Curvatur spricht
keineswegs in allen Fällen für Betheiligung des Magens, sondern
mit derselben Wahrscheinlichkeit für Affection des Quoreolon. des
Dünndarms oder des Netzes, Eine sichere Eocalisirung der schmerz
haften Partie ist, falls der Magen nicht nach unten dislocirt ist, fin
den Pylorus und die regio pylorica. sowie die Gegend der kleinen
Uurvatur, da beide von der Leber bedeckt sind, unmöglich oder
mindestens unsicher.
Diagnostisch wesentlich verschieden sind Druokcinptindliohkeit,
directer eircumseripter oder auch diffuser Schmerz und Druckpunkte
theils im Gebiete dax Magens, theils am Dorsum.
DruckempflndJiehkeit prägt sich dadurch aus, das der Patient Druck
beim Palpiren des Epigastriums — u m dieses handelt es sich ja in ' nip[|oit!
der Pegel -- eine nicht genauer zu definirende, unangenehme Empfin
dung, aber keinen Schmerz hat.1) Es ist diese Druekompfindliehkeit
ein häutiges aber durchaus nicht immer vorhandenes Symptom bei
chronischen Entzündungszuständen der Magenschleimhaut der verschie
densten Art, also namentlich bei der chronischen Gastritis in ihren
verschiedenen Stadien, bei Neurosen des Magens, bei Verdickung der
Pylorusmuskulatur, bei fiäehenhaft wachsenden, noch nicht bis zur
Palpation fortgeschrittenen Carcinomen u. a. Auch beim Ulcus ven
triculi (s. u.) kann Druckempfindlichkeit, namentlich in späteren
Stadien, bei nicht völliger Vernarbung, bei etwaigen Verwachsungen
u. s. w. bestehen. Man sieht hieraus, dass die Druekompfindliehkeit
allein zu keinem oder nur zu einem höchst vorsichtigen diagnostischen
Schluss berechtigt.
M Für den Anfänger sei bemerkt, dass jeder brüsque Druck auf die Magen
gegend nicht allein für den Kranken sein- unangenehm ist sondern auch sehr
leicht pathologische Zustände vortäuscht. Man vergesse nie. dass das Epigastrium,
zumal bei fettarmen Personen, auch schon normaler Weise auf starken Druck
schmerzhaft ist.
74 Die Krankenuntersuchung.
Dor ch-cum- Der eigen.fliche, circumscripta^ chronische Schmerz hat etwas
g^ensojimVrz. *o Charaetcristisehes, dass es ihn von allen übrigen Formen des
Magenschmerzes scharf scheidet. Dieser Schmerz ist »wund«, bren
nend, höchst unangenehm, so dass der Patient beim Palpircn nicht
selten Abwehrbewegungen macht. Ein recht häutiges Zeichen des
typischen Magenschmerzes, das ich regelmässig Gelegenheit habe,
meinen Zuhörern zu demonstriren, ist das schmerzhafte Verziehen
des Gesichtes schon bei vorsichtiger Berührung der betreffenden Stelle.
Zuweilen, aber keineswegs constant, wird bei Betastung der schmerz
haften Stelle ein diametral gelegener Schmerzpunkt an der Wirbel
säule angegeben, ja in einzelnen Fällen überwiegt die Schmerzhaftig
keit an jener Stelle die im Epigastrium. Diese Art der Schmerzem-
pfindung ist, wo sie deutlich ausgesprochen und scharf auf den Magen-
bezirk localisirt ist, ein ungemein werthvolles diagnostisches Zeichen
für das Bestehen eines Ulcus ventriculi oder — was praktisch das
selbe ist — hämorrhagischer Erosionen. Hiermit soll indessen nicht
gesagt sein, dass ein minder heftiger Schmerz den Verdacht auf
Ulcus ausschlicsst. Acut- oder chronisch-entzündliche Verwachsungen
oder Verklebungcn von Magen- mit Darmabschnitten können zwar
dem Ulcus ähnliche Schmerzhaftigkeit hervorrufen, in solchen Fällen
muss aber stets das ätiologische Moment (Trauma, Peritonitis, Phleg
mone des Magens) nachweisbar sein.
Diffuse Diffuse, d. h. über den ganzen epigastralen Theil des Magens
schmerz- selbst bis zum Nabel ausstrahlende Schmerzhaftigkeit kommt 1. bei
haftigkoit.. ,
phlegmonöser Gastritis. 2. bei Perigastritis, .3. bei perforativer Ver
wachsung des Magens mit Nachbarorganen, namentlich dem Quer-
colon oder Pancreas und der Leber, dem Duodenum u. a. nach Ulcus-
durchbruch vor. Die erstere ist vom Ulcus durch das Fieber, die
hochgradigen Collapscrscheinungen, den Meteorismus zu unterscheiden,
die letztere u. a. durch die dem Bilde der acuten Peritonitis gleichende,
bei leisester Berührung zu den schwersten Paroxysmen sich steigernde
Schmerzhaftigkeit, auch sonst durch die schweren Allgemeinerschei-
nungen. Für Perigastritis sprechen starke Druckempfindlichkeit des
gesammton Epigastriums oder ein starker Schmerz lud Druck hart am
linken unteren Thoraxrand, besonders wenn er sich bei starkem
Becken oder Bückwärtsbeugen äussert. Doch lassen die genannten
Symptome immerhin nur eine Vermuthungsdiagnose zu.
Aus dem Sitz des Ulcusschmerzes kann die Differontialdiagnose
zwischen Ulcus ventriculi oder eluodeni unter günstigen Bedingungen
entschieden werden. W o z. B. die Schmerzhaftigkeit constant rechts
von der Mittellinie, in der Linea parasternalis sich befindet, wo ausser-
Die Kranken Untersuchung i o
dem auch spontan die genannte Stelle Sitz der Schmerzen ist, wo ferner
kein Bluterbrechen, sondern ausschliesslich Blutabgaim in der charac-
toristisehcn Form per rectum erfolgt ist, gewinnt die Diagnose Ulcus
duodeni wesentlich an Wahrscheinlichkeit. Praktisch ist ührieens
diese Scheidung, die, wie gesagt, nur unter günstigen Umständen
mit annähernder Sicherheit ermöglicht wird, ohne wesentliche Be
deutung, da sowohl die klinischen Erscheinungen im acuten Stadium,
als auch die Folgezustände und schliesslich auch die Therapie in
Nichts von denen beim Ulcus ventriculi abweichen.
Schmerzhafte Druckpunkte im Bereich der vorderen M;mon- in-n.-kpunk<.o.
fläche kommen nicht selten zur Beobachtung. Dieselben unterscheiden
sich nach meinen Beobachtungen dadurch, dass sie weit weniger
heftig sind, tiefer liegen, auch nicht einer eorrospondirenden Stelle
an der Wirbelsäule entsprechen. Die am häufigsten in Betracht
kommenden Druckpunkte betreffen die Gegend des Plexus coeliacus
s. solaris (die Arteria coeliaca umgebend), und des Plexus aorticus
abdominalis.
Häufig sind mehrere eircumseripte Druckpunkte zu beobachten,
von denen einzelne selbst ausserhalb der Magengrenzen liegen. In
solchen Fällen kann man Ileus mit grosser Wahrscheinlichkeit aus-
schliessen, in anderen müssen die übrigen Momente für die Diagnose
herangezogen werden. Da es sich bei Vorkommen von multiplen
schmerzhaften Druckpunkten wesentlich um die Frage handelt, ob
nervöse Dyspepsie vorliegt und da, gleichzeitig mit letzterer in der
Pegel andere Nervengebiete functionelle Anomalleen zeigen, so wird
bei sorgfältiger Berücksichtigung dieser Punkte tue Entscheidung nur
selten auf Schwierigkeiten stossen. Doch darf nicht vergessen wer
den, dass Ulcus ventriculi sich auch bei Neurasfhenikern, bezw. bei
nervöser Dyspepsie etabliren kann.
Nicht selten kommen subjeetive und objeetive Schnierzcmprin-
dungen am Magen bei epiga st ri sehen Hernien (Ilerniae lineae albno)
vor. Sie liegen besonders in der oberen Hälfte der Medianlinie,
mehr oder weniger weit vom Xabelring entfernt, sind von sehr be
scheidener Grösse oder erreichen einen ausserordentlichen Umfang:
sie sind bald mehr, bald weniger schmerzempfindlich und lassen zu
weilen ein cigenfhümliches Phänomen (Spritzphänonion, Litten),
ähnlich dem bekannten llydatidenschwirren, erkennen. Sie bestehen
meist aus Nefzparticen. Näheres darüber s. im spccicllen Theil.
Eine nicht geringe diagnostische Bedeutung kommt, worauf ich
zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt habe, den Druckpunkten au.
der Wirbelsäule zu.
76 Die Krankenuntersuchung.
Wir können hiervon unterscheiden: 1) Druckpunkte oder besser
Druckbezirke bei Ulcus ventriculi, 2) bei Cholelithiasis, 3) bei Gastro-
neurosen. Die crsteren haben bei Ulcus ventriculi, wo sie sich
mindestens in einem Drittel aller Fälle finden, ihren Sitz links von
der Wirbelsäule, hart um Körper des 12. Brustwirbels. Davon
kommen, wie das bei der Veränderlichkeit des Alagens und des
Geschwürssitzes nicht Wunder nehmen kann, gelegentlich auch Ab
weichungen vor: indem der Schmerzbezirk höher, etwa am 10.
oder 11. Brustwirbel, oder tiefer bis zur Höhe des ersten Lenden
wirbels liegen kann. Gelegentlich findet man eine correspon-
dirende Schmerzhaftigkeit auf der rechten Seite, doch ist in diesem
Falle der links gelegene Druckpunkt der empfindlichere; zuweilen
ist nur die rechte Seite, und zwar hart am Wirbelkörper Sitz der
Schmerzhaftigkeit. Namentlich ist dies beim Sitz des Ileus am
Pylorus oder Duodenum der Fall.
Der Druckbezirk bei Cholelithiasis befindet sich gleichfalls in
der Gegend des 12. Brustwirbels, aber 2 — 3 Fingerbreit von den
Wirbelkörpern entfernt. Derselbe dehnt sich von da aus häufig noch
weiter nach rechts hin aus, bisweilen bis zur hinteren Axillarlinie.
Linksseitig findet man entweder gar keine oder eine erheblich ge
ringere Schmerzhaftigkeit. Ausser dieser localen Druckernpfindlich-
keit kommt in acuten Anfällen noch eine diffuse, sich über die ganze
hintere Leberfläche erstreckende Schmerzhaftigkeit vor. Die erst
genannte kann Wochen und Monate lang nach dem Anfall noch be
stehen bleiben und auf diese Weise in zweifelhaften Fällen die
Diagnose auch da ermöglichen helfen, wo die Leberschwellung be
reits lange vorüber ist.
Im Gegensatz zu diesen local gut begrenzten Druckbezirken
findet man bei Neurosen des Magens die allerverschiedensten Schmerz
zonen, bald rechts, bald links stärker ausgeprägt, bald mehr in Form
einzelner unzusammenhängender Bezirke, theils in Form mehr diffuser,
einen grossen Theil des Bückcns einnehmender Partieen, theils hart
an die Wirbelkörper angrenzend, theils mehr die seitlichen Partieen
umfassend. Die folgenden drei Schemata stellen Typen der drei
verschiedenen Formen von Druckpunkten an der Wirbelsäule dar
(s. Fig. 6).
W e n n von einzelnen Autoren diese praktisch wichtigen Druck
punkte theils gänzlich ignorirt, theils (Biegel1) gering angeschlagen
i) liiegel, Die Erkrankungen des Magens, I. Th., S. 27.
Die Krankenuntersuchung. 77
werden (nur L e o 1 ) hält sie für diagnostisch verwerthbar), so niuss
ich demgegenüber nach jahrelanger Prüfung die Wichtigkeit derselben
aufs Neue hervorheben. In wirklich typischen Fällen von Ulcus
Fig. 6.
Typischer Druckpunkt bei
Ulcus ventriculi.
b. '1 ypischer Druckpunkt
Cholelithiasis.
*K .'7
K:
/ / QliQ K \
<-. Druckbezirke bei Magenneurosen.
und Uholelithiasis dürften dieselben bei sorgfältiger Untersuchung
selten ganz vermisst werden, in anderen Fällen k o m m e n sie wenigstens
so häufig vor dass sie die zweifelhafte Diagnose stützen, zuweilen
i) Leo, Diagnostik der Krankheiten der Bauehorgane, 2. Aufl., S. 'S~t
78 Die Krankenuntersuchung.
Fig. 7.
erst ermöglichen. In einer grossen Reihe von Fällen habe ich auf
Grund der Druckpunkte die Diagnose Cholelithiasis gestellt, wo bis
dahin von sehr hervorragender Seite Ulcus ventriculi diagnosticirt
war: meine Diagnose wurde durch späteren Abgang von Concre-
menten und Icterus bestätigt.
Behufs Messung der Intensität des Schmerzes an einem be
stimmten Abschnitt des Gastrointestinaltractus hat sich ein von mir
construirter »Algesimeter-(0) ausser
ordentlich bewährt. Der Apparat
(s. Fig. 7) besteht aus einem Hohl-
cylinder, in welchem sich eine Spi
ralfeder befindet. An dem Cylinder
ist eine ganze, halbe und viertel
Theilstriche aufweisende Scala an
gebracht, welche die Belastung der
Spiralfeder, und zwar von 0,5 bis
10 Kilo anzeigt. Eine u m den Cy-
linder gelegte Feder folgt der Spi
rale so, dass man nach erfolgter Com-
pression unmittelbar den mittelst des
Handgriffs auf die Unterfläche aus
geübton Druck an der Scala ablesen
kann. U m einen Schmerzbezirk ge
nau abzugrenzen, kann der Apparat
an seinem unteren Ende mit drei
verschiedenen pelottenartigen, leicht
abhebbaren Ansätzen armirt werden.
Die Prüfung der Schmerzhaftigkeit
des Epigastrium hat nun folgende
Resultate ergeben:. Bei normalem
Magen beträgt die Druckempfindlich
keit von 5 Kilo aufwärts bis zu
10 Kilo. A m ausgesprochensten ist
Algesimeter. . , .,., . . . . . . .
sie bei l lcus ventriculi; sie schwankt
hier zwischen 0,5—3 Kilo-). Geht die Schmerztoleranz darüber
!) Zu beziehen durch Instrunientcnmachcr W . Tasch, Berlin, Oranienburger
strasse 27.
2) Auch bei acuter Gastritis und Gastroenteritis kann eine circumscripte
und ausgeprägte Schmerzhaftigkeit bestehen, doch ist das Leiden durch den Ver
lauf und den übrigen Syinptoinencomplex so scharf characterisirt, dass falsche
Deutungen kaum denkbar sind.
Die Krankenuntersuchung. 7 Magens, sowie etwaige abnorme von demselben aus
gehende Neubildungen festzustellen.
Technik der Percussion des .Magens.
Die Percussion des Magens erfordert gegenüber den supradiaphragmal ge- Tivhnik der
legenen Organen eine ausserordentlich subtile Technik. Fs handelt sich hier zu- PerctisMon.
weilen tun die Abgrenzung der allerfeinsten Kchalldifferenzen, falls den Resultaten
eine brauchbare diagnostische Bedeutung beigemessen werden soll. Daher ist zur
Festslellung der Magengrenzen ausschliesslich die Fingerpercussion anzuwenden,
besonders auch deshalb, weil dvr ]iercutirende Finger bei einiger Uebung durch
die Palpation den Befund controlliren, bezw. ergänzen kann. Die Fingerpercussion
hat im allgemeinen leise zu geschehen, namentlich ist behufs Feststellung <](,'v
unteren Magengrenze ausschliesslich leise Percussion anzuwenden, während bei
Abgrenzung des von der linken Lunge überlagerten Fundusabschnittes etwas
stärkere Percussion unter Umständen zweckdienlicher ist.
A m geeignetsten für die Percussion des Magens ist die Rückenlage, da
hierbei die Bauchmuskulatur genügend entspannt wird; sie ist diejenige Lage,
bei der sich die Abgrenzung am genauesten vornehmen lässt doch ist unter
Umständen auch die Percussion bei aufrechtem Körper von Nutzen, namentlich
bei gefülltem Magen, da hierbei die Flüssigkeit nach vorn tritt, was die Bestim
mung der unteren Magengrenze wesentlich erleichtert. Freilich darf man nicht
vergessen, dass das Resultat der Percussion bei aufrechter Körperstellung durch
die in contrahirtem Zustande schon an sich eine leichte Dämpfung gebende
Bauchmuskulatur nicht unwesentlich alterirt wird.
In anderen Fällen ist auch Percussion in Seitenlage mit Vortheil verwend
bar, indem hierbei der flüssige Mageninhalt nach der Seite fällt, auf der der
Kranke liegt, wobei die in Rückenlage gedämpft klingende Zone tynipanitisch
erscheint.
Welchen Theil des Magens man zuerst percutirt, ob man von oben oder
von unten, in der Mammillar- oder ParaSternallinie beginnt, ist von keiner ein
schneidenden Bedeutung. Man percutirt nach meiner Ansicht am besten zunächst
die untere Grenze, als die wichtigste Orientirungslinie und zwar in der verlän
gerten Parasternallinie von der Symphyse an aufwärts. Sodann percutirt man
von der 4. Eippe abwärts nach der vorderen Axillarlinie, bis man auf tympani-
tischen Schall kommt. Von dieser durch Blaustift zu bezeichnenden Crenzc wen
det man sich in horizontaler Richtung nach rechts, bis man auf den Dämpfung's-
bezirk kommt, der durch den Debergang des unteren Leberrandes mit der unteren
llcrzgrenze (etwa im ö. Intcrcostalraum zwischen Parasternal- und Mammillarlinie)
bezeichnet wird. Denkt man sich die genannte Linie bis zum Rippenrand ver
längert, so hat man ungefähr den ganzen im Ilypochondriuni liegenden Fundus
theil umschrieben.
Leichtonstern"1) machte den Vorschlag, die untere Magengrenze mittelst
»Stäbchen-Plessinieterpercussion« zu bestimmen. W e n n man nämlich den Magen
i) Leichtenstern, Deutsche Klinik 1873, Xo. 23.
S6 Die Krankenuntersuchung.
auscultirt und gleichzeitig in der Nähe des Stethoskops das Plessimeter mit einem
metallenen Körper (z.B. mit einem silbernen Katheter) percutirt, so gelingt es
meist einen schönen Metallklang über dem Magen hervorzurufen, der sich von
dem gleichfalls Metallklang gellenden Colon acustisch gut differenziren lasse.
Die Methode, die nach Weil1) zu Täuschungen Veranlassung geben kann, hat
sich in der Praxis nicht eingebürgert.
Es handelt sich bei der Percussion des Magens (s. Fig. 8 u. !))
lediglich u m den der vorderen Thorax-, bezw. Bauchwand anliegenden
Abschnitt, da dieser in der Begel allein der Percussion zugängig ist.
Fig. 8.
Lage des Magens, von vorn gesehen.
1. Magen. 2. Leber. 3. Herz. 4. Lungen. 5. (komplementäre Pleuraräume.
6. Colon transversum.
(Nach Eichhorst.)
Indessen gilt dies nur für normale Verhältnisse und auch da nur
unter gewissen Umstanden. Ist nämlich der Magen in tote nach
abwärts gerückt, so kann auch die kleine Curvatur bei stark ge
fülltem Organ in ihrer ganzen Ausdehnung percutorisch gegen die
') Weil, Handbuch u. Atlas der topograph. Percussion. 2. Aufl. 1880, S. 173.
Die Krankenuntersuchung. 87
Ueber abgegrenzt werden. Dasselbe ist auch zuweilen bei normaler
Magongrössc möglich, wenn man den Magen stark mit Luft anfüllt,
Es handelt sich bei der Percussion des Magens um die folgen
den Grenzen:
1. Die untere Grenze;
'1. Die obere Grenze;
o. Die rechte Grenze;
4. Die linke Grenze.
Fig. 9.
kann
ähnlic
Sie w
(also
weist
Lage des Magens, von hinten gesehen.
1. Magen. 2. Milz. 3. Nieren.
(Nach Eichhorst.)
Die Bestimmung der unteren, der Hauptgrenze des Magens
wegen der Angrenzung an das acustisch gleichen oder sehr
hen Klang gebende Quercolon auf Schwierigkeiten stossen.
Percussion
der unteren
Grenze.
rerden am grössten sein, falls beide denselben Inhalt haben
beide Luft oder Luft und feste Substanzen u. s. w.). Dies
uns zugleich auf den einzuschlagenden W e g hin: es ist noth-
88 Die Krankenuntersuelmng.
wendig, gut differenzirbure Sehalldifferenzen zwischen beiden In-
testinalabschnitten zu schaffen. Enthalten z. B. Quercohui und Magen
nur Luft, so kann man den letzteren mit Wasser füllen, wodurch an
Stelle des früheren nicht differenzirbaren, laut tympanitischer ge
dämpft tympanitischer oder sogar gedämpfter Schall tritt. Enthält
das Guercolon und der Magen feste Substanzen, so kann die Ab
grenzung zwischen beiden, falls man nicht auf andere Hilfsmittel
(Aufblähung) recurrirt, resultatlos bleiben; indessen ist auch in
solchen Fällen zwischen dem in diesem Falle starke Dämpfung auf
weisenden Gucrcolon und dem meist tympanitisch gedämpften Magen
schall eine Differenz erkennbar. Dass in solchen übrigens nicht
häutigen Fällen eine zweite Untersuchung nach erfolgreicher Darm-
evaeuirung folgen muss, ist bereits früher (S. (UV) betont. Bei flüssigem
Inhalt im Colon wird man, wie P a c a n o w s k D ) mit Becht hervor
hebt, in aufrechter Stellung, wo sich der Darminhalt nach unten
senkt, zwischen Magen und Darm eine Zone hell tympanitischen
Schalles erhalten, der bei Bückenlagc wieder schwindet.
Methode von Die Erfahrung lehrt indessen, dass in einer nicht geringen Zahl
un^Dehio v o n Fällen die Abgrenzung nach unten brauchbare Resultate nicht
ergiebt. Alan benutzt daher, wie bereits erwähnt, künstliche Schall
differenzen meist in Gestalt von Luft (s. S. 102) oder Flüssigkeits
einführung in den Magen. Die letztere, zuerst von Piorry in
neuerer Zeit von Penzoldt-) empfohlen, beruht auf folgenden Beob
achtungen: Lässt man einen Gesunden bei nüchternem Magen 1 Liter
Flüssigkeit trinken, so befindet sich die der grossen Curvatur ent
sprechende Dämpfung stets oberhalb des Nabels. Bei eetatischem
Magen dagegen kommt die Dämpfung mehr oder weniger tief unter
Nabelhöhe zu stehen.
Noch zweckmässiger und eleganter ist die von Pehio 3) ge
gebene Modification des Piorry-Penzoldt'schen Verfahrens. Der
selbe lässt zunächst Vi Liter Wasser trinken und bestimmt die Lage
der grossen Curvatur, darauf folgen in kurzen Abständen noch drei
mal Dosen von je Vi Liter Wasser. Der gesunde Magen erreicht
dann, wie oben erwähnt, die Nabelhöhe nicht, während der mecha-
nisch-insufficiente Magen dieselbe weit überschreiten kann. Auch ge
stattet diese Methode, was sie uns besonders werthvoll erscheinen
lässt, den Tonus der Magenmuskulatur zu prüfen, indem bei My-
V Pacanowski, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 40.
*) Penzoldt, Die Magenerweiterung. Erlangen 1877.
•
!) Dehio, Verhandlungen des siebenten Congresses für innere Mcdicin. 1888.
Die Krankenunteisuchung. 'S1)
asthenie schon nach 1 bis •_> Glas Walser der Magen schnell nach unten
sink!. Es irostattel dieses Vorfahren also auch ohne Zuhülfenahme
der Sonde Erschlalfungs/ustände der Mauenwand leicht /u erkennen.
Obrastzow 1) hat mit Hilfe der percu.torischen Palpation da-1 Verhalten der
unteren Magengrenze zum Gegenstand einer eingehenden Studie gemacht. Er theilt
den supraumbilicalen Abschnitt, d. h. die Entfernung zwischen Processus xiphoi-
deus und Nabel in drei gleiche Theile und findet danach die untere Magengrcnze
sowohl bei Männern wie bei Weihern im untere nsupraumhiliealen Drittel. Bei Kin
dern unter fünfzehn Jahren rückt die untere Magengrcnze selten bis zur Nabel-
horizontalen, jenxäts der fünfziger dagegen kommt sie öfter unter dem Nabel vor,
zwischen diesen (bvnzen ist der Einfluss des Alters undeutlich. -- Durch vorher
gegangene Schwangerschaften wird die untere Magengrcnze nach abwärts gedrängt.
Ebenso wird die untere Magengrenze durch alle mit Tiefstand des Zwerchfells
einhergehendeii Krankheiten nach unten gerückt, also durch Emphysem, Pleuritis.
Pneumothorax. In gleicher Weise wirken Leber- und Milzvergrössorungcn. Ein
gekehrt wirken alle das Zwerchfell hinaul'driingeuden Processe, also der schwan
gere Pferus, die prall gefüllte Harnblase.
Ausser den genannten Millionten kommt für die Höhe der unteren Magen
grenze die Ernährung in Betracht, indem dieselbe bei guter Constitution und Er
nährung im mittleren supraunibilicalcn Drittel, bei mittlerer Ernährung an der
Crenze der mittleren und unteren, bei schlechter Ernährung nahe der Nabelhöhe
zu liegen kommt.
Die Bestimmung der oberen Grenze (Magcn-Lungengrcnze) he- u.siininnin-
gegnet gleichfalls nicht, geringen Schwierigkeiten, da, eine ohne ''^,1'(',,'^'J"
weiteres unterscheidbare Schalldiffercnz zwischen linkem unteren
Lungenrand und dem höchsten Theil dos Magenfundus nicht existirt.
Doch gelingt nach meinen Beobachtungen bei mittlerem Luftfüllungs
grade und sonst normaler Magengrösse und -Lage die Abgrenzung
wenigstens einiger müssen.
Nach den Bestimmungen von Pacanowski-), die mit früheren
von Wagner"') gut übereinstimmen, liegt die obere Grenze:
in der linken ParaSternallinie am unteren Bande dax
fünften Bippc oder im fünften Inton-ostaUaum (selten an der
vierten Bippc oder im sechsten Interoosfalraum);
in der linken Mamillarlirrie im fünften Iniep-oslalr m m
bis zur sechsten Bippe (mitunter auch schon im vierten Intcr-
costalraum) oder erst auf der siebenten Bippe;
in der vorderen, linken. Axillarlinie am unteren Bande
der siebenten oder achten Bippe, selten unterhalb der sechsten
Bippc, niemals unter der achten Bippe.
i) Obrastzow, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. PJ, S. 417—löO.
•-!) Pacanowski. 1. c. S. :V\2.
'.) Wagner, Inaug.-Dissert. Marburg ISIj'.J.
90 Die Krankenuntersuchung.
Bestimmung
der rechten
und linken
Die Abgrenzung des genannten Abschnittes ist gegenüber der
unteren Magengrcnze von geringer Pignität. Dagegen kann sie in
anderer Richtung von Wichtigkeit werden, nämlich bei linksseitigen
pleuritischen Exsudaten, Pneumonieen, linksseitigem Emphysem, Pneu
mothorax, wobei der »halbmondförmige Raum« Traube's (welcher
bekanntlich oberhalb des Rippenbogens zwischen diesem, dem Rand
der Leber, Lunge und Milz gelegen ist, also etwa dem Fundus des
Magens entspricht) mehr oder weniger verkleinert wird. Hieraus
allein folgt schon, dass eine Verkleinerung des Fundusabschnittes
des Magens bestehen kann, ohne dass dieser selbst irgend wie in
seiner Grösse oder Lage verändert ist.
Ebenso schwer zu bestimmen und gleich wenig diagnostisch
verwerthbar ist die rechte Magengrenze (Magen-Lebergrenze). Mit
Mag-ongrenze. ^ e cht nimmt Pacanowski (s. o.) eine untere unterhalb des vorderen
Leberrandes und rechts von der Medianlinie und eine obere, von dem
linken Loberlappen begrenzte rechte Magengrenze an. Nur der obere
Theil ist bestimmbar, er findet sich 5 cm von der Medianlinie entfernt.
Die linke Magengrenze (Milz-Magengrenze) ist bei der Schwierig
keit der pereutorischen Milzbestimmung nur unter besonders günstigen
Verhältnissen construirbar und gleichfalls von untergeordneter Be
deutung.
Nicht ohne Interesse für die Diagnostik ist die percutorische
Bestimmung der grössten Magenhöhe und Magenbreite, d. h. des
Abstandes des höchsten und tiefsten, sowie des am meisten nach
rechts und links gelegenen Punktes von dem durch Percussion nach
weisbaren Magenschallraum. Pacanowski (s. o.), der nach W a g n e r
hierüber die genauesten Messungen angestellt hat, fand, dass die
grösste Flöhe immer weniger als die grösste Breite beträgt. Speciell
betrugen bei:
Magenhöhe
und
Magenbreite.
Männer
krauen
Höhe
11—14 cm
10 cm
Breite
21 cm
IS cm
Höhe zu Breite
1 : 1,5—2
1: 1,8—2
Aenderuugen
der
Die Percussionsfigur des Magens kann sich im wesentlichen
Perfusions- unter dreierlei Umständen verändern:
fl£ur- 1. wenn bei normalem Magen die benachbarten Grenzorgane
eine Verkleinerung oder Vergrösserung erfahren.
2. wenn der Magen selbst durch welche Ursachen auch immer
sich vergrössert oder verkleinert,
wenn der Magen seine Lage oder Stellung verändert.
Die Krankenuntersuchung. «U
ad 1. Verkleinerung der pereutorisehen Figur kommt vor:
a) bei Vergrössorungeii des linken Leborlappons. hierbei wird
die Magon-Loborgrenze nach unten und links verschoben:
b) bei linksseitiger Pleuritis, selten auch Pneumonie, links
seitigem Emphysem, Pneumothorax, Milzvergrösserung und
Ilcrzhypcrtrophie; hierbei wird der obere Magenabschnitt
(Alagen-Lungengrenzc) verkleinert.
Vergrösserungeu erfahrt die Pereussionsfigur:
a) bei Verkleinerung des linken Leberlappens,
b) bei linksseitiger Lungenschrumpfung.
c) bei Descensus ventriculi durch Tumoren, dislocirte
Niere u. a.
d) bei grossem, aber sonst physiologischem Magen {Megaslrie;
Ewald).
ad '2. Verkleinerung des Alagens ist klinisch mit Sicherheit
selten nachweisbar; höchstens ist es erlaubt, die Diagnose ver-
muthungsweise zu stellen, falls trotz Kohlensäure- oder Luftauf
blähung die grosse Curvatur höher als .">— f> cm über Nabelhöhe
bleibt. Doch kann es sich in solchen Fällen auch u m adhäsive Ver
wachsungen einzelner Magenabschnitto mit dem Quercolon, der Gallen
blase u. a. bei normal grossem Magen handeln.
Vergrösserung des Magens wird in den meisten Fällen durch
Magenerweiterung bedingt, jedoch ist der Nachweis einer Magcn-
vergrösserung allein für die Diagnose Ectasie nicht ausreichend.
Magenerweiterung kann ferner zusammen mit Tiefstand des
Magens vorkommen.
ad 3. Aenderung der Pereussionsfigur durch Lageaerände-
rung kommt vor:
a) bei Verticalstellung des Magens; dieselbe kann erworben
(starkes Schnüren) oder angeboren sein,
b) bei Situs inversus, wobei Cardia und Fundus rechts, Py
lorus links zu liegen kommt,
c) bei Tumoren, z. B. am Pylorus, wodurch besonders die
Portio pylorica stark dislocirt werden kann.
Neben der pereutorisehen Abgrenzung des Magens ist, die Per
cussion auch für etwaige von der Alagcnwand ausgehende Tumoren
von Bedeutung. Dieselben geben, da sie auf einer lufthaltigen Mem
bran sitzen, in der Regel einen gedämpft tympanitischen Schall zum
Unterschied von Leber- und Pancreastumoren, welche absolut ge
dämpften Schall geben. Doch kann, wie v. Leube gezeigt hat,
auch bei Magentumoren der Schall gedämpft sein.
!>2 Die Kraiikcnuntersuclmng.
4. Die Auscultation des Magens.
Obwohl der Auscultation des Magens keine entscheidende Be
deutung zukommt, ist sie doch nicht ganz ohne diagnostischen Werth.
Es handelt sich dabei um:
f. Auscultation der Schluckgeräusche.
schluck- Bekanntlich hört man während des Schluckens, wenn man in
cnuische.
(jcj, (-;e„.clh| {p,s Schwertfortsatzes auscultirt, zwei Gerauscht;. Das
erstere erfolgt unmittelbar im Anschluss an den Schluckact und
macht den fandruck, als ob eine Flüssigkeit durch einen lufthaltigen
Raum mit einiger Energie durchgespritzt wird. Daher hat es
Mjoltzer1) auch als »Durchspritzgeräusch« bezeichnet. Ewald-)
nennt es »primäres Geräusch«. Diesem folgt einige bis zu 12 Se-
eunden darauf ein zweites, weniger helles und klangvolles, mehr
»grossblasiges« Geräusch, das Ewald als »seeundäres«, Meltzer
als »Durchpressgeräusch« bezeichnet. Während das primäre Ge
räusch aus noch nicht bekannten Gründen zuweilen fehlen kann, ist
das zweite weit constantcr, indessen kann auch dieses in einzelnen
Fällen fehlen. Unter pathologischen Verhältnissen, d. h. bei Ver
engerung der Cardia, wird das normale Auftreten des zweiten Ge
räusches sich wesentlich verzögern müssen, auch der Timbre des
selben wird ein anderer, indem die Flüssigkeit sich allmählich, stoss-
weise, gurgelnd hindurchzwängt,. Unter diesen Umständen kann das
selbe erst nach 50 — 70 Secunden eintreten und mehrere Secunden
bis zum völligen Verschwinden gebrauchen.
Bei totalem oder nahezu totalem Cardiaverschluss kann sowohl
primäres als auch seeundäres Geräusch vollständig fehlen, indessen
ist dies nicht absolut beweisend, da, wie gesagt, auch bei normaler
Durchgängigkeit der Cardia die Schluckgeräusche fehlen können.
Umgekehrt, spricht Vorhandensein des ersten und zweiten Geräusches
innerhalb der normalen Zeiten unbedingt gegen Oesophagus-, bezw.
Cardiastenose.
"2. Auscultation der Magengeräusche.
Magen- Unter manchen Umständen hört man, falls der Magen mit
eräusche. Flüssigkeit und Luft gefüllt wird, bei Lagewechsel des Kranken, zu-
i) Meltzer, Centralhl. f. d. medic. Wissenschaften. 1883, Xo. 1.
a) Ewald, Klinik der Verdauungskrankheiten. Theil I, S. 64 u. f.
Die Krankenuntersuchung. !*:]
weilen auch bei einfacher Bewegung (schnellem Gehen) oder endlich
bei wechselnder Contrartion und Erschlaffung der Bauchdecken
(worin manche Menschen es bis zu einer bewundernswert heil Virtuosi
tät bringen) ein plätscherndes Geräusch, auch Sueeussionsgeräuseh
genannt, ähnlich dem, wenn Wasser in einer schlaffen Blase langsam
geschüttelt wird. Diagnostisch zeigt dieses Symptom, auch wenn es
bei subjeetiv gesunden Personen vorkommt, eine abnorme Erschlaffung
der Magenmuskulatur, bezw. auch eine Relaxation der Ligamente des
Magens an. K o m m t es auch bei nüchternem Magen schon zur Beob
achtung, so ist es. namentlich im Verein mit dem Ergebniss der
Palpation und Percussion, ein recht wichtiges unterstützendes Moment.
für die Diagnose1: Ectasie des Magens.
Ausser den oben erwähnten Plätschergcräuschen hört man in
einzelnen Fällen auch Gurrgeräusche, und zwar, wie Kussmaul 1)
betont, wenn der Inhalt, des Magens im wesentlichen aus Luft be
steht, Diagnostische Bedeutung kommt diesem Geräusch indessen
nicht zu.
Wichtiger sind die »spritzenden«, brodelnden, singenden Ge
räusche, die man bei der Auscultation des Magens hört. Nach
meinen recht zahlreichen Beobachtungen kann man einmal Gerauscht;
unterscheiden, welche in gewissen Intervallen auffreien und, wie es
scheint, den acustischen Ausdruck der Peristole und deren Ein
wirkung auf den Chymus darstellen; diese Geräusche haben einen
mehr »schlürfenden« Character, als wenn eine Flüssigkeit schnell
eine Wand entlang strömt. Die übrigen Geräusche verdanken ihre
Entstehung mehr dem Aufsteigen von Luftblasen, das im Verlaufe
des Vcrdauungsactes schon normaler Weise statt zu haben pflogt,
bei abnormer Gasgährung aber besonders hohe Grade erreichen kann.
Bei nüchternem Magen fehlen Geräusche dieser Art vollkommen, Vor
handensein derselben lässt daher mit einiger Sicherheit auf abnorme
Betention von Chymus schliessen.
Im übrigen ist das Auftreten der genannten Geräusche nur
für Abnormitäten der Verdauung beweisend, wenn es noch längere
Zeit nach der Ingestion (also 5 — 7 Stunden nach der Hauptmahl
zeit, ?>—\ Stunden nach den kleinen Mahlzeiten) beobachtet wird und
in besonders starker Intensität auftritt.
In seltenen Fällen wollen einige Beohachter (Williams, Thorspeckl er)
hei Ruptur des Magens ein deutliches, knallähnliches Geräusch wahrgenommen
Indien. Eigene Erlalirungen hierüber stehen mir nicht zu Gebote. Strümpell'-)
M Kussmaul, Volkmanns Sammlung klin. Vorträge., Xo. 1S1.
-') Strümpell, Berlin, klin. Wochenschr., 1879, No. 30.
94 Die Krankemmtersuchung.
berichtet über weit hörbare, mit der Respiration isochrone Geräusche in einem
Falle von Magenerweiterung, und Lakeri) theilt eine interessante Klangerschei
nung (»Läuten«) hei einem Magenkranken mit, die nach seiner Ansicht durch die
stark pulsirende Bauchaorta oder den Ilerzstoss, welche einen Stoss auf den an
liegenden etwas dilatirten Magen übten, bedingt war.
5. Die Sondenuntersuchung des Magens.
Die Anwendung der Magensonde kann diagnostisch zu ver
schiedenen Zwecken in Betracht kommen:
1. zur Feststellung etwaiger Hindernisse im Oesophagus, bezw.
in der Cardia,
2. zur Feststellung der Lage eventuell auch der Grösse des
Magens,
o. behufs Entnahme von Mageninhalt, u m den chemischen Ab
lauf der Digestion im Einzelfalle kennen zu lernen.
ad 1. Man kann sich hierzu entweder der sogenannten englischen
Sonden oder der für die Magensondirung jetzt wohl allgemein ge
bräuchlichen Nelaton-Schläuche bedienen. Ich bin mit v. Leube 2)
der Ansicht, dass die erstmalige Untersuchung einer Stenose stets
am besten mit der Nelatonsonde (Tube Faucher) geschieht. Erst
nach localer Feststellung des Hindernisses kann man vorsichtig zur
Application der englischen Sonde übergehen. Geringe hierbei ent
stehende Blutungen fürchte ich nicht, da sie, ein genügend schonendes
Verfahren vorausgesetzt, fast niemals von ungünstigen Folgen be
gleitet sind. Andererseits kann man unter günstigen Umständen aus
der mikroskopischen Untersuchung etwaiger an der Sonde haftender
Gewebsbestandtheile die Diagnose des der Strictur zu gründe liegen
den Leidens stellen (z. B. bei Carcinom des Oesophagus oder der
Cardia). Die schwarzen, sogenannten französischen Sonden, welche
aus biegsamem Hartgummi bestehen, halte ich wegen der Unmög
lichkeit einer exaeten Säuberung und wegen ihrer leichten Brüchig
keit für ungeeignet.
Sonden- ad 2. Zur Feststellung der Lage, eventuell auch der Grösse
'• des Magens hat v. Leube früher die harten englischen Sonden ver
wendet. Hierbei ist es zuweilen möglich, die Sondenspitzc bei
schlaffen Bauchdecken hindurchzufühlen und dadurch, eventuell auch
durch Palpation vom Rectum aus die untere Grenze des Magens fest
zustellen, v. Leube 3) selbst ist indessen von dieser in der That
0 Laker, Wien. med. Presse, 18S0, Xo. 43 u. 14.
2) v. Leube, Specicllc Diagnose der inneren Krankheiten, 1889, S. 224.
3) v. Leube 1. c. S. 253.
Die Krankenuntersuchung. !>f>
diagnostisch unsicheren und nicht ungefährlichen Methode zurück
gekommen. Eine sehr viel einfachere und durchaus ungefährliche
Methode der Feststellung der Lage dos Magens, bezw. der grossen
Curvatur stellt, wie ich nachgewiesen habe-1) die Palpation des in
den Magen eingeführten weichen Magenschhiuchcs durch die Bauch-
decken dar.
Fig. 10.
U m etwaige Zweifel zu beseitigen, ob die Sonde wirklich der
Richtung der grossen Curvatur folgt, habe ich im Verein mit meinem
früheren Assistenten Schmilinsky-) den W e g der Sonde im aus-
i) Boas, Centrallil. f. innere Medicin, 1896, Xo. 6 und Deutsche Medicinal-
Zcitung, lS'.K), Xo. 22. i Referat eines in der II ufcland'sehen Gesellschaft zu
Berlin gehaltenen Vortrages.)
-) s. a. Schmilinsky, Archiv für Verdauungskrankheiten Bd. 2, lieft 2.
96 Die Krankenuntersuchung.
geschnittenen, mit dem Oesophagus verbundenen Magen verfolgt.
Es hat sich dabei folgendes herausgestellt: Die Sonde geht zunächst
gerade auf den absteigenden Schenkel der grossen Curvatur zu
(Fig. 10). Erst hier stösst der Sondenknopf auf Widerstand, er weicht'
demselben aus, indem er längs der grossen Curvatur bis zur pars
pylorica gleitet. Dort findet die Sondenspitze wiederum ein Hinder-
niss. Schiebt man nun von aussen weiter, so macht die Sonde nun
mehr eine Umbiegung mit der Konvexität nach dem Fundus zu, und
zwar ist der Bogen zuerst flach, vertieft sich aber immer mehr,
wobei zugleich ein mehr oder weniger vollkommenes Anlegen der
Sonde an den tieferen Fundusabschnitt erfolgt. Bei grosser Gewandt
heit ist das Verfahren bei fast allen Magenkranken, namentlich
den in der Einführung des Schlauches Geübten, möglich. Schon bei
meinen ersten Versuchen gelang es mir in mehr als 80 % aller Fälle,
jetzt ist die Procentzahl noch gewachsen.
Was die Technik der Sondenpalpation betrifft, so sind hierbei
folgende Punkte zu beachten: Die Untersuchung geschieht am besten
bei leerem oder massig gefülltem Magen (Va — 1 Liter Flüssigkeit
und in liegender Position des Kranken). U m ein Ausströmen von
Magensaft zu vermeiden, thut man gut, das vordere (obere) Sonden
ende durch einen Quetschhahn abzuklemmen. Kennt man die Lage
und Grösse des Magens nicht, so ist es immer vorzuziehen, eine
recht lange (etwa 80—100 cm) Sonde einzuführen. Ausser im Liegen
kann man die Sonde auch zuweilen im Stehen palpiren. Unter
diesen Umständen gelingt es, einen bald grösseren, bald geringeren
Theil der an der grossen Curvatur liegenden Sonde zu palpiren W o
man etwa unsicher ist, ob der fragliche Körper die Sonde oder koii-
trahirte Darmschlingen sind, thut man gut, den Patienten anzu
weisen, die Sonde langsam herauszuziehen. Verschwindet hierbei
die fragliche Resistenz, so hat man es zweifellos mit der Sonde zu
thun gehabt. Ausser der Feststellung der grossen Curvatur vermag
man mittelst der Sondenpalpation auch unbestimmte Tumoren (Magen,
Darm, Leber, Netz, Nieren), sowie zweifelhafte Schmerzbezirke (Magen,
Darm, Netz u. a.) besser zu lokalisiren.
Jedenfalls ist die genannte Palpationsmethode bei ihrer Ein
fachheit und Sicherheit die beste, und zugleich physiologisch ein
wand freieste Methode der Feststellung der grossen Curvatur und
des Pylorus, die wir bisher haben.
Andererseits kann auch die weiche Sonde mittelbar zum Auf-
schluss über die Lage und Grösse des Magens verwendet werden,
I de Kranken Untersuchung. 97
wenn man mittelst derselben den Magen mit Luft aufbläst oder das
Organ durchleuchtet (s. darüber S 102 u. 113).
ad. .'5. Die wichtigste und bedeutungsvollste Bereicherung unserer
diagnostischen Hilfsmittel stellt die Entnahme von Mageninhalt mittelst
der Sonde dar. Wir erhalten hierdurch nicht nur einen deutlichen
Ueberbliek über die chemischen Vorgänge im Magen, sondern auch
über dessen motorische Thätigkeit. Daraus ziehen wir ferner einen
nicht, hoch genug zu taxirenden Vortheil für die Therapie. Wir
können z. B. dem Kranken auf Grund der hierbei gewonnenen Er
fahrungen eine Diät verordnen, welche sich nicht auf theoretische
Voraussetzungen, sondern auf die Ergebnisse der chemischen und
mikroskopischen Analyse stützt.
Form und Beschaffenheit der Magensonde.
Eine brauchbare Magensonde niuss nach meinen Erfahrungen folgenden An- neschaffenheit
forderungen entsprechen: 1. Sie niuss aus elastischem, aber doch nicht zu bieg- ein Länge und 6 m m Lichtung haben (für Kinder ent
sprechend kürzen- und taiger). In manchen Fällen, z. B. bei abnormer Länge des
Oesophagus oder Tiefstand, bezw. Dilatation des .Magens, niuss die Länge 80 bis
100 cm betragen. 3. Sie niuss an ihrem unteren Ende abgestumpft oder leicht
konisch verjüngt sein. 4. Von Fenstern enthalte sie nur zwei seitliche, letztere
dem Ende möglichst nahe. Der grosse Durchmesser der seitlichen Fenster soll
1 T/y —13 eia betragen. 5. Weitere kleine Oeffmmgen, wie Schütz und mich ihm
Ewald empfohlen haben, halte ich nicht für zweckdienlich, da sie die exaete
Peinigung der Sonde hindern, bezw. erschweren, auch sonst keine Vortheile bieten.
Von grosser Wichtigkeit ist, zumal für denjenigen Arzt der zahlreiche Antiseptik.
Mageninhaltsuntersuchungen oder auch Mag'enausspühingen vornimmt, eine pein
liche Antiseptik. Fs gilt dies ganz besonders für die Sondenapplication bei Lues.
Carcinom und Tuberkulose. Während ich früher für diese Fälle besonders ge
zeichnete und in besonderen Gelassen liegende Instrumente empfahl, wende ich
seit kurzem einen von Dr. Wob. Kutner1; zum Sterilisiren von weichen Ka
thetern angegebenen einfachen Apparat an (Fig. 11, S. 98)-) Der in der Flasche (aus
Weissblech bestellend) entwickelte Dampf tritt bei a ein, geht durch die Glas-
röhre a l>, dann durch ein Stückchen Guniniiscblaueh und tritt bei c in eine zweite
Glasröhre cd und gleichzeitig in die grosse Hohlröhre- die bis zum Flaschen-
boden reicht. Bei d ist an die Glasröhre cd der Magenschlauch aufgesetzt. Der
Dampf niuss also durch das Innere der Sonde gehen, zum Auge derselben hin
austreten, die inneren Wände der llohlröhre und gleichzeitig die äusseren der
i) It. Kutner, Therap. Monatshefte, 1892, S. 627.
'-) Der Apparat ist durch die Firma Dr. 11. Pohrbeck, Berlin, Karistr. 24
zu beziehen.
Boas, AIIJJ'. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Autl. 7
98 Die Krankeinmtersuclnme-.
Sonde bestreichen und kann endlich am Ende / der Glasröhre fg eintreten und
bei ;/ den Apparat definitiv verlassen. Zur Schonung der Sonde senkt man den
selben erst in die grosse llohlröhre, wenn die Dampfentwicklung in vollem Gange
ist. Nach 10 Minuten langem Aufent-
Technik der
Sondir-ung.
" ^^^. halt der Sonde in der llohlröhre ist
die Sterilisinuig erfolgt und dieselbe
kann entweder im Apparat bleiben
oder herausgenommen werden. W o
ein derartiger Apparat nicht zur
Hand ist, kann man sich des auch
sonst zur Desinfection von Instru
menten mit Vortheil angewendeten
sogenannten Fischkochers bedienen.
Andere Methoden der Sterili-
sirung haben sich bisher nicht be
währt.
Technik der Sonden-
einführungf.
Seit der Einführuung der
elastischen (Nelaton-) Sonde in
die Magendiagnostik (Oser,
E w a l d ) hat die Sondenappli-
cation an Einfachheit und Ge
fahrlosigkeit wesentlich gewon
nen. Unglücksfalle in Folge
oder nach der Sondirung, wie
sie früher mit der starren Sonde
nicht selten beobachtet wurden,
kommen bei Anwendung des
weichen Magenschlauches, zu
mal bei gehöriger Berücksich
tigung der Oontraindicationen
(s. S 100) kaum vor.
Für die Technik der Son
dirung möchten wir einige wich
tige Punkte hervorheben, die
besonders dem Anfänger, wie
ich beobachtet habe, Schwierig
keiten machen.
1. Der Sondirung niuss stets eine genaue Inspeetion des Mun
des und des Pharynx vorausgehen, u m eventuell anomale, der Son
dirung hinderliche Verhältnisse (chronische Pharyngitis, Tonsillitis,
Pharynxgeschwülste, Syphilome u. a.) festzustellen. Gleichzeitig ist
Sonden-Sterilisations-Apparat nach
IC Kutner.
Die Krankenuntersuchung. 99
ein etwa vorhandenes Gebiss, falls es nicht vollkommen fest sitzt,
zu entfernen.
'2. Man vermeide bei der Sondirung das Einführen eines oder
gar mehrerer Finger (wie dies bei der Application der starren Sonde
üblich), sondern fordere den Patienten auf, selbst zu schlucken.
Gleichzeitig damit versucht man, langsam über das Ostium larvngo-
pharyngeuni hinwegzukommen, was man gewöhnlich an einem kleinen
Ruck spürt. Nach dem Passiren dieser Stelle niuss, falls nicht ein
Ilinderniss im Oesophagus liegt, die Sonde durch leichtes Fortschieben
in den Magen gleiten. Den Febergang aus der Cardia in das Magen
innere fühlt man in seltenen Fällen gleichfalls an einem kleinen Puck.
•\. Während der Sondenapplication fordert man den Patienten
auf, tief zu athmen; zugleich lässt man sich scharf ansehen. Solange
letzteres gut möglich, ist alles in Ordnung.
4. Die meisten Patienten haben instinetiv die Neigung, beim
Sondiren den Kopf rückwärts zu beugen. Hierdurch wird die Ath-
mung erschwert und der Blutabüuss gehindert, .Man achte also auf
gerade Haltung und auf Vorwärtsbeugung des Kopfes.
5. Es kommt bei ungeschicktem Verhalten oder grosser Auf
regung des Kranken vor, dass die Sonde in den Larynx gleitet, Man
merkt das natürlich sofort an der sich deutlich entwickelnden Oya-
nose und dem larvngealen Athmen. Es wäre ein grober Fehler,
unter diesen Umständen die Sonde nicht sofort zu entfernen.
(!. Nur in seltenen Fällen ist es bei hochgradiger allgemeiner
Hyperästhesie oder bei chronischer Pharyngitis wünschenswerth, den
Pharynx zu anästhesiren. Ich bediene mich hierzu mit Vortheil ent
weder einer energischen Pinselung des Pharynx mit fO°/0iger Cocain-
lösung oder wiederholter Gurgelungen mit 1 0 % igen Bromkalium
lösungen kurz vor der beabsichtigten Sondenapplication.
7. Auch bei den behufs Exploration und Ueberwindung von
Oesophagusstricturen zur Anwendung gelangenden starren (englischen)
Sonden, ebenso den Eischbeinsonden halte ich die Einführung von
Fingern stets für ein erschwerendes Moment. Ich führe die Sonde
federhalterförmig bei möglichst weit offenem Munde sofort bis an
die hintere Pharynxwand und führe sie unter vorsichtigen Pendel-
bewegungen langsam über die Epiglottis hinweg. Ich habe auch
hierbei oft genug erfahren, wie man durch ein möglichst einfaches.
ungekünsteltes Verfahren sich und dem Patienten die in jedem Falle
unangenehme Proccdur erleichtern kann. Dass die übliche Digital-
einführung ein überflüssiges Hilfsmittel ist, sehen wir am besten an
den Patienten, die sich die Sonde selbst einzuführen gelernt haben.
7*
100 Die Krankenuntersuchung.
Warum sollte dem Arzte bei gutem Willen und einiger Uebung nicht
dasselbe gelingen?
8. Stösst man beim Sondiren auf ein Hinderniss, so bestimmt
man durch eine Marke an der Sonde den Sitz desselben, wobei man
als Ausgangspunkt die vordere Zahnreihe anzunehmen pflegt, achtet
beim Herausziehen der Sonde auf etwaige Blut-, Eiter-, Gewebe-,
Speisepartikel sorgfältig und bewahrt sie zur weiteren Untersuchung
auf. Man sondirt nun noch einmal und überzeugt sich, ob das Hin
derniss an der markirten Stelle sitzt, für welches Sondencaliber es
durchgängig ist, ob neben dem ersten eine zweite Verengung und
endlich ob eine Ausbuchtung bestellt oder nicht. Zuweilen wird
eine Ergänzung dieses Befundes durch Sondirung mit der soge
nannten englischen Sonde nothwendig sein, in vielen Fällen (ulce-
rirendes Carcinom u. a.) ist aber der Application der Nelatonsonde
als dem schonenderen Verfahren der Vorzug zu geben.
Für die Bestimmung der Lage des Hindernisses sind die folgenden Zahlen
von Wichtigkeit: die Länge des Oesophagus beträgt beim Erwachsenen durch
schnittlich 25 cm, die Entfernung von den Schneidezähnen bis zur Cardia beim
Erwachsenen ca. 40 cm (beim Neugeborenen etwa 17 cm), die Entfernung von
den Schneidezähnen bis zur Bifurcation der Trachea beträgt ca. 21—22 cm.
Indicationen und Contraindieationen für die Explorativ-
sondirungr des M a g e n s .
Nicht in jedem Falle von Verdauungs- oder- selbst. Mafien
störungen ist die Anwendung der Sonde indicirt, in einer grossen
Zahl von Krankheiten erachten wir sie direct als contraindicirt.
Allgemein ausgedrückt kann man sagen, dass die Explorativsondirung
nur in solchen Fällen indicirt ist, wo die übrigen Symptome eine
bestimmte Diagnose schwer oder gar nicht zulassen. Contraindicirt
ist sie entweder, wo die Sondirung überhaupt mit Gefahr für den
Kranken verbunden ist oder wo die übrigen Symptome allein eine
bestimmte Diagnose ermöglichen. Von einer relativen Indication
können wir sprechen, wo die Sondirung zur Ergänzung der Diagnose
oder zur Gewinnung von Anhaltspunkten für die Therapie dient.
Die Zahl der Indicationen, die sich schwer detailliren lassen, wird
sich leichter aus der Betrachtung der Contraindieationen ergeben.
Contraindicirt ist die explorative Anwendung der Sonde:
conh-aindi- A. Bei eonstitutioneUen oder localen Erkrankungen, bei
sondirung. ivelchen durch den mit der Sondirung verbundenen Reiz das
Leiden gesteigert oder das Leben bedroht werden könnte.
Die Krankenuntersuchung. 101
Hierzu gehören:
1. Herzfehler im Stadium der mangelhaften Compensation und
Ilcrzneurosen, Angina pectoris, Mvocarditis. Cor adiposum
in ausgeprägtem Zustande;
2. Aneurysmen der grossen Arterien;
:>. kurz voraufgegangene Blutungen, welcher Art sie auch sein
mögen (Einigen-, Magen-, Nieren-, Blasen-, Darm-, Uterus-,
Gehirn-Blutungen, hämorrhagische Infarcte u. a,);
4. Eungonphthise in vorgeschrittenem Stadium;
5. Lungenemphysem mit Bronchialcatarrh in vorgeschrittenen
Stadien;
(>. Apoplexieen completer oder incompleter Art; Gehirnhyperä-
mieen, Epilepsie;
7. Gravidität1);
. leicht blutende Magenschleimhaut (geringe capilläre Blutun
gen bilden dagegen keine Contraindication);
(i. seeundäre Magenaffectionen, deren Abhängigkeit von dem
Grumtleiden ohne weiteres erkenntlich ist.
Während die obige Formulirung im ganzen kaum auf Widerspruch stossen
dürfte, niuss ich ein ergänzendes Wort zu meiner Stellung gegenüber der Sonden
anwendung bei Ulcus ventriculi anführen. Ich halte die Anwendung der Sonde
auch bei Uleusverdächfigen oder bei Fällen von atypischem Plcus nicht für ge
rechtfertigt, und zwar, weil dem etwaigen Mageninhaltsbefund in keinem Falle
eine entscheidende Rolle zukommt. Man thut am heuten, einen zweifelhaften
Plcusfall einfach als Plcus ventriculi zu betrachten und zu behandeln.
i) In der (iravidität wird bekanntlich die Sonde behufs Magenausspülung
bisweilen auch mit gutem Erfolg angewendet. Für die Explorativsondirung
scheint mir in der (iravidität entschieden eine Contraindication zu liegen.
102 Die Krankenuntersuchung.
Insufflation des Magens.
(Kohlensäure- und Luftaufblähung.)
Kohlensäure- a) Die Kohlensäureaufblähung mittelst Brausemi seh nngen,
nut^Brauso- v o n Krerichs und M a n n k o p f in die Diagnostik der Magenkrank-
mischungen. }ieitcn eingeführt und seitdem Gemeingut der ärztlichen Praxis, hat
den Zweck, die Lage und Grösse des Magens bequemer und besser
zur Anschauung zu bringen.
Dieselbe wird am besten so ausgeführt, dass man 1—2 g Acidum
tartaricum in Va Glas Wasser löst und trinken lässt und hierauf die
gleich grosse Menge Natriumbicarbonat in demselben Quantum Wasser
gelöst nachschickt, v. Ziemssen 1) wendet viel höhere Dosen (7,0 Na
triumbicarbonat und (i,0 Acidum tartaricum für den männlichen,
6,0 Natriumbicarbonat und 5,0 Acidum tartaricum für den weiblichen
Magen) an.
Gefahren sind mit der Kohlensäureaufblähung nicht verbunden,
nur ist es selbstverständlich, dass man beim Ulcus rotundum oder
bei Verdacht auf frische adhäsive Verklebungen des Magens mit an
deren Intestinalabschnitten von derselben unter allen Umständen
Abstand nehmen muss. Die Besorgnisse PacanowskiV-) hin
sichtlich einer abnormen Dehnung des Magens durch Kohlensäure bei
sonst intactem Organ kann ich in Uebereinstimmung mit v. Ziemssen
nicht theilen.
Die Vortheile des Verfahrens sind unverkennbar, es wird der
Magen in toto aus der Bauchhöhle gleichsam herausgehoben, seine
Formen heben sich dem Auge und dem palpirenden Finger des
Untersuchers scharf ab, undeutlich oder gar nicht sieht- oder fühl
bare Tumoren kommen zur Perception. Allerdings nur, solange die
C02-Entwickelung dauert; ist der chemische Process abgelaufen, so
entweicht die Kohlensäure sehr bald nach oben oder unten, und
der Magen fällt wieder zusammen. Es ist dies für sorgfältige
Untersuchungen, namentlich in complicirt liegenden Fällen äusserst
störend. Hierzu kommt noch, dass die Kohlensäureentwickeliing
nicht in allen Fällen die Magengrenzen scharf hervortreten lässt,
vielleicht, weil durch den Beiz der Kohlensäure die Peristole stark
angeregt wird und ein Theil derselben schnell den W e g in die
Därme nimmt.
i) H. v. Ziemssen, Pcber die physikalische Behandlung chronischer Magen-
und Darmkrankheiten. Klin. Vorträge 1888, Xo. 12, S. 1:1.
2) Pacanowski, Deutsch. Areh.J. klin. Medicin Bd. 40.
Die Krankenuntersuchung. 103
b) Luftuufblähung des Maqens mittelst Doppelballon. Man um
wendet dieselbe zweckmässig in der Weise an, dass man eine Sonde aufblähur,i
mit einem Doppelballon (wie an den Spravapparaten üblich) armirt
und nach Einführung der ersteren den Magen langsam aufbläst, Das
zuerst von Bunebcrg') empfohlene, von Oser-) und Ewald-1) »seil
langem« geübte Verfahren ist doch erst seit der allgemeinen Ein
führung des Magenschlauches in die Praxis zur Geltung gelangt.
Die Methode der directen Luftinsuffiation besitzt vor der
mittelst Kohlensäure in die Augen springende Yortheilc. Dieselben
bestehen in der Möglichkeit, die Luftmenge nach Bedarf zu dosiren,
zu verringern (durch Aspiration oder Expression) und nach Ent
weichen der Luft wieder zu vergrössern. Ausserdem gewährt auch
die Feststellung der Luftmenge eine Menge werth voller diagnostischer
Anhaltspunkte. So bedarf z. B. ein sehr schlaffer, eetatischer Magen
weit grösserer Luftmengen zur völligen Entfaltung als ein normaler
mit erhaltenem Tonus.
Ferner treten die Magencontouren ungleich schärfer und deut
licher hervor, so dass sich der Magen in der Begel vollkommen in
seinem der Bauchwand anliegenden Abschnitt in aller Buhe pal
piren lässt.
Doch erfordert auch die Luftinsuffiation grosse Vorsicht und
sorgfältige Beobachtung des Kranken während der Procedur. Sobald
der Patient irgend wie Druck oder Spannung oder gar Schmerz in
der Magengegend empfindet (was er am besten durch ein vorher ver
abredetes Zeichen zu erkennen giebt), pflege ich die Luft sofort ent
weichen zu lassen. Auch vermeide ich jede brüsque InsufÜation und
blähe den Magen möglichst langsam auf. Dank dieser Vorsicht habe
ich in keinem der in meinem Ambulatorium, sowie in der Privat
praxis vorgenommenen zahlreichen Magenaufblähungen üble Folgen
beobachtet.
In vielen Lallen empfiehlt es sich, nur sehr geringe Luftmengen in den
Magen einztlblasen, weil hierdurch die Contouren des Magens plastischer hervor
treten, als durch starke Luftaufblähung, Auch lässt eine geringe Luftaufblähung
das Organ weit mehr in seinen normalen Grenzen erkennen, als bei abnorm starker
Luftfüllung.
Als Contraindieationen für die Magenaufblähung gelten einmal contraind
die überhaupt für die Sondeneinführung (s. oben S. 101), sodann die °atlMagen*
auch für die Kohlensäureaufblähung in Betracht kommenden, also aufbiähun*
i) Runeberg, Deutsches Archiv für klin. Med. Bd. M. S. 460.
•J.) Oser, Die Xeurosen des Magens und ihre Behandlung, 1885, S. 10.
:C Ewald, Klinik der Verdauungskrankheiten. :J. Aufl., Bd. II, S. SO.
104 Die Krankemmtcrsuelnmg.
Ulcus ventriculi und adhäsive Processe an der Magen wand, vielleicht
auch starker Meteorismus des Magens und der Därme. Auch Ver
dacht auf vorgeschrittene Atrophie der Magenschleimhaut wäre als
Contraindication zu betrachten. Desgleichen pflege ich niemals bei
der ersten Untersuchung oder nach der erstmaligen Sondirung die
Aufblähung vorzunehmen, sondern warte damit, bis der Patient sich
einige Uebung in der Sondeneinführung erworben hat,
Sowohl bei der Kohlensäureaufblähung als auch besonders bei
der Luftinsuffiation kommt es vor, dass der Magen sich nicht ver-
grössert und in seinen Contouren hervortritt, wohl aber die Därme.
Diesen Zustand hat zuerst Ebstein1) als Incontinenz des Pylorus
beschrieben, später haben Stiller2) und AYilkes3) ähnliche Beob
achtungen gemacht. Ich habe mehrfach Gelegenheit gehabt, derartige
Fälle mit aller Sicherheit zu constatiren. Es bestand hierbei eine
abnorm schnelle Entleerung, sodass ich die Vermuthung habe, dass
Hand in Hand mit der Insufficienz des Pylorus eine allzu beschleu
nigte Expulsion der (unverdauten) Contenta in den Darm geht.
Doch habe ich andererseits, wie ich bemerken möchte, in Fällen
von sehr beschleunigter Entleerung gute Verschlussfälligkeit des
Magens constatiren können.
Aufblähung- In ähnlicher Weise wie den Magen kann man auch das Colon
Dickdarms, vom Rectum aus aufblähen, v. Ziemssen 1) hat diese Methode zu
erst angewandt und beschrieben. Derselbe bläst dasselbe ebenso wie
den Magen mit Natron bicarbonicum und Acidum tartaricum auf; zu
einer straffen Aufblähung des Colon sind für den Erwachsenen
ca. 20,0 Natron bicarbonicum und 18,0 Acidum tartaricum erforder
lich, was einem Gasvolumen von ca. 5 Litern entspricht, vorausgesetzt,
dass nicht alle C 0 2 zur Entwickelung gelangt. A m besten ist, wenn
die Aufblähung allmählich, und zwar in ?•>—4 Absätzen mit Zwischen
pausen von einigen Minuten vorgenommen wird. Nach v. Ziemssen
(l.c) und Boscnbach'») nehmen an der Gasaufblähung im wesent
lichen nur das Colon descendens und transversum und ascendens
Theil, der Ilcocoecalverschluss hindert den Uebergang von Gas in
das Duodenum. Dänisch6) ist dagegen zu dem Besultate gelangt,
i) Ebstein, Volkmanns Samml. klin. Vortr. No. 155.
?) Stiller, Wien. med. Wochenschr., 1879, Xo. 4 u. 5.
3) Wilkes, Peher die Insufficienz des Pylorus. Tnaug.-Diss. Bonn. 1885.
0 v. Ziemssen, Deutsches Archiv f. klin. Med. Bd. 33, S. 235.
•"') Rosenbach, Berl. klin. Wochenschr. 1889, Xo. 28- :}0.
6) Dänisch, Berl. klin. Wochenschr. 1889, No. 15.
f>ie Krankenuntersuchung ] Oö
•biss ein fester Verschluss der Tleococcalkiapite nicht existirf. Die
Differenzen dürften auf den Druck zurückzuführen sein, mit dem die
Einblasung geschieht. In .jedem Falle ist die Aufblähung des Colon
auch für die Magendiagnostik unter Umständen von Bedeutung, nament
lich, wo deutliche Sclmlblifferenzen zwischen Colon transversum und
unterer Magengrcnze nicht hervortreten. Auch zur Bestimmung von
Tumoren, deren Sitz und Lage zweifelhaft ist, kann das Verfahren,
wie ich mich wiederholt überzeugt habe, mit Yorfheil angewendet
werden. Ich bediene mich hierzu gleichfall- der Luftaufblähung
mittelst Doppelballons, die durch ihre Einfachheit und die Möglich
keit einer oxaeten und abgestuften Dosirung vor der Kohlensäure-
aufblähung manche Vorzüge besitzt.
Minkowski 1) empfiehlt eine combinirte Kohlensäureauftreibung Minkowski-,
des Magens und Wasserfüllung des Dickdarms. Hierbei pflegen die Xt^oue.0
Tumoren des Abdomen dahin auszuweichen, wo das Organ, eiern
sie angehören, unter normalen Verhältnissen gelegen ist, Für den
Magen machte M i n k o w s k i die Beobachtung, dass Tumoren der
vorderen Magenwand und grossen Curvatur sich am aufgetriebenen
Organ breiter und in der Begrenzung undeutlicher anfühlen, während
Neubildungen an der kleinen Curvatur, indem die grosse Curvatur
sich stärker nach vorn wölbt, ganz zu verschwinden pflegen.-) Tu
moren a m Pylorus rücken gewöhnlich nach rechts und unten. Bei
der Eingiessung in den Darm rücken alle Tumoren des Magens ein
fach nach unten.
Zur Bestimmung der Lage und Grösse des Dickdarms hat sich Methode v<,
mir ein anderes Verfahren bewährt: Lässt man bei Gesunden nach 15ons
vorheriger gründlicher Darmentleerung langsam Wasser mittelst
Ilega.r sehen Trichters in den Mastdarm laufen, so füllen sich all
mählich sämmtliciie Diekdurmabsclmittc, und man erhält nach Ein
giessung von 5—000 ccm Wasser ein mehr oder weniger deutliches
Plätschcrgeräusch, der normalen Lage des Querdarms entsprechend,
also etwa handbreit oberhalb des Nabels beginnend bis zur Nabel
höhe. Bei Lagewechsel kann man unter günstigen Verhältnissen ein
leichtes Suci ussioiisgeräusch vernehmen. Desgleichen kann man in
der Gegend des auf- und absteigenden Dickdarms leichtes Olapol erneut
i) Minkowski, Berl. klin. Wochenschrift 188s. Xo. 31.
j| Dies ist doch nicht ausnahmslos der Fall, in mehreren meiner Beobach
tungen von Carcinom (ha1 kleinen Curvatur rückte der Tumor bei der Aufblähung
olwas nach hinten, Mich aber noch deutlich palpabel.
106 Die Krankenuntersuchung.
hervorrufen. Unter pathologischen Verhältnissen kann nun entweder
schon bei Einlauf sehr viel geringerer Flüssigkeitsmengen Plätscher
geräusch auftreten, was auf eine Atonie des Dickdarms hinweisen
würde, oder das Plätschergeräusch des Querdarms und der übrigen
Darmabschnitte befindet sich an anderen als den normalen Stellen,
was für eine Verlagerung des Dickdarms sprechen würde. Häufig
kommt analog wie beim Magen Atonie in Verbindung mit Tiefstand
des Dickdarms vor.
6. Bestimmung der Lage und Capacität des Magens.
1. Capacitätsbestimmung des Magens durch Wasser
füll im g.
Den Capacitätsbestimmungen des Magens liegen theils Fnter-
suchungen an Leichen, theils am Lebenden zu Grunde, und zwar
dient als Maassstab diejenige Menge Wassers, welche die Magenhöhle
vollkommen zu füllen im stände ist. Die Ergebnisse an Leichen
zeigen so ausserordentlich schwankende Ziffern, dass man sie nur auf
Verschiedenheiten der Versuchsbedingungen zurückführen kann. Im
folgenden geben wir nach Ost1) einige Zahlen:
Ewald 250—1680 g
Luschka 1500—2000 »
Schüren 2430»
Beneke 3000 »
Brinton 3130 »
Soemmering 2500—5500 »
Henle 2500—5500 »
Ewald-') überträgt die von ihm an der Leiche gewonnenen
Resultate direct auf den Lebenden, was aus naheliegenden Gründen
nicht angängig ist. Kussmaul 3) bestimmte bei einem Phthisiker
die Capacität dc^ Magens auf 2(i00 ccm; bei einem 140 cm langen
PS jährigen Schuhmacher bezeichnet er eine Capacität von 2500 ccm
als entschieden zu gross. Dieselbe Grösse fand Quincke') bei einem
t) Ost, Oes. Abhandlungen a. d. med. Klinik in Dorpat, herausgegeben von
Prof. Pnvcrricht. Wiesbaden 1893.
'-) Ewald, Klinik der Verdauungskrankheiten. 3. Aufl., S. 86.
*) Kussmaul, Yolkmann's Samml. klin. Vorträge Xo. 181.
4) Ouiuckc, Arch. f. exper. Pathologie u. Pharmakologie Bd. 25, 1889.
I He Krankenuntersuchung. 107
D'jährigen, sonst gesunden Magenfistclkranken. Auch Jaworski 1)
bat Versuche, den Magen mit Wasser anzufüllen, angestellt, weist
aber darauf hin, dass man eigentlich nie sicher sei, ob der Magen
auch vollständig gefüllt sei, da die Schwere desselben nur auf die
untere Magenwand wirke und dieselbe zur Dehnung bringe, auf die
oberen Wandungen dagegen wenig oder gar keinen Einfluss habe.
Es sei ferner fraglich, ob wir einen lebenden Magen vollständig, d. h.
bis zur Cardia mit Wasser füllen können; das Gefühl der Schwere,
des Schmerzes, die Brechneigung werden dies unmöglich machen.
-Jaworski hat aus diesen Gründen der Luftfüllung des Magens vor
der Wasserfüllung den Vorzug gegeben.
Thatsächlich hängt hierbei nach meinen Erfahrungen viel von
dem augenblicklichen Zustande des Magens, von der Buhe des Pa
tienten, seiner Gewöhnung an die Sonde und vielen anderen Um
ständen ab, welche die Sicherheit des Verfahrens mehr oder weniger
in Frage stellen können. Nur ganz excessive Flüssigkcitsmengen,
also etwa über 3000, dürften als pathologisch anzusehen sein, ge
ringere gestatten überhaupt keine irgendwie maassgebenden Schlüsse.
Ausser der einfachen Wasserfüllung sind nun noch eine Reibe
mehr oder weniger gekünstelter Methoden erfunden worden, theils
um die Lage, theils u m die Capacität des Magens zu bestimmen:
sie haben sämmtlich keine praktische Verwcrthung gefunden. Wir
werden sie im folgenden nur kurz erwähnen.
1. Die Methode von 0. Rosenbach.-)
Diese Methode hat neben der Lagebestimmung des Magens das Ziel, die
mechanische Leistungsfähigkeit des Orgaues festzustellen. Sic geht von der
Thatsache aus, dass eine Niveaubcstininmng des Flüssigkeitsstandes im Magen
durch Beobachtung des Fallens und Steigen« des Spiegels ein genügendes Prite-
rium abgiebt für die Beurtheilung der von dem Magenfundus dvv dehnenden
Flüssigkeit entgegengesetzten Widerstände. Die Bestimmung dieses Fliissigkeits-
spicgels würde die Möglichkeit gewähren, absolute Zahlen für das Fallen und
Sinken desselben zu erhalten.
Zu diesem Behufe verbindet man den in den Magen geführten Schlauch
mit einem Kutschukballon. Sobald das Sondenfenster in die Flüssigkeit taucht,
hört man mit dem an der Bauchwand angelegten Ohr ein grossblasiges, feuchtes,
oft metallisches Rasseln mit nach schallendem, deutlichen Flüssigkeitsplätschern.
Hört durch Zurückziehen die Verbindung der Sonde mit der Flüssigkeit auf, so
vernimmt man nur das zischende, von der Luftinsuffiation herrührende Geräusch
oder gar nichts.
i) Jaworski, Deutsch. Archiv f. klin. Mcdicin Bd. 35. 18X4.
A 0. Poseiibach, Volkmanns Sammlung klin. Vorträge 1878, Xo. 153.
108 Die Krankenuntersuchung.
Für den Einzelversuch gestaltet sich nun der Vorgang folgendermaßen:
Man prüft oh der Magen leer ist.1) Sodann giesst man durch die Sonde bei
Erwachsenen 50 — 100 ccm Wasser (bei Kindern genügt die Hälfte) ein und
auscultirt gleichzeitig mit der Compression des Ballons. Die Differenz zwischen
dieser Sondenlänge und derjenigen, die man erhält Ins zum Verschwinden des
Rasselgeräusches, stellt das Maass für den Flüssigkeitsstand im Magen dar. Hier
bei entspricht die Länge des herausgezogenen Sondenstückes etwa dem Durch
messer des Magenlumens.
Bei Insufficienz der Magenmuskulatur steigt das Flüssigkeitsniveau im
Magen bei Anfüllung desselben weit langsamer, wegen des erloschenen Tonus.
Steigt das Flüssigkeitsniveau langsamer, so wird die Differenz der Sondenlänge,
beider man Plätschern hört, und der, w o es schwindet, selbstverständlich kleiner
werden. Diejenige Flüssigkeitsquantität, welche bei leerem Magen eingeführt
kein Steigen oder gar ein Sinken des Niveaus im Magen angiebt, bezeichnet die
äusserste Grenze der mechanischen Magenfunetion. Hierdurch erhält man auch
ein Maass für das vom Magen zu bewältigende Flüssigkeitsquantum, woraus sich
für die Therapie höchst wichtige Gesichtspunkte ergeben.
2. Die Methode von Neubauer.-)
Das Verfahren beruht auf dem bekannten Gesetz zweier communicirender
Röhren, Der Wasserspiegel in dem Trichter eines gefüllten Magenhebers ist
gleich der Xiveauhöhe des Mageninhalts, falls die Luft neben der Sonde eintreten
kann. A m besten erreicht man dies mit der Sonde ä double courant. Auch
0. Rosenbach (1. c.) hat gleichzeitig mit N e u b a u e r dieses Verfahren als ein
fach und praktisch erprobt. Auch diese Methode wird heutzutage kaum mehr
angewendet.
3. Die Methode von Fleischer. 3)
Fleischer bringt ein kleines U-förmiges, Flüssigkeit enthaltendes Glas
röhrchen als Manometer an das freie Ende einer gewöhnlichen Gummischlauch
sonde. Wird nun die Sonde in den Magen eingefühlt, so wird, sobald das Sonden
fenster unter den Flüssigkeitsspiegel kommt, die Luft in der Sonde comprimirt,
die Flüssigkeit in dem der Sonde anliegenden Schenkel des U-Rohres nach unten
gedrängt. Hierdurch wird der Zeitpunkt des Eintauchens in die Flüssigkeit, mit
anderen Worten das Niveau der Flüssigkeit am (graduirten) Manometerrohr genau
abzulesen sein. Hierbei niuss man allerdings die Respirationsschwankungen in
letztcrem ausschalten, was am besten dadurch geschieht, dass man unter der
oberen Oeffnung noch ein kleines Fenster schneidet. Schliesst man nun mit dem
länger das Fenster und schiebt die Sonde bis zum Flüssigkeitsniveau vor, wäh
rend der Patient den Athem anhält, so wird die mit dem Eintauchen des Sonden
fensters erfolgende Aenderung im Manometerstande unbeeinflusst zu Tage treten.
Das Verfahren hat ebenfalls keinen Eingang in die Praxis gefunden.
i) Hierzu dürfte sich wohl das Expressionsverfahren am geeignetsten er
weisen.
2) .1. W . Neubauer, Prager med. Wochenschr. 187«, No. 74.
3) Citirt bei v. Leube, Die Magensonde. 1879. S. 74.
Die Krankenuntersuchung. 109
2. Capaeitätsbestimmung des Magens mittelst Luft.
a) Die Methode von Jaworski. n
Jaworski füllt den Magen durch einen etwas complicirten Ap- m-um,!,. v„n
parat solange mit Luft, bis dem Patienten ein (ief'ühl von Spannung •,,wtJ,ski-
und Schmerz im Ilvpochondrium entsteht. Der Apparat besteht
(s. Fig. 12) aus einer hochgestellten, am besten graduirten Flasche
von mindestens 0 Liter Inhalt. Mit dieser in Verbindung steht eine
zweite Wulff sehe Flasche, welche etwa Va—1 Liter Wasser enthält,
mit dreifacher liohrung. Die eine stellt die Commmiieation mit A
Fig. 12.
her, die zweite enthält ein Manometerrohr und die dritte steht mit
der Magensoude in Verbindung. P»ei Oeffnung des Quetschhahns b
füllt sich der Magen mit Luft. Behufs Ermittelung der Magon-
capacität wird der nüchterne Magen durch Aspiration möglichst von
(Jas und Flüssigkeit befreit, sodann in der eben geschilderten Weise
so lange Luft in den Magen gelassen, bis die Empfindung der
Spannung eintritt, sodann der Quetsehhahn (b) geschlossen. Die
Crosse der Abnahme de^ Wassers aus dem Cefäss A oder die Zu
nahme der Wassermenge bei II giebt die Magencapacität an. Das
Verfahren von Jaworski erscheint nicht einwandsfroi: Einmal kann
i] Jaworski, Angabe der Gase bei Magenkrankheiten. Deutsch. Arch. f. kl.
Med. Bd. :;.->, isst, S. 8."».
110 Die Krankenuntersuchung.
Luft neben der Sonde durch die Cardia entweichen, ferner in der
selben Weise auch durch den Pylorus; endlich ist die Annahme Ja
worski's. dass der Beginn der Spannung auch mit der Flöhe der
physiologischen Dehnung der Magenwände zusammentrifft, nicht ohne
weiteres zutreffend.
b) Methode von Kelling1) und Ost.-)
Nach denselben Principien, aber mehr mit Bücksicht für prak
tische Zwecke, haben Kelling und Ost unabhängig von einander
einen relativ leicht zusammenstellbaren Apparat construirt, mittelst
dessen es durch einfache Bechnung gelingt, die in den Magen ein
gepumpte Luftmenge zu bestimmen.
Methode von Der Apparat von Kelling besteht aus einem Doppelballon, einem Magen-
Keihng-. schlauch, einem gewöhnlichen Eimer (Becken, Schüssel) und einem Maasscylindcr,
der am besten eine 20 ccm Thcilung besitzt und etwa 21/2—.'1 Liter fasst, ferner
ist ein einlaches Manometer, bestehend aus einer mit Wasser theilweise gefüllten
U-förmig gebogenen Glasröhre, eventuell mit Papierscala erforderlich. Diese Stücke
werden nun mit Hülfe von stärkerem Gasschlauch und zwei gläsernen T-Stücken
(a und ß) und einem an der einen Seite zu einer Spitze ausgezogenen umge
bogenen Glasröhrchen (c) und unter Benutzung von zwei Quetschhähnen (d und e\
so zusammengestellt, wie es die folgende, ohne weitere Erläuterung verständ
liche Abbildung zeigt (Fig. 13). Nachdem der ganz mit Wasser vollgefüllte Gy-
linder umgestürzt ist, schiebt man die Spitze des unter Wasser befindlichen um
gebogenen Glasröhrchcns so hoch herauf, dass sie etwa 8 — 1 2 cm über dem
äusseren Wasserniveau steht. Letzteres geschieht zu dem Behufe, den Magen
möglichst luftleer zu saugen.
Die Bestimmung wird nun in folgender Weise vorgenommen: D e m Patienten,
der Morgens nüchtern ein Weissbrod und zwei (das Wasser genossen hat, wird
eine Stunde später der Magenselllauch eingeführt und der Magen durch Expression
eventuell durch Ausspülung von seinem Inhalt befreit. Sobald der .Magen mög
lichst leer ist, schliefst man den Magenschlauch an das obere T-Stück an; der
Cuetsehhahn nach dem Maasscylindcr ist geschlossen. Jetzt wird, während der
Patient auf einem Stuhle sitzt oder auf einem Sopha liegt, der Magen mit dem
Doppelballon aufgeblasen. Entweicht Luft neben der Sonde vorbei durch die
Cardia oder durch vorübergehende Oeffnung des Pvlorus in die Därme, so wird
dafür neue eingetrieben.
Ist die Grenze der Aufblähung erreicht so wird der Quetschhalm \e\ am
Doppelballon geschlossen und derjenige nach dem Maasscylindcr (ic Krankenuntersuchung.
Curvatur und ferner die der Hinterwand und der grossen Curvatur
einfach für die Diagnose ausfallen. Und dazu nun der grosse Appa
rat, die eminent schwierige Technik, die mit der Proccdur verbun
dene unleugbare Gefahr, die Nothwendigkeit geschulter Assistenz
und schliesslich, da es sich u m die Frühdiagnose eines Carcinoms,
mithin u m Fälle handelt, bei denen der Sitz der Neubildung unbekannt
ist, nicht einmal die Chance, die Diagnose mit Sicherheit zu stellen!
Das sind Umstände, welche die Bedeutung der Gastroskopie
noch erheblich mehr einschränken, als dies schon früher von Miku
licz und jetzt von Rosenheim geschehen ist. Es kommt endlich
hierzu noch ein Moment, das wenig gekannt und gewürdigt wird,
praktisch aber stark ins Gewicht fällt; es besteht darin, dass der
Verdacht einer carcinomatösen Erkrankung (von wenigen seltenen
Fällen abgesehen) eigentlich erst entsteht, sobald das Carcinom schon
schwere lünctionelle Störungen geschaffen hat; in diesem Stadium
ist aber, nicht immer aber meist, der richtige Zeitpunkt einer leichten
und gefahrlosen Exstirpation der Geschwulst schon verpasst. Das
jenige Stadium, das in Zukunft wirklich eine erhebliche Besserung
der Carcinommortalität bieten wird, ist das Latenzstadium des
Carcinoms, allenfalls der Zeitpunkt, in welchem die edlerersten
Reactionen des Organs auf die wachsende Neubildung beginnen.
Es ist klar, dass dies auf gastroskopischem Wege nicht möglich ist,
so wenig wie auf anderen bisher bekannten Wegen der diagnostischen
Forschung. Die Berechtigung zu dieser resignirten Auffassung wird
so recht klar, wenn wir uns einmal nach dem entgegengesetzten
Pol der VerdauungsÖffnung, dem Mastdarm umsehen. Nichts leichter
als die Diagnose eines Mastdarm carcinoms! Und doch wie selten
kommt der Chirurg in die Lage einer wirklich vollkommenen und
gefahrlosen Totalexstirpation! Angesichts dieser entmuthigenden
Thatsaehe wird der Praktiker gut thun, die Hoffnungen auf die
gastroskopische Aera nicht allzu hoch zu spannen.
A n h a n g\
Anwendung- der Röntgenstrahlen in der Diagnostik
der Magenkrankheiten.
Die epochemachende Entdeckung Röntgen s, deren Bedeutung
für die Chirurgie und einzelne Gebiete der inneren Mediein (Herz,
Gefässe, Lunge, (ficht u. a.) unbestritten ist, hat auch die Aufmerk
samkeit der Forscher auf deren Verwendung bei Erkrankungen der
1 >ie Krankenuntersuchung. 123
Abdominalorgane gelenkt. Zweifellos kommt die Röiitgenbeleiichtung
auch hier gelegentlich mit grossem Nutzen zur Anwendung, besonders
in allen solchen Fällen, wo es sich u m verschluckte metallische
Fremdkörper bandelt, deren Lage mit grosser Sicherheit zu eruiren
ist, So konnten Pean') undRaw-) in dem in der Höhe des Halses
gelegenen Theile des Ösophagus verschluckte Münzen feststellen.
White-'-) konnte auf Grund eines Skiagramms ein Mctallsternchen ope
rativ vom Magen her herausbefördern. Miller und Heid ') fanden ein
verschlucktes Gcbiss von sechs Zähnen in der Höhe des sechsten und
siebenten Intercostalraums. Pöch') konnte eine Photographic zeigen,
welche von einem Knaben herrührte, der eine sogenannte Brodmarke
(dünnes geldstückartiges Blech) verschluckt hatte. Lei der Durch
leuchtung sah man, wie der Fremdkörper täglich im Darm weiter rückte.
Von verschiedenen Seiten ist auch der Versuch gemacht, die
Grösse und Lage des Magens und der Därme sichtbar zu machen,
theils durch Luftaufblähung, theils durch Einbringung geeigneter, bei
Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen starke Schatten gebender Sub
stanzen, theils endlich, nach dem Vorschlag von Wegele") durch
Einführung einer Metallspirale in den Magen. Während bei dem
erstgenannten Vorgehen bisher nur wenig deutliche Bilder von der
Lage des Magens gewonnen wurden, hat E. Lindemann 7) auf letz
terem Wege in jüngster Zeit vortreffliche Skiagrammc erzielt, und
es unterliegt gar keinem Zweifel, dass eine Feststellung mindestens
der grossen Curvatur, vermuthlich auch des Fundus, mittelst dieser
Methode möglich sein wird. Es wird sich zeigen, inwieweit hierbei
die Durchleuchtung mehr leistet als die Gastrodiaphanie oder die
von mir kürzlich angegebene Sondenpalpation. Für die Diagnose
von Magen- und Darmgeschwülsten mittelst Röntgenstrahlen liegen
bis jetzt im wesentlichen nur negative Ergebnisse vor; es bestehen
auch wenig Aussichten, durch Verbesserung der Technik Günstigeres
zu erreichen. Pöch s) behauptet einzelne Darmschlingen von einander
abgegrenzt, ja selbst die Haustra gesehen zu haben, was indessen
von WUllstein51) bezweifelt wird.
i) Pean, La Semaine medicale 1896, S. 494.
'-') Kaw, British niedic. Journ. 1896, S. 1678.
•'«) White, Lniv. med. Magaz. VIII, 9.
i) tAIiller und IJeid, citirt nach Lew-Dom, Deutsche medicinische Wochen
schrift 1897, Xo. s.
•">) Pöch, München, niedic. Wochenschr. 1807, No. 8.
!'•) Wegele. Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 78.
') Lindemann, Deutsche medicinische Wochenschrift 1897, No. 17.
s) Pöch, 1. c.
t') Wullstein, Berl. klin. Wochenschr. 1897, No. 16.
124 Die Krankenuntersuchung.
Literatur.
Ausser der im Text angeführten Literatur sind die folgenden Lehrbücher,
Monographieen und Schriften für das Studium der physikalischen Untersuch ungs-
mcthoden geeignet:
Piorry, Tratte de la percussion mediale und Traite de plcssinictrisine et
d'organographisme. Paris 1866.
Leichtcnstern, Physikalisch-diagnostische Bemerkungen zu II. v. Luschka's
Lage der Bauchorgane des Menschen. Deutsche Klinik 1873, No. 28.
Niemeyer, Physikalische Diagnostik. Erlangen 1874, S. 298.
Gruttmann, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden. 8. Aufl. 1892.
Gerhardt, Lehrbuch der Auscultation und Percussion. 5. Aufl. 1890.
Eichhorst, Lehrbuch der physikalischen Untersuchungsmethoden innerer
Krankheiten. 3. Aufl. Berlin 1889, Bd. IL
Skamper, Ueber die Bestimmung der Magengrenzen. Inaug.-Dissertation.
Berlin 1879.
Penzoldt, Die Magenerweitcrung. Habilitationsschrift. Erlangen 1875.
Ferber, Ein Beitrag zur Lehre von der Magenpercussion nebst einigen dia
gnostischen Notizen über Magenectasie. Deutsch. Zeitschr. f. praktische Mediein
f876, No. 42.
Ad. Weil, Handbuch und Atlas der topographischen Percussion. 2. Aufl.
Leipzig 1880.
v. Pfungen, Ueber Atonie des Magens. Klin. Zeit- und Streitfragen Bd. 1,
1887, Heft 7—10.
Lewandowski, Das electrische Licht in der Heilkunde. Wien u. Leipzig 1892.
('hemische Untersuchungsniethoden. 12.")
FÜNFTES CAPITEL.
Chemische Untersuchungsniethoden.
Untersuchung- des gfemischten Mundspeichels.
Für die Untersuchung des Mundspeiehels kommen in Petraelit:
die Menge, die Reaction, die Beschaffenheit des Fermentes und das
Vorhandensein abnormer Bestandtheile.
Die Menge des Speichels, die schon unter normalen Verhält- Menge.
nissen schwankt — .lawein1) bezeichnet als normale Tagesmenge
3(>0—liOO ccm — kann abnorm gross oder gering sein. Fei einer
nicht geringen Zahl von Magenleiden finden wir starke Speichel-
vermehrung. Es ist dies Symptom offenbar refiectorischer Natur.
Wir finden es nach meinen Erfahrungen bei den allcrdifferentesten
Krankheiten, so dass es für die Diagnose kaum verwerthbar ist.
Andere dagegen gehen wieder mit mehr oder weniger starkem
Versiegen der Speichelabsonderung einher. A m häufigsten scheint
dasselbe bei Magenkrebs und bei catarrhalischen Erkrankungen der
Magenschleimhaut vorzukommen.
Beide Anomalieen, Speichelvermehrung und -Verminderung findet
man bei den vielgestaltigen Formen der nervösen Dyspepsie und
Enteropathie.
Die Reaction des Speichels beträgt nach den Untersuchungen Reaction.
von Schlesinger-) 0,013—0,044°/,. Xa._>U03, in pathologischen Fällen
kann sie bis 0,07 °/„ Na.(>03 steigen. Eine diagnostische Bedeutung
kommt diesen Alkalcscenzschwankungen nicht zu.
Wiederholt habe ich, zumal bei hysterischen Frauen, sauren
Speichel beobachtet, in Fällen von organischen Magenleiden war der
Befund ein so wechselnder dass es mir unmöglich ist, einen be
stimmten Tvpus nachzuweisen. E'Heritier fand in fünf Fällen
von Magenkrebs den Mundspeichel constant sauer und Frerichs
schliesst sich ihm auf (Irund von sechs Beobachtungen von ulce-
i) ,law ein, Wien. med. Presse 1892, No. 15 u. IG.
-'i Schlesinger. Virch. Arch. Bd. 125, S. 14G—181 und 340—803.
126 Chemische Untersuchungsniethoden.
rirtem Magen carcinom an. Auch Stick er1) fand in zwei Fällen von
Magenkrebs saure Reaction; 0. H ü b n e r dagegen ist der Ansicht,
dass dies nicht die Regel sei. Auch ich habe in sechs darauf hin
untersuchten Fällen theils alkalische, theils saure Reaction angetroffen.
Vielleicht beruhen die älteren positiven Beobachtungen auf dem
Mangel vorgängiger Reinigung der Mundhöhle, die absolut unerläss-
licli ist. — In den beiden Fällen von Sticker war die saure Re
action durch Milchsäure bedingt.
Fermontgehatt. Der Fermentgehalt des Mundspeichels bei Erkrankungen des
Digestionsapparates ist bisher wenig geprüft, wie denn hierüber auch
für andere Krankheiten auffallende Lücken bestehen. Die Frage, ob
es überhaupt Fälle mit Ptyalinschwund oder Verminderung giebt
(den man in Analogie mit der Secretionssufficienz bei anderen Drüsen
doch supponiren könnte), ist daher mit Sicherheit nicht zu beant
worten.
Nach meinen in diesem Punkte allerdings wenig belangreichen
Erfahrungen bin ich der Ansicht, dass Ptyalinmangel bei Magen
affectionen vorkommen kann.-) Ich glaube dies aus zwei Fällen ab
leiten zu sollen, bei denen trotz absoluten Mangels an H U I im Magen
inhalt grosse Mengen Jod blaufärbenden Amidulins nach längerem
Verweilen im Magen zu constatiren waren. Die Untersuchung des
Speichels ist aus äusseren Gründen in beiden Fällen leider unter
blieben. Auch Klemperer 3) erwähnt gelegentlich einen Fall, bei
dem der Ptyalingehalt direct verringert gefunden wurde.
Andererseits scheint im ganzen das Ferment gegen äussere Ein
flüsse ziemlich widerstandskräftig zu sein. Bei Stomatitis, Periodon
titis, Alveolitis u. a. habe ich wiederholt die amylolytische Wirksam
keit des Speichels geprüft und erhalten gefunden. Vielleicht dürften
aber genaue Zuckerbestimmungen Differenzen gegen die Norm ergeben.
Bei Ptyalismus dürfte der Ptyalingehalt wegen der starken In
anspruchnahme der Drüsenthätigkeit in der Regel vermindert sein;
ich selbst habe in einem Falle von Ptyalismus indess gute sacchari-
ficirende Fälligkeit gefunden, gleichfalls ohne über quantitative Be
stimmungen zu verfügen.
Aus dem Erwähnten folgt die Notwendigkeit, den Speichel auf
b (4. Sticker, Die Bedeutung des Mundspeichels in physiologischen und
pathologischen Zuständen. Berlin 1889, S. 23.
-) Auch Javcin (1. e.) fand bei chronischer Nephritis, Ascites, Scorbut,
Diabetes, Broncekrankheit die Fernientbildung verringert.
•'<) Klemperer, Verhandlungen des (Jongresses für innere Mediein 1889,
S. 276.
Chemische Untersuchungsniethoden. 227
seinen Eeimcntgehalt zu prüfen. Namentlich wenn in einem IIU1-
Ireien Magensaft viel Dextrine, bezw Amylum enthalten sind, ist die
Untersuchung des Speichels erwünscht. Auch hier ist eine vorher
gehende sorgfältige Mundsäuberung dringendes Erforderniss.
Qualitative Aenderungeu des Speichels wurden von älteren Qualitative
Aerzten vielfach angegeben und mannichfach discutirt. Wright und Al"llf''u""vn-
mit ihm noch Wunderlich und Oppolzer nahmen einen festen,
süssen, albuminösen, galligen, blutigen, kalkhaltigen, eitrigen, stin
kenden etc. Speichel an.
Im allgemeinen ist klar, dass mit der Steigerung der Speichel-
secretion der Gehalt an festen Substanzen und namentlich an orga
nischen Bcstandtheilcn abnehmen werde. Untersuchungen des Spei
chels bei Chlorose, Albuminurie, Pneumonie, Erysipel, Febris in-
fiammatoria vonUHeritier ergaben, verglichen mit dem Gesunden,
ziemlich grosse Differenzen bezüglich des Gehaltes an organischen
Stoffen und Salzen.
Inwieweit dies auch für andere Zustände und spcciell für Stö
rungen der Digestionsorgane gilt, ist bei dem Mangel einschlägiger
Untersuchungen nicht zu beantworten.
Praktisch von Bedeutung ist die bereits früher (S. 1(>) erwähnte Ktiodangohait
Zunahme des Speichels an Rhodansalzcn, wie sie besonders in dem '
Spcichelcrbrechen bei dem Wasserkolk (Vomitus matutinus) gefunden
wird. Andererseits fand Fenwick 1) bei Magcncarcinoni sehr geringe
Anwesenheit oder selbst völligen Mangel des Rhodankaiium.
Rosenbach-) hat neuerdings die Aufmerksamkeit auf einige Farben- Farbcn-
reactionen des Speichels gelenkt, die auch diagnostisch für gewisse Formen ri'ai-tmneu
Ues Speichels.
lunctioncller Störungen verweraibar sein sollen. Versetzt man Speichel mit über
schüssiger Salpetersäure, so erhält man Canaricngelbfärbung, Zusatz von Alkalien
im Ueberschuss ruft braungelbe oder orangefarbene Nuance hervor. Bei allmäh
lichem Zusatz von kochender Salzsäure im Ueberschuss beobachtet man eine
Rosafärbung, die unter gewissen, noch nicht näher bekannten, Bedingungen all
mählich in Rothviolett übergeht und bei Zusatz von Natronlauge dunkelviolett
wird. Bei weiterem Kochen mit Salpetersäure geht der Farbstoff in schwaches
oder auch gesättigtes Gelb über und bildet bei Zusatz überschüssiger Kalilauge
ein dunkleres Gelb, doch nie das oben erwähnte Braun- oder Rothgelb. Jul.
R o s c n t h a P ) hat sich genauer mit diesen Farben reactionen beschäftigt und fand,
dass der Rosafarbstoff bei normalen Menschen ohne stärkere Reizung (z. B. nach
Rauchen, Genuss von Gewürz, Pilocarpinin jeefionon) der Speicheldrüsen nicht zu
erzielen ist. Dagegen bind der genannte Autor die Farbenreaetion in grösster
Intensität bei Carcinom des Magens und starker Nephritis.
t) Fenwick, Med.-chir. Transactions 1882, Bd. 55, S. 116.
•-') O. Kosenbach, Centralbl. f. klin. Mediein 1891, No. 8.
3) Jul. Rosenthal, Berl. klin. Wochenschr. 1892, No. 15.
128 Chemische Untersuchungsniethoden.
Prüfung- der chemischen Functionen des Magrens.
A. Ohne Sondenanwendung'.
Das Erbrochene.
D e m Erbrochenen kommt bald eine weitgehende diagnostische
Bedeutung zu, ja dasselbe kann mitunter eine bis dahin zweifelhafte
Diagnose vollständig aufklären, in anderen Fällen ist sie für letztere
weniger zu verwerthen. In jedem Falle ist es aber als Symptom von
grösster Wichtigkeit und erfordert eine eingehende Beachtung.
Man hat beim Erbrechen ebenso wie bei der Untersuchung des
Mageninhalts Aussehen, Menge, Geruch, Geschmack, chemische Be
schaffenheit und mikroskopischen Befund, sowie etwaige abnorme Bei
mischungen zu berücksichtigen. Da diese Punkte zumeist im Capitel
über Mageniiihaltsuntersuchungen ausführlich behandelt werden, so
erübrigt es an dieser Stelle, den speciellen semiotischen Werth des
Erbrochenen zu besprechen.
Von Bedeutung ist, ob das Erbrochene Speisereste enthält oder
nicht.
Speisereste Im ersteren Falle ist von Wichtigkeit, sich über die letzte und
irbrochenen. (^e früheren Mahlzeiten, sowie über die nach der letzten Mahlzeit'
verstrichene Frist zu orientiren, weil sich hieraus werthvolle Schlüsse
für den Ablauf der Digestion ergeben. Befinden sich z. B. in dem
Mageninhalt noch Nahrungsreste von vortägigen Mahlzeiten, so spricht
dies mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine mechanische Behinderung
der Peristaltik (Stenose des Pylorus, Sanduhrmagen, oder auch My
asthenie u. a.).
Häufig geben intelligentere Patienten auch an, dass das Er
brochene starke Uasbildunng zeigt, woraus dann die Diagnose einer
schweren motorischen Insufficienz, zumal in Verbindung mit den
übrigen Ergebnissen der I ntersuchuiig selbst ohne Exploration mit
der Sonde völlig gesichert wird.
Von Bedeutung ist ferner die Qualität des Erbrochenen. Hierbei
kommt in Betracht, ob die Ingesta. verdaut, zum Theil verdaut oder
gar nicht verdaut sind, ob ein Unterschied zwischen Albumin- und
Kohleiihydratverdauung statt hat, ob grosse Fettmengen, bezw. Fett-
säuremengen vorhanden sind oder nicht.
Sind die Ingesta gut verdaut, so deutet dies auf eine nervöse
Magenerkrankung oder auf reflectorisches oder cerebrales oder spinales
Erbrechen hin. Doch kann auch bei organischen Magenleiden, z. B.
Chemische Untersuch ungsin et linden. [-)\)
bei l ICHS ventriculi und bei Magenc-itarrlien im Anfangsstadium. das
Aussehen des Erbrotdieiien dem normalen Cltvniu- durehum ähnlich
sein. Bei mangelhaft verdauten Ingestis ist nicht ohne weitere-, ein
ungünstiger Schluss auf den Ablauf der Digestion zu ziehen, da schon
vor dem Brechact grössere Schleimniengeii theils producirt, theils hin-
untcrge würgt sein können, die der Verdauung entgegenwirken. Falls
der \ omitusnct ohne Uebelkeit verlaufen ist, so hätte man in der
Qualität des Erbrochenen schon ein nicht zu unterschätzendes Cri-
teriuni für etwaige Verdauungsanomalieeii. Hierbei wird Vorhanden
sein oder Fehlen von Schleim und Speichel für die Beiirtheilung
dieses Momentes gewürdigt werden müssen.
Absoluter Mangel an Verdauung (Apepsie), der übrigens nur
selten — nach meinen Erfahrungen nur bei atrophirondeii Processen
der Magenschleimhaut — vorkommen dürfte, spricht, wenn zwischen
der letzten Nahrungsaufnahme und dem Voniitusactc ein längerer
Zeitraum (also "J—o Stunden) liegt, mit Wahrscheinlichkeit für hoch
gradige Störungen im Drüsenapparat. Doch ist zumal bei ge
mischter Mahlzeit die Entscheidung, ob thatsäehlieh Apepsie vorliegt,
nicht so einfach. Einzelne unverdaute Fleischreste können auch im
chemisch sufficienten Magen liegen bleiben. Nur abnorm grosse
Mengen von Fleisch sind hier entscheidend.
Dem Erbrochenen können nun fremdartige Substanzen bei
gemischt sein, haups-ichlich Blut, selten Eiter, Schleim, Speichel,
Galle, Darmsaft oder -Inhalt, Schleimhaut oder Gesehwulstpartikol,
Roth, Parasitenfragmente u. a.
a) Blut. In der Pegel hat das Blut unter dem Einfluss des niut im
Erbrochenen bereits starke Veränderungen erlitten, in einzelnen
Fällen ist es frisch. Wir können aus der Beschaffenheit des Blutes
werthvolle Schlüsse auf den Character des Erbrochenen ziehen. Be
findet sich mach mehrstündigem Stellen in dem Erbrochenen noch
klares Blut und zeigi die Untersuchung unter dem Mikroskop noch
wohlerhaltene Erythroovteii, so ist von einer wesentlichen Säurc-
produetion des Magens keine Bede. Der veränderte Blutfarbstoff
verleibt dem Erbrochenen je mich der Beschaffenheit und dem Säure-
gra.de, auch nach drv Dimer der Beimischung verschiedene Farben-
t.öne vom Tiefsehwarzen bis zur Farbe von Kaffee oder Cacaoaufguss.
Die letztgenannte Färbung deutet stets nuf eine bereits vor vielen
Sl iimlen stattgefundene Blutung hin. Die genannten Veränderungen
können Blutungen einerseits leicht übersehen lassen, andererseits
-.olehe vortäuschen. IS ist daher in diesen Fällen eine gründliche
Boas. Atlg-. tJiayuustik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. ,\uil. n
130 Chemische Untersuchungsmethoden.
chemische und mikroskopische Untersuchung nothwendig (s. hierüber
das Capitel Mageninhaltsuntersuchung).
Eiter im b) Eiter. In seltenen Fällen (Gastritis phlegmonosa, diphtherica
Erbrochenen. c a r c j n o m a exulcerans u. a.) sind mehr oder weniger grosse Eiter
mengen dem Erbrochenen beigemischt. Falls die Beimengung des
selben nicht schon makroskopisch zweifellos ist, kann man durch
einen Blick in das Mikroskop die Diagnose stellen. Hiermit ist aber
keineswegs die Provenienz des Eiters erwiesen, es kann der Eiter
von den Luftwegen oder aus dem Pharynx und dem Nasenrachen
raum, desgleichen aus einem Abscess des Dickdarms, der zu Ver-
löthungen mit dem Magen geführt hat, desgleichen von einer eitrigen
Pancreatitis, aus Leberabscessen, endlich auch aus dem Dünndarm
herstammen.
schleim und c) Schleim und Speichel ist im Erbrochenen stets anwesend.
ErbrollhenM I n grösseren Mengen ist er ohne weiteres erkennbar, in geringeren
klärt die Mucinreaction, sowie der mikroskopische Befund dar
über auf.
Gaiie im °0 Galle ist dem Erbrochenen gleichfalls nicht selten beige-
Erbrochenen.
m e ngt* eine besondere diagnostische Bedeutung kommt derselben
nicht zu. Z u m sichern Nachweis der Galle in zweifelhaften Fällen
ist die Gallenfarbstoffreaction (Gmelin'sche Probe), sowie (nach Ent
fernung der Eiweisskörper durch Phosphorwolframsäure) die Petten-
kofer'sche Probe auf Gallensäuren oder die Darstellung von Chole-
stearin nothwendig.
Schleimhaut e) Schleimhaut- oder Geschwulstpartikel kommen in seltenen
„ ^
nd
, . Fällen gleichfalls im Erbrochenen vor. Die mikroskopische Unter
Geschwulst- ° •"•
Partikel im suchung kann unter Umständen werthvolle Ergebnisse haben, ja die
'bis dahin zweifelhafte Diagnose sichern. Weiteres s. unter Mikro
skopie des Mageninhalts.
Koth- f) Kotherbrechen wird durch den Geruch festgestellt. W o
grosse Mengen vorhanden sind, kann man auch im Destillat der
Faeces den Nachweis von Phenol, Indol und Skatol führen (s. hier
über Hoppe-Seyler, Handbuch der physiol. und pathol. Analyse,
6. Aufl., S. 478).
g) Parasiten. Es kommen von solchen vor: Ascariden, Glieder
Erbrochenen.
v o n Genien? Oxyuris vermicularis, Aiichylostomum duodenale,
Trichinen. Auch Echinococcenblasen hat man bei Durchbruch von
der Leber aus im Erbrochenen gefunden. Zu den Seltenheiten ge
hören Befunde von Käsemaden (M es che de), Dipterenlarven (Ger
erbrechen.
Parasiten im
('heinische Untersuchungsniethoden. 131
hardt) und Fliegenlarven (Küchenmeister Eublinski, Sena
tor u. a.).
Ist das Erbrochene speisefrei, so kann es sich entweder um Haematemesis.
Blut, Speichel, Schleim. Gallo oder Parmsaft handeln. Bluterbrechen
(Haematemesis) kommt vor bei Ulcus, unter Umständen auch bei
Carcinom, ferner bei Eebercirrhose, bei varicöser Venenentartung
des Oesophagus und Magens, bei Stauungszustäiiden der Leber oder
auch bei Herzfehlern mit beträchtlichen Stauungen im kleinen Kreis
lauf. Die abundantesten Blutungen stammen in der Pegel vom
Magen oder dem Duodenum, doch lehren die interessanten Zusammen
stellungen von Quincke'), dass auch durch ein Ulcus des Oeso
phagus (gewöhnlich hart an der Cardia) reichlicher Bluferguss statt
haben kann.
Bezüglich der Provenienz von Blutungen aus anderen Ursachen
müssen die Befunde der Lungen-, Leber- und Herz-Untersuchung
die Diagnose klären. Zu denken ist auch, wie mich ein Fall aus
meiner Praxis lehrte, an Hämophilie. Die Diagnose vieariirende
Magenblutung darf nur bei thatsäehlich vorhandenen menstruellen
Störungen und auch dann nur mit grosser Vorsicht gestellt werden.
.Manche Aer/.te sind geneigt, geringe Magen blutungen (also 1—2 Theelöffel
Blut) bereits mit Sicherheit auf Flcus zurückzuführen. Ich habe viele Fülle zu
beobachten Gelegenheit gehabt, bei denen indess die übrige Untersuchung absolut
keinen Anhaltspunkt für Ulcus bot, obschon Digestionsstörungeu vorhanden waren.
W e n n man sieht, wie leicht durch den Sondenreiz und wahrscheinlich auch häufig
durch den Reiz von Ingestis kleine capilläre Blutungen entstehen, ohne dass die
Patienten den geringsten Nachtheil davon haben, so beweist das, wie unsubstanziirt
die Diagnose Ulcus rotundum unter solchen Umständen ist. Zu ungefähr den
selben Ansichten ist neuerdings auch L. Kuttner-) auf Grund eines reichhaltigen
Materials gelangt.
Erbrechen von reinem Speichel ist ein häufiges Symptom bei Erbrechen
chronischen Oatarrhen des Pharynx, an die sich nicht selten durch von Speichel-
den Ifciz der hinuntergeschluckten Speiohelmcngen ein sekundärer
Catarrh des Magens schliesst. Es handelt sich hierbei u m dünn
flüssige, im spec. Gewicht zwischen 1004 — 1007 schwankende, an
festen Substanzen arme Massen. Man bezeichnet diese Art des Er
brechens bekanntlich uls Vomitus matutiuus oder Wasserkolk. Die
Reaction des Erbrochenen ist in der Pegel alkalisch, zeigt aber trotz-
M Quincke, Ulcus oesophagi ex digestione. Deutsch. Archiv f. klin. Mediein
Bd. 24, S. 2.
•i} \J. Kuttner, Berlin, klin. Wochenschrift 189.3, No. 7—9.
9*
\?r2 Chemische Untersuchungsniethoden.
dem Fermentanwesenheit (Labzymogen, Pepsinogen). Chararteristisch
ist ausser der Mucinreaction die burgiinderrothe Färbung mit ver
dünnter Eisenchloridlösung, welche für Gegenwart von Phodansalzen
spricht.
schleim- Schleivnerbrechen deutet, falls es wiederholt auftritt, entweder
abrechen. ,(|^ p}iarvllo jtis chronica oder Magencatarrh oder auf beides hin.
Genaue Inspeetion des Pharynx, sowie Explorativsondirung des Magens
lassen über die Diagnose keinen Zweifel. Zuweilen sind dem Schleim
etwas Blut, Gallo oder auch, in der Pegel unverdaute Xahrungs-
residuen beigemengt. Erbrechen von reinem Schleim spricht nach
meiner Erfahrung fast mit Sicherheit gegen Mageneefusie. Die
Mengen von erbrochenem Schleim sind in der Regel durchaus nicht
bedeutend, \—2 Esslöffel oder noch weniger.
brechen Erbrechen von Gulle, bezw. Dünndarm soft. Dasselbe kommt
Gaiio und
eilT weder ganz acut. z. B. bei Gastritis acuta, Peritonitis, oder temporär
bei verschiedenen chronischen Magen-Darmarfertionen, eventuell auch
als Peflex-erscheinuiig bei Krankheiten dei Leber, der Nieren, der Ova
rien, des Uterus, bei Tabes (Crises gastriques) u. a. vor. Diagnostisch
wichtig ist das eoustaute Vorkommen von Gulle im Erbrochenen,
bezw. im Mageninhalt. Dasselbe spricht mit grösster Wahrschein
lichkeit für Stenose der Pars descendens duodeni oder der Pars
horizontalis inferior duodeni, bezw. des Anfanustheils des Jejtinum
(Leichtenstern1), Riegel'-'), ('ahn3), Honiginann 0, Hochhaus"').
Boas"), Reiche7), Herz*). Der Galle pflegt bei intaeter Beschaffen
heit des Pancreas stets Bauchspeichelsaft, beigemischt zu sein, bei
eonstetntem Fehlen desselben im galligen Inhalt erwächst Verdacht
auf eine Erkrankung des Pancreas oder eine Verlegung des Ductus
Wirsungianus (Boas) '•').
Obwohl unter kniständen die genauere Untersuchung des Erbrochenen
manche werthvollen Ergebnisse liefert, ist sie doch nur mit grosser Vorstellt für
t) Leichtenstern, Verengerungen, Vorschlicssungen und Lageveränderuiigen
des Hannes, v. Ziemssen s Handbuch dur spec. Pathologie und Therapie, 2. Aufl.,
Bd. VII, 2, S. 411 u. 41S.
-') Riegel, Zeitsclir. für klin. Mcdic. Bd. 11, II. 2 u. .">, S. IST; derselbe.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1SUO, No. 119.
•'<) (Jahn, Berl. klin. Wochenschr. 188(5, No. 22.
') Honiginann, Berl. klin. Wochenschr. 1SS7, No. 18.
•"') Hochhaus, Berl. klin. Wochenschr. is'.ll, No. 17.
'') Boas, Deutsche medicinische Wochenschrift 1891, No. 28.
") Reiche, Jahresb. d. Hamburger Krankenanstalten, S. 180 u. f.
«) Herz, Deutsche medicinische Wochenschrift 1890, No. 213 24.
») Boas 1. c.
( hemische UnteiMi<'hung>iuelhoden. 1 3.">
Ulf H, urlliciltnig der chemischen Mi ijenfv nctionni :K rer ire rfhcn. Wir dürfen
nie vergessen ilass das Erbrechen wenigstens in denjenigen fällen, wo es den
\usdruck eine]- Magcnaffoction dai-stellt, als l'roducl einer ,n>iiii< u chemischen
iid,-r inceliauischfu /,',-i:,tna der Maarnscldcinihaut anzusehen i>t. I );>,ss es zum
Erbrechen kommt, zeigt eben an. dass vorübergehend ganz abnorme, dem sonstigen
\ erlaut inadäquate Aeiiderungen in der Zusammensetzung des .Mageninhalts
vorausgegangen sein müssen.
B. Dircctc Prüfung der Magensaftsecretion.
Von mehreren Forschern sind wegen dar mit der Sonde ver
bundenen Belästigungen Methoden ersonnen worden, durch die man
sich über die Seeretion der Magenschleimhaut auf einfache Weise
unterrichten kann. Dieselben haben sich indessen in der Praxis
nicht bewährt.
1. Methode von Edinger 1) Derselbe empfiehlt kleine an Seidenläden
geheftete Schwäniniehen, die in eine Helatinekapsel gepresst werden, verschlucken
zu lassen. I>ic Kapsel löst sich sehr schnell, und das Schwänimchen wird mit
Magensaft, getränkt wieder herausgezogen. Die Methode hat den Nächtlich, dass
das Schwännnehen beim Herausziehen Schleim aufsaugt und dadurch den Magen
saft neutralisirt.
2. Methode von Sp äth-). Derselbe benutzte an Seidenladehen befestigte
mit Congolösung getränkte Ilolhindermarkkiigelehen, die, falls Salzsäure secernirt
wird, sich blau färben. Bei dieser Methode ist nur <\cv positive Ausfall bewei
send, während der negative durch nachträgliche Einwirkung von Schleim, Speichel
tt.s. w. bedingt sein kann is. das Capitel über den Salzsäurenach weist.
'.). Methode von G ünzburg-'1). G ü n z b u r g bedient sich des Jodkaliums,
welches er in Gitmmischläuche von äusserst dünner Wandung cinschliesst , die
zum Aufspringen geneigt sind. In einen derartigen Schlauch wird eine aus
0,2 o,.". g bestehende,Jodkaliumtablette eingeschoben, und die beiden Enden des
Schlauches werden zum Verschluss so umgeknickt, dass sie sich berühren. Der
Verschluss wird durch drei vorher in Alkohol aufbewahrte und daher f'estgewor-
dene Fibriufäden bewirkt. Von den so verschlossenen Päckchen, die in Glycerin
vorräthig gehalten und in eine Gelatinekapsel gepresst werden, wird eins eine
Stunde nach dem Probefrühstüek verschluckt. Alle Viertelstunden wird nun der
Speichel des Versuchsindividuums durch die Stärkeprobe auf Anwesenheit von
.Jodkaliuni untersucht. Die Idee der Methode beruht nun darauf, aus der Schnellig
keit des Auftretens der Jodreaction auf die Verdauungsenergie zu schlicssen,
letztere gemessen an der Eösungs-, bezw. t^ uellungszeit, die das Fibrin gebraucht.
Die Bedenken iregen diese an sich sinnreiche Methode beruhen in der Unmög
lichkeit den Ort der Lösung (Dann oder Magen) festzustellen, ferner dass auch
H Edinger, Deutsches Archiv f. klin. Med. Bd. 28, 1SS1.
•-') Späth, Münehener med. Wochenschr. 18^7, No. 41.
M Günzburg, Deutsche medicinische Wochenschrift 1889. No. 41.
134 Chemische Untersuclumgsmethoden.
bei Anwesenheit von Gährungssäuren eine partielle oder totale Quellung der
Fibrinfäden erfolgen und demnach normale Jodreaction vorgetäuscht werden
könnte. Endlich giebt die Methode nur Auskunft über die seeretiirische - nicht
aber über die Resorptions- und motorische Sphäre.
Das Günzburg'sche Verfahren ist durch Marfan') nachgeprüft worden,
und derselbe konnte die thatsächlichen Angaben G.V bestätigen. Dagegen fand
Bäklin in meinem Laboratorium, dass in Fällen mit ausgezeichnet erhaltener
Saftseeretion das Auftreten der Jodkaliumreaction verzögert sein kann, mithin der
Verdacht auf II Ol-Mangcl erweckt wird, w o Salzsäure tliatsächlich in genügender
Menge abgeschieden ist. Dagegen konnte Bäklin den Einwand Sahli's'^, dass
bei der G iinzburg'schen Methode die Fibrinfäden einfach schon im Wasser
quellen, so dass wenige Minuten nach der Einlegung der Päckchen in Wasser
Jodkalium in demselben nachweisbar ist, nicht bestätigen.
Sahli hat - schon vor G ü n z b u r g — ein anderes ähnliches Verfahren
ausgearbeitet, allerdings nicht im Sinne einer Probe für die Säureabscheidung,
sondern u m den Uesannntablauf der Verdauung zu eruiren. Die Ausführung ge
staltet sich folgendennassen: Eine in der gewöhnlichen Weise aber unter Zusatz
von etwas Glyeerin (zur Verhütung des Austrocknens) angefertigte Pille von
0,2 Jodkali wird in ein ca. fünffrankenstückgrosses Stückchen dünnster Para-
gummiplatte, welches so dünn sein muss wie Seidenpapier, eingehüllt, indem man
den freien Rand des Gummihäutchens über der Pille beutelartig fest zusammen
dreht. Zum Verschlucken wird das kleine Beutelchen in eine znsaimnensteckbare
Gelatinekapscl gebracht. Es wird dann der Zeitpunkt des Auftretens von Jod
im Speichel notirt. Henne'*) hat mittelst derselben eine Reihe interessanter
Untersuchungen über die Wirkimg gewisser therapeutischer Agentien angestellt.
4. .Methode von Einhorn*). Zwei silberne Kugelschalen sind derart in
einander gefügt, dass die grössere, das Gefäss bildende, die kleinere, welche
den Deckel darstellt, unischlicsst. Der Deckel ist an einem Faden befestigt, an
welchem der kleine Apparat (P'V4 cm lang, :i'4ciii breit) in den Magen hinabge
schluckt wird; findet die untere Kugelschale Grund, so fällt der Deckel durch
seine Eigenschwere auf ihren Boden und gewährt dem Mageninhalt Eintritt in
das Gefäss; beim Aufziehen verschliesst der Deckel die Oeffnung der Kugelschale
und verhindert die Beimischung von Schleim zum Mageninhalt. Praktisch hat
sich der genannte Apparat nicht bewährt. Einhorn hat daher einen kleinen
silbernen Eimer construirt, mit dem er den Mageninhalt schöpft u m ihn auf freie
Salzsäure und Labferment zu untersuchen. Ich vermag in dem Apparat weder
einen gefahrlosen noch für den Kranken angenehmen Ersatz der Magcnsondirung
zu erblicken.
i) Marfan, Archiv, general. de medecine, Mai 1890.
•i) Saldi, Corrcspondcnzbl. f. Schweizer Aerzte 1891.
3) Henne, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 19 Suppk, S. 2sU.
>) Max Einhorn, New-Vork niedic. Record, July 1890.
Chemische Untersuchungsniethoden. i:;:>
L- Prüfung dc> mittelst der Sonde gewonnenen
Mageninhaltes.
Methoden der Mageninhalfsgewinnung. Der Mageninhalt
kann durch zweierlei Methoden gewonnen werden. Er kann ange
saugt (aspirirt) werden, oder man lässt ihn mittelst der Bauchpresse
auspressen (exprimiren). Für die Praxis ist es nothwendig beide
Methoden zu kennen, da sie zuweilen neben einander zur Anwendung
gelangen.
a) Aspirationsmethode. Die Aspirationsmethode kann erfolgen Aspiration
i i • i » . .
Tr , i mittelst
durch eine ALagenpumpe, wie sie zuerst von Kussmaul angegeben Mag-enPump(
und nachher vielfach moditieirt worden ist. Die Methode leidet in
praktischer Hinsicht an mehrfachen Febelständen. Der eine liegt in
der Furcht des Kranken vor der Anwendung eines Instrumentes (der
Name »Auspumpen des Magens«, der leider auch in Aerztekreisen
noch häutig gehört wird, jagt manchem Kranken allein schon gelinden
Schrecken ein)1), der andere darin, dass dasselbe in der üblichen Form
ziemlich complicirt ist, sich schwer auseinandernehmen und in seinen
einzelnen Theilen reinigen lässt. Nicht zuletzt dürfte die Gefahr der
Abreissung von Schleimhauttheilchen, wie sie thatsüchlich bei Anwen
dung der Magenpumpe vorgekommen ist (v. Eeube-), Malbranc,
v. Ziemssen-) Gramer 1), Ebstein)"1) in Betracht zu ziehen sein.
Allerdings war das genannte Ereigniss, wie ich aus vielfachen
eigenen Beobachtungen, bei denen es sich allerdings nur u m ver
gleichsweise kleine Ablösungen der Mucosa handelte, niemals von
ungünstigen Folgen für den Kranken begleitet. Es ist mir daher
unverständlich, wie Fl ein er11) dieses höchst harmlose Vorkommniss
zu einem »Kunstfchler« aufbauschen konnte. Es lässt sich übrigens
nach meinen Erfahrungen auch bei allergrösster Sorgfalt nicht immer
vermeiden.
i) Ich miichte auf Grund reichhaltiger praktischer Erfahrungen dringend
rathen, den jetzt völlig gegenstandslos gewordenen Ausdruck »Magenauspumpen«
endlich aufzugeben. Er hat manchen Kranken, die an die Vornahme der Pro-
cedur die exorbitantesten Vorstellungen knüpften, ein oder mehrere schlaflose
Nächte gekostet.
-') v. Leube. Deutsch. Arch. f. klin. Mediein Bd. 18, 1870, S. 490.
••'•) v. Ziemssen, Deutsch. Arch. f. klin. Mediein Bd. 10. 1872, S. 6(5.
t) Crämer, München, mediein. Wochenschrift 1891, No. f>2.
.->) Ebstein, Berlin, klin. Wochenschr. 189ö. No. 4.
Ü) FI einer, Lehrbuch der Krankheiten der Verdauungsorgane. Stuttgart 1896.
S. 103.
136 Chemische Untersuclmngsmcthoden.
Flaschen- Ferner kann die Aspiration mittelst Flaseheuuspiration vor-
spiratoren
'genommen werden, für welche der Potain sehe Apparat zur Aspi
ration von pleuritischen Exsudaten das Vorbild gewesen. Dieselben
sind vielfach moditieirt und für Zwecke der diagnostischen Magen-
inhaltsuntersuchungen auch verbessert worden. Man kann in der
verschiedenartigsten Weise sich einen brauchbaren Aspirator con-
struiren. So z.B. kann man nach Analogie des von Fürbringer1)
für die Ansaugung von Exsudaten der Pleurahöhle empfohlenen
Apparates eine Wulffs che Flasche oder auch eine Glasflasche mit
doppelt durchbohrtem Stopfen anwenden, in beide Bohrungen zwei
möglichst weite Glasröhren bringen, deren eine man durch Gummi
schlauch mit der Sonde, deren andere mit der Potain sehen Spritze
Fig. 17.
oder einem Gummiballon, der die Luft ansaugt, verbindet (Fig. 17
und IS).
Durch Ballonaspiratoren. Hierzu kann man, wie Ewald-)
"• dies thut, sich eines Ballons in Form einer Birne, wie bei dem be
kannten Politzer-Apparat bedienen, indem man denselben in passender
Weise mit der Magensonde verbindet. Hierbei niuss man aber nach
jeder Ansaugung die Birne entfernen, was sehr umständlich ist, Ich
wende seit Jahren einen Aspirator an (Fig. VA), der einen starken,
beiderseitig mit gleichlangen Gummischläuchen endigenden Gummi
ballon darstellt, Durch ein Schaltstück aus Glas wird der Apparat
mit der Magensonde verbunden. Ausserdem befindet sich an dem
der Sonde abgewendeten Schlauch ein Hahn (Q). welcher dessen
Lumen absperren kann. Bei geöffnetem FI ahn wird der Ballon com-
i) Fürbringer, Berliner klin. Wochenschr. 1888, No. 13, S. 2f>4.
a) Ewald,, Klinik der Verdauungskrankheiten 3. Aufl., S. 13.
< 'licmische Untei-Michungsinethodeii. 13 11
l»i'iioirt und dadurch die Luft entfernt. Schliefst man den Hahn ab,
>o saugt der Ballon den etwa im Magen befindlichen Inhal! an. Bei
erneuter Oeffnung des Halmes kann der Inhal! des Ballons bei Com-
• S K ^ ig. ls.
17;:
\oir
f
pression des der Sonde zugewendeten Schlauches in ein darunter ge
haltenes Gefäss ausgedrückt werden, worauf die Procedur in der
selben Weise von neuem beginnt, Der Apparat kann, da er aus
.. ^f,'J\ ^r
y^y^^s--,r-^^.:: \ ^-r'^-f/'k
//
B o a s A spi rat or z u m A n s a u g e n des Mageninhalts.
/>' Ballon, s Sonde. ) Der historischen Wahrheit gemäss möchte ich an dieser Stelle die Be
merkung nicht unterdrücken, dass ich im Jahre 1884 die Methode der Expression
des Mageninhalts zuerst entdeckt und sofort Herrn E w a l d demonstrirt habe.
Von letzterem ist mein Antheil an diesem grundlegend gewordenen Verfahren
in seinen Publicationen pflichtgemäss gewahrt. Wenn von Anderen die Me
thode als Ewald'sehe Kxpressionsniethode bezeichnet wird, so entspricht diese
Bezeichnung nicht den Thatsachen.
-') Ewald und Boas, Virch. Arch. Bd. 101, 1885, S. 330,
Speiserest o
m nüchternen
Magen.
('hemische Untersuclmngsinelhoden. ] ,3!)
ist der Befund grösserer Mengen von Inhalt (über 100 ccm), wel-
cher \rt ,."i, und: Deutsehe me
dicinische Wochenschrift IS«.):'., No. 20/30.
•i) Hosin, Deutsche medicinische Wochenschrift 1SSS. Xo. 47.
n) A. 11 offmann, Berl. klin. Wochenschr. ISS'.I. Xo. 12 u. 13.
0 A. Pick, Prager niedic. Wochenschr. 1S80.
•
rM Martins. Deutsche medicinische Wochenschr. 1804, Xo. 32.
'M Schäle, Berl. klin. Wochenschr. isaö, Xo. 51.
Magensaft
140 Chemische Untersuclnmgsmethod cn.
(Schreiber1), PoasA, RosonheimpG höchst wahrscheinlich ge
worden, dass Magensafttluss wesentlich als Folge der letzteren auf
zufassen ist. Ja stdbst wo er bei Ulcus ventriculi gefunden wird,
ist fast immer das Bestehen einer mehr oder weniger ausgesprochenen
Motilitätsstörung unverkennbar. In der Pegel conibinirt sich mit
Magensafttluss eine Seeretion übermässig sauren Magensaftes (Super-
aeidität). Der Magensaft ist nach den im Capitel über Mageninhalts-
untersuchung gegebenen Regeln chemisch und mikroskopisch zu
untersuchen.
schleim c) Sehleim, bezw. Speichel. Neben Beimischung von Schleim
und Speichel , , . . . .. - . . , .
im nüchternen, und Speichel zum nüchternen Magensecret, die m geringen Mengen
Magen. physiologisch vorkommen, kann der Magen auch ausschliesslich
Schleim oder Speichel enthalten. Derselbe eharaeterisirt sich ausser
durch sein bekanntes Aussehen durch die Mucinreaction. Mikro
skopisch ergiebt sich hierbei Anwesenheit von zahlreichen Mucin-
körperchen und Epithelien, Die Anwesenheit von Schleim oder
Speichel kann sowohl durch Entzündungsprocosso im Munde (Stoma
titis, Ptyalismus, Pharyngitis u. a.) als auch durch pathologische Se-
cretion der Schleimdrüsen des Magens (Catarrlms mucosus), endlich
durch beide derselben Ursache entspringenden Processe hervor
gerufen sein.
Gaiie im d) Gulle. In manchen Fällen ist ein Rücktritt von Galle in
Magensaft.
((en ^i;lgen itcohachtet worden. Durch längeres Verweilen daselbst
wird das Bilirubin desselben in Biliverdin umgewandelt, die Galle
wird gelblich bis grasgrün. Durch Vermischung von Magensaft mit
Galle oder Darmsaft (s, unter e) werden das Gallenmucin und das
thierisehe Gummi (Landwehr), sowie die Gallcnfarbstoffe gefallt,
durch Behandlung mit Alkalien können dieselben wieder in Lösung
gebracht werden. Galle hebt nicht, wie nach dem Vorgange von
Brücke noch zuweilen angenommen wird, die pepfische Wirksamkeit
des Magonsecretes auf. sondern sie wirkt wie jeder andere Eiweiss
körper säureentziehend. Wird von der Magenschleimhaut genügend
Säure secernirf, so dass in dem Gemisch von Galle und Magensaft
Salzsäure in freiem Zustande sich befindet, so verdaut das Gemisch
ebensogut wie ein Magensaft mit demselben Gehalt, an Salzsäure
allein. Auch die Labwirkung eines Gemisches von Galle und Magen-
i) Schreiber, Deutsche medicinische Wochenschrift ISül. Xo. 18, 20, 21.
Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. 2, S. 4, lsOC>.
*) Boas, Berlin, klin. Wochenschrift 189.ri. Xo. 40.
•<) ivosenhehn, Berlin, klin. Wochenschrift 1894. Xo. 50.
('heini-M-he Unter>uehung-methoden. 141
salt bleibt solange erhalten wie Salzsäure frei bleibt. Eine speeiflseh
störende Wirkung von Gulle auf dos Magenseeret besteht dem
nach nicht.
o) Darmsaft. Neben Gallo allein kommt nach meinen Beob- narmsaft.
achtungeic) im nüchternen Magen bisweilen ein Gemisch von Galle,
pancreatisebem Saft, wahrscheinlich auch Saccus entericus vor den
ich der Einfachheit halber als »Dünndarmsaft« bezeichnet habe.
Deixlbe stellt in reinem, mit Magensaft unvermisehteni Zustande eine gras
grüne, in dünner krisung völlig klare, vGcö>e. leicht gelatiuirende Flüssigkeit dar,
die netten den Bestandteilen der Galle die biologischen Eigenschaften des Pan-
creassecretes aufweist, d. h. Stärke, sowohl rohe als gekochte desgleichen Gly
kogen zunächst in Maltose dann in Dextrose überführt, Alhuminkörper in Peptone
(Tryptone,), keim unter Verlust dvv Gelatinirbarkeit in Eeimtryptone umwandelt
und Fette in Glycrin und die betreffenden Fettsäuren zerlegt. Bei grossem Ge-
halt an XaL,COs bildet das Gemisch auch ohne grobe mechanische Kraft mit fett-
säurehaltigem Gel oder Fett Emulsionen, doch ist dies keine speeifische Eigen
schaft des Bauchspeichels. In jedem Darmsaite kann man mit Leichtigkeit auch
Eeucin und Tvrosin nachweisen. Die digestive Eigenschaft des Bauchspeichels
wird unter dem Einfluss grösserer Magensafttpiantitäten zerstört. Hierbei tritt,
wie oben bei der (kille besprochen, eine Fällung des Gallenschleims und des
Gallenfarbstoffes ein, wobei die beiden Gallonsäuren frei werden. In den Nieder
schlag Verden neben dem Mucin auch die Fermente des Pancreassaftes nieder
gerissen und, wenn die Säurewirkung längere Zeit (2 :> Stunden) anhält, definitiv
zfcsiärt Bei schwachen Säuregraden, sodass das Gemisch zwar sauer reagirt
aber keine freie Säure enthält, erfolgt überhaupt keine Fällung; das Gemisch
bleibt klar und enthält die Fermente in wirksamem Zustande.
Feber die diagnostische Bedeutung constant vorkommender
grösserer Mengen von Düimdarnisaft, welcher der Galle beigemischt
ist, ist das Nähere bereits oben S. YA2 hervorgehoben. Geringe,
desgleichen gelegentlich exprimirte oder durch Ausheberung gewonnene
Darmsaftmengen haben keine semiotische Bedeutung.
f) Blut. Es kann aus dem nüchternen Magen Blut: 1. durch mm im
Heizung eines Flcus, 2. durch Bersten von Venen bei Stauungs- ' "u"'lt,!l'
Processen, z. B. Lebcrcirrhose, bei stockenden Menses. :>. durch den
Sondenreiz auf eine sonst pathologische oder vulnerable Magen
schleimhaut oder -1. durch starke Exprcssionsbewegungen hervor
gerufen werden. Es kann die Blutung aber auch einem ganz andern
Organe, dem Oesophagus, der Nasenhöhle, dem Pharynx, den Lungen
n. a. entstammen, was man nie ausser Acht lassen darf. Häinateniesis
lässt sich von Fleusblutuim in den meisten Fällen gut differen-
ZJIV,I. Ein' letztere spricht die chararteristisehe Anamnese- die vor
hergegangenen Beschwerden der epigastrale und dorsale Schmerz-
i, Boas, Zeitschrift f. klin. Med. Bd. 17, Heft 1 und 2.
142 Chemische Untersuchungsmethoden.
punkt, die Gastralgieen u. s. w., während für erstere das die passive
Blutung bedingende Moment (Leber-, Herz-, Nieren-, Menstrual-
anomalieen) meist nicht schwer zu eruiren sein wird. Noch leichter
ist die Unterscheidung von Lungen- und Magenblutungen, die sich,
abgesehen von der characteristischen Beschaffenheit des Blutes, bei
Hämoptoe (hellroth, schaumig, nie theerfarbene Stühle) aus der sorg
fältigen Untersuchung der Lungen ergiebt. Doch darf man nicht
vergessen, dass neben Hämoptoe auch Hämatemesis vorkommen kann.
Geringe Blutungen, die meist im Verein mit Schleim zu Tage treten,
haben weder eine diagnostische noch eine prognostische Bedeutung.
Doch ist auch in solchen Fällen, falls sich die Blutungen öfter
wiederholen, wie bereits früher betont, am besten von der Sonden
einführung ganz atizusehen.
Eiter im Ueber den Nachweis geringer Blutungen s. das Capitel über
genm a . Mao-eninhaltsuntersuchungen.
g) Eiter Eiter im Mageninhalt kommt nach neueren Er
fahrungen nicht so selten vor. A m häufigsten habe ich ihn bei ulce-
rirenden Carcinomen getroffen, wo man bereits makroskopisch die
intensiv stinkenden gelblich grünen, zuweilen auch blutig tingirten
Gebilde beobachten kann. In einer Reihe von Fällen ist auf grund
dieses Befundes, natürlich unter Hinzuziehung der übrigen Factoren,
die Diagnose ulcerirenden Magencarcinoms auch ohne Tumorbefünd
zu stellen.
jarmiuhait. h) Darminhalt. Bei Enterostenosen wird Darminhalt durch
antiperistaltische Bewegungen und Lähmung des Sphincter pylori in
den Magen geschafft und bei grösserer Anhäufung erbrochen. Das
selbe kann auch bei abnormer Communication von Darmabschnitten
mit dem Magen stattfinden. Darminhalt wird leicht durch die läcu-
lente Beschaffenheit, alkalische oder schwach saure Reaction und den
Nachweis von Indol, Skatol, Gallenfarbstoffen, Gallensäuren, eventuell
auch der Pancrcasfermente erkannt. In einem von mir kürzlich beob
achteten Falle von Duodenalstenose nach Ileus bestand das Er
brochene aus Dünndarminhalt, hatte einen leicht fäcalen Geruch, ver
daute aber Pnweiss und Stärke in kurzer Zeit. Auch bei den von
mir vorgenommenen Ausspülungen wurden grosse Mengen von Dünn
darininhalt ausgehebert.
i) Harnstoff ist in seltenen Fällen im Erbrochenen bei Urämie gefunden
worden. Ueber dessen Nachweis s. Hoppe-Scyler Handbuch der phys. u. path.
Analyse 6. Aufl., S. 104.
k) Auch Ammoniak ist in seltenen Fällen im Erbrochenen (in Form von
Aminonsalzen) gefunden worden (vergl. lloppe-Seyler 1. c. S. S',)9).
Chemische Untersuchungsniethoden. 143
Untersuchung- der Mag^enlünetionen nach Einwirkung'
verschiedener Reize.
1. T h e r m i s c h e P e i z e.
Hierzu kann man nach v. Leube1) Eiswassereingiessungen an
wenden. Man bringt in den nüchternen Magen eines Individuums
100 ccm Eiswasser nach 10 Minuten wird unter Eingiessung von
.'fOO ccm Wasser die Magenfiüssigkeit ausgehebert und auf ihre Pe-
action geprüft. Das letztere geschieht in der Weise, dass 40 ccm
saurer oder bei neutraler Reaction mittelst Salzsäure passend an
gesäuerter Magenfiüssigkeit bei i>5—40" C in einem Verdau ungs-
schrank mit einem kleinen Stück hartgekochten Hülmereiweiss an
gesetzt werden und die Zeit notirt wird, wann das Eiweiss auf
gelöst ist.
Aehnlich ist die Methode von Jaworski.'-') Es werden '200 ccm
durch Eis abgekühltes destillirtes Wasser durch die Magensonde in
den nüchternen leeren Magen eingegossen, man wartet 10 Minuten
und aspirirt hierauf ohne Einführung von Verdünnung*wasser den
Mageninhalt, prüft das Filtrat chemisch und den flockigen Nieder
schlag mikroskopisch.
Beide Methoden haben wenig Eingang in die Praxis gefunden.
Auch dürfte der Reiz des Eiswassers nicht ohne weiteres bei allen
Krankheiten anzuwenden sein.
2. Chemische Reize.
Jaworski-'') hat zuerst darauf hingewiesen, dass Eingiessung
verdünnter Salzsäure in den Magen ein ausgezeichnetes Mittel dar
stellt u m die Anwesenheit von Fermenten im Magen festzustellen.
Die Methode kann aber auch allgemein als brauchbares Hilfsmittel
für die Eruirung der Drüsensecrction angewendet werden, ja sie be
sitzt vor der digestiven Methode gewisse Vorzüge. Vor allem ist sie
erheblich einfacher anzustellen, und zwar in folgender Weise. Man
giesst einem Individuum bei nüchternem Magen 100 ccm Vm Normal
salzsäure per Sonde ein. Nach 10 Minuten langem Verweilen wird
der Mageninhalt aspirirt oder exprimirt. Die gewöhnlich etwas von
h v. Leube, Deutsch. Arch. f. klin. Mediein Bd. 30, S. ,">.
•^i Jaworski, Zeitschr. f. klin. .Mediein Bd. 11, S. 50.
••>) Jaworski, Deutsche medicinische Wochenschrift 1887, No. 30—38.
144 Chemische Untersuchungsniethoden.
Schleimflocken getrübte Flüssigkeit wird sorgfältig filtrirt und sofort
in der üblichen Weise titrirt. Mit einer anderen Portion werden
Verdauungsproben, Untersuchung auf Labferment u. s. w. angestellt,
auch ist der Rückstand mikroskopisch zu untersuchen. (Das Ge
nauere s. im Capitel über Mageninhaltsuntersuchung.)
3 Electrische Reize.
Ludwig und W e b e r , H. v. Ziemssen 1) und Bocci-) haben
zuerst durch Experimente am Hunde gezeigt, dass durch die Einlei
tung eines kräftigen faradischen oder constanten Stromes durch die
Magenwand Secretion von Magensaft erfolgt. Dieselbe Erscheinung
konnten Regnard und Loye 3) bei einem Hingerichteten beobachten,
bei dem sie 45 Minuten nach dem Tode eine electrische Reizung der
Vagi vornahmen. Ausgedehnte und sorgfältige Versuche am Menschen
verdanken wir A. Hoffmann.•*) Derselbe konnte jedesmal nach
längerer Galvanisirung des Magenbezirks nicht unbeträchtliche
Mengen stark sauren Magensaftes durch die Sonde gewinnen, während
der mechanische Reiz der Sonde entweder gar keine oder nur sehr
geringe Mengen eines schwach sauren Secretes zu Tage förderte.
Diesen positiven Ergebnissen gegenüber kam E. GoldschmidtA
neuerdings zu dem Schluss, dass sowohl die directe Faradisation als
auch Galvanisation selbst bei starken Strömen keinen Einfluss auf
die Magensaftseeretion hat. Aus diesen Gründen ist von einer
diagnostischen Verwerthung des Verfahrens Abstand zu nehmen.
4. Digestive Reize.
Von den in Betracht kommenden und weiter unten zu be
sprechenden Reizen ist der digestive Impuls der natürlichste, den
thatsäehliehen Verhältnissen am meisten entsprechende. Wir erhalten
durch ihn ebenso eine naturgetreue Copie dessen, was der Magen
secretorisch, motorisch und resorptiv zu leisten im stände ist, wie
wir auch über die etwa vorhandenen sensoriellen Abweichungen
unterrichtet werden.
J) v. Ziemssen, Ueber die physikalische Behandlung chronischer Magen- und
Darnikrankheiten. Klin. Vorträge, Leipzig 1S8S.
~
2) Bocci, Lo Sperinientale, Juni 1881.
:!) Regnard und Loye, Progres medical lSS.'i, No. 28.
') V. Hoff mann, Berliner klin. Wochenschr. l«sn, No. 12 u. 13.
•j) E. Goldschmidt, Deutsch. Arch. f- klin. Mediein Bd. 5(5, Heft 3 u. 4.
('heinGche Untersuehuiorsmethoden. 14.i
Dieser ])rinzi]ialen Bedeutung des digestiven Reizes gegenüber
treten die Methoden und Details mehr oder weniger in den Hinter
grund. Jede als menschliche Nahm tag dienende Substan: stellt
au sieh eine geeignete Methode der Suffleienzprüfung dar, vor
ausgesetzt, dass mau. ihre Einwirkung auf den (gesunden Maien
kennt. Des weiteren werden einige mehr üussorliche, aber für den
Praktiker doch wichtige Gesichtspunkte in Betracht kommen. Hierzu
gehören: qualitativ und quantitativ möglichst gleichartige Beschaffen
heit der Probemahlzeit, sowie Möglichkeit der Vermeidung irgend
welcher von dem Kranken willkürlich anzuwendender Zuihaten, und
vor allem die Wahl der allcreinfachsten und compendiösosten Ver
hältnisse, schliesslich die Gelegenheit, ergiebige Mengen Mageninhalt
behufs Beurtlieilung des Digestionsablaufes leicht zu gewinnen.
Danach dürfte die Entscheidung, welcher der im folgenden
erwähnten Untersuchungsniethoden der Vorzug zu geben ist, keine
Schwierigkeiten haben. Unter diesen sind als gebräuchlichste zu
nennen:
1. Das Probefrühstück von Ewald und Boas.
Der Kranke erhält Morgens nüchtern 1 — 2 Weissbrödchen Pi-m.cfriui-
(:;r> — 7 0 g), dazu 1 Tasse Theo oder wo es sich um genaue chemi
sche Fntersuchungen handelt, :>00—400 ccm Wasser. 1 Stunde später
aspirirt man den Mageninhalt oder lässt exprimiren. Der Magen
inhalt wird nun auf Anwesenheit von HCl, Pepsin, Labferment u. s. w.
untersucht.
2. Die Probemahlzeit von Riegel.
Der Kranke bekommt Mittags eine Suppe, ein grosses Beefsteak rrobemahi-
und ein Weissbrödchen. Nach :>—4 Stunden wird der Magen ent
leert und der Inhalt desselben in Bezug auf die in Frage kommen
den Momente untersucht, Die Methode hat den Nachtheil, dass
grobe unverdaute Fleischpartikel das Sondenlumen verlegen und
dadurch der Gewinnung des Mageninhalts Schwierigkeiten bereiten
können. Ein Vortbeil der Methode vor anderen besteht indessen in
der Möglichkeit, aus der Beschaffenheit des Mageninhalts den Ver-
dauungsgrad von Amylaceen und Eiweissstoffen mit einem Blicke zu
übersehen.
:-». Methode von Klemperer.
Der Patient trinkt nüchtern \!2 Liter Milch und isst 2 Weiss- Andere
lu-ödeheu (Milch-Probefrühstück). Die Sondirung erfolgt zwei Stunden 'Lu^ 1
später
|}o;i,s AI Ig. Diagnostik u. Therapie d, Magenkrankheiten. 4. Aufl. j(j
146 Chemische Untersuchungsmethoden.
4. Methode von Germain See.
Derselbe giebt eine Mahlzeit, welche aus 60—80 g sorgfältig
geschabtem Fleisch und 100—150 g Weissbrod besteht. Er empfiehlt
dem Kranken sorgfältiges Kauen. Die Prüfung des Mageninhalts
erfolgt zwei Stunden nach der Ingestion.
5. Methode von Jaworski.
Zunächst wird der Magen früh nüchtern entleert und, wenn er
leer ist, mit 100—H00 ccm Wasser angefüllt, welche dann wieder
aspirirt und in der üblichen Weise untersucht werden. Nach diesem
Vorversuch wird dem Versuchsindividuum das Weisse von einem bis
zwei gekochten Hühnereiern gereicht, wozu 100 ccm Wasser getrunken
werden. Nach einer gewissen Zahl von Viertelstunden wird der
Mageninhalt aspirirt und auf Säuregehalt, Verdauungsfähigkeit u. a.
untersucht.
Nach s/4 Stunden darf im Mageninhalt normaler Weise kein
Eiweiss vorhanden sein, die Magenfiüssigkeit soll ferner klar oder
wenig opalisirend sein, schwach sauer oder neutral reagiren, keine
HCl enthalten und ein Eiweissscheibchen von 0,06 g Gewicht in
spätestens 7 Stunden verdauen. Die Methode ist etwas complicirter
als alle übrigen, lässt sich aber in der Praxis vereinfachen. Ausser
von Jaworski ist die Methode u. a. von Peichmann und Germain
See in Anwendung gezogen.
Noch in neuester Zeit werden von einzelnen Autoren (z.B. Talma, Fl ein er)
andere Probemahlzeiten empfohlen. Wir können auf deren Zusammensetzung
hier um so mehr verzichten, als sie vor den oben genannten in keiner Richtung
Vorzüge bieten. Dass man andererseits auch mit diesen zum Ziele kommen kann,
soll nicht bestritten werden. Cehrigens dürften sich manche Incongruenzen über
die Säureabscheidung des Magens aus den verschiedenen Ycrsuchsbedingungen
der einzelnen Autoren ergehen. Die Schaffung einer Xoriiial-Probcniahlzcit wäre
daher, wie dies auch Riegel1) hervorhebt, im Interesse der Verständigung sehr
erwünscht.
t) Riegel, Die Erkrankungen des Magens, 1. Theil, S. S7.
Magen inhaltsprüfung. 147
SECHSTES CAPITEL.
Mageninhaltsnrüfuiig.
Makroskopische Untersuchung' des Mageninhalts.
Die blosse Inspeetion des Mageninhalts bietet eine Reihe wich
tiger diagnostischer Anhaltspunkte. In Betracht kommen Aussehen,
Quantität und Geruch des Mageninhalts.
Das Aussehen lässt insofern wichtige Schlüsse zu, als es uns Aussehen
über die Einwirkung der Verdauungssäfte unterrichtet. Mau kann ' Timaits?1
danach unterscheiden: absolut unverdauten, theilweise verdauten und
gut verdauten Mageninhalt. Hierbei ist ferner auf Differenzen zwi
schen Kohleubydrat- und Eiweiss- (besonders Fleisch-) Verdauung zu
achten, hau absolut unverdauter Mageninhalt kommt nur in Fällen
von vorgeschrittenem Cafarrh, besonders bei atrophischen Zuständen
der Magenschleimhaut vor, jedenfalls zeigt derselbe immer eine ernste
secretorische Störung an. Das Aussehen der ausgeheberten Mahlzeit
gleicht in solchen Fällen genau der ursprünglichen in Wasser ge
legenen, das Eiltraf derselben liiesst zum Zeichen, dass peptische
Wirkung fehlt, wasserklar ab.
Weiter ist auf etwaige abnorme Beimengungen zum Magen
inhalt zu achten. Es kommen besonders in Bei nicht: Blut, Schleim,
Galle, bezw. Duodenalsaft, in seltenen Fällen auch Eiter, thierische
Parasiten, Geschwulstpartikel u. a. Von grosser Wichtigkeit ist auch
d;ts Verhältniss zwischen festen Substanzen und Flüssigkeit. Eine
abnorm grosse Menge Flüssigkeit gegenüber geringen Quantitäten von
Chvmus spricht für eine zu ausgedehnte Betention der ersteren
oder für Abscheidung von Flüssigkeit in den Magen.
Nicht selten beobachtet man bei grossen Bückständen im Magen
eine Dreisehichtung de<- Mageninhalts im Gefäss. Die oberste Schicht
besteht aus Schleim oder aus unverdauten oder jedenfalls gröberen
Speiseresten, die zweite, in der Regel grösste Schicht, besteht aus
Flüssigkeit, während die unterste den Chymus enthält. Eine der
artige Formation des Mageninhalts weist auf abnorme Gasgährung
im Magen hin, wie sie sich bei den höchsten Graden der niechani-
10*
148 Mageninhaltsprüfung.
sehen Insufficienz zu finden pflegt. Andererseits schliesst das Fehlen
einer Dreischichtung das Bestehen einer Störung im motorischen
Apparat keineswegs aus.
Menge Die Menge des ausgeheberten Mageninhalts ist, vorausgesetzt,
ceLiiaaitsen" dass man bekannte Mengen eingeführt und möglichst den Gesammt
bcstand an Mageninhalt gewinnen kann, von grossem Interesse. In
erstgenannter Hinsicht ist das Probefrühstück von E w a l d und mir,
da es möglichst geringe Schwankungen gestattet, das Geeignetste.
Bezüglich der aus den gewonnenen Mengen sich ergebenden Schlüsse
muss man freilich sehr vorsichtig sein, da es nur bei sehr geübten
Patienten gelingt, den Gesammtinhalt zu gewinnen.
Genauere Zu genauerer Ermittelung des Gesammtmageninhalts dient das
de^ Mag-en? neuerdings von Mathieu und P e m o n d 1 ) angegebene Verfahren: Man
inhaitsmei.ge.
extiahii't zunächst einen Theil des Mageninhalts und stellt ihn bei
Seite. Sodann bringt man eine bestimmte Quantität Wasser in den
Magen und lässt es sich gründlich mit dem Mageninhalt mischen,
indem man den Trichter wiederholt hebt und senkt, sodann hebert
man soviel, wie man gewinnen kann, aus dem Magen heraus und fängt
den Inhalt in einem besonderen Gefäss auf. Es sei nun b die Quan
tität des ohne Verdünnung gewonnenen Mageninhalts, a die Acidität
dieses Inhaltes, a' die Acidität des verdünnten Mageninhalts und q
die Menge des in den Magen eingeführten Wassers, so kann man,
da die Säuremengen im verdünnten und nicht verdünnten Mageninhalt
dieselben sind, folgende Gleichung aufstellen:
ax — a q -j- a x,
a' q
woraus sich ergiebt x =
a — a
Die Menge des ursprünglich im Magen vorhanden gewesenen Inhalts
ist demnach b -| L-
a — a
Mit Hülfe dieser Formel lässt sich auch die absolute Menge der im
Magen zur Zeit der Entnahme befindlichen Salzsäure bestimmen (s.u.).
In ähnlicher Weise verfährt Strauss-). Er bestimmt zuerst
das speeifische Gewicht des unverdünnten und sodann des mit einer
bekannten Menge Wassers verdünnten Mageninhalts. Ist S das spe
eifische Gewicht des unverdünnten, S' das speeifische Gewicht des
i) Mathieu et Remond, Soc. de biolog. 8. Nov. 1890.
2) Strauss, Therap. Monatsh. 1895, Märzheft.
Magcninhaltspnifung. 149
verdünnten Inhalts, V die Menge des ausgeheberten Inhalts, a die
Menge des zugesetzten Wassers, so ist die Menge des gesuchten
Inhalts
VK + (a— V) S' — a
Will man nur die Mengt1 der im Magen verbliebenen Flüssigkeit
wissen, so lautet die Formel nach E. Reichmann1)
a(S'-l)
x
S"—S' '
wobei die Buchstaben dieselbe Bedeutung haben, wie in der
Strauss'sehen Formel.
In ungefährer und für die Praxis völlie hinreichender Weise
ergiebt aber schon, wie bereits erwähnt, eine mehrmals wiederholte
Untersuchung nach Probefrühstück einen Anhalt dafür, ob die Menge
normal, vermehrt oder vermindert ist. Nach meinen Erfahrungen be
trägt das Filtrat des genau eine Stunde nach dem Probefrühstück ent
nommenen Mageninhalts 20 — 00 rem. Hiervon kommen nun nach zwei
Richtungen hin Abweichungen vor: einmal kann die Menge des Magen
inhalts wesentlich vermindert oder der Magen sogar gänzlich leer
sein. Es kommt dieser Zustand, den man als Ilypermotilität des
Magens bezeichnet hat, bei verschiedenen organischen und nervösen
Magenaffectionen vor, besonders bei Gastritis chronica, bei Bulimic
und bei Magenkrankheiten, die mit Incontinenz des Pvlorus einher
gehen. U m sich in solchen Fällen vor Irrthümern zu schützen, darf
man allerdings den Magen nicht durch Expression oder Aspiration
entleeren, sondern niuss aushebern.
Sodann kann die Menge des Mageninhalts vermehrt sein, wobei
man allerdings in Betracht ziehen niuss, dass diese Vermehrung nicht
immer auf motorische Insufficienz des Magens, sondern auf abnorme
Beimengungen, Schleim, Magensaft, Galle, Transsudat bezogen wer
den muss. W o hinsichtlich einer solchen Complication irgend ein
Zweifel besteht, ist stets die Untersuchung am nüchternen Magen
anzustellen. In vielen Fällen kann man jene Beimengungen aus-
schliosson und die Vermehrung des Mageninhalts auf mechanische
Störungen im motorischen Apparat beziehen. Der Grad der letzteren
ist schätzungsweise durch wiederholte Abmessungen des Mageninhalts
zu beurtbeilen. Sind dem Mageninhalt des Morgens constant Peste
i [•]. Reiclnnaim, Deutsche medicinische Wochenschrift 180,~>, Literaturheil.
No. 12.
150 Mageninhaltsprüfung.
der letzten voraufgegangenen Mahlzeiten beigemengt, so deutet dies
stets auf besonders schwere Beeinträchtigung der Magenmotion hin,
deren Umfang durch Untersuchung am nüchternen Magen festzu
stellen ist.
Geruch Der Geruch des Mageninhalts ist in manchen Fällen recht
mhaits. characteristisch. Er kann einerseits stechend sauer, andererseits bei
Abwesenheit von Säuren oder bei alkalischer Reaction fade sein.
Bei grösserer Anwesenheit von Blut besitzt der Mageninhalt den
eigenthümlich fad-süsslichen Geruch, wie er ersterein zukommt. Bei
saurer Reaction kann man auch wieder den einfach stechend sauren,
durch Salzsäure bedingten, von dem durch Fettsäuren verursachten
Geruch unterscheiden. Doch ist der letztere, wenigstens beim Probe
frühstück in der Regel nur dann wahrnehmbar, wenn ausgedehnte
Fermentationsprocesse im Magen vor sich gehen. U m die sich unter
normalen Verhältnissen oder bei massigen Gährungsvorgängen ent
wickelnden flüchtigen Fettsäuren nachzuweisen, ist die Isolirung der
selben und der chemische Nachweis erforderlich.
Bei enterostenotischen Processen oder bei abnormer Communi-
cation des Magens mit Dünndarm namentlich aber mit Dickdarm-
partieen ist der Mageninhalt deutlich fäeulent; fötide ist der Magen
inhalt bei ulcerirenden Garcinomen. Hierbei gewährt die Intensität des
Fäulnissgeruches einen nicht zu unterschätzenden Maassstab für den
Grad und die Ausdehnung des Hindernisses.
Von semiotischer Bedeutimg ist der Geruch des Mageninhalts bei ver
schiedenen Vergiftungsarten: bei Phosphor Knoblauchgeruch, bei Nitrobenzol
Bittermandelgeruch, bei Carholsäurevergiftung der bekannte Carbolgeruch. Bei
urämischem Erbrechen ist der Geruch stechend amnioniakalisch.
Hinzuzufügen ist noch, dass nicht immer der Magen oder Darm,
sondern zuweilen auch ulcerative Processe der Mundhöhle, des Pha
rynx, des Oesophagus den Boden für Zersetzungen des Mageninhalts
liefern. So kann, wie ich mehrfach beobachtet habe, bei ulceröser
Stomatitis, bei Abscessen oder Garcinomen des Pharynx, ferner bei
Oesophaguscarcinomen, bei Abscessen des Antrum Highmori u. a. der
Mageninhalt einen fötiden Geruch annehmen.
Chemische Untersuchung- des Magreninhalts.
Bedeutung Dieselbe hat die Aufgabe, uns im weitesten Sinne des Wortes
chemischen e^n Abbild der im Vorlaufe der Verdauung sich im Magen, eventuell
Magen-
auch im Dünndarm abspielenden Vorgänge zu geben und unter Ver-
inhaltsunter- '
suchung. gleichung derselben mit den normalen physiologischen Vorgängen uns
.Mageninhaltsprüfung. 151
über etwaige funetiouelie Störungen oder Abweichungen zu unter
richten sowie für die Therapie, sowohl für die diätetische als auch
lür die medicamentöse, eine brauchbare Basis zu ermöglichen. Die
Untersuchung des Mageninhalts stellt einen höchst wichtigen Aus
druck der Irbei/sleislang des Magens dar ohne dessen Kenntniss
sowohl unser diagnostischer Ausspruch als auch die therapeutische
Behandlung in vielen Fällen auf schwachen Füssen ruht.
Andererseits niuss der Uebertreibung entgegengetreten werden,
als ob die chemische Prüfung des Mageninhalts in allen Fällen
einen Schluss auf den pathologisch-anatomischen Zustand der Magen
schleimhaut oder einzelner Theile derselben ermöglicht bis ist dies
schon aus dem Grunde absurd, weil eine Reihe höchst verschieden
artiger pathologischer Processe dieselben Störungen der Digesfioiis-
leistung hervorrufen können. Ein wesentlicher Fortschritt dürfte
sich indess in Zukunft aus dem Vergleich der gastrischen Störungen
intra vitam und dem pathologischen, besonders dem mikrosko
pischen Befund bei der Autopsie ergeben, in welcher Hinsicht
schätzenswerthe Vorarbeiten bereits vorliegen. Bei dem heutigen
Stande unserer Kenntnisse dürfen wir die Ergebnisse der chemischen
Exploration nicht anders als mit sorgfältiger, ja peinlicher Kritik zu
Schlüssen hinsichtlich der sich im Magen abspielenden Gewebsver
änderungen verwenden, und nur in einzelnen prägnanten Fällen wird
es gestattet sein, auf Grund der ersteren eine pathologisch-anatomische
Diagnose zu stellen. Dass hierbei die FJiitcrsiiehung der übrigen
Organe und die physikalische Exploration der Abdominalorgane in
jedem Falle eine möglichst erschöpfende sein niuss, glaube ich oben
bereits genügend betont zu haben.
Bezüglich der Methodik mögen hier noch einige praktisch be
deutungsvolle Gesichtspunkte Platz finden.
Die Diagnose über den Zustand der Magenfunctionen kann nur
in den seltensten Fällen (z.B. bei ausgesprochener Ectasie) auf Grund
einer einmaligen Untersuchung gestellt werden. Es ist hierbei zu be
achten, dass die Furcht vor der Sonde nicht selten depressorisrh auf
die Gemüthsstimniung wirkt, von der, wie wir wissen, die Verdauungs-
vorgango in so hervorstechender Weise beeintiusst werden. Es gilt
dies besonders für Neurastheniker, aber auch für sonst gesunde, aber
ängstliche Individuen. Nach meiner Feberzougung ist in zweifel
haften Fällen mindestens eine dreimalige Explorativsondirung nach
entsprechender Mahlzeit zu einer genügenden Orientirung über die
Arbeitsleistung des Magens nothwendig, hierbei i^ t die Sondirung
152 Mageninhaltsprüfung.
bei nüchternem Magen, die, wenn irgend möglich, in jedem Falle
vorgenommen werden sollte, nicht eingerechnet.1)
Ich habe an einem grossen Krankenmaterial der Privatpraxis und des A m
bulatoriums die Erfahrung gemacht, dass nach erfolgreicher erster Sondirung die
Patienten sich leicht zu einer wiederholten verstehen. Bei erfolgloser erster
Sondenexploration aus irgend einem Grunde sind dagegen die Kranken selten zu
einer nochmaligen AViederholung zu bewegen. Gerade die erste Sondirung niuss
daher seitens des Arztes mit ebensoviel Vorsieht, als Geduld und Ausdauer ge
übt werden.
Reaction des Mageninhalts.
Nach der makroskopischen Betrachtung des Mageninhalts fil-
trirt man einen Theil desselben möglichst sorgfältig (Faltenfilter!)
und prüft ihn mittelst Lackmuspapier auf seine Reaction. Dieselbe
kann sauer, amphoter, neutral oder alkalisch sein.
Hat man festgestellt, dass der Inhalt sauer reagirt, so prüft
man weiter, ob freie Säuren darin vorhanden sind oder nicht.
Freie und Wir begegnen hier zum ersten Male dem Begriff freier Säure im Gegen
gebundene
sarz / u gebundener Säure. Gicht man zu einer Eiweisslösung ganz vordünnte
Säuren. , , .. , « . , -r> • T < , ••
Salzsaure, so reagirt das Gemisch zwar vom Beginn des Nilzsaurezusatzes an
sauer, alter es gelingt erst nach weiterem Zusatz derselben in dem Gemisch Salz
säure durch die gleich zu erwähnenden Säurereaetioncn nachzuweisen. W e n n
nun auch die an Eiweiss gebundene Salzsäure für Farbstoffe latent ist, so ist sie
zumal in Verbindung mit Pepsin für die Verdauung nicht werthlos. Es kann
nach dem heutigen Stande der Wissenschaft keinem Zweifel unterliegen, dass
Verdauung auch zweifellos ohne freie Salzsäure stattfinden kann, nur ist sie sehr
geringfügig im Vergleich zu der Verdauung, wie sie bei Gegenwart freier Salz
säure statt hat. So wenig Berechtigung es daher hat, die nicht gebundene Salz
säure als physiologisch wirksame zu bezeichnen, wie dies Salkowski und
v. Jaksch thun, so wenig angebracht ist es. dieselbe wie es Martins und
Lüttke nach dem Vorschlage Rosonheim's wollen, als überschüssige zu be
zeichnen. Wäre sie das, dann müsste das Fehlen der freien Salzsäure die Kegel,
das Vorhandensein die Ausnahme sein, während es sich bekanntlich gerade um
gekehrt verhält. Meiner Ansicht nach sind daher die Bezeichnungen »freie und
gebundene Salzsäure« immer noch die passendsten. Die Verbindungen der Eiweiss-
körper mit Säuren können nun locker oder gesättigt gebunden sein. Versetzt
man z. B. eine Eiweisslösung tropfenweise mit verdünnter Salz- oder Milchsäure,
so reagirt das Gemisch bald nach den ersten Tropfen sauer, indess ist das Eiweiss
im stände noch weit mehr Säure aufzunehmen, ohne dass Säure frei wird. Ge
sättigt ist die Eiweissverbindung erst dann, wenn bei Hinzufügen des nächsten
i'l Ich möchte hierbei bemerken, dass Sondemmtersuchung während der Men
struation möglichst zu vermeiden ist, und zwar einmal wegen der hierdurch be
dingten Gefahr einer Menorrhagie, sodann weil, wie die Versuche von Krctschy
die von E w a l d und mir später bestätigt worden sind, gezeigt haben, die Magen-
saftsecretion in dieser Zeit vorübergehend stark herabgesetzt sein kann.
Mageninlialtsprüfung. ir,:;
Tro])l'ens Säure für Farbstoffe nachweisbar ist. Die .Menge der zur Sättigung
des Eiweiss notwendigen säuren kann man als .^Sättigungscapacität > bezeichnen.
Dieselbe ist niehl allein bei verschiedenen Eiweis-körpcrn, sondern nach, v\io die
Versuche von k Blum'; erwiesen haben, bei den einzelnen, während der Ver
dauung sich bildenden Eiweissinodifieatioiien iSyntonin, Propeptoii, Pepton;
verschieden. Sie beträgt für Milch bei Anwendung von '
10 Xorinalsalzsäure
SO 00"''n, d. h. o.g'.l" , absolute oder 1,1(5 off. Salzsäure, Ebenso beträgt nach
v. Pfungen-) die Sättigungscapacität für Fleisch o.s-P»11 '„ ahsolure oder :1,:J72S" ,m
off. Salzsäure. Mit anderen Worten, wenn wir in einem keine HCl secernirenden
Magen fleisch zur Verdauung bringen wollten, so wären hierzu für je 100 g min
destens (58 Tropfen unserer off. HCl nothwendig. D a aber ein Theil der ein
geführten Säure mit den im Magen vorhandenen Alkalien, Salzen und Eiweiss-
stoffen Aluein, Schleinizellen u.a.) Verbindungen eingeht, wodurch also wieder
etwas zu Verlust kommt, so ist der Bedarf an Salzsäure schon für eine so
kleine Fleischmahlzeit (wie 100 g) noch höher zu veranschlagen. Selbst die
Verdauung einer Semmel (.">•"> g) bedarf nach v. P f u n g e n 0,1 »44 g, also bei der
oben erwähnten Beschlagnahme eines Theils derselben mehr als 1 g H C l . Auch
durch Versuche am gesunden Menschen ist die starke Sättigungscapacität des
Eiweiss von F. M o ri f '//•'•) dargethan. Bei Fleischkost fand derselbe erst gegen
die vierte Stunde Salzsäure im freien Zustande, während sie bei Stärkekost
(Kartoffel) schon in der zweiten Stunde in grosser Menge vorhanden war.
Die empfindlichste Frohe auf freie Säuren stellt das Congoroth eongnfarb-
dar. Dasselbe, USS4 von Bot lieber entdeckt, entsteht durch Ein
wirkung von 1 Mol. Salzsäuren Tetraazodiphenvls (aus Bonzidin) auf
2 Mol. Naphtionsäure. In die Fraxis eingeführt ist es durch
v. IIösslinD und Riegel,:0 die es besonders in Form des Congo-
papier als Reagens auf freie IIFl eni]ifahlen. Weit empfindlicher
noch als das Oongopapier ist nach Eeo s(;) Angaben, die ich voll
kommen bestätigen kann, das Congoroth in Eösung. Während das
Fongopapior Salzsäure erst hei einem Frocc-ntgehalt von 0,01 an
zeigt reagirt die Eösung schon bei O.ODOi), ist also etwa 10mal so
empfindlich, ('ontroluntersiichuiigen von mir,7) die im wesentlichen
von Schaff ers) bestätigt wurden, ergaben, dass bei niedrigen Salz
säuregraden. 0,1 p. m. und darüber der Farbcnausschlag sich in
keiner Weise von dem durch organische Säuren erzeugten untcr-
i) Blum, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 21, S. :>r,H-Zü2.
-') v. Pfungen, Wiener klin. Wochenschrift ISS'.l, Xo. 0-10.
••<) Moritz, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 44. II. 2 u. ."..
0 v. Ilösslin, Münchener med. Wochenschrift 18Si'>. Xo. 0.
•"> Riegel. Deutsche niedicinische Wochenschrift lKSli, Xo. .">."».
r>| Eeo. Diagnostik der Krankheiten der Verdnuungsorgane. Berlin IS'.K), S. '.)',).
T) Eons, Deutsche medicinische Wochenschrift ISST, Xo. VA).
"j Schäfi'er, Ccntralblatt f. klin. Med. 1S8S, S. S41.
154 Mageninhaltsprüfung.
scheidet. So entspricht z. B. die Bläuung durch 0,ln/oige Salzsäure
der durch 0.3% ige Milchsäure. Es kann dies also im einzelnen
Falle leicht zu Täuschungen Veranlassung geben. Nur wenn die
Blaufärbung energisch (azurblau) ausfällt, ist Anwesenheit von Salz
säure zu präsumiren. Da wir aber über absolut zuverlässige H(T-
Reagentien verfügen, so ist es zweckmässiger, das Congopapier oder
die Congolösung einfach als Reagens für freie Säuren überhaupt zu
verwenden, in weicher Hinsieht es an Schärfe allerdings die
meisten übrigen bekannten Säurereagentien übertrifft.
Nachdem durch Congopapier die Anwesenheit freier Säuren
festgestellt ist, ist weiter zu untersuchen, ob es sich u m Salzsäure
oder organische Säuren (Milchsäure, Buttersäure, Essigsäure) handelt.
Wir besprechen zunächst:
Die Reaction auf freie Salzsäure.
Man kann zwei grosse Gruppen von Reagentien unterscheiden:
1. Reagentien, welche durch Säuren überhaupt, besonders aber durch
Mineralsäuren in charactcristischer Weise verändert werden, und
2. Reagentien, welche nur mit Mineralsäuren characteristische Ver
bindungen eingehen. Von den Farbstoffen haben sich für die vor
liegenden Zwecke besonders die Rosaniline und die Azofarbstoffe
bewährt.
I. Reagentien, welche durch freie Säuren (speciell Mineral
säuren.) farblich verändert werden.
Zu den in der Praxis verwendeten Rosanilinen gehören das
Methyl- und Gentianviolett und das »Brillant vert« der Franzosen. Zu
den Azofarbstoffen gehören das Tropaeolin 00, von den Franzosen
als FOrange Foirrier No. 4 bezeichnet, das oben erwähnte Congoroth,
das Benzopurpurin (i B (v. Jaks eh1) und das Dimethylamidoazo-
benzol. Allen den genannten Farbstoffen, die bekanntlich zumeist
in der Färberei eine hervorragende Rolle spielen, kommt eine grosse
Empfindlichkeit gegen Säuren zu, die meist ihren Farbstoff mehr
oder weniger chararteristisch verändern. Ihre diagnostische Brauch
barkeit für den Salzsäurenachweis erhalten sie erst dadurch, dass
sie durch organische Säuren meist erst in einer Fonoentration farb
lich verändert werden, die im Magen selten oder fast gar nicht vor
kommt, Im übrigen ist die Empfindlichkeit für Säuren bei den ver
schiedenen Farbstoffen sehr verschieden. Auf der Tabelle S. KiO
!) v. Jakseh, Klin. Diagnostik innerer Krankheiten, 2. Aufl., 1889, S. 12^.
Magcninhaltsprüfung. \f)f\
Hndet sich die Empfindlichkeit der gebräuchlichsten Salzsäure-
reagentien verzeichnet.
Methylviolett. Dasselbe ist ein wechselndes Gemenge von MethyivioiHt.
methylirten Rosanilinen, und zwar werden, je grösser die Zahl der
eintretenden Methylgruppen ist, desto blauere, je geringer, desto
röthere Froducte gebildet, So ist. das blaueste das llexametliyl-Fara-
rosanilin, das rotheste das Trimethyl-Pararosanilin. Malv 1) und
L a b or de-) eni])fahlen das Reagens zunächst für physiologische
Zwecke, van den Velden 3) führte es zuerst in die klinische
Diagnostik ein. Die betreffenden Farbstoffgruppen gehen mit HCl
oder auch, wenn auch schwächer, mit organischen Säuren Verbin
dungen ein, die zwar im übrigen noch nicht genau studirt sind, in
dessen sich durch Aenderung der Farbe deutlich eharacterisircn. Methyl-
violett wird schon bei Spuren von Salzsäure himmelblau gefärbt.
Die Reaction wird zweckmässig in folgender Weise angestellt.
Man bereitet sich eine Methylviolettlösung von einer Concentration
vor, dass dieselbe in der Eprouvette deutlich violett erscheint, und
theilt sie in zwei gleiche Hälften; zu der einen giebt man filtrirten
Magensaft, Bei Anwesenheit freier HCl färbt sich das Methylviolett
tief himmelblau. Mit demselben Resultate kann man auch die Re
action in der Weise anstellen, dass man die Lösung in zwei Uhr-
schälchen bringt und zu dem einen etwas Magenfiltrat bringt. Auch
durch Ueberschichtung des Mageninhalts mit Methylviolett erhält
man einen prägnanten Farbenumschlag (Ewald und Boas 1). An
der Berührungsstelle bildet sich, falls freie FIC1 anwesend ist, eine
schöne himmelblaue Zone, die deutlich von dem in dem Tropfen
zähler befindlichen Methylviolett absticht,
Brillantgrün (Brillant vert) von Lannois:>) und Lopine6) besonders Bi-illantgrun.
empfohlen. Eannois beschreibt das Reagens folgendermassen: Das Brillantgrün
ist blaugrün und wird, stark mit Wasser verdünnt, schön blau. Setzt man 2 bis
3 Tropfen dieses Reagens zu einer 0,1875 p. in. H CbEösnng, so beginnt das Ge
misch sich grün zu färben, bei höherem JICl-Gohalt bekommt das Gemisch einen
gelblichen Farbenton, der leicht sichtbar sich schnell steigert, so dass bei 1,5 p. m.
die gelbe Farbe ganz deutlich hervortritt. Milchsäure bewirkt in einer Con
centration von 3 p. in. eine grünliche Farbe, niemals eine gelbe; sodann hindert
ein Zusatz von Milchsäure auch nicht das Zustandekommen der gelben Farbe
i) Maly, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 1. S. 147.
•£) Eaborde. Gaz. med. de Paris 1874, Xo. 32-34.
• '') van den Velden, Deutsch. Vrch. f. klin. Mediein Bd. 22, S. 369.
ij F/wahl und Boas, Virchow's Archiv Bd. 101, 1885.
•">) Eannois, Revue de medecine 1887, Xo. 5.
r>; Lepine, Soe. med. des hopitaux de Paris 1887, 28 janv.
156 Magenhilialtspriifung.
durch Salzsäure. Auch Georges,!) A. Mathieu^) und Bouvcret') empfehlen
das Vert brillant und ziehen es, da die Xüancen deutlicher hervortreten, dem
Methylviolett vor. Dagegen fand K r u k e n b e r g Misslingen der Brillantgrün-
reaction bei .Magensäften, welche die übrigen bewährten Salzsäurereactioncn aufs
deutlichste ergaben. Martius und Lüttke 1) halten das Reagens für gänzlich
wcrthlos.
Von den Azofarbstoffen steht in erster Reihe:
Tropaeoiin. Tropaeolin 00. Es stellt (bis Natriumsalz der Phenylamidoazo-
benzol-p-sulfosäure dar und entsteht durch Einwirkung von Para-
diazobenzolsulfosäure auf Diphenylamin. In Alkohol gelöst, nimmt
die gelbbraune Lösung bei Zusatz verdünnter Salz-. Milch- oder
Essigsäure eine tiefrothe, bei viel Zusatz rubinrothe Färbung an.
In dieser Weise angestellt, kann man noch 2 — 3 p. m. Salzsäure nach
weisen. Wie ich indess gezeigt habe,5) ist die Tropaeolinprobe in
der folgenden Modifikation angestellt eine absolut sichere und un
zweideutige SalzsäureprobeS') Man giebt in ein Porzellanschälchen
o — 4 Tropfen einer gesättigt alkoholischen Tropaeolinlösung, vertheilt
dieselbe durch Schwenken an den Rändern, lässt die gleiche Quantität
Magensaft zufliessen und vermischt durch nochmaliges Schwenken.
Erhitzt man jetzt langsam über kleiner Flamme, so entstehen an
dem Rande prachtvoll lila bis blaue Streifen, welche für Salzsäure
absolut characteristisch sind. Organische Säuren geben in keiner
Concentration ähnliche Färbung.
Noch bequemer und einfacher ist die Anwendung des Tropae-
olinpapiers, welches in der Weise hergestellt wird, dass Streifen
guten schwedischen Filtrirpapiers längere Zeit in gesättigte alko
holische Tropaeolinlösungen gebracht und dann getrocknet werden.
Salzsäurehaltiger Magensaft färbt das Papier zunächst mehr oder
weniger stark braun, beim Erhitzen wird der braune Fleck lila bis
blau. Dieselbe Färbung erfolgt auch spontan durch Trocknen bei
Zimmertemperatur. Organische Säuren in hohen Concentrationen
können gleichfalls Braunfärbung hervorrufen, dieselbe verschwindet
i) Georges, Arch. de inedccinc expcrhncntale 1889, S. 718.
2) A. Mathieu, Therapcutique des maladies de l'estoinac et de l'intestin.
Paris 1893, S. 21.
3) Bouveret, Tratte des maladies de kestomac. Paris 1893, S. 83.
b Martins u. Lüttke, Die Magensäure des Menschen. Stuttgart 1892, S. 46.
•">) Boas, Deutsche medicinische Wochenschrift 18S7, Xo. 39.
r>) Georges 1. c. stellt das Tropaeolin auf gleiche Stufe mit dem Reagens
von G ü n z b u r g und dem Resorcin und führt sogar Fälle an, w o die letzteren
negativ, das ersterc positiv ausfiel. Aehnliche Fälle sind mir bei einem grossen
Material nie begegnet.
Mageninhaltsprüfung. 157
indessen beim Erhitzen oder längeren Liegenlassen niemals findet
Blau- oder Lilafärbung' statt. Das Tropneolinpupicr ist demnach
für den \rzf eine ausigezeielinete Orieutiriuugsprohe. Eine Er
gänzung durch andere Proben ist -nur dann uothiceud'og, wenn
die Probe schtcue.li oder negativ ausfällt. ')
(1ongov'>.
Bencn/iur/j/trin 015., neuerdings von v. J a ksch-j eni])l'ohlen. Xach v. ,1 aksch Hcnzo-
weist es in 0 ccm Wasser noch 0,39 m g 11 (4 nach. Die Anwendung geschieht wie i)l"'l,llt'in-
beiinCongo und Tropaeolin in Form von Papierstreifen. Hat sich nicht bewährt.
Jrimet/n/tamidoaziifieiizol in 0,5 "
(, iger Lösung ist \ on T o p f er:ij in neuerer
Zeit als Reagens auf freie Salzsäure empfohlen worden. Bei Gegenwart äusserst
geringer Mengen freier Salzsäure wird das Reagens scharfroth gefärbt, und zwar
ist es für Lösungen von Salzsäure 10 mal so empfindlich wie das Gongopapier
und das Phlorogluein-Vanillin. Nach Fntersuchungen von Strauss') reagirt es
indessen auch auf saure Phosphate und auf massig concentrirte Milchsäurelösungen,
nach Iläri-"') allerdings nur in künstlichen Gemischen, nicht im nativen Mageninhalt.
Wir werden bei Besprechung der Töpi'er'sehen Methode der Salzsäurebestini-
niung genauer hierauf zurückkommen.
Pflanzcnfarbstoffe. Von Ff f el manno) sind der Weinfarbstoff, der Malven-
und der Heidelbeerfarbstoff als empfindliche Reagentien für den Salzsäurenach
weis angewendet und empfohlen worden, haben aber keinen Eingang in die Praxis
gefunden.
IL Reagentien, welche nur durch Salzsäure in eharaete-
ristiseher Weise verändert werden.
1. Phlorogluein- Vanillin (Günzb ur g' sches Reagens.)<) uünzimrg's
T\ T> -u i. 1 i. Reagens.
Das Reagens besteht aus:
Phlorogluein 2,0
Vanillin 1,0
Alcohol absol. 80,0
und ist ein ausserordentlich empfindliches, dabei höchst sicheres und
zuverlässiges Reagens. Seine Anwendung geschieht in der Weise,
dass man am besten aus einem kleinen Pipetfenfiäschchen H Tropfen
in ein Porcellanschälchen bringt und ebensoviel Magenfiltrat hinzu-
i) Ich wende das Tropaeolinpapier seit mmmehr zehn Jahren als Orientirungs-
rea'>'ens an und bin damit ausserordentlich zufrieden. Die schlechten Resultate
Anderer sind auf mangelhaftes Tropaeolin, bezw. schlecht gefärbtes Papier zurück
zuführen. Gutes l'ropaeolinpapier ist in Dr. Kades' Uranien-Apotheke, Berlin SO.,
Elisabethufer 34, käuflich.
•S) v. Jaksch, Klin. Diagnostik innerer Krankheiten, 2. Aufl., 1889, S. 123.
.(, Töpfer. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 19, lieft 1.
i) Strauss, Deutsch. Arch. f. klin. Mediein Bd. 50. Heft 1 u. 2.
•M Iläri, Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. 2, lieft 2 u. 3.
i'n Uffelmann, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 8, 1884, S. 393.
"j Günzburg, Central Glatt f. klin. Mediein 1887, Xo. 10.
158 AI ageninhaltsprüfung.
tröpfelt und innig mischt. Bei vorsichtigem Erwärmen über kleiner
Flamme bildet sich dann besonders am Rande ein schön carmoisin-
rother Spiegel. Derselbe besteht aus äusserst feinen Kristallenen,
die in wässeriger Lösung noch bei einer Verdünnung von 0,01 % ent
stehen. Bei einer Verdünnung von 0,005 °/0 erhält man nur noch
feine rothe Striche; unterhalb dieser Verdünnung tritt keine Reaction
mehr ein. Organische Säuren geben den Farbenspiegel in keiner
Concentration. Sehr zweckmässig und portativ ist nach meinen Er
fahrungen ein aus der G ü n z b u r g sehen Lösung hergestelltes Filtrir-
papier. Beim Betupfen mit 2 — 3 Tropfen Mageninhalt entsteht nach
Erhitzen an der befeuchteten Stelle ein schön carmoisinrother Fleck,
der bei Aetherzusatz unverändert bleibt.
ooas- Reagens. 2. Hesorcin (|B o as'sches Reagens.)a) Dasselbe ist folgender-
massen zusammengesetzt:
Resorcin. resublim. 5,0
Sacch. alb. 3,0
Spir. dil. ad 100,0
Versetzt man 5—6 Tropfen Mageninhalt mit 3 — 5 Tropfen dieser
Lösung und erhitzt über kleiner Flamme bis zur vollständigen Trockne,
so erhält man einen schön rosa- bis zinnoberrothen, der Phloroglucin-
Vanillinreaction sehr ähnlichen Spiegel, der sich beim Erkalten all
mählich verfärbt. Organische Säuren rufen eine ähnliehe Reaction
überhaupt nicht hervor. Das gleiche Resultat wird erreicht, indem
man einen Streifen schwedischen Fliesspapiers in salzsäurehaltigen
Mageninhalt taucht, 1 — 2 Tropfen der Resorcinlösung dazu tropft und
langsam erhitzt. Man erhält dann zuerst einen violetten, bei weiterem
Erhitzen ziegelrothen, bei Aetherzusatz sich nicht entfärbenden Fleck.
Die Resorcinprobe ist, wie jetzt allgemein anerkannt ist, d e m G ü n z -
burg sehen Reagens »durchaus ebenbürtig und in jeder Beziehung
gleichwerthig« (Martius und Lüttke),-) erfordert aber eine grössere
Vorsicht als dieses.
Praktischer Wertri der Salzsäureproben.
Praktischer Fioi dem Reiclitlium an Salzsäurereagentieii ist es nothwendig,
Salzsäure- einige Worte über den praktischen Werth der einzelnen Proben hin-
probeo.
z u z ufüg e j L Zunächst kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die
eigentlichen Salzsäurereagentieii vor den übrigen den Vorzug ver-
i) Boas, Centralbl. f. klin. Med. 1888, No. 45.
•i) Martius und Lüttke, Die Magensäure des Menschen, Stuttgart 1892.
Mageninhaltspriifung. | ,")9
dienen, dass sie unter allen Fmständen und Bedingungen schon
minimale Salzsäurewerthe anzeigen. Indessen sind auch die so
genannten Farbstoffpapiere namentlich das Fongo- und Tropaeolin-
papier sowie das Dimethylaniidonzobenzol1) recht brauchbare
Ovientivungspvoben, die bei viel Febung und Erfahrung selbst
quantitative Schätzungen approximativ zulassen. Ich pflege dem-
gemäss bei jeder Magcninhaltsuntersuchung zunächst die Farbstoff-
proben anzustellen, denen ich erst bei unsicherem Ausfall die eigent
lichen Salzsäurereactionen folgen lasse.
Gegen die Anwendung der Rosaniline und Azofarbsfoffe zu diagnostischen
Salzsäurereactionen hat man eingewendet, dass der karbenuinschlag durch Eiweiss
körper, Vlluuninate, Salze u. a. gehindert bezw. verdeckt werde. Der grössere
oder geringere Grad dieser Beeinflussung wurde von den verschiedensten Seiten
(angehend und sorgfältig studirt. Dahingegen glaubte man, einen besonderen
Vorzug der eigentlichen Salzsäurereagentieii 4'hloroglucin-Vanillin, Resorein) darin
finden zu müssen , dass diese durch Peptone und Eiweisskörper unbeeinflusst
bleiben. Ich glaube wohl zuerst am schärfsten betont zu haben,-) wie hinfällig
eine solche Deduetion ist. Die genannten Untersuchungen sind dergestalt ange
stellt, dass zu salzsäurehaltigcn Mageninhalten verschiedene Mengen Eiweiss,
Salze u. s. w. gesetzt und dann auf Salzsäure geprüft wurde. Hierdurch wird
aber nicht sowohl das L'eageus als nietmehr der Gehall au freier Säure beein-
ftusst, und das Fehlen oder Vorhandensein der Reaction giebt nichts anderes an
'als das, ob nach Hinzufügen von Eiweiss, Salzen u. s. w. noch freie Säure vor
handen ist oder nicht. Denn an und für sich niuss jede Salzsäurereaction bei
Zusatz von Albuminaten im Verhältniss zu letzteren schwächer werden und schliess
lich ganz aufhören. Die Empfindlichkeit einer Salzsälircprobe hängt eben davon
ab, wie viel Eiweiss- oder lYptonzusatz die zu prüfende Lösung' verträgt, ohne
dass die Reaction an Schärfe cinbüsst. Man kann dies aber ebenso gut, nur
weit einfacher durch allmähliche Neutralisirung eines sidzsäurehaltigen Magen
saftes mittelst Kali- oder Xatronlauge erreichen.
Man findet auch in der Literatur nicht selten den Gesichtspunkt vertreten,
dass unter abnormen Bedingungen im Magen durch hohen Eiweiss-Pepton-Salz-
gehalt oder ähnliche Factoren freie Salzsäure für die gebräuchlichen Reagentien
verdeckt werden könnte. Nichts kann unrichtiger sein! - Wenn die betreffen
den Bedingungen erfüllt würden, so wäre Salzsäure, wie aus den obigen Ausein
andersetzungen mit Evidenz hervorgeht, in freiem Zustande eben nicht vorhanden.
Solche Bedingungen treten schon unter ganz physiologischen Verhältnissen, K. B.
1 — 1 !•'._, Stunden nach gemischter Mahlzeit oder 2 — 3 Stunden nach reichlicher
Eiweissnahrung oder auch 10 -- lö Minuten nach Einnahme eines Probefrühstücks
ein. Unsere diagnostische Aufgabe verfolgt aber ein ganz anderes Ziel. Es soll
der Nachweis erbracht werden, ob freie Salzsäure unter Zugrundelegung einer
i) Hier eröffnet sich, um mit Martius zu sprechen, für die Herstellung
eines Farbstoffpapiers noch ein weites Feld eifriger Bethätigung.
gi Boas, Centralbl. f. klin. Med. lsss. Xo. 4ö.
160 Mageninhaltsprüfung.
ijuantitativ genau bekannten Mahlzeit (Probefrühstück, Probeinahlzeit), bei
welcher dieselbe normaler Weise nach einer bestimmten Zeit vorkommt, im ge
gebenen Falle und in welchem Maasse vorhanden ist oder nicht,
D e m Vorhergehenden entsprechend verzeichnen wir in folgender
Tabelle einfach die Reactionsgrenze der verschiedenen Salzsäure
proben, wobei wir zum Theil die sorgfältigen Untersuchungen
Krukenberg's') zu Grunde legen. Danach folgen an Schärfe in
absteigender Reihe:
Diinethylamidoazobenzol giebt noch eine
Reaction bei. 0,002 p. in. HCl
Congolösung 0,00!i » » »
Gongopapier 0,02 » » »
Phlorogluein- j
Vanillin, l 0,05 » » »
Resorcin
Methylviolett 0,2 » » »
Tropaeolin 00 0,3 » » »
Quantitative Bestimmungren der Salzsäure.
Da der Gehalt an HCl sich nach übereinstimmenden Unter
suchungen zwischen 0,1 — 0 , 2 2 % bewegt, müssen wesentliche Ab
weichungen hiervon als nicht der Norm entsprechend angesehen
werden. Zu diesem Zweck ist die quantitative Bestimmung der
Salzsäure unerlässlich, wenngleich man auch aus dem Ausfall der
Farbenreactionen auf HCl bei einiger F^ebung unter Umständen
approximativ den Säuregrad bereits abschätzen kann.
Bevor wir zu der quantitativen Bestimmung der HCl über
gehen, ist es zweckmässig sich klar zu machen, aus welchen Compo-
nenten sich die saure Reaction des Mageninhalts zusammensetzt.
Es sind dies die folgenden:
1. Salzsäure
frei gebunden
(an Eiweisskörper, basische Substanzen).
2. Organische Säuren (Milch-, Buttersäure, Essigsäure)
frei gebunden
(an Eiweisskörper, basische Substanzen.)
3. Saure phosphorsaure Salze.
i) Krukenberg, Inaug.-Diss., Heidelberg 188S.
Mageninhaltsprüfung. Dil
Wir können nun entweder den gesaniniten sauren Bestand des
Mageninhalts bestimmen, wobei die denselben bedingenden oben
genannten Eactoren berücksichtigt winden müssen, wenn wir aus
einer solchen Bestimmung irgend welche Schlüsse ziehen wollen,
oder wir können die (lesammtsalzsäure (freie und gebundene) oder
endlich nur die freie Salzsäure oder nur die gebundene Salzsäure
bestimmen.
Bei der grossen Verwirrung, die nach dieser Richtung hin noch
vielfach herrscht, erscheint es mir zweckmässig, die Salzsäurcbestim-
mungsniethoden nach diesem Eintheilungsprineip zu besprechen.
In letzter Zeit ist vielfach die Frage discutirt worden,1) ob die s,,iZsäure-
Salzsiurebesfimniung am Eiltrat oder an dem unfiltrirten Mageninhalt 'amFnträt
anzustellen sei. Es wäre gewiss nicht ohne praktischen Werth, wenn 0l,er "nflI-
. i - i i -i r trirten inha
wir im Stande waren, die absolute, vom Magen abgeschiedene Salz
säuremenge zu kennen. Allein dazu sind wir, selbst wenn wir mit
(hau ursprünglichen Mageninhalt arbeiten, nicht im Stande, und zwar
deswegen nicht, weil erstens ein Theil des mit Salzsäure beladenen
Mageninhalts sich zur Zeit der Entnahme in den Därmen befindet,
zweitens weil ein Theil der (freien) Salzsäure durch Resorption wieder
dem Blute zugeführt wird, drittens weil ein anderer Theil sich mit
Neutralsalzen zu sauren Salzen, mit anorganischen Basen zu Neutral
salzen umsetzt; wie gross dieser Antheil ist, lässt sich schwer oder
garnicht feststollen. Schliesslich stösst die exaete Abmessung eines
häufig so ungleich zusammengesetzten (iemisches, wie es der Magen
inhalt ist, auf Schwierigkeiten, wodurch auch die Exaethoit der Salz-
säurebestimmung leidet. Unter diesen FTnständen ist die Bestimmung
der relativen (procentisehen) Salzsäurewerthe am Mageninhaltsfiltrat
immerhin das einfachste und zweckdienlichste Verfahren.
1. Tiestinnnaiif/ der Gesammtncidität.
Dieselbe wird mittelst Vn> Normallauge (s. u.) bestimmt, wobei
man sich als Indicator in der Begel des Phenolphtalein oder der
Lacmustinctur bedient. -) Titrirt man mittelst Phenolphtalein, so ver-
M S. besonders Geigel und Blass, Zeitsclir. für klin. Mediein Bd. 20,
Heft 3.
-) Die Wahl des Indicators ist für die Säurebestimniung keineswegs gleich
gültig. Nach den Fntersuchungen von Lippmann (Giss. inaug. Bonn 1801) fallen
die Vciditätswerthe mit Kosolsäure kleiner als die mit Lacnnts und Phenolphtalein
aus. Man niuss dalier stets mit denselben Indicatoren arbeiten, bezw. bei Mit-
theilungeii die Wahl des Indicators hinzufügen.
Boas, Allg-. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Autl. 11
162 Mageninhaltsprüfung.
fährt man am besten so, dass man zu 10 ccm 1—2 Tropfen l°/0iger
alkoholischer Phenolphtalenilösung (einer im übrigen indifferenten
Substanz) fügt und nun aus einer M o h r sehen Bürette unter gutem
Umschütteln solange Vio Normallauge hinzufliessen lässt, bis die
Flüssigkeit einen schwach röthlichen Schimmer erhält. Die Be
rechnung des Säuregehaltes ergiebt sich daraus, dass 1 ccm Vio Nor
mallauge 0,00865 absoluter Chlorwasserstoft'säure entspricht.
Auf diese Weise ist die Gesammtacidität, bezogen auf Prorente ab
soluter Salzsäure, leicht zu berechnen. So entspricht also Acidität 5
(auf 10 ccm) oder 50 (auf 100) einem HCl-Gehalt von 0,182%.
Normal- Wir halten es nicht für überflüssig, einige orientirende Bemerkungen über
lösungen. jje Herstellung von Xorniallösungen zu geben, da der Arzt sich zuweilen in der
Lage sieht, diese selbst anzufertigen.
Man bedient sich in der Maassanalyse ausser empirischen, willkürlich zu
sammengesetzten Maassflüssigkeiten sogenannter Normalftüssigkeiten oder JSormal-
lösungen, d. h. Flüssigkeiten, welche im kiter das Aequivalcntgewicht der darin
gelösten Substanz enthalten. Man spricht daher von Normalsituren, Normalalkalien,
Xormalsilber-, Nornialkoehsalzlösungen u. s. w.
D a das Aequivalcntgewicht der Salzsäure 36,5 (H = 1, 01 = 35,5), das dov
Schwefelsäure 4)2S<>4) 40 (IT2 = 2, S = 32, 4 0 = 64 = 98; dies ist das Molecular-
gewicht der Schwefelsäure, da dieselbe aber zweibasisch ist, so beträgt das
Ve(|uivalentge\vicht die Hälfte = 49) ist, so nennt man eine Nornialsäure eine
solche, welche im Liter 36,5 Chlorwasserstoffsäure und eine Xormalschwcfclsäure
eine solche, welche im kiter 49 g Schwefelsäure enthält. Nim ist es möglich,
eine Normalkalilösung dergestalt herzustellen, dass genau 1 ccm der letzteren
1 ccm der ersteren entspricht, und da der Gehalt der Normalsalzsäure oder Nor-
malschwefelsäure bekannt ist, so ist die Berechnung ausserordentlich einfach.
Da z. B. die Nornialsäure 36,5 HCl im Liter enthält, so entspricht jeder ccm
der genau eingestellten Alkalilösung 0,0365 HCl. D a das Aequivalcntgewicht des
Natriumhydroxyds = 40, das des Kaliumhydroxyds = 56 ist, so entspricht auch
1 ccm i/10 Normalnatronlösung = 0,004 Na H O und
1 ccm i/]0 Normalkalilösung = 0,0056 K H O .
Barstellung der Xormalfliissigkeiten. Man geht hierbei entweder von der
Oxalsäure aus, deren Aequivalcntgewicht 63 g ist. 63 g Oxalsäure entsprechen
demnach einem Liter Normalalkali, also entspricht 1 g Oxalsäure ---- = 15.87
oder abgekürzt 15,9 ccm Nornialalkali. Man löst nun 1 g reine krystallisirte
Oxalsäure in einer beliebigen Quantität destülirten Wassers, fügt 2—3 Tropfen
Phenolphtaletnlösung zu und titrirt von einer beliebig verdünnten Kalilauge so
lange, bis eben Farbeniunschlag eintritt. Dieser Versuch wird 2 -3 mal wieder
holt. Aus der Zahl der verbrauchten ccm Lauge lässt sich leicht berechnen, wie
viel ccm derselben, u m eine Norniallauge zu geben, zum Liter zu verdünnen
sind. Hätten wir z. B. für t g Oxalsäure 12,5 eem Kalilauge verbraucht, so be
kämen wir folgenden Ansatz:
15,9 : 12.5 = 1000 : x.
x = 786,1
Mageninhaltsprüfung. K;:!
d. h. 780 ecin der in Anwendung gebrachten Lauge wären zum Liter zu ver
dünnen. In derselben Weise kann man sich auch eine Zehntelnornialbarvtlösung
11. s. w. herstellen.
Noch einfacher ist folgendes Vorgehen: Man löst 03 g Oxalsäure in 1 Liter
Aqua destillata. kerner verdünnt man 150 g Liquor Kalii caustici Ph. Germ, auf
1050 und füllt mit dieser Mischung eine Bürette, bringt 10 ccm der Normaloxal-
säurelösung in ein kleines Becherglas, bis die Reaction eben alkalisch ist. Als
Indicator bedient man sich des Phenolphtalein oder der Uosolsäure. Findet man
nun, dass lo ccm Säure nicht durch 10 ccm Lauge, sondern etwa durch 9,5 Lauge
neutralisirt werden, so niuss man zu 9,5 Lauge noch 0,5 Wasser oder zu 950
Lauge 50 Wasser hinzufügen, dann hat man eine der Xormaloxalsäure äquivalente
Xorniallauge. von der jeder ccm 0,063 g Oxalsäure entspricht.
Flu eine Xormalsa/zsäure herzustellen, kann man nach der Vorschrift der
deutschen Pharmakopoe vorgehen. Dieselbe lautet: 146 g Salzsäure vom speci-
fischen Gewicht 1,124 (d. i. die offieinelle Salzsäure) werden mit Wasser zum Liter
verdünnt. 1 g reinstes, frisch geglühtes Natriumcarbonat niuss 18,S (richtiger
18,9) dieser Säure zur Sättigung gebrauchen. Denn das Aequivalcntgewicht des
Xatriuniearbonatesisf 53 = -: —2- -" A lg Natriumcarbonat ist sonach = 18,87
2 .>3
oder abgekürzt 18,9.
Durch entsprechende Verdünnung kann man sich aus den Normallaugen
und Nornialsäuren Zehntel, Zwanzigstel, Fünfzigste], Hundertstel u. s. w. Laugen
oder Säuren darstellen. Von den Normallaugen ist die Norinalkalilauge und die
Noruialbarytlauge der Natronlauge vorzuziehen, weil die ersteren weniger Kohlen
säure anziehen und daher ihren Türe länger richtig behalten.
Norniallösungen müssen gut aufbewahrt werden, damit sie im Laufe der
Zeit nicht ihren Türe ändern. Von Zeit zu Zeit ist eine Controle, bezw. Oorreetur
sehr von Nutzen für die Genauigkeit. Namentlich ziehen die Normallaugen Kohlen
säure aus der Luft an, und es bilden sich die betreffenden kohlensauren Salze,
wodurch der Türe der Flüssigkeit nicht unwesentlich beeinflusst wird. Dass die
Büretten, welche Norniallösungen enthalten, gut verschlossen sein müssen, bedarf
wohl keiner Erwähnung.
Bezüglich der Technik des Ablösens der bei der Türirung gewonnenen
Zahlen erinnern wir daran, dass die unterste Begrenzungsschicht herkömmlich in
Rechnung gezogen wird (nur bei undurchsichtigen Flüssigkeiten, wie Jodlösun
gen, Lösungen von Kaliumpermanganat u.a. liest man die obere Begrenzung
derselben ahi.
Die directe Titrirung mit Normalalkali in der eben beschrie
benen Weise kann nur dann einigermaßen zuverlässige Werthe
geben, wenn es sich u m reinen Magensaft handelt. Führt man
dagegen Ingesta ein, so ist, selbst bei den einfachen Verhältnissen,
wie sie das Probefrühstück in sich schliesst, das Titrationsergebniss
nur ein ungefährer Ausdruck für die vom Magen abgeschiedenen
Salzsäuroquantitäten; denn wir titriren neben letzteren alle übrigen
Säuren (organische Säuren), sowie auch etwaige durch Umsetzen
gebildeten sauren Salze (namentlich Phosphate) mit. Ausserdem
11*
164 Mageninhaltsprüfung.
müssen wir dessen eingedenk sein, dass wir die gebundene Salz
säure mit der freien zusammen titriren. Gänzlich werthlos wird
die Bestimmung der Gesammtacidität bei einem hohen Grade von
Milchsäure, wie wir ihn z. B. beim Magencarcinom finden.
2. Bestimmung der Gesammtsalzsäure.
a) Nach Cahn und v. Mering1).
Salzsäure- ") Titrirmethoele. 50 ccm filtrirten Mageninhalts werden über freiem Feuer
bestimmung- destillirt, bis 3/4 übergegangen sind, wieder auf 50 ccm aufgefüllt und noch-
n T c h f1 JIVin
und v. Mering-. m a l s 3U abdcstillirt. Im Destillat sind die flüchtigen Säuren enthalten, deren
Werth durch Titration bestimmt wird. Der Rückstand wird in demselben Ge
fäss 6 mal mindestens mit je 500 ccm Aether gut ausgeschüttelt, dabei geht
alle Milchsäure in den Aether und wird, nachdem der Aether abdcstillirt wor
den ist, in den vereinigten Rückständen ebenfalls bestimmt. Der verbleibende
saure Rest wird gleichfalls titrirt, und dieser Werth giebt die vorhandene freie
Salzsäure an.
ß) Cinchoninmethode. Die in der obigen' Weise von flüchtigen Fettsäuren
und Milchsäure befreite Flüssigkeit wird mit überschüssigem Cinchonin bis zur
neutralen Reaction digerirt, die Masse mit Chloroform in einen Scheidetrichter
gespült, 4—5 mal damit ausgeschüttelt, die Chloroformauszüge abdcstillirt, der
Rückstand in Wasser gelöst, mit etwas Salpetersäure angesäuert und mit Silber
salpeter das Chlorsilber ausgefällt und gewogen und hieraus die Salzsäure be
stimmt (AgCl : HCl = 1 : 0,25427).
Die Methoden von Cahn und v. Mering ergeben, wie durch
die Untersuchungen von Honigmann und v. Noorclen2), sowie
Klemperer 3) erwiesen ist, sämmtliche im Mageninhalt vorkommen
den Chlorverbindungen, also auch die an Eiweiss gebundenen, das
Titrirverfahren ausserdem noch die im Mageninhalt vorkommenden
sauren Salze (Phosphate u. a.), schliesslich auch Verbindungen von
Albumin mit organischen Säuren (milchsaures, buttersaures Albumin
u. s. f.). Hierdurch werden die Kesultate der Salzsäurebestimmung
ungenau.
b) Nach Hehner-Seemann4).
Salzsäure- Diese Methode ist ursprünglich von Helm er vorgeschlagen, um
naTh Hühner- zu pcüfcn, ob Essig durch Mhieralsäureii gefälscht sei, und später
Seemann.
1) Cahn und v. Mering, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 39, S. 3 u. 4.
2) Ilonigmann und v. Noorden, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 13, S. 87.
*) Klemperer, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 14, S. 156.
4) Seemann, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 5, S. 272.
Mageninhaltsprüfung. 165
von Malv zur Untersuchung des Magensaftes auf Salzsäure ange
wendet worden. S e e m a n n hat sich ihrer zuerst zur Salzsäure-
bestimniung des Mageninhalts bedient. Identisch damit ist ein von
v. Fe übe 1) empfohlenes Verfahren, das er als von A. Braun her
rührend angiobt. Wenn man zu einer Quantität Fssig eine bestimmte
Menge i/10 Xormallauge setzt, alsdann eindam])ft und bei gelinder
Glühhitze verascht, so lässt sich, da die organischen Säuren sich in
C 0 2 umwandeln und entweichen, aus dem Gehalt des zurückgeblie
benen Alkali die Menge der vorhandenen freien Salzsäure leicht
berechnen. Acimlich verfährt man mit dem Mageninhalt,
Man bestimmt zunächst in einer Portion Magenfiltrat (10 ccm) mittelst
Titrirung mit ' '1() Normallauge die Gesamnüacidüät. Hierauf werden zu einer
zweiten, gleich grossen Fortion einige ccm mein- zugesetzt, als für die Neutrali-
sirung der ersten Probe nothwendig war. Die alkalische Flüssigkeit wird jetzt
in einer Fiatin-, Silberschale oder auf einer Asbestseilicht vorsichtig eingedampft
und verascht. Die Asche wird mit ebensoviel ccm i/10 Nornialsäure (Salz- oder
Schwefelsäure) gelöst, die Lösung zum Verjagen der Kohlensäure aufgekocht
und dann mittelst Phenolphtalein als Indicator titrirt. Die Anzahl ccm !/l0 Lauge,
die man hierzu verbraucht, repräsentirt mit 0,00365 multiplieirt den Werth für
Salzsäure in 10 ccm. Wie man sieht, kann man mittelst dieser Methode in sehr
einfacher Weise auch den Gehalt an organischen Säuren im Mageninhalt be
stimmen, was bei keiner der übrigen Methoden der Fall ist.
Beispiel:
10 ccm bedürfen zur Neutralisation 5 ccm Vio
K H O , folglich ist die Acidität in % = 50 V i o K H O .
Nach dem Alkalisiren, Voraschen und Zusatz von
(> ccm V m Normalsalzsäure sind zur Neutrali-
sirung erforderlich 4,5, folglich beträgt der Ge
halt an Salzsäure in °/o — 45 » »
Demnach Gehalt an organischen Säuren in °/o — 5 » »
Die Methode besitzt den Fehler, dass hierbei auch die Acidität
des zweifach sauren Phosphats mitbestimmt wird, wodurch der Salz-
säurewerth zu hoch ausfällt. Zu richtigen Werthen gelangt man
dagegen nach Pläri-) bei der Fndtitrirung mittelst Dimetbvlamido-
azobenzol als Indicator. Ganz fehlerhaft ist nach IläiTs eingehen
den Untersuchungen die Methode bei Fehlen freier Salzsäure; in
diesen Fällen ergiebt die Fndtitrirung lediglich einen Ausdruck für
die im Mageninhalt anwesenden Phosphate.
t) v. Leube, Specielle Diagnose innerer Krankheiten S. 234.
'•*) Iläri, Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. 2, Heft 2 und 3.
166 Mageninhaltsprüfung.
c) N a c h Sjöquist1).
Salzsäure- Das Verfahren beruht darauf, dass die im Magensaft enthaltenen
bestimmung ^äuren (iurrh Zusatz von kohlensaurem Barvt in die entsprechenden
nach sjöquist. *
Barytsalzc übergeführt werden. Bei der nun folgenden Veraschung
gehen die Barvtsalze der organischen Säuren in kohlensauren Barvt
über, während das aus der Salzsäure stammende B a C F unverändert
bleibt. Die Trennung der kohlensauren Barvtsalze von Chlorbaryum
erfolgt durch Extraction der Asche mit heissem Wasser, in das nur
letzteres übergeht. Die Menge des Chlorbaryums wird nun nach
der ursprünglichen Vorschrift Sjöquist's durch Titration mittelst
Chromatlösung bestimmt und aus dem Chlorbaryum die HCl be
rechnet.
Im einzelnen geht, Sjöquist folgendermassen vor:
10 ccm Mageninhalt werden in einer Silber- oder Platinschale mit über
schüssigem, chlorfreiem kohlensauren Baryt bei gelindem Feuer eingedampft, der
Rückstand wird verkohlt und einige Minuten geglüht. Nach dem Erkalten versetzt
man die Kohle mit 10 ccm Wasser, digerirt und extrahirt mit heissem Wasser
wiederholt. Die Extracte werden filtrirt, bis die Menge des Filtrates 50 ccm be
trägt. Dann wird das darin enthaltene Baryt mittelst doppelchromsaurem Kalium
titrirt. Zu diesem Zwecke werden dem Filtrat Vi oder1/)? seines Volumens Wein
geist und 3—4 ccm einer Lösung zugesetzt, welche 1 0 % Essigsäure und 10",,
Natriumacctat enthält. Diese Zusätze empfehlen sich, um die Bildung des Nieder
schlages von chromsaurein Baryt zu fördern und andererseits die Bildung von
chromsaurem Kalk aus den etwa vorhandenen Kalksäuren und von freier Salz
säure zu hindern. Die Endreaetion ergiebt sich bei Anwendung des sogenannten
Tetrapapiers i IVtramethylparaphenvldiaminpapier), welches Spuren von überschüssi
gem Kaliumchroniat durch Blaufärbung anzeigt.
Berechnung. Zur Ausführung der Türirung braucht man eine Lösung von
doppeltchromsaurem Kalium von bekannter Stärke, am besten 8,5:1000, deren
Türe man indessen erst bestimmen niuss, weil das im Handel befindliche doppel-
chromsaure Kali gewöhnlich nicht vollkommen rein ist. Jeder bis zum Eintritt
der Schlussreaction erforderliche Cubikcentimeter der Chromatlösung entspricht
4,05 m g HCl. U m direct den Proccntgehalt des Mageninhalts an II (4 zu finden,
multiplicirt man die Zahl der verbrauchten Cubikcentimeter Chromatlösung mit
der Zahl, welcher 1 ccm entspricht, und dividirt mit der Anzahl Cubikcentimeter
des verarbeiteten Mageninhalts. Hätten wir z. B. 4 ccm Chromatlösung ver-
4 - 0 405
braucht, so ist der Procentgehalt an HCl = - 0,162u/0.
Die genannte Titrationsmethode ist wegen der unzuverlässigen
Endreaetion mit Hecht verlassen. Statt dieser empfiehlt nun Sjö-
t) Sjöquist, Zeitschr. f. physiol. Chemie 1887, Bd. 13, Heft 1 und 2, S. 1.
Magcninhaltsprüfimg. 167
quist1) in jüngster Zeit ein neues Titrationsverfahren. Die Methode
ini einzelnen wird in folgender Weise ausgeführt: 10 ccm Magensaft
werden in einer Platin- oder Nickelschale mit 0,5 g fein zerriebenen
Baryumearbonats vermischt, eingedampft und verascht. Die Asche
wird wiederholt mit kleinen Mengen kochenden Wassers extrahirt, der
filtrirte Auszug (ca. 50 ccm) mit 4 ccm Ammoniuniacotatlösung (her
gestellt durch Neutralisation von 2b •>/„ iger Essigsäure und 10"/(, igem
Ammoniak) und 1 ccm 2b "/<>iger Essigsäure versetzt, aufgekocht und
mit 15 com einer 0"/oigon Lösung von neutralem Ammoniumchromat
gelallt. Der Niederschlag wird nach zwei Stunden filtrirt und frei
von Chromat gewaschen, hierauf mit 10 ccm Wasser und einigen
Tropfen Salzsäure gelöst. Darauf werden ;»0 ccm Wasser 2 ccm
Jodkaliumlösung (50:100) und 5 ccm 2b "/«iger Salzsäure hinzu
gesetzt. Hierbei wird eine dem Barvumchromat genau entsprochende
Menge von Jod frei gemacht, deren Bestimmung den Werth für die
im Mageninhalt vorhandene Salzsäure ergiebt. Die Umsetzung ge
schieht nach folgender Formel:
oßaCrO, -f- 10HCl -f- OKJ - i>BaCl2-f- Cr2Cl6 -f SH,0 4- 0KC1 -f- 3J2.
Die Jodbestimmung erfolgt in der bekannten Weise mittelst Hypo-
sulfitlösung (1 ccm sollen etwa 3 ing HCl entsprechen) unter Be
nutzung von Jodzinkstärke als Indicator.
Es sind nun vielfache Modifikationen des Sjöquist'schen Ver
fahrens angegeben worden:
a) Wägungsmethode. v. Jaksch'-) hat den Vorschlag gemacht,
das Chlorbarvum in schwefelsauren Baryt umzuwandeln, denselben
durch Wägung zu bestimmen und hieraus die Menge der im Magen
inhalt befindlichen Salzsäure zu berechnen. Leo«) und iclH) haben
uns ihm hierin angeschlossen, doch hat sich die Modifikation nicht
eingebürgert.
fi) Alodiflcalion von Bourget.5) Derselbe bedient sich zweier
Titerflüssigkeitcn: 1. Einer Lösung, welche genau 1 °;0 Salzsäure ent
hält; 2. einer Sodalösung, von der 10 ccm genau 1 ccm der genannten
HCl-Lösung ncutralisiren. Man bringt nun 10—30 ccm des Magen-
i) Sj(M|tiist, Physiologisch-chemische Bemerkungen über die Salzsäure.
Leipzig 1895.
-') v. Jaksch, Klin. Diagnostik innerer Krankheiten 4. Aufl.. 1880, S. 127.
•'<) Leo 1. c. S. 112.
i) Boas, Centralbl. f. klin. Mediein 1891, ISO. 2.
•») Bourget, Arch. de medecine experinicntale 188G, Xo. 6, S. 844 u. f.
168 Mageninhaltsprüfung.
filtrates in ein Porzellaiischälchen und setzt eine kleine Messerspitze
Baryumcarbonat hinzu. Die Flüssigkeit wird eingedampft und lang
sam verascht. Dann verfährt man genau, wie es Sjöquist (S. 100)
angiebt, Die Chlorbaryum enthaltende Flässigkeit wird durch eine
concentrirte Sodalösung (1:3) gefällt, der Niederschlag von Baryum
carbonat gesammelt, gewaschen, bis das AVaschwasser keine alkalische
Reaction mehr giebt. Filter und Niederschlag werden nun in einen
100 ccm fassenden Kolben gebracht und darüber 10 ccm der titrirten
Salzsäure (t : 100) geschichtet. Man schüttelt leicht u m und füllt
den Kolben bis zur Marke. Die gut durchgeschüttelte Flüssigkeit
wird filtrirt, darauf werden 10 ccm davon in einer kleinen Schale
unter Zusatz von Phenolphtalein als Indicator mittelst der oben ge
nannten Sodalösung titrirt. Die Zahl der zur Neutralisirung der
nicht gesättigten Säure notwendigen Cubikcentimeter Sodalösung
giebt unmittelbar die HCl-Menge, und eine einfache Multiplication
belehrt uns über den totalen Salzsäuregehalt.
y) Wie ich gezeigt habe, kann man die Methode in folgender Weise verein
fachen : i) Nachdem man den Niederschlag von Baryumcarbonat genügend aus
gewaschen, bringt man denselben in ein mit beliebiger Menge Wasser gefülltes
Becherglas, zcrtheilt Filter und Niederschlag und lässt i/io Nornialsäure hinzu-
fliessen, bis sämmtlicher kohlensaurer Baryt in Lösung ist und die letztere auf
Lacmus sauer reagirt; nach dem Aufkochen (um dieC0 2 auszutreiben) setzt man
etwas Phenolphtalein hinzu und titrirt mit i/io Lauge zurück. Beispiel: Man hätte
an Normalsalzsäure 12 ccm verbraucht und beim Zurücktüriren mit i/]0 Lauge
7,5 ccm erhalten, so ist in der Versuchsfliissigkeit (10 ccm) 12—7,5 = 4,5 1'10 ^ xaH 0 = 2 P () J] ^ -f- II2 ().
OB Oll"
') Leo, Deutsche medicinische Wochenschrift 1891, No. 4L
••a v. Pfungen, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 19, Suppl.-Bd., S. 224—239.
•'•) Martius und Lüttke, Die Magensäure des Menschen, 1892, S. 80.
0 Leo. Centralblatt f. d. med. Wissenseh. 18*9. No. 20. Vergl. auch Leo,
Diagnostik der Krankheiten der Bauchorgane. Berlin 1895, S. 316.
170 Mageninhaltsprüfung.
Ferner:
2P0OHa+ 4NalI° + 3CaCl2 = (PO^)2 Ca, + 6NaCl -f- 4HaO
OH 0
Man müsste deshalb die bei der zweiten Titrirung für die vorhan
denen Phosphate verbrauchten Cubikcentimeter Lauge durch 2 divi-
diren. Diese Division durch 2 fällt fort, wenn man die erste und
zweite Titrirung unter denselben Bedingungen ausführt, also auch
in der zur Bestimmung der Gesammtacidität dienenden Probe über
schüssiges Chlorcalcium hinzufügt.
Im einzelnen wird die HCl-Probe nach Leo s Vorschrift in
folgender Weise angestellt:
10 ccm des filtrirten Mageninhalts werden mit 5 ccm einer concentrirten
(lilorcalciumlösung versetzt und mit i/10 Normallauge titrirt. Eine zweite Probe
des filtrirten Mageninhalts wird mit einigen Grammen gepulverten kohlensauren
Kalks vermischt und filtrirt. Von dem Filtrat werden 10 ccm (entsprechend 10 ccm
des Mageninhalts) abgemessen und durch dieselben zur Vertreibung der C02-Luft
hindurchgeleitet und hierauf nach Zufügen von 5 ccm Ca Cl2-Lösung ebenfalls
mit Vio Normallauge unter Zusatz einiger Tropfen Phenolphtaleinlösung als
Indicator titrirt. Die Differenz der bei der ersten, bezw. zweiten Titrirung ge
fundenen Werthe entspricht der im Mageninhalt enthaltenen freien Säure, bezw.
der Salzsäure, wenn vorher etwa vorhandene Fettsäuren, bezw. Milchsäure ent
fernt wurden.
Die Methode hat vor den übrigen den Vorzug, dass bei der
Titrirung etwa vorhandene Phosphate ausser Bechnung bleiben; im
übrigen giebt sie nicht nur die freie, sondern auch die an Fiweiss
und Basen gebundenen HCl an, indem sich das Acidalbumin und
auch die Salzsäuren Albumosen mit dem kohlensauren Kalk zum
allergrössten Theil umsetzen. Fraglich ist nur, ob sich bei dem
Leo'sehen Verfahren sänmitliche organischen Säuren quantitativ
eliminiren lassen.
(legen die Richtigkeit der Cnmdlagen dieser Methode sind von Hoff-
manni) (und W a g n e r ) eine Reihe von Einwendungen gemacht worden, die in
dess von Friedheim und Leo'.*) unter Hinweis auf die Verschiedenheit der
Fntersucliiiiigsbedingungen zurückgewiesen sind. Andererseits folgt aus den Aus
führungen der letztgenannten Forscher, dass die Methode nur bei absolut chemisch
reinem Material und unter genauester Einhaltimg der von Leo gegebenen Vor
schriften ein richtiges Resultat ergiebt.
') A. Hoffmann, Ccntralbl. f. kl. Med. 1890, No. 40.
)^ Friedlich!) u. Leo, Pflüger's Arch. f. die ges. Physiologie Bd. 48, S. 614.
Mageninhaltsprüfui
e) Nach Ilavem und Winter.1)
Die Idee d<-> Verfahrens bestellt darin, dass einerseits die sai/sau.-e-
Mengo des gesammten in dem Mageninhalt vorhandenen Chlors, ^ h'i^yem
andererseits diejenige Chlornienge bestimmt wird, die an Metalle ge- un'1 Wint"r-
bundtm ist. Die Differenz aus Totalchlor und Chlor der Chloride
repräsentirt den Werth für die Gesainmtsalzsäurc. Ausserdem wird
die freie Salzsäure durch Eintrocknen bei 100" bestimmt, wobei sich
nach der Ansicht von Winter dieselbe vollkommen verflüchtigen
solle. Im einzelnen gehen H a y e m und Winter folgendermassen vor:
Es werden je 5 ccm filtrirten Mageninhalts in drei Tiegel a, b, c gebracht;
a wird mit überschüssigem Natriumcarbonat versetzt, und alle drei werden im
Wärmeschrank bei 100" oder auf dem Wasserballe getrocknet. Darauf wird a
einige Minuten hei schwacher Rothghith unter Vermeidung von Substanzverlusten
erhitzt, bis das Natriumcarbonat als farblose Schmelze erscheint. Nach dem Ab
kühlen vorsetzt man mit destillirtem Wasser und einem kleinen Ueberschuss
reiner Stilpetersäure, vertreibt die ('()._, durch Kochen und neutralisirt bis zur
schwach alkalischen Reaction mit C a C 0 3 oder N;i2CO;i. Nach dem Filtriren und
Waschen des Rückstandes mit kochendem Wasser wird das Filtrat mit '']n Normal
silberlösung bei VnWendung von Kaliunichromat als Indicator titrirt. Die in a
gefundene Zahl giebt in HCl ausgedrückt den (leseinnntchtorgehedt. des .Magen
inhalt* (T = Chlore totale).
Die Portion b wird eine Stunde lang bei 100" abgedampft, sodann mit
überschüssigem Natriunicarhonat vorsetzt, wieder eingedampft und weiter wie in
der 1. Portion (a) behandelt. Die Differenz der in Portion a und Portion b er
haltenen Chlornienge ist auf verflüchtigte (II) oder mit anderen Worten auf
freie Satzsäure (HCl libre) zu beziehen, d.h. a — b _-= H.
Die Portion e endlich wird nach dem Eintrocknen ohne jedweden Zusatz
bei möglichst kleiner Flamme vorsichtig eingeäschert und wie a zu Ende unter
sucht. Die gefundene Zahl ist der Werth für die Chloride, b — e ist demnach
das an organische Substanzen gelnindene Chlor (Chlor conibinej = ('.
Ausserdem haben H a y e m und W i n t e r noch einen andern Werth eingeführt:
A 11
= a. Nehmen wir an, dass die Cesanimtacidüät nur durch Salzsäure re
präsentirt wird, so niuss A —-11 -\ C oder ' 1 sein-). Nun sind aber
bekanntlich organische Säuren sehr häufig im Mageninhalt, folglich wird ' -
nicht gleich sondern -> L sein. Fs könnte auch der Fall sein, dass '' < 1
ist, dann niüsste ein Vnalysenfehler vorliegen.
H a y e m und Winter ziehen aus ihren mittelst der eben geschilderten Me-
i) Hayem et Winter, Du chimisme stomacal. Paris 1891, S. 72.
1^ llayem und Winter geben diesen Werth (a) auf o.sii an, bemerken aber
an anderer Stelle, er schwanke um 1 herum.
172 Mageninhaltspräfung.
thode gewonnenen Ergebnissen den Schluss, dass die Magendrüsen nicht fertige
Salzsäure secerniren, sondern Chlorsalze; erst unter dem Einfluss von Eiweiss-
körpern soll hieraus Salzsäure abgespalten werden. Aus diesen Anschauungen
heraus construirt H a y e m ein sehr complicirtes Gebäude der Dyspepsieen, auf
das einzugehen um so überflüssiger ist, als sich dasselbe mit den sicheren Er
rungenschaften der letzten Jahrzehnte in unlöslichem Widersprach befindet.
Der Haupteinwand, welcher der Methode gemacht ist, beruht
auf der Bestimmung von H. Nach den Controluntersuchungen von
A. F Hoffmann, 1) Wagner, 2) Mintz,3) Martius und Lüttke,4)
Sansoni"') u. a. fällt der Werth für b, da sich nicht sämmtliche
freie Salzsäure bei der Eindampfung verflüchtigt, zu hoch, folglich
die Differenz a—b, d. h. der Werth für freie Salzsäure (H) zu niedrig
aus. Da ferner die gebundene Salzsäure (Chlore combine) durch die
Differenz b — c ermittelt wird, so fällt, wie ersichtlich, der Werth
für gebundene Salzsäure zu hoch aus. Bichtig ist nur der Werth
für die Gesammtsalzsäure (a — c ) . Kossler6) hat ferner nachge
wiesen, dass, wenn man eine Chlorcalciumlösung mit zweifach saurem
Phosphat versetzt und erhitzt, ein Niederschlag von einfach saurem
oder normalem Calciumphosphat entsteht, wobei gleichzeitig Salz
säure frei wird, die beim Eindampfen entweicht. Man muss dann
im Rüskstande weniger Chlor finden, als thatsächlich im Mageninhalt
vorhanden war.
f) Nach Lüttke.*)
Salzsäure- Princip der Methode: Der normale Magen enthält an Chlor-
nSTüttki Verbindungen: Salzsäure, Kaliumchlorid, Natriumchlorid und Calcium-
chlorid. Beim Verbrennen des Mageninhalts verflüchtigt sich nun
die Salzsäure — sowohl die freie, wie die organisch gebundene —,
während die Chloride sich erst bei starker Bothgluth zersetzen und
Chlor abgeben. Bestimmt man demnach in einem Mageninhalt einer
seits die gesammte vorhandene Chlornienge und andererseits diejenige
Chlornienge, welche nach dem Verbrennen des Mageninhalts übrig
bleibt, so ergiebt sich aus der Differenz beider das Chlor, welches
als Salzsäure vorhanden war. Die Chlorbestimmung geschieht in
Anlehnung an die Volhard'sche Bestimmung von Haloiden. Die
i) A. F. Hoffmann, Schmidt's Jahrbücher Bd. 223, 1892, S. 268.
2) Wagner, Arch. de Physiologie norm, et path. Bd. 23, S. 440.
3) Mintz, Deutsche medicinische Wochenschrift 1891, No. 52.
4) Martins u. Lüttke, Die Magensäure des Menschen. Stuttgart 1892, S. 98.
•5) Sansoni, Berl. klin. Wochenschr. 1892, No. 42 und 43.
«) Kossler, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 17, S. 91.
7) Lüttke, Deutsche medicinische Wochenschrift 1891, No. 49.
Mageninhaltspriifung. 173
Chlorbestimmung nimmt Lüttke nicht, am Magentiltrat, sondern am
unfiltrirton Mageninhalt vor (s. hierüber S. Dil).
Ausführung der Alefhode: Hierzu sind folgende Nornial
lösungen erforderlich:
1. Zehntelsilberlösung: 17 g Silbernitrat im Liter enthaltend. Der Lösung
wird zugleich der Indicator, schwefelsaures Eisenoxyd, zugefügt. Die Herstellung
erfolgt so, dass 17,5 g Si bernitrat in ca. 900 ccm Salpetersäure von 25",, gelöst
und der Lösung 50 ccm Liquor ferri stillürici oxydati zugesetzt werden. Sodann
füllt man auf 1 Liter auf. Die Einstellung der Lösung erfolgt in der früher für
die Titerstellung von Alkalien und Säuren (S. 102) geschilderten Weise, und zwar
am sichersten gegen genaue Zehntelsalzsäurelösung.
2. Zehntelrhodanammoniumlösnna: 7.0 g Rhodanammoniuni im Liter ent
haltend. Man löst ca. 8 g Rhodanamnioniuni in 1 Liter Wasser und prüft den
wahren Cehalt an Rhodan mittelst der Zehntelsilberlösung. Man giebt zu dem
Behufe 10 com der genau geaichten Zehntelsilberlösung in ein Bechcrglas, vor
dünnt mit Wasser und lässt unter Einrühren die zu prüfende Rhodanlösung aus
einer Bürette langsam zufliessen, bis eine bleibende schwach röthliche Färbung
eintritt. Hätte man z. B. 9,7 eom hierzu verbraucht, so wäre die Lösung zu stark,
und man hätte 970 ccm der Rhodanlösung auf 1000 zu verdünnen. Die so ge
wonnene Lösung niuss nunmehr so beschaffen sein, dass die erste bleibende Roth-
lärbung genau bei Zufliessenlassen von 10 ccm erfolgt,
Fs erfolgt nun zunächst:
a) Bestimmung des Gesammtchlors des Mageninhalts: 10 com des gut
durchgeschüttelten Mageninhalts werden in einen Messkolben von 100 ccm
Inhalt gefüllt. Das kleine Messkölbehen wird wiederholt mit Wasser nachgespült,
sodann fügt man 20 ccm der Zehntelsilberlösung hinzu, schüttelt um und lässt
etwa 10 Minuten stehen1). Nun füllt man den Messkolbon auf 100 com auf,
schüttelt u m und filtrirt durch ein trockenes Filter in ein trockenes Bechcrglas.
50 ccm hiervon worden nun mit Zehntelrhodanlösung titrirt.
Die Berechnung des Ccsaiiimtchlorgehaltes erfolgt nun so, dass die ver
brauchten Cubikcentimeter Rhodanlösung mit 2 niiiltiplicirt worden und diese Zahl
von der angewandten Silbennenge (20 ccm) subtrahirt wird.
b) Bestimmung des Mineralchlors. 10 ccm dos gleichniässig umgerührten
Mageninhalts werden in einer Platin-, Silber- oder Nickelschale auf dem Wasser
bad (Asbestplatte u. a.) vorsichtig eingedampft. Nach völligem Eintrocknen ver
brennt man den Rückstand über der Flamme, jedoch nur so lange, bis die Kohle
nicht mehr mit leuchtender Flamme brennt. Nach der Verbrennung und Erkalten-
lassen extrahirt man die Asche mit 100 ccm Wasser und filtrirt. Ist man bei
Schluss der Extraction in Zweifel, ob alles Chlor ausgewaschen ist, so prüft man
das letzte Filtrat mit einem Tropfen Silbernitrat; erfolgt noch Trübung, so ist
noch etwas Chlor vorhanden, und das Auswaschen niuss weiter fortgesetzt worden.
Das gcsamnite Filtrat wird nun mit 10 ccm i/io Silberlösung vorsetzt und
mit Zehntelrhodanlösung titrirt. Die Berechnung dos Mineralchlors ergiebt sich
durch Subtraction der ermittelten Anzahl com Zehntelrhodanlösung von der an
gewendeten Silbermenge (10 com).
t) Lüttke empfiehlt bei starker Färbung des Mageninhalts Entfärbung
durch Zusatz einiger Tropfen Perinanganatlösung. Ich habe bei zahlreichen Be
stimmungen nach dieser Methode niemals Veranlassung hierzu gehabt.
174 Magoninhaltsprüfung.
Berechnung der- Sulzsäure: Dieselbe ergiebt sich aus der
Differenz zwischen dem Werthe aus dem Cesamnitclilor und dem für
das Mineralchlor oder mit anderen Worten aus der Differenz zwischen
der für a und für h gefundenen Anzahl Cubikcentimeter Zehntel
silberlösung.
Beispiel:
Wir hätten gefunden für a = 6,0 Zehntelsilberlösung,
» » » » b = 2,?> »
so beträgt der Salzsäuregchalt für 10 ccm = 4,2 oder da 1 ccm
Normalsilberlösung 1 ccm Normalsalzsäure entspricht — 4,2 x 0,O;>(55
= 0,153 o/() Salzsäure.
Die Methode von Lüttke ist gleichfalls nicht ohne Fehler: der
erste ist der nach Kessler1) und Sjöquist-) uuch der Winter sehen
Methode anhaftende (s. o. S. 172) und besteht darin, dass bei Erhitzen
von Chlorcalcium und zweifach saurem Phosphat Salzsäure frei wird;
der zweite ist darin begründet, dass nach den Untersuchungen von
Rosenheim,'') Strauss1) und H o n i g m a n n 5 ) Ammoniak schon im
normalen Mageninhalt, in messbaren Mengen vorkommt. Das hierbei
entstehende Chlorammonium zerlegt sich beim (ilühen, wodurch
ebenso wie durch den erstgenannten Fehler der Werth für Salzsäure
zu hoch ausfallen muss.
g) Nach Töpfer.G)
Salzsäure- Die Methode beruht auf der Idee, die Säurefactoren einzeln zu
nach Töpfer? bestimmen, (f. h. die Gesammtacidität, die freie und die gebundene
Salzsäure. Aus der Differenz zwischen (losammtaeidität und dem
Werth für freie und gebundene Salzsäure ergiebt sich der Werth für
organische Säure und saure Phosphate. Im einzelnen geht der Ver
fasser folgendermassen vor:
Die freie Salzsäure wird mittelst Dimethvlamidoazobenzol in
0,5 % iger Lösung ermittelt. Schon durch geringe Mengen Salzsäure
schlägt die gelbe Farbe des genannten Reagens in eine röthliche um.
Organische Säuren geben eine ähnliche Färbung erst in einer Con-
)) Kossler 1. c.
-) Sjöi|uist, Physiologisch-chemische Beobachtungen über die Salzsäure.
Leipzig lSOfi.
•"•) Rosenheini, Centralbl. f. klin. Med. ISO:», No. VA).
i) Strauss, Berl. klin. Wochenschrift IS!I2, No. 17.
•>) lloniginann, Berl. klin. Wochenschr. 1893, No. 15 u. 10.
") G. Töpfer, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 19, Heft 1, 1S91.
Mageninhaltsprüfung. 175
centration von über 0,5 "/0, bei Gegenwart von Fiweisskörpern gehört
eine noch höhere Concentration zur Hervorrufung der genannten
Farben Veränderung. Man titrirt nun nach Zusatz einiger Tropfen
des Reagens so lange mittelst '/m Normallauge, bis der röthliche
Farbenton schwindet und dem ursprünglichen gelben Platz macht.
Zur Bestimmung der locker gebundenen Salzsäure bedient sich
Töpfer des Alizarin (alizarinsulphonsaiires Natron), das für alle
Aciditätsfactoren empfindlich sein soll mit Ausnahme der gebundenen
Salzsäure Man titrirt unter Zusatz von 1-5—4 Tropfen einer 1 °/„ igen
wässerigen Alizarinlösung bis zum Auftreten der ersten rein violetten
Färbung.
Die Gesanmitacidität wird in der bekannten Weise mittelst
'/,,, Noriiiallauge und unter Anwendung von Phenolphtalein als Indi
cator ermittelt. Die Differenz zwischen dem Phcnolphtalc'iiiwerth
und dem Alizarinwerth ergiebt die Grösse der locker gebundenen
Salzsäure.
Nachuntersuchungen von Einhorn 1), Strauss2) und Häri'!)
haben gezeigt, dass auch dein Töpfer sehen Verfahren Fehler an
haften; doch ist es nach letztgenanntem Autor eine verlässliche Me
thode bei Gegenwart freier Salzsäure und giebt, uns in kürzester Zeit
in sehr einfacher Weise ebenso correcte Resultate wie das neue Sjö
quist sehe (S. 107) und das Braun seht' (Hehner-Seemann'srhe)
Verfahren (S. Ki5). Bei Fehlen freier Salzsäure ist die Tüpfer sehe
Methode dagegen weder für die quantitative Bestimmung, noch um
überhaupt Salzsäureab- oder -anwesenheit anzuzeigen, geeignet.
hl Nach v. Mierzynski4).
Die Methode v. MierzvnskFs ist, eine gasvolumetrische. Zu sai/.säu
ihrer Ausführung bedarf es des bekannten W a g n e r sehen Azoto-
meters s.
bestimmung
nach
V. Mierzynski.
5 —10—20cciii Mageninhalt werden in einem Porzellantiegel mit über
schüssigem Baryumcarbonat versetzt, eingedampft und im bedeckten Tiegel bis zur
vollständigen Yorkohlung geglüht und mit Wasser wiederholt ausgezogen. Nach
v. Mierzynski wird durch die Kohle häufig etwas Baryumcarbonat reducirt und
geht als Ilvdroxyd in Lösung, das fälschlich als HCl berechnet wird. Ihn dies zu
verhindern, versetzt, man das Filtrat mit Plionolphtale'i'n; färbt es sich roth, so
leitet man zur Fällung des Ilydroxyds Luft durch. Die Chlorbaryunilösting wird
i) Kinhorn, New-Vork niedical Jornal, 9. Mai 1800.
••*) Strauss, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 56, Heft 1 u. 2.
•'<) Iläri, Arch. f. Verdauungskrankheiten Heft 2 und 3.
i) v. Mierzynski, Centralbl. f. innere Med. Bd. 15, S. L07o—1077, 1*94.
176 Mageninhaltsprüfung.
mit einfachchromsaurem Ammoniak ( C r O ^ N H ^ ) heiss gefällt, filtrirt und der
Niederschlag mit verdünntem Ammoniak ausgewaschen. Der Niederschlag wird
mit Salzsäure (1 : 20) in den äusseren Raum dos Entwicklungsgefässes gespült, und
es werden 10 ccm verdünnte Schwefelsäure zugegeben. In den beiden Schenkeln
des Azotonieters wird das Wasser gleich hoch eingestellt, und zwar auf 0 der Mess-
röhre, dann lässt man etwas Wasser aus der nicht getheilten Röhre abfliessen.
I>as eingeschmolzene Cefässchen im Entwicklungsgcfäss wird mit 5—10 ccm
käuflichen Wasserstoffsuperoxyds (2—2,5<>/0) beschickt, das Entwicklungsgeläss
wie der Grummischlauch geschlossen, das Wasserstoffsuperoxyd auf einmal mit
der chromhaltigen Flüssigkeit gemischt und der Hahn geöffnet, wobei der ent
wickelte Sauerstoff in die Messröhre tritt. Der Hahn wird geschlossen, 3 bis
4 mal, zuletzt 5 Minuten lang stark geschüttelt. Das Entwicklungsgeläss wird
ins Wasser gebracht, nach etwa 10 Minuten werden die Wasserniveaus in beiden
Schenkeln des Azotonieters gleichgestellt, das Volumen des entwickelten Sauer
stoffs, sowie Barometerstand und Temperatur des Wassers wird abgelesen und
daraus die HCl berechnet, wobei 1 Atom 0 = V-, Molecül HCl ist. Das abge
lesene Volumen 0 wird unter Benutzung der von B a u m a n n 1 ) angegebenen Tabelle
reducirt und dann mit 1/2 Molcculargewicht der Salzsäure = 18,1S5 nmltiplicirt.
Von H. Wiener-) ist die Methode nachgeprüft und mit anderen
Methoden gut übereinstimmend gefunden worden. Dass sie sich für
die tägliche Praxis nicht eignet, ist ohne weiteres klar.
i) Nach v. Moracewski3).
Salzsäure- Die Methode beruht auf der Eigenschaft, dass ein Aether-
bes
""™
UDg
Alkoholgeniiseli Salzsäure aufnimmt, nicht dagegen Salze. Die Salz-
v. Moracewski. säure kann in dem Gemisch titrimetisch leicht bestimmt werden.
Ausführung:
10—50 ccm Magensaft werden im Schälehen bis auf 1 ccm eingedampft.
Man bringt denselben in ein 100 com fassendes Maasskölbchen und setzt bis zur
.Marke eine Alkohol-Aethermischung hinzu (25 Alkohol, 75 wasserfreier Aether).
Ist das Kölbchen bis zur Marke gefüllt, so wird es gut umgeschwenkt. Nach
kurzem Stehenlassen filtrirt man von der Lösung genau 50 ccm ab, giesst in ein
Kölbchen, welches mit einem Glashahn vcrschliessbar ist und 250 ccm lässt. Zu
den 50 com Aether-Alkoholextract wird etwa ebensoviel Wasser und viermal
weniger com 1/10 Normalnatronlauge zugesetzt, als ccm Magensaft in Arbeit ge
nommen wurden. Der neutralen Lösung, welche sich in zwei Schichten sondert,
setzt man 1—3 Tropfen neutralen Kaliunichroniats zu und titrirt mit ' '„, Silber
lösung. Den Endpunkt giebt cht- Rothfärbung des Chlorsilbers an. Die Berech
nung erfolgt in der übichen Weise.
Die Methode scheint recht einfach und brauchbar zu sein.
Fraglich ist jedoch, ob nicht beim Eindampfen kleine Mengen freier
Salzsäure verloren gehen. Eine Nachprüfung des Verfahrens ist bis
jetzt nicht erfolgt.
]) Batiniann, Zeitschr. f. angew. Chemie 1801.
)^ II. Wiener, Centralbl. f. innere Med. 18U5, No. 12.
•i) v. Moracewski, Deutsehe uiedicinisehe Wochenschrift 189Ü, No. 2.
Mageninhaltspriifung. 177
,'i. Bestiimnnnf/ der freien Salzsäure.
a) Methode von Mintz1).
Dieselbe beruht darauf, dass man bei genauer Kenntniss der Methode, von
Grenzen eines Salzsäurereagens aus dem Ausbleiben der Keactioii bei
Titration mittelst h,,, Normallauge einen Schluss auf die Menge der
freien Salzsäure in dem betreffenden Mageninhalt ziehen könne. Als
Beagens dient dem Begründer der Methode das G ü n z b u r g sehe
und als Beactionsgrenze desselben 0,08(5 p.m. HCl. Findet man nun
z. B., dass die Beaetion bei Hinzufügen von 1,8 Vio Normallauge aus
bleibt, dagegen bei 1,2 noch positiv ausfallt, so beträgt die freie
Säure in der Yersiichsfiüssigkeit auf 100 berechnet 12 -f- 1 Vio Nor-
mallauge = 18 ccm Vio Normallauge oder 0,047% H(4.
Die Methode ist von vielen Seiten nachgeprüft worden. Fs hat
sich im allgemeinen herausgestellt, dass dieselbe bei einiger Febung
verlässliche Werthe für die freie Salzsäure ergiebt.
Statt des C ünzburg sehen Reagens kann man, wie R oseiiheim-) ent
deckt hat, die Titrirung auch mittelst in (1 ünzburg sches Reagens getauchter
und getrockneter Reagenspapiere aus schwedischem Filtrirpapier anstellen.
b) Methode von Mörner-V und Boas4).
Fnabhängig von einander haben Monier und ich den Vor- Methode von
schlag gemacht, die freie Salzsäure des Mageninhalts mittelst des '
( ongofarbstoffes quantitativ festzustellen. Monier geht hierbei von
einer bestimmten Probemahlzeit aus, liestehend aus einem weichge
kochten Fi, 80 g Cakes und 2b() ccm Fleischbrühe. Die Ausheberung
des Mageninhalts wird eine Stunde später vorgenommen. Hierbei
beträgt nach Monier die Menge der gebundenen Salzsäure fast con
stant 0,0;V/0, die freie Säure wird mittelst Vi.. Normallauge und
Gongopapier als Indicator angegeben. Der erhaltene Werth an Salz
säure + 0,Oö(,/o ergiebt den gesammten HCl-Gehalt der Versuchs-
fiüssigkoit.
Ich bediene mich ausschliesslich der Congofiüssigkeit in wässe-
i) S. Mintz, Wiener klin. Wochenschr. 1880, No. 20.
-!) Rosenheini, Deutsche medicinische Wochenschrift 1891, No. 49.
;t) Carl Th. Monier Fpsala Läkareförenings Förhandlingar Bd. 21. S. 4S:>
und 491. Nach Maly's Jahresb. f. Thiorchomio Bd. 19, S. 25:1,
i) Boas. Allgemeine Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten 1. Aufl.,
S. 1.",4 und Contralbl. f. klin. Mediein 1891, No. 2.
Boas, Allg'. Diagnostik u. 'l'hera|,ic .1. Magenkrankheiten. 4. Aull. i.i
178 Mageninhaltsprüfung.
riger Lösung1), von der ich 5 ccm zur gleichen Menge Versuchs
flüssigkeit hinzusetze. Sodann titrire ich mit Vm Normallauge bis
die Flüssigkeit wieder deutlich ziegelroth wird. Die Zahl der ver
brauchten ccm Normallauge giebt unmittelbar den Gehalt an freier
Salzsäure an. Die geringen Mengen von organischen Säuren, die
hierbei mit titrirt werden, kommen für die Genauigkeit des im we
sentlichen praktischen Zwecken dienenden Verfahrens kaum in Be
tracht. Nur bei grösserem Gehalt an organischen Säuren empfiehlt
es sich, die Versuchsflüssigkeit vor der Titrirung durch wiederholte
Ausschüttelung mit Aether von ersterem zu befreien.
In ähnlicher Weise haben Martius und Lüttke als Indicator Tropaeolin
verwendet, doch bietet derselbe gegenüber dem Congofarbstoff keinerlei Vortheile.
c) Methode von Hoffmann2).
Diese geistreiche Methode beruht auf der Thatsache, dass Salz
säure den Piohrzucker in Invertzucker, d. h. gleiche Theile Laevulose
und Dextrose spaltet, wobei sich selbstverständlich das optische
Drehungsvermögen entsprechend ändert. Organische Säuren wirken
demgegenüber so schwach, dass die hierdurch resultirenden Aende-
rungen praktisch kaum in Betracht kommen. Z u m qualitativen und
quantitativen Nachweis der HCl werden fünf gleiche Fläschchen be
reitet: No. 1 enthält eine bekannte Menge Rohrzucker und Salzsäure,
No. 2 enthält dieselbe Menge Rohrzucker und Magensaft, No. 3 nur
reinen Magensaft, No. 4 Magensaft, Rohrzucker und essigsaures Na
tron (letzteres u m durch Neutralisirung der Salzsäure den etwaigen
Einfluss der Fermente zu beobachten). Die Drehung aller vier
Proben wird bestimmt, dann werden sie einige Stunden in den
Wärmeschrank gestellt und von neuem polarisirt. Bei Vorhanden
sein von HCl wird das Ergebniss der Drehung bei 1 und 2 wesent
lich geringer ausfallen, während das bei 8 und 4 sich nicht wesent
lich ändern wird. Aus dem bekannten HCl-Gehalt in 1 lässt sich
nun der HCl-Gehalt nach der Formel log A — log (A — x) — C die
absolute Menge der im Magensaft befindlichen Salzsäuremenge be
rechnen.
Später hat Hoff m a n n die eben genannte Methode dahin ver
einfacht, dass er derselben statt der Inversion des Rohrzuckers die
') Alkoholische ( ongolösung giebt mit salzsäurehaltigen Mageninhalten
eine Trübung, wodurch das Türationsergebniss unsicher ausfällt.
•*) Hoffmann, Centralbl. f. klin. Mediein 1889, No. 46, vergl. auch Schmidt's
Jahrb. Bd. 225, 1890, S. 77.
Mageninhaltsprüfung. 179
Spaltung des Methylacctats in Methylalkohol und Essigsäure zu
Grunde legte. Nach erfolgter Spaltung wird das eine Spaltungs-
produrt, die Essigsäure, durch Titration bestimmt,
Nach den Untersuchungen an künstlichen Gemischen von Kess
ler1), sowie denen von Sjöquist ist die Methode an sich exact
und leicht ausführbar. Leider hat sie in der Praxis zu wenig An
wendung gefunden.
4. Bestimmung der gebundenen Salzsäure.
Die Bestimmung etwa, gebundener Salzsäure hat den Zweck, sich Bestimmung-
zu unterrichten, wieviel Salzsäure bis zum Eintritt der bekannten
gomnHienun
Farbenreactionen d. h. bis zur Bildung freier Salzsäure fehlt. Salzsäure.
Man besitzt für diese Ermittelung mehrere Methoden:
Man lässt zu einer abgemessenen Menge Mageninhaltsfiltrat so
viel Vm Normalsalzsäure aus einer Bürette zutiicssen, bis eben die
Congo- oder noch besser die Phloroglucinvanillin- oder Resorcin-
reaction eintritt (s. o. S. 157 u. 1öS). Zieht man von der erhaltenen
Zahl 1 ccm Decinormalsalzsäure für 100 ccm Magensaft ab, so re-
präsentirt der Best, die Menge HCl, die der Magen zur Bildung
freier Salzsäure noch hätte liefern müssen. Wenn man nun eine
zweite Portion, zu der man die gefundene Menge Salzsäure zugesetzt
hat, mit Vio Fange titrirt, und von dem Resultat den Werth an Salz
säure, der bis zum Eintritt der Phloroglucinvanillinreaction etc. noth
wendig war, in Abzug bringt, so repräsentirt der verbleibende Best
die Zahl für gebundene Salzsäure.
Es liegt auf der Hand, dass die Methode einen beschränkten
Werth hat, da, wie Blum-') gezeigt hat, je nach der Beschaffenheit
der Eiweisskörper verschiedene Mengen Salzsäure zur Bindung
nothwendig sind. Ferner stören die Phosphate, die mit der Mahlzeit,
und zwar gleichfalls in verschiedenen Mengen eingeführt sind, das
Verfahren. Gänzlich unbrauchbar ist, es, wo viel Lactate vorhanden
sind, da ein Theil der zugesetzten Salzsäure dazu verwendet wird,
dieselben zu zerlegen.
Für exactere Untersuchungen wird es wünschenswerth sein, an
Stelle der ebengenannten Methoden eine der früher für die Bestim
mung der freien und gebundenen Salzsäure angegebenen (Tlehner-
S e e m a n n , Sjöquist, Marlius-Lüttke, Leo) zu wählen. Dass
i) Kossler 1. c.
'•0 Blum, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 21, S. y>S-
12*
180 .Mageninhaltsprüfung.
auch diese Methoden ihre Fehler besitzen, ist bereits bei ihrer Be
sprechung erwähnt, trotzdem genügen sie weit höheren Anforderungen
au Genauigkeit als die obige Methode.
Praktischer Wertli der einzelnen Salzsäure-
Bestimmungfsrnethoden.
Bei der Erörterung des Werth es der Salzsäureprüfungsmethodeii
müssen wir uns vor allem darüber klar sein, dass es für die Praxis
ausschliesslich darauf ankommt, grobe Abweichungen vom normalen
Chemismus, soweit wir denselben keimen, festzustellen. Auf geringe
Abweichungen können wir uns einmal deswegen nicht einlassen, weil
der physiologische Magen sich, wie die Feststellungen von Rosen
heim 1) u. a. gezeigt haben, gewisse, und zwar keineswegs unbedeu
tende Schwankungen der Secretion gestattet, zweitens weil wir es
im Mageninhalt nicht mit einer unveränderlichen Substanz zu thuu
haben, sondern mit einem Material, das hinsichtlich des Wasser
gehaltes, der darin gelösten Substanzen, abnormer Beimengungen die
allerverschiedensten Variationen bietet. In diesem Sinne wäre es
vielleicht das Zweckmässigste, sich auf quantitative Salzsäurebestim
mungen überhaupt nicht einzulassen, sondern sich mittelst der Farb
stoffproben (Congo, Tropaeolin, üimethvfamidoazobenzol u. a.) zu
überzeugen, ob in einem bestimmten Stadium, in welchem herkömm
lich Salzsäure in freiem Zustande auftritt, letztere vorhanden ist oder
nicht. Zweifellos genügt eine derartige Feststellung für einzelne,
aber nicht für alle Fälle. Die Praxis zeigt, dass starke Abweichungen
nach oben und unten hin doch recht häufig von Beschwerden be
gleitet sind, die aufhören, sobald man die Mageiisaftabscheidung in
die normalen Bahnen leitet.
Zu dem Behüte sind Feststellungen des Salzsäuregehalts von hoher
Bedeutung: hierbei wird man sich in der Praxis allerdings mit der Be
stimmung der Gesammtacidität oder der Mintz sehen, bezw. Mörner-
Boas sehen oder Töpfer'sehen Methode begnügen können. Alle an
deren Methoden dienen ausschliesslich wissenschaftlichen Zwecken.
Diagnostische Bedeutungf des Salzsäurenachweises.
Magnostisehe Der qualitative Nachweis, ganz besonders aber die quantitative
e
'
le
,
n,!:1iD,°0des Ermittelung der Salzsäure des Mageninhalts spielen seit dem letzten
nachweise*. Jahrzehnt eine hervorragende Rolle in der Diagnostik der Magen
krankheiten.
i) Hosenheim, Deutsche medicinisclie Wochenschrift 1892, .No. 13/14.
Mageninhaltsprüfung. 1 ST
Wenn wir dieselbe richtig beurtheilen wollen, was nicht überall
4i der neuen Literatur der Fall ist so ist e- unumgänglich noth
wendig, die Frage der Provenienz der Salzsäiircbildung mit einem
Worte zu streifen. So wenig auch dieselbe im einzelnen aufgeklärt
sein mag, so\iel steht fest, dass die Seerefion dieser Säure von
drei Componenfen abhängig ist, einmal von der Anwesenheit der Salz
säurebildner im Blut (Malv Bunge. Förster Cahn). sodann von
der Intactheit des Drüsenapparates des Magens, schliesslich von dem
denselben versorgenden Nervenapparat. Hieraus folgt schon, dass
Mangel und übermässige Abschoidung der HCl unter drei Bedin
gungen eintreten kann: 1. bei einer die IICl-Bildung begünstigenden
oder schädigenden krankhaften Blutbosehaffenhcit, 2. bei einer Störung
des Drüsensooretionsapparatcs, z. B. bei entmndlichen Processen oder
Geschwulstbildung u. a. des Magens, :!. bei centralen oder peripheren
Störungen im Vago-Sympathirusgobict. Schliesslich können sich aber
auch mehrere dieser Factoren zu dem Totaleffect der II Cl-Abnahme
oder -Steigerung verbinden.
Es tgelit hieraus hervor, dass eine Anomalie der Safzsäure-
abseheiduuo an sieh noch keineswegs mit irgeutf welcher Sicher
heit das Bestehen einer ALugeucrkrunkung anzeigt.
Wenn wir ferner in Betracht ziehen, dass, wie bereits oben er
wähnt, die Grenzen zwischen normaler und abnormer Salzsäure-
abscheidung sohl' weit gesteckt sind, so sind etwaige Schlüsse hieraus
nur mit äussorstor Vorsicht und unter peinlicher Berücksichtigung
der sonstigen klinischen Befunde zu verwerthen.
Wenn wir im folgenden trotzdem die diagnostische Bedeutung
des Salzsäurenaehwoisos erörtern, so geschieht es lediglich, um dem
Praktiker einige Anhaltspunkte zu bieten:
1. Es besteht normale Acidität fSaizsäurei/ehalt 0,1—0,1"",,).
Der normale Salzsäuregehalt spricht in erster üeiho gegen das
Vorhandensein einer schweren Texturerkrankung des Magens, bezw.
gegen das Vorhandensein eines Magenleidens überhaupt. Bei unklaren
dvspoptisrhon Störungen, die ja im Gefolge aller möglichen inneren
Krankheiten vorkommen, ist daher eine derartige Feststellung von
grosser praktischer Bedeutung. Weisen alle Symptome direct auf
ein Magenleiden hin, so spricht norm,der Salzsäuregohalt für nervöse
Dvspepsie. bezw. Enteropathie Namentlich ist der Nachweis einer
normalen Acidität wichtig für die differentielle Diagnose von nervöser
Dvspepsie und chronischer glandulärer Gastritis, zumal die sub-
jeetiven Symptome einander zum Verwechseln ähneln können. Dabei
182 Mageninhaltsprüfung.
ist daran zu erinnern, dass allerdings auch Fälle von auf nervöser
Basis entstehender Inacidität nicht selten vorkommen.
Ferner kommt normales Verhalten der Seeretion nicht selten
vor bei Atonie oder Hypotonie der Magenmuskulatur.
2. Es besteht Subaeidität (Salzsäuregehalt unter 0,1 % ) •
Bei constantem Nachweis derselben kann man an eine subacute
oder chronische Gastritis denken; doch kann Verminderung der Salz
säure auch bei Ulcus ventriculi oder duodeni, bei incipientem Car
cinom, bei Ectasie und Atonie des Magens, bei Gallerückfluss in den
Magen u. a. vorkommen.
3. Es besteht Super acidität (Salzsäuregehalt, über 0,2 °/0).
Dieselbe kann ein wichtiges Symptom der Pvrosis hydrochlorica,
ferner die Folge einer gutartigen Drüsenwucherung sein, nach meinen
Erfahrungen aber auch im Beginn einer Gastritis chronica (soge
nannten Gastritis acirla) vorkommen; am häutigsten ist es aber wohl
Symptom einer Magenneurose. Endlich findet man in einer nicht
unbeträchtlichen Zahl von Ulcusfällen Superacidität, doch ist dies
keineswegs constant.
Bestehen unzweifelhafte Krebssymptome (Macies, Tumor u. a.),
so spricht nach Rosenheim 1) das Vorhandensein freier Salzsäure
auf der Höhe der Verdauung, resp. Superacidität für die Entstehung
dieses Neoplasma malignum aus einem Ulcus, namentlich falls früher
Ulcussymptome vorhanden waren.
4. Es besteht Inacidität (Anacidität).
Primäre Inacidität ist das häufigste Symptom der späteren
Stadien der chronischen Gastritis.
Sie ist ferner eine nicht seltene Begleiterscheinung einer Magen-
neurose. Während aber bei ersterer mit dem Salzsäureverlust in der
Regel auch ein Schwund der Enzyme einhergeht, ist dies bei Neu
rosen häufig nicht der Fall.
Die vielerörterte Frage des Salzsäuremangels bei Carcinoma
ventriculi anlangend, formulire ich meine auf breiter Basis hissenden
Erfahrungen in folgenden Sätzen:
a) Im allgemeinen spricht der positive Nachweis freier Salz
säure gegen Carcinom, indessen nur im Verein mit noch anderen
gegen eine maligne Neubildung aufzuführenden Symptomen (Mangel
an Cachexie, Fehlen eines Tumors u. a.).
b) Das Fehlen freier Salzsäure spricht mit Sicherheit für Carci
nom, wenn mindestens noch zwei der klassischen Zeichen für dasselbe
vorliegen (Tumor, Macies), mit Wahrscheinlichkeit, wenn im Verein
i) Rosenheiin, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 17, S. 135.
Mageninhaltsprüfung. 183
mit Cachexie Zeichen von Pylorusstenose vorhanden sind und der
sonstige klinische Verlauf der Annahme eines Carcinoms günstig ist.
c) Bei der Differentialdiagnose zwischen Ileus und Carcinom
spricht positiver Ausfall der Salzsäureproben bei Fehlen eines Tumors
für Ulcus, negativer Ausfall derselben mit Wahrscheinlichkeit gegen
Ulcus.
b. Es besteht wechselnde Acidität
Diese Anomalie, unter denselben Versuchsbedingungen beob
achtet, spricht mit Wahrscheinlichkeit für eine Magenneurose oder
für noch nicht zu weit, vorgeschrittene Gastritis. Auch beim Carci
nom des Magens kommen übrigens zuweilen Schwankungen der Salz
säureserretion vor.
Bei seeundären Dyspepsieen (Phthisis pulmonum, Herzfehlern,
Diabetes mellitus, Nephritis. Leberaffectionen u. a.) haben die Unter
suchungen der Salzsäurcbeschaffenheit — wie aus den vorhin er
wähnten Gründen zu erwarten gewesen ist — eine irgend wie brauch
bare diagnostische Handhabe nicht ergeben. In einzelnen Fällen
könnten dieselben vielleicht mit mehr Nutzen einen Fingerzeig für
die diätetische Behandlung liefern.
Organische Säuren.
1. Milchsäure, C3 H6 03.
Im Magen kommen zweierlei Arten von Milchsäure vor: 1. Gab- Milchsäure.
rungs- (AothylideiH Milchsäure (optisch inaetiv), 2. Fleisch- oder
Paramilchsäure (optisch aetiv).
Die erste ist ein Product der (Jährung aus Kohlenhydraten unter
der Einwirkung von Spaltpilzen (Bacterium lacticum) s. S. 30, wäh
rend die Floischmihhsäure entweder als solche oder in ihren Salzen
in dem Muskelfleisch, ausserdem auch in den grossen Drüsen (Leber,
Milz, Pancreas, Lungen, Thymus u. a.) vorhanden ist,
Nur die Gährunpsmilehsäure beansprucht für die Diagnostik
der Magenkrankheiten ein besonderes Interesse.
Reactionen auf Milchsäure
1. Uffelmann sehe Reactionen1). a) Man versetzt 10 com iitwmann's
einer 4 "/„igen Carbollösung mit 20 ccm Wasser und setzt einen KeactLonen-
Tropfen Eisenchloridlösung hinzu, wodurch das Gemisch eine ame-
i) Fffelmann, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 20, S. 4:31 und Zeitschr. f.
klin. Med. Bd. 8, S. 393.
184 Mageninlialtsprüfung.
thvstblaue Färbung erhält. Das Gemisch ist stets frisch zu bereiten,
da es schon nach wenigen Minuten eine fahlgraue Färbung annimmt.
In Verdünnungen selbst bis zu 0,1»/,, ergiebt Milchsäure eine zeisig-
oder citronengelbe Färbung. Ich selbst gebrauchte bis vor einigen
Jahren eine Eisenchloridcarbolbisung, die aus drei Tropfen Eisen-
sequichlorid und drei Tropfen reiner concentrirter alkoholischer Car-
bolb'isung besteht und bis zur amethystblauen Lösung mit Wasser
(etwa 20 ccm) verdünnt wird. Diese Probe ist jetzt zu Gunsten der
unter b) genannten, vor welcher sie keine Vortheile besitzt, ver
lassen worden.
b) Dieselbe Färbung erhält m a n , wenn man eine höchst, ver
dünnte Lösung von Eisenchlorid (1 Tropfen Liquor ferri auf 00 ccm
Wasser) mit Milchsäure versetzt,
c) Man schüttelt einige Cubikcentimeter Magenfiltrat mit 50 bis
100 ccm neutralem Schwefeläther, am besten im Scheidetrichter
und verdunstet die darüber stehende Aetherschicht auf dem heissen
Wasserbad. Der Rückstand wird mit etwas Wasser aufgenommen
und damit die unter b) genannte Reaction angestellt. Flierbei verfährt
man nach meinen Erfahrungen am besten so. dass man den Rückstand
mit 5 ccm destillirtem Wasser versetzt, ihn über der Flamme bis zu
einem geringen Rest verdampft und dazu aus einem Tropfenzähler
1 — 2 Tropfen Eisenchloridcarbollösung tropft. Selbst Spuren von
Milchsäure werden durch die sofort eintretende Zeisigfärhung er
kannt, Nach R. Fleischer1) braucht man den Aether nicht erst zu
verdunsten, sondern kann das Reagens direct zum Aether zusetzen,
welches sich bei Gegenwart von Milchsäure nach dem Fmschüttcln
in gelber Verfärbung am Boden des Reagensglases absetzt. Ich kann
diese Vereinfachung der Methode als recht zweckmässig empfehlen.
d) Modification nach Kelling.'-) Das Filtrat des Mageninhalts
wird auf das 10—20 fache verdünnt und der so verdünnte Magen
inhalt mit 1—2 Tropfen einer b"/,, igen Eisenchloridlösung versetzt.
Eine grünliche Färbung im durchfallenden Licht beweist Gegen
wart von Milchsäure, da Milchsäure in einer Verdünnung von
1:10000—10000 noch deutlich grünliche Färbung im durchfallenden
Lichte erzeugt, Die Kelling sehe Methode hat, sich als recht, brauch
bar erwiesen.
e) Modification nach II. Strauss.'1) Man nimmt einen kleinen
Schüttelfrichter der zwei Marken, eine bei b ccm, eine zweite bei
i) Citirt hei Penzoldt, Deutsch. Arch. f. klin. Mediein Bd. 51, S. ."»44.
•i) Kelling, Zeitschr. f. physiol. Chemie 1893, Bd. IS.
•'•) Strauss, Berlin, klin. Wochenschr. 189Ö, Xo. o7.
.Mageninhaltsprüfung. 1X5
2b ccm anzeigt. Man füllt den Trichter bis 5 ccm mit Mageninhalt,
gio>st darauf bis zur Marke 20 Aether schüttelt und lässt durch
Oeffnou des unten a m Schütteltricliter befindlichen Hahnes bis zur
Marke b ablaufen und füllt jetzt wieder bis zur Marke 2b mit
destillirtem Wasser auf. Hierzu werden 2 Tropfen einer Fisonrhlorid-
lösung (1 : <) Aq.) gesetzt und kräftig umgeschüttoll. Es tritt dann bei
etwa 1 "/no Milchsäuregehalt eine intensiv grüne, bei einem geringeren
Gehalt eine schwach grüne Färbung auf. Auch diese Modification
wird von verschiedenen Autoren als durchaus zweckmässig bezeichnet.
Fehlerquellen der Uffelniann sehen Reactionen: Fehlerquellen
a) Eine ähnliche Reaction wie Milchsäure geben auch Phosphate,
s,hen ueic-
Mineralsäui'cn in starker Concentration. Traubenzucker Alkohol, ti"u,,n-
Pepfoiilösungen u. a.
b) Höhere IICl-Grade (von 2.Ö — .'!,0"/,MI) verdecken die Milch-
säurereaction, doch ist dies im allgemeinen praktisch bedeutungslos,
da hoher IICl-Gohalt an sich Anwesenheit grösserer Mengen von
Milchsäure aussehliesst. Sollte dies ausnahmsweise doch der Fall
sein, so kann man nach Haas') in der Weise vorgehen, dass man
die Probe allmählich mit destillirtem Wasser verdünnt, wodurch der
störende Einfluss der HCl cliininirt wird.
c) Auch andere im Magen vorkommende fette Säuren (Ameisen-,
Essig-, Buttersäure) bewirken theils eine der Milchsäure ähnliche Fär
bung, theils Fällung.
d) Nach Kelling-) gehen Bicarhonate mit Eisenchlorid eine
strohgelbe bis gelbbraune, rosp. braune Färbung.
e) Rhodansalzo geben mit Eisen eine Braunfärbung. Die
Braunrothfärbung, der man bei manchen Mageninhalten nach Zusatz
verdünnter Eisonlösiing begegnet, ist nach den Untersuchungen von
Kelling thatsächlich auf das Vorhandensein von Bhodan zurückzu
führen.
/') Auch verschiedene Nahrungsmittel (Fleisch, Eierspeisen,
vegetabilische Substanzen, Milch, verschiedene Gebäcksorten) können
nach Penzoldt 1) die F f f e l m a n u sehe Reaction in verschiedenem
Umfange geben.
Daraus folgt, dass im Falle tles positiven Eintrittes die oben
genannten Substanzen ausgeschlossen werden müssen, aber auch bei
negativem Ausfall der Probe ist die Abwesenheit von Milchsäure
keineswegs bewiesen man niuss sich in allen derartigen Fällen
t) Haas, Münchener med. Wochenschr. ISSO. Xo. (>.
•^) (1. Kelling 1. c.
• ') Penzoldt, Deutsch. Arch. für klin. Mediein Bd. :>',}, S. 221.
186 Mageninhaltsprüfung.
mindestens durch Anstellung der Uffelmann sehen Reactionen mit
dem Aetherrückstand vor Täuschungen sichern.
Dieselben Reactionen wie Milchsäure gehen auch deren Salze, doch ist dies
praktisch von geringem Interesse. W o es darauf ankommt, kann man den Nach
weis von Lactaten in der Weise führen, dass man dieselben nach Behandlung
mit Mineralsäuren in ihre Componenten zerlegt.
roeffleient 2. Hoffmann und Vollhardt1) haben eine früher von Ber-
de partage
-thelot angegebene, von Rieh et-) für die Magensaftanalyse ver
wendete Methode, deren Richtigkeit Ewald 3) indessen auf Grund
von Nachuntersuchungen bemängelt hatte, neuerdings für die Be
stimmung der Milchsäure im Mageninhalt verwendet und sind mit
gewissen Einschränkungen zu befriedigenden Ergebnissen gelangt.
Die Methode beruht darauf, dass Säuren in Wasser gelöst, mit Aether
geschüttelt, in einem ganz bestimmten Verhältniss in denselben
übergehen. Längeres Schütteln ändert an diesem Verhältniss nichts.
Dividirt man die Säuremenge, welche im Wasser bleibt, durch die
Säuremenge, welche in den Aether übertritt, so erhält man eine be
stimmte Zahl. Diesen Quotienten nannte B er thelot4) Coefficient
de partage. Derselbe beträgt nach Rächet 10, Ewald"1) bestimmte
ihn auf 7,s und Hoffmann und Vollhardt fanden im Mittel 10,4.
Die Methode giebt aber nur dann richtige Werthe, wenn beim
Schütteln einzig als wesentlich in den Aether übergehend Gährungs-
milchsäure in Betracht kommt,
Darstellung 3. Nachweis der Milchsäure durch Darstellung ihrer Salze.
von Lactaten. A m einfachsten ist die Darstellung des Zinksalzes, bei der man in
folgender Weise verfährt, Man coagulirt zunächst durch Kochen
(eventuell unter Hinzufügen von verdünnter Schwefel- oder Salpeter
säure) die Eiweisskörper, filtrirt und engt das Filtrat unter Zusatz
einer geringen Menge kohlensauren Baryts auf dem Wasserbade zum
dünnen Syrup ein. Der Syrup wird mit mehreren Portionen abso
luten Alkohols aufgenommen, einige Zeit stehen gelassen, darauf
filtrirt, Das Filtrat wird abermals bis auf ein kleines Volumen ein
gedampft, mit einigen Tropfen Phosphorsäure angesäuert und mit
möglichst reichlichen Portionen neutralen alkoholfreien Aethers auf
genommen. Nach längerem Stehen wird die klare Aetherschicht ab
gehoben, der Aether verjagt, der saure Rückstand mit Wasser unter
i) F. A. Iloffmann u. Vollhardt, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 1891,
Bd. 2H, Heft f. u. 6, S. 42V.
-) Riebet, Du suc gastrique chez l'homme et los animaux, Paris 1878.
3) Ewald, Virchow's Archiv Bd. 90.
•C Berthelot et Jungfleisch, Arch. de chimie et de pharmaeie Bd. IV.
•"') Ewald, 1. c.
Mageninhaltsprüfung. 1X7
Fig. 20.
Zusatz von frisch gefälltem Zinkcarbonat gekocht, filtrirt und auf
kleines Volumen eingeengt. Beim Erkalten krvstallisirt das Zink-
loctat in schönen einzelnen oder in Drusen vereinigten rhombischen
Krvstallen (Fig. 201. Das milchsaure Zink ist in kaltem Wasser
schwer, in heissem ziemlich leicht löslich, nahezu unlöslich in Al
kohol. Behufs Identificirung wird eine bestimmte Menge gewogen
und bei 120" C bis zur Gewichtsconstanz von neuem gewogen, der
Gewichtsverlust niuss
entsprechend dem Krv-
stallwassergchalt des
gährungsmilchsauren
Zinks 18,lS<»/„ betra
gen. (Das Kalksalz der
G ährungsmilchsäure
löst sich in 9,ö Theilen
Wasser und verliert
beim Erhitzen auf
100oC2i),2o/„Krystall-
wasser während das
Kalksalz der Eleisch-
milchsäure sich in 12,4
Theilen Wasser bist und
2(),2D/0Krystallwasser
enthält).
Für den Nach
weis der Fleischmilch
säure verfährt man in
der selben Weise. Be
hufs Identificirung des Zinksalzes muss man auf 100—120" C er
hitzen; hierbei verliert das tieisrhmilchsaure Zink 12,0°/0 Krystall-
w asser.
Milchsäurenachweis nach Boas 1).
Prineip der Methode: Wenn man Milohsäurelösungen, sowohl
Fleisch- wie Gährungsmilchsäurc, mit stark oxydirenden Substanzen
behandelt und erwärmt, so erfolgt eine Spaltung derselben in Acetal-
dehvd und Ameisensäure nach folgender Gleichung:
C H , — CII(GH) -- C O O H = C H 3 — CHO-f- CIIOOII
Kr\ stalle von Zinklactat aus dem Mageninhalt eines
Falles von krebsiger Pylorusstenose.
(Eigene Beobachtung.)
Milchsäure
nachweis
nach Boas,
Milchsäure Acetahlehvd Ameisensäure.
ij Boas, Deutsche medicinische Wochenschrift 189o, >io. 34.
188 Mageninhaltsprüfung.
Erfolgt unter starker Erhitzung eine sehr ausgiebige Oxydation, so
sind die genannten Producte nicht die Endproducte, sondern der
Process geht weiter, indem der Aldehyd in Essigsäure, die Ameisen
säure in Kohlensäure und Wasser zerfällt, und zwar nach folgender
Formel:
(JII3 - CIIO-f C H O O I 1 + 2 0 - C H 8 - C O O H + C 0 2 + IIaO.
Aldehyd Ameisensäure Essigsäure
Man kann indessen bei vorsichtiger und allmählicher Erwärmung
die Oxydationswirkung so einschränken, dass ein Febergang von Alde
hyd in Essigsäure verhütet werden kann.
Der Nachweis von Milchsäure lässt sich demnach einfach durch
den Nachweis eines der beiden Zerfallsproducte (Acctahlehyd oder
Ameisensäure) führen. A m einfachsten und bequemsten ist der Nach
weis des Acctahlehyd.
Als qualitative Reaction für das Aldehyd dient alkalische Jod
lösung, mit welcher Aldehyd ähnlich wie Alkohol und Aceton Jodo
form bildet (Lieb en'sche Reaction). Diese Methode eignet sich, wie
später ausgeführt wird, auch zur quantitativen Milcltsäurebestimmung.
Ausführung des quulitutiveu Nachweises von Milchsäure.
Man nimmt, 1 0 — 2 0 ccm des zu prüfenden Mageninhalts, dampft
ihn in einer Porzcllanschale auf dem Wasserbade bis zum Syrup ein,
und zwar bei Fehlen freier Säure ohne weiteres, bei Vorhandensein
solcher unter Zusatz von überschüssigem kohlensauren Barvt. So
dann ward der Syrup mit einigen Tropfen Phosphorsäure versetzt,
die Kohlensäure durch Aufkochen vertrieben, erkalten gelassen und
wiederholt mit kleinen Portionen (2—3 Mal ä 50 ccm) absolut alko
holfreien (über Natrium destillirten) Aethers extrahirt.1) Nach halb
stündigem Digeriren wird die klare Aetherschicht abgegossen, der
Aether verjagt, der Rückstand mit lö ccm Wasser in einen Kolben
aufgenommen, durchgeschüttelt und eventuell filtrirt, das Filtrat mit
5 ccm concentrirtcr Schwofelsäure (spoc Gew. 1,84) und einer Messer
spitze Braunstein vorsetzt. Der Kolben wird mit einem durchbohrten,
gut schliessenden Stopfen verschlossen, durch dessen Bohrung ein
stumpfwinklig abgebogenes Glasrohr geht, dessen längerer Schenkel in
einen schmalen Cvlinder taucht, der als Vorlage -> — 1 0 ccm alkalische
Jodlösung (d. h. gleiche Thcile Vio Jodlösung und Normalkalilauge)
enthält. Erhitzt man nun die VersurhsflUssigkoit bei kleiner Flamme,
so geht bei Vorhandensein von Milchsäure schon beim ersten Auf-
') Die Fxtraction mit Aether geschieht deshalb, weil hierdurch die Kohlen
hydrate eliminirt werden, welche bei der Oxydation selbst" theihveise Aldehyd
liefern.
Mageninhaltsprülüng. ISO
kochen der Aldehyd in die Vorlage über, und es tritt sehr bald die
genannte Jodoformreactioii (Trübung und Geruch nach Jodoform.
Jodoformknstalle) auf.
(Quantitative Bcstinimung der Milchsäure.
1. In approximativer Weise kann man den Milchsä.uregehalt cmantitative
eines Mageninhalts nach meinen Erfahrungen in der Weise best im- li^ ummung-.
men, dass man die bei Anwendung der Fffelmanu sehen Reaction
entstehende Gelbfärbung mit der einer Lösung von bekanntem (mög
lichst schwachem) Gehalt an Milchsäure vergleicht. Durch allmäh
liche Verdünnung kann man dieselbe Farbennüaiice erhalten und
daraus einen allerdings nur ungefähren Schluss auf den Milchsäure
gehalt des Magentiltrafes ziehen. Erhält man z. B. mit einem auf
das 10 — 20fache verdünnten Mageninhalt unter Zusatz von 1 bis
2 Tropfen ö"/(,iger Eisenchloridlösung eine deutliche Gclbgrünfärhuiig,
so ist in demselben nach Kelling 1) ungefähr 1 "/'„„ res]». 2";'1)tl Milch
säure vorhanden.
2. Genauer ist das folgende Verfahren, das ich seit längerer
Zeit erprobt, habe. Man versetzt das Filtrat mit einigen Tropfen
verdünnter Schwefelsäure, erhitzt über der Flamme, wodurch die
Eiweisskörper coagulirt werden, filtrirt und dampft das Filtrat, über
dem Wasserbade bis zur Syrupeoiisistenz ein, füllt auf den ursprüng
lichen Gehalt auf und dampft nochmals bis auf kleines Volumen ein.
Hierdurch sind die flüchtigen Fettsäuren entfernt, der Rückstand
enthält nur noch Milchsäure. Dieselbe wird nun mit grösseren Mengen
Aether (auf 10 ccm 200 ccm Aether) ausgezogen, der Aether ver
dampft, der Rückstand mit Wasser aufgenommen und mit Phenol
phtalein und i/n» Normal-Kalilauge titrirt, Jeder Cubikcentimeter
der verbrauchten •/,„ Norniallauge entspricht 0,0000 g Milchsäure.
Bei diesem Verfahren wird man, weil ein Theil der Milchsäure beim
Erhitzen, bezw. Eindampfen entweicht, leicht Verluste haben.
."). Sehr genaue Werthe soll die direcle Wägung nach Darstellung des be
treffenden Salzes ergeben (hieiy.u ist nach den Angaben von Palm-) am ge-
eignesten die Darstellung des Bleisalzes). Dasselbe wird getrocknet und geglüht,
wobei Bleioxyd zurückbleibt. Da die Verbindung 78,f>% Bleioxyd und 21,f>"„
Milchsäure enthält, so brauch! man nur das Gewicht des Glührückstandcs mit
"" '* =-0 274 zu multipliciren. Nach I ntersuchiingen von de Jong'M ist die
78,r>
Methode ungenau und recht umständlich.
i) Kelling 1. c.
-') Palm, Zeitsclir. f. analyt. Chemie Bd. 2G, S. .".:'..
'•'•) de Joug, Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. 2, S. C>0.
190 Mageninhaltsprüfung.
4. Die von mir oben beschriebene Methode des Milchsäure
nachweises gestattet auch eine exacte quantitative Bestimmung der
Milchsäure. Man verfährt hierbei wie oben erwähnt, nur mit dem
Unterschied, dass der mit Wasser (45 ccm) aufgenommene und mit
Braunstein und Schwefelsäure (5 ccm) versetzte Aetherrückstand
unter sorgfältiger Kühlung destillirt, wird. Zweckmässig wird hierbei
der Kochkolben mit, einem doppelt durchbohrten Stopfen versehen;
durch die eine Bohrung führt ein gebogenes Glasröhrchen zum Kühler,
durch die andere ein zweites, gleichfalls gebogenes und mit einem
kurzen Gummischlauch und Klemmschraube versehenes, letzteres u m
etwa im Kochkolben oder Kühler befindliches Aldehyd durch einen
Luftstrom auszutreiben.
Die Destillation wird fortgesetzt, bis etwa Vs der Versuchs
flüssigkeit übergegangen sind.
Das untere Ende des Kühlers ist mit einem gebogenen Glas
röhrchen versehen, das in einen hohen, etwa 20 ccm Wasser ent
haltenden Kolben, der am besten in einer mit Eis gefüllten Schale
steht, eintaucht.
Die Milchsäurebestimmung geschieht nun einfach durch Titration.
Zur Ausführung der Titration sind folgende Lösungen nothwendig:
1. Vio Normal-Jodlösung.
2. i/10 Normal-Natriumarsenitlösung (statt dessen auch Vio Thiosulfatlösung).
3. Salzsäure vom specifischen Gewicht 1,018.
4. Kalilauge (ca. 56 g Kaliumhydroxyd in einem Liter Wasser).
5. Eine dünne, frisch bereitete Stärkelösung.
Zum Destillat wird die alkalische Jodlösung hinzugefügt -- in der Regel
genügen 10—20 ccm V 1 0Jod, gelöst in 20 ccm Kalilauge von oben genannter
Concentration —, kräftig geschüttelt und einige Minuten, sorgfältig verschlossen,
stellen gelassen. Sodann wird, u m aus dem nicht in Reaction getretenen Jod-
kalium und unterjodigsauren Kalium das Jod frei zu machen, die Probe mit 20 ccm
Normalsalzsäure versetzt, überschüssiges Natriumbicarbonat hinzugefügt und von
der i/io Natriuiiiaisenülösung aus einer Bürette bis zur völligen Entfärbung titrirt.1)
i) Die Bestimmung des Jodgehaltes durch arsenige Säure beruht bekannt
lich auf der oxydirenden Wirkung, welche das Jod auf oxydablc Substanzen aus
übt: hierbei geht die arsenige Säure in Arsensäure über, während das Jod in
Jodwasserstoff umgewandelt wird, wobei die anfangs rothbraune Jodlösung ent
färbt wird. Aus der Menge arseniger Säure, welche hierbei nöthig ist, können
wir einen Schluss auf die Menge des in Lösung befindlichen Jods ziehen. Da
wir mit Vio Norniallösungen operüen, so entspricht jeder Cubikcentimeter
V i o A s 0 3 l I 3 = l ccm Vio d- Ovr Zusatz von überschüssigem Natriumbicarbonat
erfolgt deswegen, weil die Reaction zwischen arseniger Säure und Jod nur in
alkalischer Lösung glatt und rasch erfolgt. Da indessen Aetzalkalien und ein
fach kohlensaure Alkalien selbst auf das Jod einwirken, so kann man nur doppelt
kohlensaure Alkalien zum Alkalisiren verwenden.
M ageninhaltsprüfung. 191
Der etwaige Feberschuss an arsenigsaurem Natron wird unter Zusatz von frisch
bereiteter Stärkelösung mittelst '
ln Jodlösung zurücktitrirt, wobei das erste Auf
treten bleibender Blaufärbung die Endreaetion darstellt. Die Anzahl Cubikcenti
meter Vio Jod minus der verbrauchten Anzahl Cubikcentimeter Vio arseniger Säure
giebt die zur Jodoforuibildung nothwendig gewesene Menge Jod und indireet den
MilchsäuregehaÜ an.
Die Errechnung der Milchsäure beruht nun auf der von mir
gefundenen Thatsache, dass 1 ccm Vio Jod 0,0033SSO g Milchsäure
entspricht2), man hat also, um den Milchsäuregehalt zu berechnen,
nur nöthig, die ermittelte Anzahl Cubikcentimeter Vm J°(I mit der
genannten Zahl zu multipliciren.
Beispiel:
Vorgelegt 10 ccm Vio Jod3).
Z u m Titriren gebraucht 6,5 » Vio arsenige Säure.
Z u m Zurücktitriren 0,2 » Vio Jod.
Demnach:
Jod im ganzen 10,2 ccm.
Arsen im ganzen 0,5 »
Demnach zur Jodoformbildimg verbraucht 3 7 ccm Vio Jod, folglich
ist der Milchsäuregehalt 3 7 X 0,0033SS ^ 0,0125 für 10 oder 1,25 fVo0.
Cautelen bei der Milchsäureuntersuchung.
Will man auf Milchsäure im Mageninhalt mit Rücksicht auf cauteien
diagnostische Zwecke prüfen, so hat man vor allem zu unterscheiden „.^e!dei'
°
x
Milchsaure-
zwischen eingeführter und im Magen gebildeter Milchsäure. Einge- Untersuchung.
führt wird Milchsäure, wie oben erwähnt, mit Fleisch als Fleisch
milchsäure, aber auch Gährungsmilchsäure wird häufig mit den Nah
rungsmitteln, der Milch, besonders der sauren Milch, Buttermilch,
Sauerkraut u. a. eingeführt. Bemerkeiiswerth ist, dass alle unsere
Gebäckarten, am meisten das Schwarzbrot!, aber auch, wie ich zeigen
konnte4), Weissbrod, Kuchen, Zwieback, Cakes mehr oder minder
grossen Gehalt an Milchsäure aufweisen. Fs ist daher für diese
i) Nach de Jong (Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. 2, S. 71) entspricht
1 ccm Vio Normal-Jodlüsung 0,0030 g Milchsäure.
••*) Es entsprechen nämlich 14,4 Vio Jodlösimg 0,0239 g Acctahlehyd, folglich
entspricht 1 g Acctahlehyd ü02,f> Vio Jodlösung. Nun entsprechen ferner 90 Milch
säure 44 Aldehyd. Hieraus ergiebt sich 44 : 90 = 0,0239 : x; x = 0,0488; d. h.
0,0239 Aldehyd entsprechen 0,0488 Milchsäure; folglich entsprechen 14,4 i/]0 Jod
lösung = 0,0488 Milchsäure oder 1 ccm 1/10 Jodlösung = 0,003388 g Milchsäure.
s) Für 10 ccm in Arbeit genommenen Mageninhalts.
4) Boas 1. c.
192 Mageninhaltsprüfüng.
Zwecke das sonst so brauchbare Ewald-Boas sehe Probefrühstück
weniger geeignet. Als eine absolut milchsäurefreie Nahrung habe ich
dagegen Mehlsuppe (am besten aus Knorr'schein Hafermehl) gefun
den. Will man demnach auf Milchsäurebildung im Magen prüfen, so
ist, am meisten eine derartige, nur mit Kochsalz versetzte Suppe
(1 — 2 Liter) vor der Mageninhaltsentnahme zu empfehlen. Besteht
des Morgens Stagnation, so thut man nach meinen Erfahrungen gut,
den Magen spät abends gründlich auszuwaschen und dann den Pa
tienten das genannte Quantum Mehlsuppe nehmen zu lassen. Der
morgens nüchtern etwa gefundene Mehlsuppenrückstand ist dann zur
Untersuchung auf Milchsäure geeignet. Dass man in der Praxis auch
mit dem Probefrühstück zum Ziele gelangen kann, unterliegt keinem
Zweifel.
Praktischer Werth der einzelnen Methoden der Milch
säur eh est i m m u n g.
werth Man kann sich mit den Uffelmann sehen Proben begnügen,
Me'iifoden a?" sobald dieselben ein unzweifelhaftes Resultat ergeben, d. h. wenn die
Mik-iisiiure- Färbung intensiv <>rün ausfällt. Besonders empfehlenswerth zur
bestimmung. ' '
Controle der Resultate sind die oben erwähnten Modificationen von
Fleischer, Kelling und Strauss. Alle anderen Nuancen als grün
sind überhaupt, werthlos, weil sie weder für noch gegen Milchsäure
anwesenheit etwas beweisen. Es gilt dies nicht nur für das Probe
frühstück, sondern auch für die von mir empfohlene Mehlsuppe, bei
deren Anwendung ich wiederholt leichte Gelbfärbung beobachtet
habe, ohne dass durch die Ahlehydprobc Milchsäure nachgewiesen
werden konnte. Auch die Ausschüttelung mit Aether kann mich
meinen Frfalirungen hieran nichts wesentliches ändern.
Für alle zweifelhaften Fälle ist die Aldehydprobe die zuver
lässigste und verhältnissniässig einfachste Methode.
Praktisch werthlos, weil viel zu umständlich, ist, die Darstellung
eines niilchsauren Salzes, überdies ist dies Verfahren nur bei hohem
(fehalt an Milchsäure verwendbar. Für absolut exaete Bestimmung
übertrifft es dagegen das Aldehvdvcrfahren, bei welchem geringe Ver
luste an Milchsäure sich gelegentlich schwer vermeiden lassen.
Diagnostische Bedeutung des Milchsäurenachweises.
Bei der Beurtheilung der diagnostischen Bedeutung der Milch
säure ist vor allem die Vorfrage zu erledigen, unter welchen Um
ständen und Bedingungen Milchsäure im Mageninhalt vorkommt. Es
ist bereits oben (S. 33) darauf hingewiesen worden, dass, wie Mar-
Magciiiuhaltspriifung. 193
tius und Lüttke1) zuerst gefunden und ich bestätigt habe,1-) Milch
säure nach Einführung von Kohlenhvdratkost bei Gesunden über
haupt nicht vorkommt. Desgleichen habe ich den Nachweis führen
können, dass auch bei gutartigen Magenaffectionen — Gastritis.
Fctasie, Atonie, Neurosen u. a. — Milchsäure theils gar nicht, theils
nur in Spuren vorkommt. Da ferner Milchsäurebildung bei Anwesen
heit von freier Salzsäure nach meinen Erfahrungen überbau])! nicht
vorkommt, so hat die Untersuchung auf Milchsäure in diesem Falle
weder praktischen noch theoretischen Werth. Dagegen ist die Mileh-
säureproduetion ein überwiegend häufig bei Magencarcinom vorkom
mendes Symptom. In der Hegel bildet sich Milchsäureproduction
vereint mit Stagnation und Salzsäuremangel.
Der Prüfung auf Milchsäure kommt demnach eine wichtige
semiotische Bedeutung zu, namentlich mit Bücksicht auf die Früh
diagnose des Magencarcinoms.'') Thatsächlich ist dieselbe von
Ilanimerschlag und mir auf Grund der genannten Indicien und des
übrigen klinischen Verlaufes wiederholt gestellt. Andererseits kann
Milchsäureproduction erst in späteren Stadien auftreten.
Meine ursprünglichen Hoffnungen, in der Milchsätireauwesenheü ein ab
solut zuverlässiges Symptom des Magencarcinoms gefunden zu haben, haben sich
leider nicht in vollem Einlange verwirklicht. Trotzdem ist es in denjenigen
Fällen, in denen eine carcinomatöse Geschwulst nicht palpabel ist, auch trotz
der Einschränkungen, die im Verlaufe der letzten Jahre von verschiedenen Seiten
gemacht sind,1) das beste und sicherste Zeichen, das wir besitzen. Das scheu
wir daraus, dass, w o nur das Symptom des Salzsäuremungels vorliegt, wenn nicht
etwa, andere unzweideutige Momente zu Hilfe kommen, die Diagnose Carcinom
nur mit grösster Reserve zu stellen ist. Durch das Vorhandensein von Stagna
tion und Milclisäuregährung gewinnt die Diagnose entschieden an innerer Sicher
heit. Dass die mir von einzelnen Autoren untergeschobene Meinung, als hätte
ich die Milchsäurcbihlung für ein »speeifisches« •'<) Zeichen des Carcinoms erklärt,
absurd ist, geht schon daraus hervor dass ich ausdrücklich das Bestehen eines
Carcinoms unabhängig von der Anwesenheit von Milchsäurebildung zugestanden
habe. Dass ferner Carcinonie mit normaler Salzsäureanwesenheit einhergehen
wobei Milchsäureproduction natürlich ausgeschlossen, ist gleichfalls eine längst
bekannte Thatsache.
') Martius u. Lüttke, Die Magensäure des Menschen, Stuttgart 1892.
-i Boas, Münch. med. Wochenschr. 1893, No. 43.
:i) Euter Frühdiagnose des Carcinonis verstehe ich eine Diagnose bei Fehlen
eines pal/ia/>ten Tumors. Es ist klar, dass ein solcher trotzdem schon in grossem
Enifange vorhanden sein kann.
') Siehe die umfangreiche Literatur über diesen Gegenstand in der vor
trefflichen Arbeit von Ilaninierschlag, Arch. f. Verdauungskrankheiten Heft 1 u. 2.
V Die Bezeichnung speeifisch, die, wie ich gestehe, nicht glücklich gewählt
sein mag, sollte, wie jeder sorgfältige Leser ohne weiteres erkennt, einen (Gegen
satz zu dem last ubiquitären Salzsäiiremaugel darstellen.
Liuas, Ally. Diagnostik ... TUei-apio ö,:>.s % Ag.
Diagnostische Bedeutung des Buttersäuronach weises.
Falls kein Butter- oder überhaupt kein Fettgonuss vor der Ent- iicm-no^ ischo
nähme des Mageninhalts stattgefunden hat weist Anwesenheit von Tmop.'-saurV.'
Buttersäure wohl stets auf vorgeschrittene Zersetzungsvorgänge hin.
Man wird als Ursachen auch die bei der Milclisäuregährung in Be
tracht kommenden, also eine an Milch- oder Buttersäurebactericii
reiche Mundhöhle oder Fäulnissvorgänge auf der Magenschleimhaut,
oder hochgradige Pylorusstenose, schliesslich eins oder mehrere
dieser Momente zusammen ansehen müssen, doch fehlt es hierüber
noch an massgebenden Untersuchungen.
b) Essigsäure, C2H402.
1. Schon in minimalen Quantitäten verräth sich Essigsäure- Essigsäure
anwesenheit durch den bekannten stechenden Geruch.
2. Man schüttelt eine kleine Menge Mageninhalt mit säure
freiem Aether ans. verdunstet denselben und neutralisirt den mit
einigen Tropfen Wasser aufgenommenen Rückstand genau mit ver
dünnter Sodalösung, wobei sich aus der freien Säure Natriumacetat
bildet, das mit verdünnter Eisenchloridlösuug eine tiefblutigrothe
Färbung giebt, Salpetersaures Silber giebt ferner einen Niederschlag,
der in heissem Wasser löslich ist,
i) Hoppe-Seyler, Handbuch der physiol. und pathol. chemischen Analyse.
G. Auflage.
13*
196 Mageninhaltsprüfung.
3. Man schüttelt eine Probe mit Aether aus und neutralisirt
den Rückstand gleichfalls mit Sodalösung. Bei Anwesenheit von
Essigsäure tritt beim Erwärmen mit etwas Schwefelsäure und Alkohol
der characteristische Geruch nach Essigäther auf.
Diagnostische Bedeutung des Essigsäurenachweises.
iagnostische Essigsäureanwesenheit im Mageninhalt ist meist die Folge star-
RS°sSfreer k c r Alkoholgährung und deutet daher, constant gefunden, auf Alko-
holismiis hin. Sie kann wahrscheinlich aber auch bei Stagnation im
Magen in Folge vorgeschrittener Zersetzung von Kohlenhydraten vor
kommen. Unter welchen speciellen Bedingungen dies geschieht, ist
indessen unbekannt.
Untersuchung' auf Enzyme.
1. Pepsinogen und Pepsin.
pepsinogen Das Pepsinogen, das speeifische Product der Hauptzellen der
und pepsm. ]y[aoen(irüsen, ist dadurch gekennzeichnet, dass es durch Säuren, be
sonders schnell durch II Cl in actives Pepsin umgewandelt und hier
durch befähigt wird, Fiweisskörper und Leimsubstanzen in deren lös
liche Modificationen umzuwandeln.
Hierdurch ist die praktische Fntersucliung auf Pepsin und
Pepsinogen gegeben. Enthält ein Mageninhalt freie Säuren untl ver
daut er Eiwcissstoffe. so ist der Beweis der Pepsinanwesenheit er
bracht. Enthält der Mageninhalt keine freie Säure, so spricht die
Vordauungsfähigkeit des mit, HCl genügend (s. u.) angesäuerten Fil-
trates für die Gegenwart von Pepsinogen, der Mangel an Verdauung
für das Fehlen desselben. Keineswegs ist ein neutraler Mageninhalt,
selbst ohne künstlichen Salzsäurezüsatz, unter allen Umständen ver-
dauungsunfahig, im Gegentheil wird Digestionsfähigkeit solcher
Magenfiltrate nach meinen Erfahrungen durchaus nicht selten ge
funden. Es handelt sich dann um Beimischung von pancreatischem
Saft und Galle. Durch eine derartige Prüfung wird die Sufficieiiz
der Bauchspeicheldrüsenverdauung bewiesen, wras diagnostisch und
prognostisch unter Umständen von Bedeutung sein kann.
Ausführung der Pepsinogen- und Pepsinproben.
verdauungä- 1. Bei Anwesenheit freier HCl.
a) Qualitative Fntersuehung. Man bringt 10 ccm Mageninhalt
in eine Eprouvette und fügt entweder ein Eiweissscheibchcn oder
eine getrocknete Fibrintiocke (Präparat von Dr. Grübler in Leipzig)
Magcninhaltsprüfung. 107
oder Lamellen aus Serumalbumin (Albumin e sanguine)1), alle am
besten von bestimmtem Gewicht hinzu und setzt, sie in den Wärme
schrank welcher entweder mit einem Therinoregnlator-) verschon
ist oder sich wenigstens constant zwischen 37 bis 40" hält. Auf
lösung des Eiweiss nach kurzer Zeit spricht für Gegenwart von Pepsin.
Praktisch von Wichtigkeit ist, dass Eiweiss und trockenes Serum
albumin erheblich langsamer gelöst wird als Fibrin.
Nach Jaworski wird eine Eiweissscheibe von b — 0 cg von
2ö ccm Magenfiltrat in drei Stunden bei 40" C verdaut. Von Fibrin
wird dieselbe (Quantität unter denselben Bedingungen schon in der
Hälfte der Zeit, b 6 cg trockenes Serumalbumin sogar schon in
einer Stunde bis auf geringe Beste gelöst,
b) Quantitative Fntersuehung. Praktisch brauchbare und ^uantiiativo
dabei sichere quantitative Pcpsinbestimmungon besitzen wir noch ^ J^l'üng-.
nicht; wir müssen uns daher mit approximativen Bestimmungen be
gnügen. Hierzu kann man nach v. L e u b e s Vorschrift einfach so
vorgehen, dass man zwei Eiltratproben nimmt und zu der einen noch
eine kleine Quantität Pepsinpulver und gleiche Eiweissmengen hin
zufügt, Zeigt die mit Pepsin versetzte Probe schnellere Lösung des
Eiweiss, so fehlt Pepsin, zeigt sie gleiche, so ist Pepsin in genügen
der Menge vorhanden.
Mir selbst hat sich das folgende Verfahren recht bewährt: ich
gehe von einem Stammniageninhalt eines Gesunden aus, den ich auf
bewahre und dessen Verdauungsfähigkcit ich kenne Mit dieser ver
gleiche ich die Verdauungsfähigkcit des zu prüfenden Mageninhalts.
Verdaut ersterer eine Eiwcissprobe in einer Stunde, letzterer in zwei,
drei oder mehreren so ist die Verdauungsfähigkcit des zu prüfen
den = V21 V31 1U u- s. w. des normalen. Das ist für praktische
Zwecke meist ausreichend.
Auch kann man sich des von Grützner für physiologische
Zwecke angegebenen colorinictrischen Verfahrens bedienen, indem
man die betreffenden Magenfiltrafe mit Carminfibrin versetzt (s. 0.
S. 2(>) und die Rothfärbung des Gemisches mit Proben von be
kanntem Pepsingehalt vergleicht.
2. Bei Felden freier Salzsäure. In solchen Fällen befindet sich Prüfung auf
im Mageninhalt allein oder doch vorwiegend Pepsinogen. Man weist K^}^11^,,.
dasselbe nach, indem man 10 ccm Magenfiltrat mit officineller Salz- Salzsäure.
i) Zu beziehen durch die Merck'schc Fabrik in Dannstadt,.
'-) Für wissenschaftliche Zwecke ist ein Thcrmoregulator sehr erwünscht,
für praktische dagegen reicht ein einfacher möglichst hoher Blechkasten mit
doppeltem Boden vollkommen aus.
198 Mageninhaltsprüfung.
s;j i U r e (1—2 Tropfen) ansäuert und dann in derselben Weise wie beim
Pepsin verfährt. Behufs quantitativer Schätzung des Pepsinogen-
gehalts verfahre ich ähnlich wie bei Prüfung auf Labzymogen (s. u.).
Ich verdünne den Mageninhalt mit destillirtem Wasser im Verhältniss
von 1:5, 1:10, 1 : 20 u. s. w. Je höhere Verdünnungsgrade sich un
beschadet der Verdauungsfähigkeit ermöglichen lassen, u m so reicher
ist der Gehalt an Pepsinogen.
Genau dasselbe Verfahren ist in neuerer Zeit von Johann es
sen1) eingeschlagen worden, ohne dass dieser Forscher indess zu
stringenten Resultaten gelangt ist.
Verdaut der mit Salzsäure passend angesäuerte Mageninhalt gar
nicht, so fehlt auch das Pepsinogen.
Neuerdings hat H a m m e r schlagt eine Methode der quanti
tativen Pepsinbestimmung angegeben, die trotz der ihr anhaftenden
Fehler für die Zwecke der Praxis wegen ihrer Einfachheit, Beachtung-
verdient Die Methode besteht darin, dass man von einer ca. 1 °/0igen
Eiweisslösung, die ausserdem 3 —4"/0o Salzsäure enthält, zwei Proben
zu je 10 ccm nimmt und zu der einen 5 ccm Wasser, zu der anderen
die gleiche Cubikcentimeterzahl des auf die peptische Kraft zu
prüfenden Mageninhaltes hinzufügt, Nach einstündigem Stehen im
Thermostaten wird in beiden Proben mittelst des Esbach sehen
Albuminimeters der Eiweissgehalt bestimmt. Die mit Wasser ver
setzte Controllprobe giebt den ursprünglichen Eiweissgehalt, die Dif
ferenz zwischen beiden entspricht tler Menge des verdauten Eiweiss.
Enthielt z. B. die mit Wasser versetzte Controllprobe (i0/00 Eiweiss,
die mit Magensaft versetzte dagegen 3°/uo, so sind 5 0 % Eiweiss
verdaut.
Ein sehr viel exaeteres, für praktische Zwecke leider zu com-
plicirtes Verfahren hat in jüngster Zeit Oppler 3) ausgearbeitet, Das
selbe besteht darin, die Menge des verdauten Eiweiss nach der be
kannten KjeldahFschen Methode zu bestimmen.
Im einzelnen gestaltet sich das Vorgehen folgendennassen: dem Patienten
wird früh nüchtern (50 g Weissbrod -f- 400 ccm Wasser gereicht, bei Anwesen
heit von Besten im nüchternen Magen wird vorher ausgespült. Nach einer
Stunde lässt man cxprhnhen und wäscht mit vielen kleinen Portionen bis zum
klaren YYasserabfluss nach. Alsdann wird filtrirt, vereinigt, auf ein resp. zwei
Liter aufgefüllt, sodann mittelst verdünnter Salzsäure auf eine Acidität von 77
gebracht. Es folgt nun zunächst eine N-Bestimmung von 50 ccm dieser Flüssigkeit.
i) .lohannessen, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 17, Heft 3 u. 4.
2) Ilammcrschlag, Internationale klin. Rundschau 1804, No. 39.
;i) Oppler, Archiv f. Yerdauungskrankheiten Bd. 2, S. 40.
Maireninhaltsprüfüng. 199
Darauf werden wiederum je 50 ccm mit je 20 ccm einer ca. 2°'0igen Eiweisslösung
in zwei verschlossenen Kolben drei Stunden lang im Thermostaten digerirt so
dann mit passenden Lösungen von NallO rasch ncutralisirt, aufgekocht, mit Kssig-
siiure angesäuert 5 ccm gesättigte NaCl-Lösung hinzugelügt und wiederum
aulgekocht. Nach dem Abkühlen wird coagulirtes Eiweiss und Flüssigkeit
mit mögliehst wenig destillirtem Wasser heratisgespült. so dass dann die (ie-
sainnitnienge 150 ccm beträgt und filtrirt. 50 ccm des Filtrats werden dann zur
N-Bestiuiniung nach Kjeldahl verwendet. Man kann nun als Vergleichsfliissigkeit
von einer l"/ni,igen Pepsinlösung ausgehen, die nach Oppler's Fiitersuclnuigeti in
drei Stunden 35 38"/,, Eiweiss verdaut. Bezeichnet man eine derartige Pepsin-
lösung nach meinem Vorschlage als Normalpepsinlösung, so ist leicht ersichtlich,
dass man die gesuchte l'epsininenge nach dem Ausfall der peptischen Thätigkoü
einlach darauf beziehen kann. Verdaut z. B. der zu prüfende .Magensaft (unver
dünnt) in drei Stunden PJü/„ Eiweiss, so entspricht seine peptische Kraft '^Normal-
Pepsin, i)
2. Labenzym (Chymosin) und Labzymogen.
Das Labenzym, das zweite Product der Magendrüsen, hat we- Prüfung auf
sentlich die Bedeutung, unabhängig von der Magensäure, also auch tJvlymogen.
bei schwach saurer oder neutraler Reaction Milch zur Gerinnung zu
bringen. Abgekochtem, also von Ferment freiem Mageninhalt, fehlt
diese Eigenschaft, ebenso wie auch schwach alkalisirtem Magenfiltrat.
Diese Fähigkeit kann das letztere indess durch Zusatz weniger Cubik
centimeter verdünnter Chlorcalciumlösung oder anderer Kalksalz
lösungen wieder erlangen. Es geht hierbei die Vorstufe in das
Labenzym über. Ebenso wirken verdünnte Säuren, besonders Mineral-
säuren, schwächer organische Säuren.
Qualitative Eabprüfunq. b -10 ccm Magenfiltrat werden mit Qualitative
Vio Normallauge genau neutralisirt, sodann mit dem gleichen Quantum
neutraler oder amphoter reagirender, roher oder besser gekochter
Milch in den Wärmeschrank gebracht. Tritt innerhalb 10 bis
15 Minuten Caseingerinnung ein und erfolgt bei weiterem Stehen
bleiben die Bildung eines Caseincoagulums (Käse), so ist die Ge
rinnung auf Labwirkung zu beziehen. Der Sicherheit wegen prüft
man vorher und nachher die Beaction des Gemisches; sie darf sich
während des Gerinnungsactes nicht verändert haben. Sehr viel ein
facher und für praktische Zwecke ausreichend ist die folgende Me
thode, deren sich Leo-) bedient. Man giebt zu 5 — 1 0 ccm Milch
3 - 5 Troiifen Mageninhalt und setzt ohne weiteres in den Wärme
schrank; falls in 10--15 Minuten Gerinnung erfolgt, ist Labferment
i) Ueber die weiteren Details siehe die ausführliche, und sorgfältige Arbeit
Oppler's 1. c
-') Leo, Berliner klin. Wochenschrift 18S8, No. 40
200 Mageninhaltsprüfung.
vorhanden. Die geringe Säuregegenwart kommt nicht in Betracht,
doch ist, es fraglich, ob diese Probe bei geringem Enzymgehalt
ausreicht.
Behufs Prüfung auf Lubzipuogen versetzt man 10 ccm schwach
alkalisirten Magcnfiltrats mit 2 — 3 ccm i%iger Chlorcalriumlösung
oder neutralisirt bis zur schwachen Alkalescenz mit Kalkwasser und
bringt das Gemisch in den Brutschrank oder in ein Behältniss mit
Wasser von 37° C. Im Falle der Anwesenheit von Labzymogen
erfolgt innerhalb weniger Minuten die Bildung eines dicken Case'in-
kuchens.
uve Quantitative Labprüfung. Wenn man den Mageninhalt all-
lug
'mählich verdünnt, so kommt man schliesslich an eine Grenze, bei
der eine deutliche Wirkung des Labs ausbleibt. Im einzelnen ist der
Weg folgender:
Man untersucht, zunächst in der oben geschilderten Weise auf
Labenzym; bei positivem Ausfall der Probe verdünnt man den ein
für allemal neutralisirten Mageninhalt auf VOM V20, Vso u. s. w. Ist
man bei der Grenze angelangt, so alkalisirt man den Best schwach
mit Kalilauge oder Soda und geht in derselben Weise behufs Prüfung
auf Labzymogen vor.
Für das Labenzym beträgt unter normalen Verhältnissen die
Verdünnungsgrcnze etwa V30—Vio, für das Zymogen Vnm—Viso1)-
Diagnostische Bedeutung der Enzymprüfung
im Mageninhalt.
^•he Während der Gehalt, an freier Salzsäure im Mageninhalt aus
"s den früher (S. 181) erörterten Gründen den grössten Schwankungen
unterliegt und hierdurch nur mit grosser Vorsicht diagnostisch ver-
werthbar ist, bilden die Formente des Magens oder deren Vorstufen
im ganzen Constantere Grössen. Weder Anomalicen der Blutcirculation,
noch der Innervation scheinen sie merkbar zu beeinflussen, so dass
eine starke Herabsetzung ihrer sjwcifi'sehen biologischen Kruft-
uivkuug direct auf eine Störung in der Function des Drüsen
apparates selbst hindeutet.
Die Notwendigkeit, bestimmte von dem wechselnden Säure-
verhalten unabhängige Griten011 zu besitzen, ergiebt sich besonders aus
den häufigen Fällen von Salzsäuremangel. Wir besitzen bis jetzt keine
') Hierbei niuss man allerdings durch Fmrcchmmg den Fehler berücksich
tigen, den man beim Neutralisiren durch Verdünnung- des Mageninhalts macht,
Mageninhaltspriifung. 201
Möglichkeit, uns aus dem Salzsäuremangcl allein eine Vorstellung
zu bilden, ob im Einzelfalle ein Stauungseatarrh. oder eine begin
nende restituirbare Gastritis oder ein vorgeschrittener, irreparabler
Catarrb oder endlich eine chronische Inncrvationsstörnng vorliegt.
Hiermit fehlt uns auch jede sichere Basis für die Prognose und
Therapie.
Durch die Enzymbestimmung lässt sich in einzelnen Fällen ein
Frthoil, ob eine vorübergehende oder dauernde Schädigung im Drü-
senapparat vorliegt, abgeben. So ist z. B. bekannt, dass bei Men-
strnationsanomalicen, bei nervöser Dyspepsie, bei Stauuiigszuständen,
bei acuter und beginnender chronischer Gastritis vorübergehend die
Salzsäureabseheidung sistirt wird. Die Enzymprüfung giebt uns in
derartigen Fällen prompt Antwort auf die Frage, ob wir es nur mit
einer vorübergehenden Salzsäurcsuppression oder mit einer vorge
schrittenen Gastritis zu thun haben. Zwar hat Oppler 1) in seiner
verdienstvollen Arbeit nachgewiesen, dass ein gewisser Parallelismus
zwischen Salzsäureabseheidung und Pepsin unter Labanwesenheit
stattfindet, indessen beziehen sich Opplers Untersuchungen eben
nur auf Fälle, mit constanten Störungen der Salzsäuresecretion.
Gerade für die vorübergehenden Schwankungen derselben besitzen
wir in dem Enzymnachweis eine gute Controlle über die Art und
den Grad der Störung. Zur Feststellung über das Verhalten des
Pepsins genügt eine qualitative Probe, mit Controllprobe eines nor
malen Mageninhalts (s. o.), allenfalls auch das Hammerschlag'sche
Verfahren. Wichtig ist, dass nach den Untersuchungen von Oppler
selbst bei Atrophie der Magenschleimhaut Pepsin noch immer in ge
ringen Mengen abgeschieden wird. Die von Hammerschlag") ge
machte Beobachtung, dass beim Magencarcinom das Pepsin schon
frühzeitig zu Grunde geht, ist durch Oppler nicht bestätigt worden.
Zu besonders brauchbaren Besultaten führt die quantitative Lab
bestimmung. Durch Versuche, die ich theils in Gemeinschaft mit Herrn
Dr. Trzebinski, theils allein angestellt habe, hat sich ergeben:-1)
1. Dass trotz HCl-Mangel noch Labenzym vorhanden sein kann,
aber nur in verschwindend geringem Maasse, nämlich bei einer Ver
dünnung von 1:10 bis 1:20.
2. Dass bei Salzsäurenmangel das Zymogen im ganzen Umfange
erhalten sein kann, d.h. in einer Verdünnung von 1:100 —150. Der
Nachweis des Erhalfenscins des Labzgmogen, zumal bei wiederholt
i) Oppler, Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. 2.
-') Ilammerschlag, Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. 2.
• •) Boas, Deutsche medicinische Wochenschrift 181)2, No. 17-
202 Mageninhaltsprüfnng.
in ilemselben Sinne ausfallenden Ergebnissen, gestattet mit hoher
Wahrscheinlichkeit den Schluss, dass eine organische Magenaffection
nicht vorliegt, dass es sich vielmehr entweder u m eint1 Neurose oder
u m Stauungszustände, durch Grundleiden verschiedener Art bedingt,
handelt. Lässt sich ferner der Nachweis führen, dass freie Salzsäure
zeitweilig fehlt, u m zu anderen Zeiten wieder aufzutreten, so spricht
dies mit grösster Wahrscheinlichkeit für eine Magenneurose.
3. Das Zymogen kann etwa u m die Hälfte verringert sein. Die
Ursache hiervon liegt am häufigsten in einem Catarrh, und zwar
einem noch nicht, bis zum äussersten Grade vorgeschrittenen Catarrh.
Je mehr der Zymogengchalt sich dem normalen nähert, u m so grösser
ist unter dem Einfluss geeigneter therapeutischer Maassnahmen die
Möglichkeit einer Restitution.
4. Die Labzymogcnbildung ist in grossem Maassstabe verringert
(Verdünnung 1:10 bis 1:25 ergeben negatives Resultat) oder fehlt
vollkommen. In Fällen dieser Art liegt ein schwerer, meist irre
parabler Catarrh vor, sei er nun selbständig oder durch ein Grund-
leiden (Carcinom, Amyloid u. a.) bedingt.
5. Bei 1, 2 und 3 kann man durch stimulirende Mittel die
II Cl-Secretion mit Aussicht auf Erfolg anzuregen versuchen. Bei 4
ist diese Intention absolut erfolglos.
Die Labprüfung hat ausserdem vor der Verduuungsprobe un
leugbare Vortheile, welche praktisch ins Gewicht fallen. Dieselben
bestehen 1. in der schnellen Erlangung eines Resultates, 2. darin,
dass die Proben mit den allergeringsten Mengen von Magenfiltrat
angestellt werden können, 3. dass sie bei alkalischer Reaction des
Mageninhalts (Speichel, Schleim, Darmsaft) die Entscheidung er
möglichen, ob überhaupt Magensecret sich in dem Gemisch befindet,
4. dass sie keiner besonderen Vorbereitung bedürfen und mit einem
jederzeit im Haushalt befindlichen Material angestellt werden können.
Galle, Schleim, Speichel wirken nur dann störend auf den Nachweis des
Labs ein, wenn das Gemisch alkalisch reagirt, bei neutraler oder saurer Reaction
ist ein hcnierkenswerther Einfluss nicht zu beobachten. Im ersteren Falle kann
der Nachweis des Labzyniogcns in der oben genannten Weise geführt werden.
Untersuchung- auf Eiweisskörper im Mageninhalt.
Das verhalten Die Fiwoisskörper werden unter dem Einfluss des Magensaftes
Eiweisskörper. sP e c i e 1 1 (lurdl (lic Verbindung von Pepsin mit Salzsäure durch
mehrere Zwischenstufen hindurch peptonisirt. Die Stelle der Salz
säure können auch Milch-, Butter- und andere Fettsäuren vertreten.
MageninhaÜspriifung. 203
Ausserdem kommen schon im Mundspeichel, also wahrscheielich auch
im Magen, Mikroorganismen vor, die bei längerer Einwirkung auf
Piweisskörper und unter günstigen Fortpflanziingsbedingiingen pepton-
ähnlichc Körper abspalten (Miller).
Zwischen der endgiltigen Peptoiiisirung liegen, wie bereits früher
(S. 23) erwähnt, mehrere Zwischenstufen, von denen das Syntonin und
das Propepton tider die Ilemialbumose sich durch characteristische
Reactionen auszeichnen.
Da, unter Umstünden die Frage in Betracht kommt, ob die
Eiweisskörper vollständig oder unvollständig, ganz oder nur zu einem
kleinen Theil verdaut, sind, so sei im folgenden der Fntersuchiings-
gang kurz geschildert:
1. Auf Syntonin oder Acidalbumin untersucht, man, indem man syntonin.
das Filtrat möglichst genau ncutralisirt. Bei starkem Syntoningehalt
entsteht bei der Neutralisation eine mehr oder weniger starke Trü
bung oder selbst ein Niederschlag (Neutralisationspraecipitat), der
sich bei Alkalizusatz oder in überschüssiger Säure wieder löst,
2. Propepton oder Hemialbumose ist dadurch characterisirt, prop0pton.
dass concentrirtc Essigsäure und gesättigte Kochsalzlösung im Ueber
schuss starke Trübung hervorruft, die sich beim Erhitzen wieder
löst, beim Erkalten von neuem wieder auftritt, Desgleichen giebt
Ueberschuss von Salpetersäure starke Trübung, die sich beim Er
hitzen unter Gelbfärbung (Xanthoproteinreaetion) bist, beim Erkalten
von neuem auftritt. Bevor man die Reaction auf Propepton anstellt,
ist es nothwendig, das durch Kochen ausfällbare Eiweiss zu entfernen,
Syntonin und Propepton geben mit Essigsäure und Ferrocyankaliuni-
lösung Trübung, ferner fällt Picrinsäure in der Kälte sämmtliche
Eiweisskörper, mit Ausnahme der echten Peptone, beim Erhitzen löst
sich aber der aus Hemialbumose gebildete Niederschlag auf, die
anderen Proteine dagegen bleiben ungelöst.
Propepton, Pepton sowie überhaupt sämmtliche Albumosen geben Bmrotroaetien.
mit überschüssiger Kalilauge und Kupfersulfatlösung (0,1:1<)0) die
sogen Biuretreaetion, d. h. eine schöne rosarothe Färbung, die bei
weiterem Znsatz der Kupferlösung' tief dunkelroth erscheint, Syntonin,
sowie die sämmtlichen zwischen diesem und der Ilemialbumose lie
genden Eiweisskörper geben die Biuretreaetion entweder schwach oder
gar nicht, d. h. die Färbung zeigt sofort einen charartoristisrhen Stich
ins Violette, der bei weiterem Zusatz schnell ins Bläuliche umschlägt.
Die Biuretreaetion hat demnach eine gewisse praktische Bedeutung,
indem sie das Vorhandensein politischer Wirksamkeit anzeigt, Auch
lässt sich bei einiger Febung erkennen, ob eine ausreichende oder
204 Magcninhaltsprüfuug.
ungenügende Einwirkung von Magensaft auf tue Proteinsubstanzen
stattgefunden hat.
Die Reactionen der übrigen, bei der Magenverdauung sich
bildenden Eiweissderivate sind bereits oben (S. 24) besprochen.
U m die Peptone aus Lösungen rein zu gewinnen, verfährt man
so, dass man zunächst Globulin und Syntonin durch Kochen, eventuell
mit Essigsäurezusatz entfernt und das Filtrat mit concentrirtcr neu
traler Schwefelammoniumlösung im Ueberschuss versetzt. Hierdurch
werden alle Eiweisskörper mit Ausnahme der Peptone gefällt. Dieses
Verfahren erfordert einige Zeit (mindestens 24 Stunden), da die
Fällung der Eiweisskörper ganz allmählich erfolgt. In kurzer Zeit
erhält man nach Devoto 1) eine vollständige Trennung der Eiweiss
körper von dem Pepton auf folgende Weise: man versetzt die eiweiss-
haltige Flüssigkeit in einem Becherglas auf 100 ccm mit 80 g krvstalli-
sirten chemisch reinen Ammoniumsulfats und bringt zunächst das
Salz in der Wärme (in einem Wasserbad unter Rühren und Zer
drücken der Krystalle mit einem Glasstab) zur völligen Lösung,
wozu 10—15 Minuten erforderlich sind. Alsdann setzt man das Glas
noch 30—40 Minuten dem dampfsiedenden Wasser aus, worauf die
Coagulation vollendet ist. Lässt man das Glas noch länger, bis
zwei Stunden, im Dampf verweilen, so wird das Coagulum dichter,
und das Filtriren und Auswaschen gehen dann schneller von statten.
Das Filtrat giebt nun keine Reaction mit Essigsäure- und Ferro
cvankalium, sowie mit Neutralsalzen, Pikrinsäure, Trichloressigsäure
u. s. wr., ist also albumosefrei, giebt dagegen noch die Biuretreaetion.
Diagnostische Schlüsse aus dem Verhalten der Eiweiss
körper im Mageninhalt.
Diagnostische Da die Umwandlung von Eiweisskörpern, wie bereits erwähnt,
dem verhaken wesentlich von der Anwesenheit von Pepsin-Salzsäure abhängt, so
(ior
spricht der Nachweis von Albumosen im allgemeinen nur dafür, dass
Eiweisskörper.
HCl und damit natürlich auch Pepsin abgesondert worden ist. Man
hätte demnach hierin nur eine complicirte Probe auf HCl und Pepsin.
Der Werth der Albumosereactionen wird noch durch die oben er
erwähnten Thatsachen beeinträchtigt, dass auch organische Säuren
dieselbe hervorrufen, dass ferner eine Verdauung von desquamirten
Zellsubstanzen gleichfalls zur Peptonbildung führt und dass schliess-
!) L. Devoto, Ueber den Nachweis des Peptons und eine neue Art der
quantitativen Eiweissbestimnmng. Zeitschrift f. physiol. Chemie Bd. 15, Heft 5
S. 465.
Mageninhaltsprüfung. 205
lieh auch durch bacterielle Zerlegungen Albumosen oder ähnliche
Substanztal entstehen können.1)
Dabei' kommt es. dass fast jedes Magenfiltrat eine mehr oder
weniger starke Biuretreaetion ergiebt. Demnach ist dieselbe als
Beweis stattgehabter normaler Albuminverdanung allein nicht aus
reichend, wenngleich der deutliche und scharfe Ausschlag der Bosa-
oder Purpurfärbung bei entsprechender Uebung über die Anwesenheit
von Peptonen oder die Menge derselben als grobes Orientirungs-
mittel vorworthet, werden kann. Werden dagegen echte Peptone nach
obigem Vorfahren, wenn auch nur in geringer Menge, nachgewiesen,
so darf Einwirkung von HCl und Pepsin als erwiesen angesehen
werden.
Ein grosser Gehalt, an Syntonin und niederen Albumosen spricht
für einen anomalen Ablauf der Eiwoissverdainnig, desgleichen wenn
die Biuretreaetion nach Entfernung der Albumosen völlig ausbleibt.
Es deutet dies entweder auf eine mangelhafte HCl-Secretion oder
auf gleichzeitige Verminderung der Enzyme hin.
Untersuchung' der Kohlenhydratverdauung; im Magien.
Die Verzuckerung der Amylaceen im Magen erfolgt, wie bereits
oben S. IS erwähnt, durch drei Zwischenstufen hindurch, die durch
ihr Verhalten gegen Jodjodkalium scharf characterisirt sind: das
Amidulin, das Erythrodextrin und das Achroodextrin; ersteres giebt
mit Jodjodkalium Blaufärbung, das Erythrodextrin Violott- bis Maha
gonibraunfärbung, und das Achroodextrin bleibt ungefärbt.
In der Begel findet man in stark HCl-halfigem Mageninhalt
nach Kohlenhydratgenuss noch gegen Ende der Verdauung reichlich
Erythrodextrin, während man zur selben Zeit bei HCl-freiem Magen
inhalt fast ausschliesslich Vchroodextrinreaction erhält,
Hiervon kommt nur dann eine Ausnahme vor, wenn Erkran
kungen der Speicheldrüsen vorliegen, durch welche das Ptyalin zum
Theil oder ganz an Activität eingebüsst hat, wie dies zuweilen
(s. S. 12(>) vorkommt.
Das Endproduct der Amylumconvertirung ist Maltose (GlL,H22On
-j-HgO), bezw. Isomaltose nebst kleinen Mengen Traubenzucker,
nachweisbar durch die bekannten Proben (am zweckniässigsten
Fehling'sche oder Nylander sehe Lösung).
M Es darf auch nicht vergessen werden, dass durch die Art der Zubereitung
(Abkochen von Milch, Eiern, Fleisch u. a.) ein Theil der Albttminate schon in
Peptone umgewandelt werden kann.
206 Mageninh al tsprüf im g.
Kohrzuckcr wird von salzsaurem Mageninhalt schon in kurzer Zeit in In
vertzucker umgewandelt, v. Leube 1) ist der Ansicht, dass dies nur pathologischer
Weise vorkommt. Ihes ist nach meinen Fntersiiclmngen keineswegs der Fall.
Auch der gesunde Mageninhalt vermag im Verhältniss der Säurosocrction, die
ich allein für das wirksame Agens hierbei erachte, llohrzucker in Lextrose und
Laevuluse zu zerlegen, nur dass er sehr schnell durch Resorption den Magen vor-
lässt, während er bei Störungen der letzteren noch längere Zeit im Magen nach
weisbar ist. Auch der HCl-freie Mageninhalt vermag Rohrzucker in einzelnen
Fällen zu zerlegen. Dies beruht, wie mir scheint, auf bacteriellen Unisetzungen,
die, wie wir durch Millers Untersuchungen wissen, schon unter physiologischen
Verhältnissen bereits in der Mundhöhle vorkommen können.
Ueber die Veränderung der übrigen Zuckerarten in der Magenhöhle liegen
erwälmenswerthe Untersuchungen nicht vor.
Diagnostische Bedeutung der Kohlenhydratprüfung.
Die Kohlenhydratverdauung ist nur insoweit diagnostisch von
Bedeutung, als sie die quantitative Untersuchung auf Magensäure er
gänzt. In den meisten Fällen ist das Verhalten der Kohlenhydrate
im Filtrat gegen Jodlösungen indirect ein fast ebenso sicheres chemi
sches Reagens für Säurc-An- oder Abwesenheit, wie die qualitativen
Proben hierauf. Nur die genannten Fälle von Ptyalinmangel gebieten
hierin Vorsicht und machen doch die H Cl-Proben nothwendig. Unter
Umständen könnte auch Säureexcess und Ptyalinmangel zusammen
wirken.
Die Zuckeruntersuchung ist kaum diagnostich verwerthbar, zu
mal wrenn schon zuckerhaltiges Material importirt wurde. Bei zucker
freier Kohlenhydrateinführung würde massiger Zuckergehalt für Be
hinderung der Speicheldiastasewirkung, z. B. durch abnorme II01-
Bildung, bezw. für Ptyalinmangel sprechen. Wird in einem HCl-freien
Mageninhalt Rohrzucker invertirt, so deutet dies mit Wahrscheinlich
keit auf bacterielle Umsetzungen hin.
Prüfung: der motorischen Function des Mag-ens.
Man kann die motorische Leistung des Magens entweder so fest
stellen, dass man demselben eine Nahrung zuführt, von der man erfah-
rungsgemäss weiss, innerhalb welcher Zeit sie — von physiologischen
Schwankungen abgesehen den Magen verlässt. Man kann ferner
so vorgehen, dass man bestimmte Nahrungsmittel oder Arzneien in
den Magen bringt, die nicht gelöst, bezw. nicht resorbirt werden, da-
i) v. Leube. Viirhow's Archiv Bd. 88, S. 2L'2.
Mageninhaltsprüfung. 207
gegen im Dünndarm zur Lösung kommen und nach bestimmter Zeit
qualitativ oder quantitativ deren Anwesenheit oder Menge direkt (im
Mageninhalt) oder indirekt, (im Harn) bestimmt. Die Methoden wer
den der Reihe nach im folgenden einzeln erörtert und dann deren
Werth kritisch besprochen.
a) Prüfung mittelst der v. Leube sehen1) Probemahlzeit.
Der zu Untersuchende erhält folgende Probemahlzeit: einen Methode von
Teller Suppe, ein Beefsteak, eine Semmel und ein Glas Wasser, nach
Riegel genauer: 400 ccm Riiidflcischsuppe, 200 g Beefsteak, öO g
Brod und 200 ccm Wasser. Während der folgenden sechs Stunden
darf der Patient nichts gemessen. Nach dieser Zeit erfolgt die Aus
spülung des Magens nach v. Leube s Vorschrift, in der Weise, dass
man den Trichter zweimal mit ca. 1\i Liter füllt. Kommen hierbei
keine oder nur sehr geringe Speisereste zum Vorschein, so kann man
den Magen als motorisch sufficient bezeichnen.
b) Prüfung mittelst des Probefrühstücks.
Man kann in zwar nicht ganz exaeter, aber für die Bedürfnisse Probe-
der Praxis vollauf genügender Weise auch an der Hand des Probe- fruhstllck-
frühstücks die motorische Thätigkeit des Magens feststellen, wenn
man nur die Vorsicht beobachtet, dasselbe unter den Augen des
Arztes nehmen zu lassen. Unter normalen Verhältnissen wird das
Probefrühstück nach spätestens zwei Stunden aus dem Magen ent
fernt, findet man daher u m diese Zeit noch grössere (Quantitäten
Flüssigkeit oder Speisereste bei der Ausspülung, so kann man den
Magen als motorisch insufficient bezeichnen.
c) Prüfung mittelst des Probeabendessens.2)
Die Methode bezweckt, den Nachweis zu führen, ob eine nor-Methode von
maier Weise erfahrungsgemäss über Nacht völlig verdaute Nahrung Boas"
im nüchternen Magen Rückstände hinterlasse Zu diesem Behufe
nimmt der Patient Abends ) Wotitzky, Pnig. med. Wochenschr. 1891, No. 31.
t!) Reale und Grande, Uivist. clinic, Oct. 1891.
") Stein, Wien. med. Wochenschr. 1892, No. 43.
x) J. Pak Wiener klin. Wochenschr. 1889, No. -IS.
Magen inhaltsprüfung. 209
Modification der Salolprobc nach A. Huber.i)
II tili er bestimmt wegen der hierbei vorkommenden Schwankungen nicht
das erste Auftreten der Salicylaussehoidung im Harn, sondern die Zeit,lauer de*
Anludtens d,rseU>en. Letztere beträgt bei Gesunden 20 27 Stunden, während
hei Patienten mit motorischer Magensufficienz Ueberschreituiigen von 3—12 Stun
den und mehr vorkommen können. Nach der Vorschrift vonlluber nimmt der
Patient nach dem .Mittagessen 1 g Salol in Oblate, am folgenden Tage nach ca.
27 Stunden ist der Harn zu untersuchen. Giebt derselbe zu dieser Zeit mit Lisen-
chlorid noch Violettfürbung, so wird weiter alle drei Stunden untersucht. Nach
II über scheint die Länge der Dauer der Reaction dem Grad der motorischen
Insufficienz direct proportional zu sein.
Silberstein'-') hat die Salolprobc mit der Modiiication vonlluber nach
geprüft und ist gleichfalls zu befriedigenden Resultaten gelangt. Andererseits hat
Wotitzky"') gezeigt dass die Salicylsäurereaction bei Magengesunden die Zeit
von 27 Stunden ühersehroüon kann, bei Magenkranken dagegen, und zwar solchen
mit starkem Darniederliegen der Motilität /Stenose des Pylorus post ulctis, Pvlo-
ruscareinonij, diese Zeit in einzelnen Fällen nicht überschreitet.
e) Methode von Fleischer.')
0,1 Jodoform wird in einer kleinen Gelatinekapsel gleich bei Methode von
Beginn der gewählten Mahlzeit dem nüchternen Magen zugeführt.
Da das Jodoform in sauren Medien nicht löslich, in alkalischen da
gegen löslich ist, so hat man in dem Auftreten der Jodreaction im
Harn bezw. Speichel einen Ausdruck für die Schnelligkeit mit der
die Substanz aus dem Magen entfernt, wurde Nach den Unter
suchungen von Maurer und Kvpke-P>urchardU) tritt die Jod
reaction bei Gesunden in der Mehrzahl der Fälle nach bb bis liö Mi
nuten auf, kann aber auch bis zu 10Ö Minuten verzögert sein. Bei
Kranken mit schweren Motilitätsstörungen tritt die Reaction häufig
erst nach :>—4 Stunden und noch später auf.
f) Methode von Klemperer.6)
Dieselbe beruht auf der Thatsache, dass Fette vom Magen gar Methode von
• , , • -i i • i i i - i ii' • i J i Klemperer.
nicht resorbirt, und auch nur m unerheblicher \\ eise verändert werden
(s. S- 29). Man kann demnach nach Eingabe einer bestimmten Quan
tität Gel aus den nach einiger Zeit durch Aspiration wieder gc-
M A. ITuber Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte 181)0.
-') L. Silberstein, Deutsche medicinische Wochenschrift 1891, No. 9.
•<•) Wotitzky, 1. c.
') Fleischer, Krankheiten der Speiseröhre, des Magens und Darms. Wies
baden 1890. S. 791.
•') citirt bei Fleischer.
[
'<) Klemperer, Deutsehe medicinische Wochenschrift 1888. No. 47.
B o a s , Allg. Diagnostik u Therapie d. .Magenkrankheiten. 4. Aufl. j^
210 Mageninhaltsprüfung.
wonnenen Oelmengen einen bestimmten Ausdruck für die motorische
Leistung des Magens gewinnen. Im einzelnen besteht das Verfahren
in folgendem: Durch die eingeführte Schlundsonde werden in den
leeren oder reingespülten Magen 100 g Olivenöl gegossen. A m besten
giesst man 105 g ein, da. ca. 5 g bei der Procedur verloren gehen.
Nach zwei Stunden wird der Mageninhalt aspirirt, die Hauptmenge
des im Magen befindlichen Oels wird hierbei gewonnen, der Best
wird durch mehrmalige Wassereingiessungen erhalten. Die gcsammten
Flüssigkeitsmengen werden vereinigt, das Gel vom Wasser im Scheide-
trichter getrennt, das zurückbleibende schleim- und wassergetrübte
Gel mit Aether aufgenommen, der Aether verjagt, das zurückbleibende
Gel gewogen.
Bei dieser Methode fand Klemperer bei mehreren Gesunden
als Normalzahl der entleerten Oelquantitäten 70—80 g, während bei
Verringerung der motorischen Kraft diese Zahlen beträchtlich kleiner
sind. Klemperer wünscht, dieses Verfahren nicht für die tägliche
Praxis zu empfehlen, es sollte ihm vielmehr dazu dienen, das Ver
halten der motorischen Kraft bei den einzelnen Magenstörungen in
typischer Wreise festzustellen. Hiermit hat, der Begründer der Me
thode der Verwendbarkeit derselben feste Grenzen gesteckt.
g) Methode von A. Mathieu.1)
Methode von Die Methode beruht im Prinzip auf dem Klemperer'schen
Mathieu. Oolverfahren mit Zugrundelegung der Mathieu-Bernond'sehen Be
stimmung der restirenden Magenfiüssigkeit. Im einzelnen ist der
Modus procedendi folgender:
Es werden nüchtern 60 g Weissbrod und dazu die folgende Emul
sion genommen: Ol. ampygd. dulc. 10,0, Gummi arabicum 5,0 — 10,0,
Sir. simpl. 20,0, leichter Thee soviel, dass die Gesammtmenge
250 ccm beträgt. Eine Stunde später Expression. Sodann giesst
man durch den Trichter 200 ccm destillirtes Wasser, lässt zurück-
und wieder einfliessen, um eine möglichst innige Mischung des Wassers
mit der restirenden Magenfiüssigkeit zu gewinnen. Aus dieser
Flüssigkeit bestimmt man nach der M a thieu-Bemond'schen
Formel (S. 14 \ J
reaction nach Bosenbach') (Auftröpfeln von Sal]ietersäure auf das
mit dtnn Urin gel rankte und getrocknete Filter) und die Jodprobe
nach Smith erwiesen.
Gullensäuren. Man geht hierbei in der Weise vor, dass man
zunächst die Eiweisskörper durch Kochen oder durch Alkohol fällt
und zu einigen Tropfen des enfeiweissten Filtrafes ein wenig Bohr
zuckerlösung und tropfenweise reine coiirontrirto Schwefelsäure oder
syrupöse Phosphorsäure (Drechsel) hinzufügt; bei einer Erhitzung
zwischen 0 0 — 70° C erhält man prachtvolle purpurrothe Färbung
(Pettenkofer sehe Probe). Ausserdem geben die Gallensäuren in
concentrirtcr Schwefelsäure eine im durchfallen den Licht dunkel
nd he, im sehiofauffallenden prachtvoll grün fluoreseirendo Färbung.
Nach ]\I vlius -) benutzt man statt des Bohrzuckers einen Tropfen
Furfurolwasser (einen Tropfen Furfurol in einem halben Beagensglns
Wasser gut durchgeschüttelt). Die Bcaction entwickelt sich lang
samer, erfordert mehr Schwefelsäure und bleibt an Schärfe gegen die
Pettenkofer sehe Reaction zurück.
Zur Unterscheidung der Pettenkofer sehen Gallonsäureprobe
von der ähnlichen mit Eiweisskörpern räth Schenk, die purpurrothe
Lösung reichlich mit Alkohol zu verdünnen und spektroskopisch zu
untersuchen. Die Gallensäuren geben einen Absorptionsstreifen im
Grün zwischen I) und E und einen zweiten im Blau vor F. Eiweiss
körper geben ähnliche Absorptionsstreifen nicht,
Cholestearin. Beim Behandeln des zur Syrupconsistenz einge
dampften Filtrafes mit reichlichen Mengen Alkohol und Aether und
Verdampfen desselben scheiden sich die glitzernden, perlmuttcrähn-
lichen, sich fettig anfühlenden Cholcstearinkrystallo aus, die unter
dem Mikroskop als stark lichtbrechende Rhomben mit treppen-
förmigen Einschnitten erscheinen (s. Fig. 24, S. 22!)). Sie liegen in
Gruppen beisammen und sind in Aether leicht löslich, in Wasser,
Alkalien, Säuren unlöslich. Bei Behandeln mit verdünnter Schwefel
säure und Jodtinctur verändern sie ihre Farbe allmählich in violett,
blau, grün, roth. Mit Schwefelsäure allein werden die Krvstalle an
ihren Bändern gelb bis violettroth gefärbt. Diese Earbenreactionen
sind mit \ ortheil für die mikroskopische Diagnostik zu verwerthen.
Löst man eine kleine Probe von Cholestearin im Reagensglas in
Chloroform, fügt die gleiche Menge concentrirter Schwefelsäure hinzu
und schüttelt einige Minuten um, so färbt sich das Chloroform citronen-
') Knsenbach, (Vnfralbl. f. d. mediein. Wissenschaften Bd. 14, 1S75, No. ö.
•±) Mylius, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 11, S. 493.
218 Mageninhaltsprüfung.
gelb bis purpurroth; giesst man die Chloroformlösung in eine Schale
aus, so färbt sie sich unter Wasseranzichung schnell blau, dann grün,
endlich gelb (Salkowski). Dampft man in einer Porzellanschale
eine Spur Cholestearin mit einem Tropfen concentrirter Salpetersäure
vorsichtig bei gelinder Erwärmung ab, so bleibt ein gebier Rückstand,
der mit Ammoniak übergössen schön roth wird. Dampft man ebenso
eine Spur Cholestearin mit eisenchloridhaltiger Salzsäure ab, so färbt
sich der Rückstand röthlich, dann prachtvoll violett und blau.
Dünndarmsaft. Das Pancreassecret erschliessen wir aus seiner
specifischen Fermentwirkung. Es handelt sich hierbei u m die tryp-
tische, diastatische und fettspaltende Wirkung.
Dil' trnptische Wirkung wird in der Weise nachgewiesen, dass man das
Magenfiltrat, wenn es sauer reagirt, mit l%iger Sodalösimg bis zur deutlich
alkalischen Bcaction versetzt und hierzu eine Fibrinflocke bringt, Dieselbe wird
sich im Falle der Anwesenheit von Trypsiu unter Bildung von Pepton durch
mehrere Zwischenstufen hindurch allmählich lösen. Gleichzeitig entsteht Tyrosin
und Leucin und ein sich mit Brom- oder Chlorwasser in saurer Lösimg violett
färbender, bis jetzt noch nicht rein dargestellter Körper.
Auf diastatisches Ferment wird analog dem Speichel in der Weise geprüft,
dass man zu dem schwach mit N a 2 C 0 3 alkalisirtcn Filtrat Stärkemehl oder
Stärkekleister bringt. Nach kurzem Verweilen im Thermostaten bildet sich gleich
falls durch die früher (S. 18) erwähnten Zwischenstufen Maltose und (wenig)
Traubenzucker. Desgleichen wird auch Glykogen unter dem Einfluss der Pan-
creasdiastasc verzuckert.
Die fetts]iahende Wirkung des Pancreassaftes lässt sich in einfacher Weise
folgendennassen nachweisen: Man bringt in ein Uhrschälchen einige Tropfen des
schwach alkalischen Filtrafes und fügt 3 — 4 Tropfen neutrales Olivenöl, sowie
1 — 2 Tropfen alkoholische IJosoIsäure hinzu. Hierdurch wird das Gemisch
schwach violett bis rosaroth. Das Uhrschälchen wird mit einem zweiten eben
solchen, durch eine Klammer luftdicht befestigten verschlossen und in den Trocken
sehrank gebracht. Nach 3 0 - 60' sieht man die Rosafärbung immer mehr ab
nehmen und nach einiger Zeit ganz schwinden. Durch etwaige Anwesenheit
von Bacterien kann zwar gleichfalls' eine Fettspaltimg hervorgerufen werden,
doch in viel geringerem Umfange und nach wesentlich längerer Einwirkimg.
Oder man kann nach Heidenhaini) in folgender Weise vorgehen: Milch wird
mit Lakniuskörnern zerrieben und durch Glaswolle filtrirt. Eine Probe dieser
blaugefärbten Milch wird mit der zu prüfenden Flüssigkeit versetzt. Sie wird
beim Digeriren im 40" G warmen Wasserbade nach kurzer Zeit roth, während
eine in gleicher Weise zubereitete, aber vorher aufgekochte Probe blau bleibt.
Für praktische Zwecke sind diese einfachen Methoden aus
reichend, will man aber die fcttspaltende Wirkung des fraglichen
Secretes eingehender studiren, so empfiehlt sich das von H o p p e -
i) Heidenhain, Pflüger's Archiv Bd. 10, S. 557.
Mageninhalt spriifung. 219
Seyler1) angegebene, auch für quantitative Fntersuchungen geeignete
Verfahren.
Blut und Eiter Kleine frische oder makroskopisch nicht Biutu.Eiter
genau differenzirbare Blutungen weist man nach: Mageninhalt.
1. Durch, das Mikroskop. Man sieht rothe Blutkörperchen
im säurefreien Mageninhalt ohne weiteres, im nicht mehr frischen
oder ganz zersetzten Blut entweder gar nicht oder höchst vereinzelt.
Der Nachweis von Blutkörperchen ist für die Diagnose völlig aus
reichend.
2. Durch die Heller sehe Blutprobe Man versetzt, etwas
Magenfiltrat mit derselben Quantität normalen Harns, alkalisirt reich
lich und kocht. Die niedergerissenen Phosphate färben sich granat-
roth und erscheinen in dünnen Schichten diehroitisch. Lässt sich
die rothe Farbe des Niederschlages nicht genau erkennen, weil das
Magenfiltrat durch beigemischte Substanzen (Kaffee, Cacao, Rothwein,
(lalle u. a.) eine starke Eigenfarbc besitzt, so thut man gut, den
Niederschlag auf kleinem Filter zu sammeln und denselben in Fssig-
säure zu lösen. Dieselbe nimmt hierbei eine rothe Farbe an, die
beim Stehen an der Luft allmählich schwindet.
Diese Probe ist bei zersetztem Blut mit Yortheil anwendbar,
man vergesse aber nicht, dass auch Bheum, Senna und Santonin eine
ähnliche Färbung aufweisen. Doch zeigen diese Flocken keinen Dichrois-
mus und nehmen mich längerem Stehen an der Luft violette Fär
bung an. Im ganzen ist die Probe nicht sehr genau und zuverlässig.
3. Durch das Spactroskop. Bei frischen Blutungen kann man
das Magenfiltrat unmittelbar untersuchen. Alan sieht dann die beiden
Streifen des Oxyhämogiobin sehr deutlich. Bei Anwesenheit freier
II Cl im Mageninhalt oder bei (fegenwart grosser Mengen organischer
Säuren wird das Oxyhämogiobin in salzsaures Hamann umgewandelt,
und man siebt (nach meinen Erfahrungen) in der Regel gar nichts.
Es hängt das damit zusammen, dass sich das Hämatin nur in Spuren
in Wasser löst. I'm das Hämatin in Lösung zu bringen, verfährt
man nach Fr. Müller-) und II. W e b e r 3 ) so, dass man den ver
dächtigen Mageninhalt in einem Reagensglase mit einigen Tropfen
concentrirter Essigsäure versetzt und mit ca. 1f, Volumen Aether aus-
i) Iloppe-Seyler, Handbuch der physiologischen und pathologisch-chemischen
Analyse, C>. Auflage, S. 443.
-) Fr. Müller, in Seifert-Müller: Klinisches Taschenbuch. Wiesbaden,
Bergmann.
••<) 11. Weber, Berl. klin. Wochenschr. 1S93, No. 19.
220 Mageninhaltsprüfung.
schüttelt. Enthält die Yersuchsflüssigkeit Blut, so tritt sehr bald
Braunfärbung des Aethors auf. Diese Lösung von Hämatin in Essig-
säure-Aether zeigt folgende Alisorptionsstrcifen: 1. im roth, 2. im
gelb, 3. zwischen gelb und grün, -f. zwischen grün und blau. Der
Absorptionsstreifen im roth ist der schärfste. Allerdings ist dieser
Streifen nach II. W e b e r insofern nicht entscheidend, als auch
Chlorophyll, das sich sowohl in pflanzlichen Antheilen des Magens
wie des Darmes findet, einen ähnlichen Streifen zeigt. U m sicher
zu gehen, empfiehlt W e b e r aus dem Aetherextract den Blutfarbstoff
nach Versetzen mit alkoholischer Kalilauge in wässerige alkalische
Lösung überzuführen und mit Schwefelammonium zu versetzen.
Hierbei färbt sich die Flüssigkeit roth, und man sieht das Spectrum
des reducirten Hämoglobins (zwei Streifen im grün). Das Chloro-
pyllspectrum wird durch diese Procedur nicht verändert.
Man kann auch in der Weise vorgehen, dass man das Magen
filtrat mit einigen Cubikcentimetern concentrirter Essigsäure versetzt
und mit Schwefeläther ausschüttelt. Der letztere wird durch auf
genommenes Hämoglobin oder Hämatin tokayerweinartig gefärbt.
Fehlt diese Farbe und bleibt der Aether hell und wenig gefärbt, so
ist. nach H. W e b e r sicherlich kein Blut vorhanden. Manchmal zeigt
der Aether sich aber auch grünlich oder gelbbraun gefärbt (Ilydro-
bilirubin, Chlorophyll, W e b e r ) , wodurch der Nachweis von Blut auf
Schwierigkeiten stösst.
4. Häininprobe. Man nimmt von dem Filterrückstand eine
kleine Probe, dampft dieselbe auf einem Uhrschälchen über kleiner
Flamme vorsichtig ein, kratzt den Trockenrückstand ab, mischt den
selben mit einer Spur feinzerriebenen Kochsalzes, bringt die Mischung
auf den Objectträger und lässt 1 — 2 Tropfen Eisessig zuflicssen.
Hierauf erwärmt man vorsichtig und langsam bis zum ersten Auf
treten von Blasen und lässt dann erkalten. Alan findet dann (starke
Vergrösserung!) meist in kleinen rothbraunen Schollen liegend die
bekannten schwarzbraunen, rhombischen Häminkrystalle (salzsaures
Hämatin). Nach den Untersuchungen von IL W e b e r , die ich voll
kommen bestätigen kann, ist die sonst, so entscheidende Häininprobe
für den Mageninhalt nicht jedesmal verwerthbar, da sie bei zweifel
losem Blutgehalt negativ ausfallen kann.
b. Guujuc,probe (Almen sehe, van D e e n sehe Probe). Man
versetzt, eine kleine Probe des Mageninhalts mit 1 ccm frischer
(iiiajactinctur und derselben Menge des Hühnerfeld'schen ("Ionisches
(Acid acetic glacial. 2,0, Aq. dost. 1,0. Ol. Terebinthin. et Spirit. Vin.
rectif. äa 100,0) und schüttelt kräftig durch. Das Gemisch nimmt
Mageninhalts] iriifung. 221
bei Gegenwart von Blut im Mageninhalt nach kurzer Zeit einen
blauen Farbenton an. In dieser Form angestellt, ist die Guajaeprobe
nicht zuverlässig, da eine grosse Reihe von Nahrungsmitteln (Pfianzon-
bestandtheile, Milch.), ferner Galle, Speichel, Eiter, endlich auch an
organische Stoffe, welche wir als Arzneimittel einführen, die gleiche
Bcaction geben können. Nach II. W e b e r s Untersuchungen ist, die
Probt1 in folgender Modification zuverlässig. Alan digerirt eine mög
lichst reiche Probe der Versuchsfiüssigkeit mit Wasser unter Zusatz
etwa eines Drittel Volumens Eisessig und schüttelt mit Aether aus.
Von diesem sauren Extraet werden nach dem Absetzen einige Cubik
centimeter abgegossen und mit etwa. 10 Tropfen Guajaotinctur und
mit 20—.40 Tropfen harzigem Terpentin versetzt. Bei .Anwesenheit
von Blut wird das Gemisch blau-violett; fehlt Blut, so wird es roth
braun, oft mit einem Stich ins Grüne. Der blaue Farbstoff lässt sich
nach Zusatz von Wasser mit Chloroform ausschütteln.
6. Durch die Eisenprobe. Dieselbe wird mich Korczynski
und .Jaworski1) in folgender Weise angestellt: Eine kleine Quantität
des dunklen auf Blutfarbstoff zu prüfenden Sedimentes wird in ein
kleines Porzellanschälehen gebracht und mit einer geringen Menge
chlorsauren Kaliums, sowie einem Tropfen concentrirtcr Salzsäure ver
mischt und langsam über kleiner Flamme erhitzt; liothigenfalls wird
noch soviel HCl hinzugefügt, bis die dunkle Farbe des Sedimentes
völlig verschwindet, Nachdem sämmtliches Chlor entwichen ist, setzt
man 1 — 2 Tropfen einer verdünnten Forrocvankaliunilösung hinzu,
wodurch bei Gegenwart von Blutfarbstoff eine ausgesprochen blaue
Färbung (Berliner Blau) entsteht. Nach meinen Erfahrungen ist diese
Probe recht empfindlich, doch niuss man sicher sein, dass der Patient
vorher keine Eisenpräparate gebraucht, hat.
Eiter im Mageninhalt weist man mit Sicherheit durch das
Mikroskop nach.
Abnorme Gährung's- und Fäulnissproduete im
Magreninhalt.
Bei hochgradiger Stagnation des Mageninhalts findet man eine
ganze Beihe von Gähruiigsproducten, die wohl zum grossen Theil,
wenn nicht ausschliesslich auf hacterielle Einwirkungen zurückgeführt
werden müssen. Die Gährungserregcr ebenso wie deren Producle
i) Korczynski und Jaworski, Deutsche medicinische Wochenschrift 1887,
No. 47—49. Sep.-Abdr. S. 35.
222 Mageninhaltsprüfung.
sind uns bisher nur zum kleinen Theil bekannt, es unterliegt aber
keinem Zweifel, dass dieselben in dem Symptomencomplex der Ver
dauungskrankheiten eine äusserst wichtige Rolle spielen.
A m meisten interessiren uns die Kohlenhydrat- und Eiweiss-
vergährung. Als Producte der ersteren haben wir bereits oben (S. 30
u. f.) die Milch-, Butter- und Essigsäure kennen gelernt, ferner führt
Buttersäuregährung wahrscheinlich (G. Hoppe-Seyler) zur Bildung
von Wasserstoffgas. Hierzu gehört auch die Entwickelung von
Alkohol und Kohlensäure unter dem Einfluss der Hefegährung. Als
Zersetzungsproducte des Eiweiss sind Ammoniak und.Schwefelwasser
stoff bekannt, von diesen ist besonders das Vorkommen der letzt
genannten Gasart unter abnormen Verhältnissen genauer untersucht.
Bis zu einem gewissen, bisher noch nicht genügend festgestellten
Grade gehören diese Körper zu den normalen Umsetzungsproductcn,
in grösseren Mengen sind sie sicher als abnorm zu betrachten. Dies
gilt namentlich, wie bereits oben erwähnt, von der Milchsäure, dem
Wasserstoff, dem Schwefelwasserstoff, welche als Gährungsproducte
normaler Weise im Mageninhalt nur in Spuren oder gar nicht vor
kommen.
V o m Ammoniak ist durch die Untersuchungen von Rosen-
heimi) und Strauss*) festgestellt, dass es in geringen Mengen
(0,15 — 0,17 o/„n) normaler Weise vorkommt. Kohlensäure dürfte in
geringen Mengen gleichfalls zu den normalen Vorkommnissen schon
deswegen zu rechnen sein, weil sich bei der Vermischung von Darm
saft mit Magensaft aus dem kohlensauren Natron Kohlensäure ent
wickelt und so leicht in den Magen gelangt.
cinspruhrnnj? Unsere Kenntnisse von den im Magen vorkommenden Gährungeii
sind in den letzten Jahren durch die Untersuchungen von (i. Iloppe-
Seyler3), K u h n * ) , M c Naught--), Strauss'5), denen ich meine
eigenen beizählen darf, nicht unwesentlich bereichert worden.
Der erstgenannte Autor hat einen für das Auffangen der Magengase ge
eigneten, leicht zaisanimenstellbaren Apparat angegeben is. Fig. 21). Eine
Woulff'sche Flasche trägt in ihren drei Oeffnungen (hinimistopfen, von denen
i) Rosenheini, Centralhl. f. klin. Med. 1802, No. 30.
*) Strauss, Berl. klin. Wochenschr. lH'.iil, No. 17.
:M 0. Hoppe-Soyler, Deutsches Archiv für klinische Mediein 1802, Bd. fio
S. 82—100.
M F. Kuhn, Zeitsclir. f. klin. Med. Bd. 21, S. f>72.
•'>) Mc Naught, Brit, med. Journ. 1800, No. lf>22.
i;) Strauss, Zeitschr. f. klin. Mediein Bei. 20 und 27.
Mageninhaltsprüfung. 223
der mittlere von einem bis an den Boden des Oefässes reichenden dünnen Cias
rohr, die seitlichen von kurzen, weiten, winkelig gebogenen (dasröhren durch
setzt werden. Das dünne (Ilasrohr ist in der Flasche so gebogen, dass es den
Rand des Bodens erreicht und so bei Neigung der Flasche das Gas bis fast zum
letzten Rest aufnehmen kann, ausserhalb derselben macht es zwei rechtwinkelige
Krümmungen, sodal's man vermittelst eines mit Quetschhahn versehenen Gummi-
schlauches beipiem (las entnehmen kann. Von den seitlichen weiten Glasröhren
steht eine mit der Sclilundsonde durch einen mittelst Quetschhahn absehliessbarcn
Cuniniisclilauch in Verbindung,
der andere durch einen längeren
Schlauch mit dem Trichter. Zur
Gasaufnahmo wird die Flasche
vom Trichter aus mit Wasser ge
füllt, Der Apparat wird nun so
aufgestellt, dass die Flasche um
gekehrt hängt, etwas höher als
der Mund des Kranken. Nach
Einführung der Magensonde wird
der Trichter gesenkt, so dass sieh
Mageninhalt in die Flasche er-
giesst, und es entstellt eine
Flüssigkeit in derselben, die etwa
mit denselben Gasmengen ge
sättigt ist wie der Mageninhalt.
Ist dann ein gewisses Quantum
Mageninhalt abgeflossen, so kom
men (lasblasen mit der Flüssig
keit, die sich oben in der
Flasche ansammeln. Das aufgefangene (las wird nun durch die mittlere Röhre
entleert und kann auf seine Zusammensetzung nach den Grundsätzen der Chemie
untersucht werden.
In einfacher und mehr für die Zwecke der Praxis berechneter Weise kann
man nach F. Kuhn so vorgehen, dass man ein Fiebig'sclics Uöhrchen (wie es
für die Zuckerbestimmung im Harn verwendet wird) mit 10 ccm frischen Inhalts
füllt und in den Brutschrank bringt. Auf den 0-Punkt der Scala, stellt man erst
ein, sobald die im Apparat befindliehe Luft entwichen ist und die Flüssigkeit
sich auf Körpertemperatur ausgedehnt hat, was in eine Stunde der Fall ist.
In Ermangelung eigentlicher Gährungsröhrchen kann man, wie
dies Riegel 1) empfiehlt, sich der von Moritz für die Zuckor
bestimmung angegebenen Vorrichtung bedienen, die aus einem Rea-
gensröhrchen besteht, welches mit einem durchbohrten Guinmistopfen,
der in einer Bohrung ein knieförmig gebogenes Glasröhrchen trägt,
geschlossen ist. Nachdem das Reagcnsgias bis zum Bande mit Magen
inhalt gefüllt ist, wird es mit dem Guinmistopfen, der das Glas-
i) Riegel, Die Erkrankungen des Magens, 1. Th., S. 140.
224 Mageninhaltsprüfung.
röhrchen trägt, verschlossen. Hierbei füllt sich auch das letztere
mit dem verdrängten Inhalt, wodurch der ganze Apparat luftleer
wird. Derselbe wird nun umgekehrt in ein Becherglas gestellt.
Maassgebende diagnostische Schlüsse sind durch diese Untersuchungen
bisher nicht, gewonnen.
Schon durch frühere Untersuchungen von W a l d e n bürg 1)
Popoff-), Friedreich und Schultze3), Ewald 4), Mc Naught 5)
war das gelegentliche Vorkommen abnormer, brennender Gase fest
gestellt, durch die oben erwähnten Untersuchungen von H o p p e -
Seyler und K u h n ist, dargethan, dass brennbare Gase, in erster
Reihe Wasserstoff, ein ausserordentlich häufiges Vorkommniss bei
Magenerkrankungen bilden, die mit Stagnation einhergehen. Als
wesentlichen Bestandtheil ausser Wasserstoff fand Hoppe-Sevler
vorwiegend Kohlensäure, K u h n ausserdem nocli Stickstoff- und
Sumpfgas. Die abnorme Gasbildung fand sich sehr häufig in Ge
mischen, welche durch einen hohen Grad von Salzsäure ausgezeichnet
waren.
schwefei- Ausser den genannten Gasen war schon früher gelegentlich
a^gen^ nha™ (hirch Senator11), Betz<), E m m i n g h a u s s ) unter verschiedenen
pathologischen Verhältnissen Schwefelwasserstoffbildung im Körper
und hierdurch auftretende Resorption dieses giftigen Gases beobachtet,
worden. Wie ich vor einigen Jahren nachgewiesen habe''), gehört die
Bildung von H 2 S im Magen bei stagnirondem Inhalt keineswegs zu
den Seltenheiten. Seit meiner Publikation im Jahre 1SÜ2 habe ich auf
das Vorkommen von H 2 S bei gutartigen Ectasieen stets geachtet und
es seither als ungemein häufiges Vorkommniss beobachtet. Denselben
Befund konnte auch Zawadzki 1 0) in vier Fällen von motorischer
Insufficienz erheben. In einem von Strauss1') mitgetheilten Fall
von Schwefehvasserstoffgährung im Magen dagegen ist die Provenienz
zweifelhaft, da es sich u m eine Darmstenose handelte. Als Ursache
der Schwefelwasserstoffgährung bezeichnet Strauss das Bacterium
') ('itirt bei V. Kuhn 1. c.
•A Popoff, Berl. klin. Wochenschr. 1870, No. 38.
3) Schnitze, Berl. klin. Wochenschr. 1874, No. 27/28.
•>) Ewald, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874, S. 217.
•
r>) Mc Naught 1. c.
(!) Senator, Berl. klin. Wochenschr. 18(18, S. 2f>4.
") Betz, Meniorahilien lsi',4, S. 145 und 18611, S. 1.
s) kinniinghaus, Berl. klin. Wochenschr. 1872, No. 40.
'•') Boas, Deutsche medicinische Wochenschrift 1802, No. 40.
io) Zawadzki, (Vntralbl. f. innere Mediein 1894, No. 50.
n) Strauss, Berl. klin. Wochenschr. 189ü, No. 18.
Mageninhaltsprüfung. 225
coli. Namentlich kommt es häufig in alten, noch gar nicht oder un
zweckmässig behandelten Fällen von gutartiger Ectasie zur Beob
achtung, während es bei Carcinomen mit Milclisäuregährung zu den
Seltenheiten gehört,') Die Bildung von Schwefelwasserstoff habe ich
sowohl bei schwachen als auch bei hohen Salzsäuregraden beob
achtet. Der Nachweis geschieht theils durch den speeifischen Ge
ruch, theils durch Einhängen eines mit alkalischer Bleizuckerlösung
getränkten Papierstreifens in das den Mageninhalt enthaltende, wohl
verkorkte Gefäss.
Die Schwefelwasserstoffbildimg im Magen ist zweifellos als eine
bacterielle anzusehen. Konnte doch Dauber 2) bei theils normalen,
theils motorisch mehr oder weniger insufficienten Fällen im Magen
inhalt im ganzen 13 Bacterienarten feststellen, welche stark H 2 S
bilden, und 10 Arten, welche massig oder schwach H 2 S bilden; am
meisten Schwefelwasserstoffbildner wurden bei den Fällen von hoch
gradiger motorischer Insufficienz gefunden. Die von Da üb er ge
züchteten Bacterien erwiesen sich gegen Salzsäure äusserst resistent.
Aus allen diesen Untersuchungen geht die praktisch bedeutungsvolle
Thatsache hervor, dass die Bildung abnormer Gährungsproducte
durch Salzsäure zwar aufgehoben wird, aber nur bei normaler
motorischer Thätigkeit. Bei Anhäufung stagnirender Ingesta ist
auch reichliche Salzsäureanwesenheit nicht im Stande, die Bildung
flüssiger oder gasförmiger Zersetzungsproduete zu verhindern.
A 1s eigcnthümliche Zersetzungsproduete der Eiweisskörper kennen Aceton im
wir ferner das Aceton. Nachdem schon v. Jaksch3) im Mageninhalt Magenm
Aceton wiederholt und mit aller Sicherheit nachgewiesen hatte, ist
in neuester Zeit Lorenz 4) dem Gegenstande näher getreten und
konnte gleichfalls im Destillat des Mageninhalts, zumal bei Magcn-
dilatationen, wiederholt Aceton nachweisen, dessen Gehalt den des
Harns bisweilen sogar übertraf. In mehreren Fällen von Magen-
erkrankungen konnte Lorenz auch in Destillat der Excremente
Aceton nachweisen. Von Penzoldt"') und Savelieff") wird da
gegen das Vorkommen von Aceton im Mageninhalt bestritten.
Ueber sonstige Producte der chronischen Eiweissfäulniss im
Magendarmeanal liegen Thatsachen von Bedeutung bisher nicht vor,
i) Boas, Centralbl. f. innere Mediein 1895, No. 3.
•+) Dauber, Arch. für Verdauungskrankheiten 1897, Bd. 3, Heft 1 u. 2.
•'<) v. Jaksch, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 8, S. 3G.
i) H. Loren/, ibid. Bd. 19, S. 19.
•
r>) Penzoldt, Deutsch. Arch. f. klin. Mediein 1884, Bd. 34.
'>_) Savelieff, Berliner klin. Wochenschrift 1894, No. 33.
Boas, Allg. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. JK
226 Mageninhaltsprüfung.
obwohl es zweifellos ist, dass dieselben in der Symptomatologie eine
hervorragende Rolle spielen.
Die vielfach beobachteten Vergiftungen mit faulem Fleisch, Wurst, Fischen,
Miesmuscheln weisen auf die Gegenwart bestimmter giftiger Basen im Magen
darm canal hin, wie solche besonders Brieger, V a u g h a n , Ehrenberg u. a.
aus einer Reihe von fauligen, bezw. giftigen Nahrungsmitteln dargestellt haben.
Aufgabe weiterer Forschungen wird es sein, die auch bei chronischen mit Fäulniss
vorgängen einhergehenden Digestionskrankheiten sich bildenden Basen nach den
besonders vonBriegeri) ausgebildeten Methoden zu isoliren, wodurch zweifellos
auch der Diagnostik neue Bahnen erschlossen würden.
Mikroskopische Uirtersuchimg-en des Mag-eninhalts.
Die mikroskopische Untersuchung des Mageninhalts und des
Erbrochenen kann zuweilen wichtige diagnostische Aufschlüsse ge
währen, weshalb dieselbe in keinem Falle unterlassen werden darf.
Man kann hierbei in Betracht ziehen einmal die Bestandtheile des
etwa nüchtern gewonnenen Secretes, sodann die Veränderungen, welche
die Ingesta unter dem Einfluss des Aufenthaltes im Magen erleiden.
Mikroskopie a) Das nüchterne Secret (sofern es speisefrei ist) besteht nor-
fiageM^ rTts11 m^er Weise aus Magensaft mit Schleim und Speichel gemischt und
zeigt eine Reihe mikroskopischer Elemente, die leicht als den letz
teren beiden Secreten angehörig zu erkennen sind. Ausserdem finden
sich regelmässig Reste von Nahrungsmitteln, Pflanzenfasern, elastische
Fasern, vereinzelte Muskelfibrillen, Amylumkörperchen, Fetttröpfchen
und Fettsäurekristalle, sodann mehr oder weniger reichliche Leuco
cyten und Zellkerne, wie sie theils als Einwirkung des Magen
saftes auf Schleimkörperchen oder auf die Epithelzellen der Magen
schleimhaut vorkommen. Dieser Vorgang lässt sich leicht experi
mentell in der Weise darthun, dass man zu neutral oder alkalisch
reagirendem Magenschleim verdünnte HCl hinzufügt: es treten sofort
zahlreiche Zellkerne auf.
spiraizeiien. Einen häufigen Bestandtheil zumal des nüchternen Magensecretes
stellen die zuerst von Jaworski 2) beschriebenen Schnecken- oder
Spiralzellen dar (Fig. 22). Man findet diese zierlichen Gebilde nicht,
wie der genannte Autor meint, in einigen seltenen Fällen, sondern
ganz constant, wenn auch mehr oder weniger scharf ausgeprägt, in
jedem HCl-haltigen nüchternen Mageninhalt. Besonders eignen sich
i) Brieger, Ueber Ptomaine. Berlin 1885, I. Theil, S. 14 u. f. Hierselbst
auch umfangreiche Literaturangaben.
2) Jaworski, Münchener med. Wochenschr. 1887, No. 32 und Verhandlungen
des Congr. f. innere Mediein 1888.
Mageninhaltsprüfung. 227
Fig. 22.
zum Nachweis, wie ich beobachtete, die kleinen sagokornähnlichen
Schleimpfröpfchen, die sich fast constant im sauren Magensecret ge
wöhnlich am Boden des Gelasses ansammeln.
Die genannten Zellen stellen nach den Untersuchungen von
Tellering1), die durch P C o h n h c i m in meinem Laboratorium
bestätigt sind, nichts anderes als durch Salzsäure verändertes Myelin
dar, denn man kann an jedem Bronchial- oder Pharynxschleim,
dem man genügend HCl
zusetzt, sofort die Bildung
dieser Schneckenzellen ver
folgen. Sie kommen theils
einzeln, und dann gewöhn
lich in ansehnlicher Grösse,
theils in grossen Haufen und
von geringerer Grösse, theils
endlich in Form gestreckt
an einanderliegender langer
perlschnurartiger Fäden vor.
In einzelnen Gebilden ist
die Sehneckenform aufs ge
naueste eingehalten, in an
deren, meist grösseren Ge
bilden ist sie mehr unregel-
mässig. Bei längerem Stehen
des Mageninhalts verschwin
den sie, und man findet nur
noch Zellkerne und Detri-
Spiralzcllen aus einem Schleimflöckchen des
nüchternen Mageninhalts, zwischen diesen
sarcineähnliche Gebilde in Tetradenform.
(Eigene Beobachtung.)
tusmassen; alkalisirt man dagegen den Mageninhalt, so kann man
sie noch nach mehreren Tagen nachweisen.
Soweit ich sehe, kommt den Gebilden, denen man auch im
Salzsäuren Speisebrei, namentlich sobald letzterem viel Magen-, bezw.
Rachen- oder Bronchialschleim beigemengt ist, begegnet, eine dia
gnostische Bedeutung nicht zu.
Zuweilen kommen auch desquamirte Epithelien sowie Fragmente Fragmente
von Drüsenschi an ehen im nüchternen Mageninhalt vor (Fig. 2:5), vs°hiäucheu"
ein Befund, der nicht so selten erhoben wird, als es nach den Schil
derungen anderer der Fall zu sein scheint. Ich habe mehrfach
deutlich Fragmente von Drüsenschläuchen, an denen die Textur mit
Sicherheit zu erkennen war, beobachten können; in allen diesen
•) Tellering, Inaug.-Dissertation Bonn 1895.
15*
228 Mageninhaltsprüfung.
Fällen traten besonders die Kerne deutlich hervor, während das Pro
toplasma erst auf schwachen Alkalizusatz erkennbar wurde. Nicht
selten beobachtete ich auch die bekannten Becherzellen, theils einzeln,
theils mehrere (2—3) zusammen. Auch einzelne grosse Zellen von
dem Aussehen der Belegzellen konnte ich häufig beobachten.
In keinem nüchternen Magensecret fehlen Bacillen und Micro-
coccen der verschiedensten Art. Lepthotrix habe ich unter mehr
als hundert die Mikroskopie des nüchternen Magensecrets berück-
Fig. 23.
Fragmente von Drüsenschläuchen des Magens.
(Eigene Beobachtung.)
sichtigenden Untersuchungen niemals vermisst. Vereinzelte Hefe
zellen, theils einzeln, theils in Haufen zusammenliegend werden be
kanntlich auch unter normalen Verhältnissen angetroffen, zweimal
bin ich im stark Salzsäuren Mageninhalt (1 Phthisis pulmon., 1 Anämie)
Schimmelpilzen begegnet. Eine im sauren, namentlich nüchternen
Magensecret ziemlich häufig vorkommende Species bilden Micrococcen
in Tetradenfonn, ähnlich wie die Sarcine, nur weit kleiner und heller
Mageninhaltsprüfung. 220
(vcrgi.Eig.22). Sielassen
sich mit, Methylenblau,
Bismarehbraun, Fuchsin
ausgezeichnet färben.
In mehreren Fällen
konnte ich auch den But-
tersäurebacillus (Clostri
dium butyricum) im nüch
ternen Magensecret nach
weisen; derselbe characte-
risirte sich durch die be
kannte Blauschwarzfär
bung bei Jodzusatz und
die Wetzstein- oder Citro-
nenform. In einem Falle
fand ich den Buttersäurc-
bacillus in nüchternem,
stark salzsaurem Secret
eines Fanatikers (Pylorus
stenose nach Ulcus). —
In einer grossen Reihe
von Fällen fand ich die
von Bienstock1) in den
Faeces entdeckten in einen
Knopf endigendenBacillcn
(Trommelschlägerform).
Ausserdem kommen
noch andere Bacterien
vor deren genaue Be
schreibung hier zu weit
führen würde.-)
Es werden ferner
Kristalle im Sediment des
nüchternen Mageninhalts,
und zwar besonders im
gallehaltigen beobachtet.
Hier trifft man relativ
Fig. 24.
Leueinkugeln in verschiedenen Formen.
Bei V zwei Cholestorintafcln.
Ans menschlichen Diinndarnisaft gewonnen.
(Eigene Beobachtung.)
Fig. 25.
4'vrosinnadeln aus menschlichem Dünndarmsaft.
(Eigene Beobachtung.)
i) Bienstock, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 8, S. 27.
)^ vergl. Abelous, Recherches sur les microbes de l'estomac ä l'etat normal.
Paris 1889.
230 Mageninhaltsprüfung.
häufig Cholestearintafeln und Leucinkugeln (s. Fig. 24), erstere durch
die eigenthümliche gezackte Form und das mikrochemische Ver
halten, letztere durch ihre Form und Farbe leicht kenntlich. Nie
mals dagegen habe ich Tyrosinnadeln ohne weiteres beobachtet.
Auch Kristalle, welche ihrer Form nach der basisch phosphorsauren
Magnesia glichen (längliche Rhomben), habe ich zweimal in neu
tralem Mageninhalt beobachtet. Auf Essigsäurezusatz lösten sich die
selben auf.
N a u n y n erwähnt auch einen Fall von Magencatarrh, bei dem
sich in dem ausgepumpten Mageninhalt reichlich Oxalsäurekristalle
fanden, die sich nach längerer Behandlung verloren.
Aus jedem gallehaltigen Magensecret lassen sich Leucin und Tyrosin leicht
darstellen. Man kann in einfachster Weise so verfahren, dass man in einem Uhr
schälchen eine kleine Quantität Mageninhalt langsam verdunsten lässt. Schon
nach 24 Sttmden sieht man vereinzelt mehr oder weniger dunkelbraunschwarze
Leucinkugeln sich auskrystallisiren. Zur Darstellung des Leucins in grösserem
Maassstabe dampft man das Magenfiltrat auf dem Wasserbade bis zur Syrupcon-
sistenz ein, extrahirt wiederholt mit heissem, ammoniakalischem Alkohol. Beim
Erkalten scheiden sich dann Leucinkugeln und ebenso auch Tyrosinnadeln in
grösseren Mengen ab (Fig. 25).
Reactionen des Leucin. 1. Beim Erwärmen der Lösungen mit salpcter-
saurem Quecksilberoxyd scheidet sich Quecksilber aus.
2. A m Platinblcch mit Salpetersäure abgedampft hinterlässt es einen un
gefärbten Rückstand; auf Zusatz von Kalilauge bildet sich beim Erwärmen ein
ölartiger, das Platinblcch nicht benetzender Tropfen (Scherer's Reaction).
Reactionen des lyrosin. 1. Man benetzt eine kleine Quantität der auf
Tyrosin zu prüfenden Substanz mit 1—2 Tropfen Sehwefelsäure, lässt das Gemisch
V<2 Stunde bedeckt stehen, verdünnt es dann mit Wasser, sättigt das Gemisch in
der Hitze mit kohlensaurem Kalk und filtrirt. Auf Zusatz von säurefreiem
Eisenchlorid nimmt das Filtrat eine violette Farbe an. Diese Probe gelingt nur
mit reinem leucinfreien Tyrosin (Reactionen von Piria und Städeler).
3. Die Kristalle werden in heissem Wasser gelöst und die heisse Lösung
mit salpetersaurem Quecksilberoxyd und salpetrigsaurein Kalk versetzt. Die
Flüssigkeit wird dunkclroth und giebt starken gleichfalls violetten bis rosarothen
Niederschlag (Hoffmann's Reaction).
4. Recht empfindlich ist nach meinen Beobachtungen die von C Wurster 1)
neuerdings angegebene Reaction mittelst Ohinon. Die Kristalle werden in
kochendem Wasser gelöst und etwas trockenes Chinon hinzugefügt. Schon bei
leichtem Erwärmen (nicht Erhitzen) tritt tiefrubinrothe Färbung des Gemisches
ein. Längeres Erhitzen muss vermieden werden, da Chinon bei längerem Kochen
selbst schwach rothe Färbung annimmt.
Mikroskopie b) Die mikroskopische Untersuchung des Mageninhalts nach
df ;yagen; vorangegangener Nahrungsaufnahme gewährt die Möglichkeit, neben
Nahrungs- -
i) C. Wurster, Centralblatt f. Physiologie 1887, Bd. 1, No. 9.
Mageninhaltsprüfung. 231
den genannten organischen und anorganischen Producten auch die
Metamorphose der Ingesta unter dem Einfluss der Verdauung zu stu-
diren. Characteristische und diagnostisch mitunter verwendbare Ver
änderungen erleiden die Amylaceen, die Muskelfasern und die Fette.
Bekanntlich wird die Convertirung des Amylums durch Säure-
excess stark gehindert, man findet daher bei Jodjodkaliumzusatz eine
Menge intensiv b lauget arbter Amylumkörperchen, zugleich auch wohl
erhaltene, die characteristische, concentrische Schichtung darbietende
Pflanzenzellen verschiedener Art (P) aus einem ectatischen Mageninhalt.
(Eigene Beobachtung.),
Elemente. Bei Säureabwesenheit findet man nur vereinzelt oder gar
keine Blaufärbung, auch gut erhaltene Amylumkörperchen sieht man
nur hin und wieder. Ist dies dennoch der Fall, so mahnt das zur
Prüfung der diastatischen Fähigkeit des Speichels.
Ausser Amylumkörperchen findet man häufig Pflanzenzellen,
ferner Cellulose, Pflanzenfasern, sämmtlich durch die Jodreaction
scharf characterisirt. (Fig. 26.)
Recht verschiedenartig ist je nach dem Zustand und dem Sta
dium der Digestion das Aussehen und Verhalten der Muskelfasern.
Gut erhaltene Cüierstreifung zahlreicher Muskelfasern in einem
232 Mageninhaltsprüfung.
Mageninhalt, mehrere Stunden nach der Verdauung, spricht für
mangelhafte peptische Wirksamkeit des Magensaftes, doch kann auch
bei verloren gegangener Querstreifung die Saftseeretion eine unge
nügende sein, indem bei Gährungsvorgängen im Magen eine all
mähliche Maceration der Fibrillen stattfindet. A m häufigsten be
gegnet man Muskelfasern im ectatischen Mageninhalte (s. Fig. 2S),
der auch makroskopisch schon Fleischreste deutlich erkennen lässt.
Sobald übrigens die Querstreifung verloren geht, bilden die Fibrillen
structurlose Schollen, deren Abstammung sich dann kaum noch fest
stellen lässt.
Häufig kommen im Mageninhalt auch Fetttröpfchen und Fett
säurenudeln vor, letztere durch ihre Lösung beim Erwärmen und
allmähliche Wiederbildung nach dem Erkalten leicht zu erkennen.
Abnorm reicher Gehalt an Fetttröpfchen und Fettsäurenadeln kommt
besonders häufig, aber nicht ausschliesslich bei Ectasie des Magens
vor, wo man auch makroskopisch schon die auf der Oberfläche
schwimmenden Fettschicht beobachten kann.
Wie im nüchternen Magensecret, so kommen auch im Magen
inhalt Schleim und Eiterkörperchcn in grossen Mengen vor, des
gleichen finden sich zahlreiche Zellkerne. Auch Plattenepithelien
sind ein regelmässiger Bcstandtheil eines jeden Mageninhalts. Des
gleichen sind Epithelien des Pharynx und selbst des Oesophagus
keine Seltenheiten im Mageninhalt.
Die bereits oben (S. 226) erwähnten Schnecken- oder Spiral
zellen finden sich häufig in stark saurem Mageninhalt, und zwar in
dem fast immer beigemischten Schleim oder Speichel.
Auch Epithelien der Magenschleimhaut werden schon unter
normalen Verhältnissen, wenngleich spärlich, bei sorgfältiger Unter
suchung im Mageninhalt gefunden, desgleichen Drüsenepithelzellen
theils gut erhalten, theils geschrumpft oder im Zerfall begriffen,
theils endlich körnig getrübt. Von grosser praktischer Bedeutung ist
das Vorkommen von Krebszellennesteru im Erbrochenen oder Magen
inhalt, wie sie von Anderen (Ewald) und auch von mir beobachtet
worden sind. Ihre unzweideutige Anwesenheit ist eines der sicher
sten Criterien des Magenearcinom. Leider handelt, es sich hierbei fast
immer nur u m zufällige Befunde. Trotzdem weisen sie auf die
Wichtigkeit der mikroskopischen Mageninhaltsprüfung hin.
Rothe Blutkörperchen werden schon bei geringen Blutungen im
Erbrochenen oder Mageninhalt gefunden; bei neutralem oder schwach
saurem Mageninhalt halten sie sich Stunden lang unverändert, bei
HCl-Anwesenheit werden sie sofort zerstört. Ueber die diagnostische
Mageninhaltsprüfung. 233
Bedeutung von Blut im Erbrochenen oder Mageninhalt ist das Wich
tigste bereits oben (s. S. 219) erörtert.
Von Sprosspilzen sind (wenigstens in geringen Mengen) als
normaler Bostandtheil die ITefepilze zu bezeichnen Auch Soorpilz
(Oidium s. Saecharonievco-- albicans), meist aus der Mundhöhle
stammend, wird mitunter angetroffen. Desgleichen findet man in
kleiner Zahl Schimmelpilze (Mucorformen), gleichfalls ohne wesent
liche pathognostische Bedeutung.
Einigermassen verwickelt liegt die Frage des Vorkommens und
der Bedeutung von Spaltpilzen, deren bereits oben kurz Erwähnung
geschehen ist. Es ist zweifellos, dass es sich bei einer grossen Zahl
von Sehizomyceten des Mageninhalts u m harmlose, mit den Speisen
oder aus der Mundhöhle in den Magen gelangte Schmarotzer oder
sogar u m günstig wirkende Lebewesen handelt. Auf der anderen
Seite niuss zugestanden werden, dass die Zahl derselben und die
hierdurch bedingten abnormen Umsetzungen von schädlichem Ein
fluss auf den Digestionsablauf sein können.
Hie Morphologie betreffend, so hat besonders de Bary 1) die
im Mageninhalt vorkommenden Spaltpilzarten genau studirt. Er fand
in siebzehn Fällen folgende pflanzliche Mikroorganismen: Sarcina
ventriculi, Fadenpilze (Oidium lactis, Mucormycelien, unbestimmte
Formen), Sprosspilze (kugelige, längliche, Chalaraformen, sämmtlich
nicht gährungserregend), Leptothrix buccalis, Bacillus amylobacter und
eine dem Bacillus subtilis (s. o.) ähnliche Form, die de Bary als
Bacillus geniculafus bezeichnet. Dieselbe bildet zickzackförmige
Stäbchenreihen und zeigt kurz nach der Krümmung Eigenbewegung.
Die kleinsten sind 4 — b g lang und 0,5—0,6 g breit, Die Vernichtung
des Bacillus geniculafus, den auch ich häufig zu sehen Gelegenheit
hatte, wird nach de Bary schon durch 0,2% Salzsäure bewirkt, Offen
bar ist aber hiermit die Pilzflora des Magens auch nicht annähernd er
schöpft, de Bary kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem
Schluss, dass man die Gährwirkung der Pilze als Factor bei der Ent
stehung von Dilatationen und sonstigen Magenstörungen überschätzt
habe. Miller-) hat, neben einer Reihe anderer Thatsachen den wich
tigen Nachweis erbracht, dass durch die Salzsäure die in den Magen
gelangten Pilze lainesivegs sämmtlich. zerstört icerelen, sondern zum
Theil in enlwiekeiungsfähigein Zustande in den Darm gelangen
In den letzten Jahren ist die Bacterienflora des Magens durch Bacterien
im Magen.
i) de Bary, Archiv f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 20, S. 243.
A Miller 1. c. S. 250.
234 Mageninhaltsprüfung.
Abelous, J. K a u f m a n n , Gillepsie u. a. Gegenstand eingehender
Untersuchungen gewesen. Andere .Autoren haben sich mehr mit dem
Studium einzelner Bacterienarten begnügt, Im ganzen ist der Ge
winn dieser Bemühungen ein geringer, da sich gezeigt hat, dass der
Magen eine grosse Zahl der allerverschiedensten Pilzspecies beher
bergt, was nicht Wunder nimmt, wenn man bedenkt, dass die Spalt
pilze dem Magen aus der Luft, aus dem Speichel, sowie aus den
Nahrungsmitteln und Getränken überliefert werden. Daraus folgt
schon die Unwahrscheinlichkeit, aus diesem complicirten Gemisch
bestimmte, speeifische Bacterien zu isoliren.
Trotzdem scheint mir, als ob in den zuerst von mir beobachteten,
später von Oppler1) genauer beschriebenen, von K a u f m a n n und
Schlesinger2) gezüchteten langen, fadenförmigen, unbeweglichen Ba
cillen, die man in besonders grossen Mengen bei Magencarcinom (bei
Anacidität und Stagnation) findet, der Milchsäurebacillus tax1 iqoy^v
zu erblicken ist.3) Es ist aber Strauss beizupflichten, der nur dann
einen characteristischen Befund annimmt, wenn die Bacillen das
Gesichtsfeld völlig beherrschen. Mit dieser Beschränkung ist mir
der Nachweis der von mir als »Fadenbacillen« bezeichneten Bacterien
namentlich zur Ergänzung des Milchsäurenachweises auf chemischem
Wege diagnostisch nicht ohne Werth.
Was die übrigen Magenbacterien, deren Einzelbesprechung zu
weit führen würde, betrifft, so muss, wie Minkowski 4) ganz richtig
bemerkt, mehr die Zahl als die Art der Mikroorganismen für die
Diagnose einer krankhaften Gährung in Betracht gezogen werden.
Die Störungen, welche aus einer abnormen Anhäufung von
Spaltpilzen entstehen, können nach Minkowski in folgender Weise
erklärt werden:
1. Können Substanzen gebildet werden, welche die Magen
schleimhaut reizen und in catarrhalische Entzündung versetzen.
2. Es können erhebliche Gasmengen gebildet werden, welche
subjeetive Beschwerden verursachen und die ohnehin bestehende me
chanische Mageninsufficienz steigern.
3. Die Gährungen können zur Entstehung von Substanzen Ver
anlassung geben, welche toxische Wirkung auszuüben im Stande sind.
4. Bei Gährungen der Eiweisssubstanzen können alkalische
!) Oppler, Deutsche mediein. Wochenschr. 1895, No. 5.
2) Kaufmann u. Schlesinger, Wiener klin. Rundschau 1895, No. 15.
•i) S. die Abbildung im speciellen Theil (3. Aufl.) S. 185.
4) Minkowski, Mittheilungen aus der mediein. Klinik zu Königsberg i. Pr.
Herausg. von B. Naunyn, Leipzig 1888, S. 156,
Mageninhaltsprüfung. 235
Producfe entstehen, welche eine Neutralisation der etwa noch se-
cernirten Salzsäure bewirken.
5. Es können Magengährungen von grossem Einfluss auf die
Darmfunction sein.
Praktisch und diagnostisch von grosser Bedeutung ist das Vor
kommen von Hefepil-
zen und Saraina ven
triculi im Mageninhalt.
Vereinzelt können
Hefe und Sareine bei ver
schiedenartigen Magen
erkrankungen vorkom
men, in grösseren Men
gen dagegen sind sie nur
bei exccssiver Stagna
tion des Mageninhalts
zu beobachten. Sehr
häufig kommen Hefe und
Sarcine gemeinsam vor.
Das Aussehen der
Hefe (Fig. 27) ist sehr
charakteristisch: die
glänzenden, ovalen, dop-
peltcontourirten, häufig
perlschnurartig aneinander gereihten, mit Jod sich gelb färbenden
Zellen sind ohne Weiteres zu erkennen.
Die Sarcine (Fig. 2S u. 29) kommt im Mageninhalt in zwei vor- saivine im
sehiedenen Formen vor: 1. in der bekannten Waarenballenforiu, ' ag01
wobei die Packete bald grösser bald kleiner, bald hellglänzend, bald
braungelb erscheinen, was wahrscheinlich auf verschiedene Alters-
zustände der Organismen zu beziehen ist, 2. in Form von regellosen
Haufen oder cubiseh angeordneten Ballen, die aus kleineren Einzel
individuen bestehen. Alle die genannten Arten zeigen in deutlicher
Weise die Cellulosereaction,1) wodurch sie ihre Zugehörigkeit zu den
pflanzlichen Organismen documentiren.
J) Eine sareinereiche Stelle des Präparats betupft man mit einem grossen
Tropfen folgender Lösung: Chlorzink 20,0
Jodkalium 6,5
Jod. 1,3
Wasser 10,5
und bedeckt erst nach einigen Minuten mit dem Deckglase. Alsdann erscheint
alles Amyluin tiefblau, die Sarcineballen schön rothviolett.
Ilefegährung im Magen. (Eigene Beobachtung.)
236 Mageninhaltsprüfung.
Die Reinzüchtung von Magensarcine ist bis vor kurzem vergeblich ver
sucht worden. Falkenheim C gelang es, nur die zweite Speeies, und zwar nur
auf lleuinfus, zu diltivircn. Erst Oppler-o. ist es gelungen, mehrere Formen in
Reincultur auf den verschiedensten Nährböden zu züchten.
Die Waarenballensareine ikig. 2(.)A), aus Einzelindividuen von 8, 64 u. s. w.
bestehend, wächst in Bouillon, Gelatine, Kartoffeln, Agar-Agar, besonders gut in
Heuinfus, dem 2•>'„ Traubenzucker zugesetzt wird, bei Bruttenipcratur. In lleu
infus und Bouillon wächst sie als flockiger Bodensatz und dichte Kahmhaut,
Fig. 28.
Mikroskopischer Befund bei hochgradiger Ectasie des Magens.
A Amylumkörper. M .Muskelfasern. <£!>
Medullareareinom des Magens. Geschwulst
partikel, bei der Expression des Magen
inhalts gewonnen.
(Eigene Beobachtung.)
anderen kommt es überhaupt zu keiner Blutum
i) 0. Bosenbach, Deutsche medicinische Wochenschrift 1882, No. 33.
*) Beineboth, Deutsch. Arch. f. klin. Mediein Bd. 58.
a) Lubarsch-Martitts, Ueber Achylia gastriea. Leipzig und Wien 1897, S. 161.
i) Samuel Fenwick, The morbid states of the stomach and duodenum etc.
London 18G8, S. 308 (citirt nach Ebstein, Berl. klin. Wochenschr. 1895, S. 71.
Mageninhaltsprüfung. 239
Durchmusterung des Mageninhalts zeigt ein oder mehrere Schleim
hautfragmente. Niemals habe ich nach einer derartigen Abstossung
von Fragmenten der Mucosa üble Folgen, überhaupt irgend eine
Veränderung im Befinden des Kranken beobachtet, sodass ich ein
solches Ereigniss, das man selbstredend nicht durch brüsque Sonden
anwendung intendiren sollte, für die Diagnose als bedeutungsvoll,
unter Einständen selbst ausschlaggebend erachte.
Besonders häufig kommt es zu Schleimhautexfoliationen in
Fällen von chronischer Gastritis, sodann fand ich auch Schleimhaut
partikelchen in mehreren Fällen von starker Superacidität (ohne
Ulcus), endlich auch in Fällen von Neurosen. Ich habe hierbei den
Eindruck gewonnen, als ob manche Schleimhäute stark aufgelockert
sind und daher schon ein geringer Insult oder selbst einfaches
Pressen kleine Ablösungen der Mucosa hervorbringen kann. Die
Insulte sind hierbei so geringfügig, die Pressbewegungen so wenig
eingreifend, dass ich mich der Ansicht nicht verschliessen kann, dass
bei besonderer Auflockerung und Schwellung der Mucosa, vielleicht
schon beim Defäcationsact, ähnliche Abstossungen vorkommen können,
die natürlich zunächst latent bleiben. Ich glaube nicht zuweit zu
gehen, wenn ich dieses Moment sogar für die Aetiologie des Ulcus
ventriculi bezw. der folliculären Ulcerationen gewürdigt wissen möchte,
zumal bei FUcus Obstipation jahrelang vorherzugehen pflegt.
Wie Einhorn 1) zuerst beobachtet und Pariser*) neuerdings
bestätigt hat, kann man auch bei Ausspülungen des Magens in ein
zelnen Fällen derartige Schleimhautpartikelchen, und zwar constant
finden. Einhorn und desgleichen Pariser glauben diesen Befund
auf eine besondere Krankheitsform, die anatomisch bereits seit langem
wohlbekannten hämorrhagischen Erosionen, beziehen zu sollen. Die
subjectiven Beschwerden bestehen in heftigen Schmerzen nach der
Nahrungsaufnahme, Abmagerung und Schwächegefühl. Der Magen
inhalt bietet nichts Characteristisches. Nach meiner Ansicht liegt
aber hier kein eigentliches Krankheitsbild, sondern ein Symptomen-
complex vor, dessen Constanz erst an der Hand eines grösseren
Materials erwiesen werden muss.
Der diagnostische Werth der mikroskopischen Prüfung von Diagnostische
Schleimhauttheilchen beruht nun einmal in der Controlle, die man
de
B/edxeflömrfen
hierdurch an die klinische Beobachtung legen kann, sodann in der schteimhaut-
' stuckchen.
i) Einhorn, Medical Record June 23, 1894, und Diseases of the stomach.
New-York 1897, S. 234 u. f.
2) Pariser, Medicinische Revue 1897, No. 1.
240 Mageninhaltsprüfung.
Möglichkeit, klinisch zweifelhafte Fälle der Diagnose überhaupt zu
gänglich zu machen.
In letzterer Hinsicht möchte ich vor allem auf die Fälle hin
weisen, die uns diagnostisch die grössten Schwierigkeiten machen,
nämlich Digestionsstörungen, die unter dem Bilde von Neurosen ver
laufen. Die Differentiaidiagnose zwischen Neurosen oder Catarrh
wird durch die mikroskopische Besichtigung eines kleinen Schleim
hautstückchens in einzelnen Fällen erheblich erleichtert,
A Fig. 31. C
Die drei Präparate betreffen kleine Fragmente der Mucosa, die unmittelbar
nach der Gewinnung frisch in physiologischer Kochsalzlösung untersucht
imd gezeichnet wurden.
(Eigene Beobachtung.)
Besonders scheint sich mir aus diesen Beobachtungen eine gewisse
Perspective für die präcisere Beurtheilung von Fällen mit Secretions-
insufficienz zu ergeben. Unsere bisherigen Mittel, eine Stauungsinsuffi-
cienz von einer durch organische Drüsenveränderungen bewirkten zu
unterscheiden, sind bekanntlich nicht, in allen Fällen genügend. Diese
Lücke kann durch die mikroskopische Untersuchung von exfoliirten
Partikelchen der Mucosa zuweilen ausgefüllt werden. So fand sich bei
einem Patienten mit chronischer Enteritis und Magencatarrh bei der
Expression nach Probefrühstück, das wochenlang constant HCl-frei war,
ein derartiges Partikelchen, das ich theils frisch theils nach Härtung
Mageninhaltsprüfung. 241
in Alkohol untersuchte.1) Es fand sich eine geringfügige interstitielle
Gastritis, welche die Hoffnung auf Restitution ergab. In der That
stellte sich zu meiner Freude einige Wochen später eine ganz nor
male FI (1- Abscheidung ein, während die Beschwerden des Patienten
(copiöse Diarrhöen, Druck und Völle nach dem Essen) zurückgingen.
In ähnlicher Weise fand ich in anderen vorgeschrittenen und durch
Normale Magenschleimhaut von einem Falle von Magenatonie (schwache Ver-
grösscrung). Bei l> drei isolirte I »riisenschläuclic mit deutlich sichtbaren Haupt
amt Belegzellen (starke Vergrösserung).
(Eigene Beobachtung.)
jahrelanges Bestehen sich auszeichnenden füllen wesentlich aus
geprägtere Veränderungen an der Schleimhaut. Die drei Abbildungen
(Fig. 31, A, B, C) geben z. B. Schemata leichter und schwerer inter
stitieller Gastritis. Während bei A kaum wesentliche Vermehrungen
des intergiandulären Gewebes zu beobachten sind, bemerkt man bei
B schon bedeutend mächtigere Bindcgewebswueherungen, während
es sich bei C sogar direct u m sclerotische Veränderungen handelt.
In allen drei Fällen war das Drüsenparenchym völlig intact,
i) Bei diesen Untersuchungen wurde ich in liebenswürdigster Weise von
meinein verehrten Gollegen, Herrn Dr. C. Schleich unterstützt, dem ich auch an
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aussprechen möchte.
Boas, Allg. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. jg
242 Mageninhaltsprüfung.
Die besten und lehrreichsten Bilder erhält man nach Härtung
der Schleimhauttheilchen in Alkohol, später Einbettung in Celloidin,
resp. Paraffin und Färbung der Schnitte in Hämatoxylin und Eosin
oder Alauncarmin. Auch die Congofärbung, welche Stintzing1)
vorschlug, liefert recht schöne Bilder.
Ich greife aus meinen Präparaten einige typische Fälle heraus,
welche den Werth dieser Untersuchungen zu illustriren geeignet sind.
Fig. 33.
Gastritis intcrstitialis.
a die freie Oberfläche der Mucosa.
b regionärer Drüsenschwund. c relativ intacte Zone.
(Eigene Beobachtung.)
Des Vergleiches wegen mag ein Schleinihautstückchen aus einem
Falle von Magenatonie mit Superacidität mit normalem Verhalten
der Schleimhaut vorangestellt werden. (Fig. 32 a und b.)
A m häufigsten sind Fälle von interstitieller Gastritis in mehr
oder weniger entwickeltem Grade. Fig. 3,'S stellt das Präparat einer
vorgeschrittenen Form von interglandulärer Gastritis vor, bei der
der Process an einzelnen Stellen bis zum Drüsenschwund (6) ge
diehen ist. Die Drüsenepithelien selbst sind da, wo sie noch deut-
'; Stintzing, Sitzungsber. d. Gesellseh. f. Morphol. u. Physiol. in München 1889.
Mageninhaltsprüfung. 243
lieh sind (c), ausnahmslos intact. Intra vitam besteht bei der be
treffenden Patientin, die sich seit mehreren Jahren in meiner Behand
lung befindet, constanter Salzsäuremangel und erheblicher Schwund
des Labzymogens und Pepsinogens.
Gerade umgekehrt, zeigen Fig. 34 und 35 das Bild einer
Fig. 35.
Isolirte Vorraiinitlrüse von einem Fall
von Gastritis mueipara hei starker Ver-
grösserung. Die Becherzellen sind, wie
aus der Figur ersichtlich, stellenweise
noch mit Schleim gefüllt.
(Eigene Beobachtung.)
Gastritis mit starker (pathologischer) Produktion von Becherzellen
(nicht, wie ich früher annahm, Versehleinmug der Drüsenepithelzellen).
Man findet diese in jüngster Zeit besonders von A. Schmidt 1),
P Colinheim 2), H a m m e r s c h l a g •'<) und Lubarseh') studirte Form
bei den allerverschiedenstcn Krankheitsproresson; in einzelnen Fällen
') A. Schmidt, Deutsche medicinische Wochenschrift 1895, No. 19.
'-*) F Gohnheim, Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. I, S. 214.
•'*) Hammerschlag, Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. II, S. 2)))',.
tj Martins, Ueber Achylia gastrica mit einem anatomischen Beitrag von
Prof. 0. Lubarseh. Leipzig und Wien 1897.
IC-
244 Mageninhaltsprüfung.
Fig. 36.
Gastritis hyperplastica.
Vertikalsclmüt. Bei b die hyperplastischen Drüsenschläiiche, bei e starke inter
glanduläre Infiltration, bei a hämorrhagisches Infiltrat.
(Eigene Beobachtung.)
Fig. 37.
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Gastritis atrophicans.
Man sieht in der Figur fast nur die gewueherten Vorräume, während die Drüsen
region bis auf wenige Reste zu Grunde gegangen ist.
(Eigene Beobachtung.)
Mageninhaltsprüfung. 245
tu 38.
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geht diese Form der Gastritis direct in Atrophie der Magenschleimhaut
über, in anderen kommt sie zugleich mit Atrophie zur Beobachtung.
In Fig. 36 handelt es sich
vorwiegend u m hyperplastische
Gastritis. An einzelnen Stellen
(e) bemerkt man daneben eine
vorgeschrittene intergianduläre
Zellanhäufung. Auch dieser
Fall war durch constanten Salz
säure- und Fermentmaiigol aus
gezeichnet.
In dem folgenden Fall
(Fig. 37) handelt es sich um
eine totale Atrophie der Glan-
dularschicht, während die Vor
raumschicht sich in starker
Wucherung befindet. Klinisch
ist diese Form nach P Colin
heim s und Harn mors chlag's
Untersuchungen, denen ich mich
völlig anschliesse, als echte Atrophie der Magenschleimhaut zu be
zeichnen.
yah^&yj-'y y y-y~ y- •- • •
'k sl',>-'. /-u,',T,'A^ f"V-*V*.-'N^ S? t^^ffr™*'
Gastritis proliferans. (Eigene Beobachtung.)
In Fig. 38 haben wir es mit einem exquisiten Fall von Phthisis
mucosae ventriculi zu tliun. Die Drmenstructur ist hier bis auf
246 Mageninhaltsprüfung.
ganz geringe Reste verloren gegangen. an einer Stelle sieht man
starke Einlagerung von Leucocyten.
Endlich erwähne ich einen chemisch durch starke Superacidität
ausgezeichneten Fall von Gastritis proliferans (Fig. 39). Man sieht
die unregelmässig gestalteten, vielfach gewundenen und stark ver
mehrten Drüsenvorräume aber bei gut erhaltener Drüsenschicht. Auf
der linken Seite der Abbildung oben eine starke Anhäufung rother
Blutkörperchen.
Die genannten Beispiele geben ein ziemlich übersichtliches,
wenn auch nicht erschöpfendes Bild der Veränderungen der Magen
schleimhaut bei den verschiedensten Magenaffectionen.1)
Ueoersichtlicher Gang- der Magrenrnhaltsuntersuehung-.
I. Makroskopische Untersuchung.
1. Aussehen
2. Quantität / des Mageninhalts.
3. Geruch I
4. Etwaige abnorme Beimischungen (Blut, Eiter Galle, Duo
denalsaft, Schleim, Speichel, Gasentwicklung, Schleimhaut-
fragmente, Geschwulst- oder Schleimhautpartikel).
IL Chemische Untersuchung.
1. Beaction des Mageninhalts.
2. Anwesenheit freier Salzsäure oder organischer Säuren (nach
gewiesen durch Farbstoffproben [Congo-, Tropaeolin-, Dime-
thylamidoazobcnzel ]).
3. Feststellung der freien Salzsäure durch die eigentlichen HCl-
Reagentien (Phlorogluein-Vanillin, Besorcin).
4. Prüfung auf Milchsäure mittelst derUffelmann sehenBeagen-
tien (Eisenchlorid-Carbol, oder verdünnte Eisenchloridlösung).
5. Bei zweifelhaftem Ausfall Aetherausschüttelung des Filtrafes
und nochmalige Prüfung mit, den genannten Beagentien oder
Nachweis von Acctaldehvd.
t) Lubarseh, dem wir in jüngster Zeit eine vortreffliche Abhandlung
über den Gegenstand verdanken (citirt S. i'4:;i, hat sieh bezüglich der diagnosti
schen Venvorthung der kleinen Schleinihautfragmente recht skeptisch, vielleicht
etwas zu skeptisch geäussert. Fs liegt ja auf der Hand, dass wir nur bei wirk
lich grolicn Veränderungen und bei womöglich wiederholter gleichsinnig aus
fallender Untersuchung ein bestimmtes l'rthoil werden fällen können, dann aber
auch, wie mir scheint, ein viel sicheres, als es uns die chemische, resp. fimc-
tionelle Prüfung gestattet.
Mageninhaltsprüfung. 247
(>. Bei Verdacht auf Butter- und F»igsäurcanwescnheif, Prüfung
hierauf nach Aiosehütteluiig mit Aether.
7. Bestimmung der Gesammtacidität mittelst ' i„ Xormallauge.
s. Bestimmung der Gesammtsalzsäure.
!>. Bestimmung der freien Salzsäure nach Mintz oder Mörner-
Boas oder Töpfer.
10. Quantitative Bestimmung der Milchsäure.
11. Untersuchung auf Enzyme und Zyniogenc (Pepsinogen und
Pepsin, Labzymogen und Labfermcnt).
12. Prüfung der Fiweissverdauung.
13. Prüfung der Kohlenhydratverdauung.
IL Bei Anwesenheit von Schleim, Speichel, Blut, Galle, Duo
denalsaft u. a. Prüfung hierauf.
III Mikroskopische Fntersuehung.
1 Beschaffenheit des Chymus (Amvlum, Fleisch, Fett).
2. Abnorme Bestandtheilo: Schloiinhautfragmentc (Geschwulst
partikel), Epitheliom rothe Blutkörperchen, Leucocyten,
Krvstalle, Sarcine, Spross- und Schimmelpilze, Bacterien und
zwar a) im nüchternen Mageninhalt, b) im Mageninhalt nach
Probefrühstück.
Literatur.
Die Literatur über die Säuren des Magens und ganz speciell über die Salz
säure findet sich bis zum Jahre 1892 übersichtlich geordnet in der vortrefflichen
Monographie von Martins und Lüttke. Die Magensäure des Menschen, Stutt
gart 1892, auf die wir für das Studium der Einzelarbeiten hinweisen möchten.
Betreffs der übrigen Capitel findet sich die Literaturangabe zum grössten Theil
im Text. Soweit dies nicht der Fall, verweisen wir, abgesehen von den zahl
reichen Lehrbüchern über Magenkrankheiten (Ewald, Hosenbein), Fleischer,
A. Pick, Riegel, Bouveret, Fl ein er Mathieu, Debove & Remond,
Einhorn u. a.) auf die ausführlichen .Jahresberichte von Virchow-Hirscli,
Male Seh wal he-Uoff mann und MIHI Jahre 1895 ab auf die umfassenden
Heferate im Archiv für Verdauuiigskrankhoiten. Reichliche und nahezu voll
ständige Literaturangaben sind auch bei v. Jaksch, Klinische Diagnostik innerer
Krankheiten, Wien und Leipzig, 4. Aufl., 189(5 zu finden.
248 Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung.
SIEBENTES CAPITEL.
Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung.
Unsere Kenntnisse über das Verhalten des Urins bei Magen
krankheiten sind leider noch spärlich und fast lediglich casuistischer
Natur. Eine eigentliche semiotische Bedeutung kommt daher der
Harnuntersuchung bei chronischen Magenaffectionen vorläufig noch
nicht zu, indessen existiren einige beachtenswerthe Bausteine, die
künftighin möglicherweise erfolgreich für die Diagnostik zu verwenden
sein dürften. Wir wollen daher im folgenden die wichtigsten Ab
weichungen des Harns von der Norm bei Digestionskrankheiten er
örtern. In Betracht kommen: Die Reaction, das speeifische Gewicht,
das Verhalten der Chloride, der Phosphate, die Schwefelverbindungen,
der Stickstoffgehalt, der Gehalt an peptischen Fermenten und schliess
lich die Anwesenheit abnormer Bestandtheile (Albumen, Pepton,
Aceton, Diacetsäure und Indigoderivate).
Reaction. 1. Die Reaction. Schon unter normalen Verhältnissen findet,
wie bereits Bence Jones1) im Jahre 1S19 entdeckt hat, eine
Aenderung der Harnreaction in der Weise statt, dass der Harn nach
der Mahlzeit zuerst säureärmer, dann neutral wird, u m schliesslich
(3 Stunden nach dem Frühstück, b—(5 Stunden nach dem Mittag
essen) alkalisch zu werden. Allmählich wird der Urin wieder sauer.
Schon Bence Jones führte diese Schwankungen auf Säureentziehung
aus dem Blute und Säureproduction im Magen zurück. Diese von
Bobert 2), O w e n Bees, Quincke«), M a l v 4 ) , Stein"') bestätigten
Untersuchungen sind dann von Görges1'-) erweitert worden. Görges
kam zu folgenden Resultaten: Der Urin erleidet nach jeder Mahlzeit
bei gemischter Kost eine continuirliche Abnahme der Säure, sodass
der Harn nach zwei Stunden alkalisch reagirt, in der 3.-5. Stunde an
i) Philosophie. Transact. 1819, S. 235.
2) Robert, A practical treatise on urinary and renal diseases. 2. ed.
1872, S. 48.
3) Quincke, Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte 1874.
4) Maly, Liebig's Annalen 1874, Bd. 173, S. 227.
5) Stein, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 18, S. 207.
«) Görges, Arch. f. exp. Pathol. Bd. 12, S. lüü.
Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung. 249
Alkalescenz zunimmt, um dann schnell wieder in saure Reaction um
zuschlagen. Bei rein animalischer Kost ist, die Säureabnahme kleiner
als nach gemischter Mahlzeit, bei rein vegetabilischer Kost ist Säure
abnahme gleichfalls zu beobachten, aber nicht bis zur Alkalescenz.
Her Säuregehalt ist im Morgenurin am grössten. Die saure
Reaction des Urins wird erhöht durch Einführung von HCl in den
Magen, die Alkalescenz des Harns kann hierdurch verhindert werden.
Die entgegengesetzte Wirkung folgt der Aufnahme kohlensaurer Alka
lien in den Magen.
Quincke 1) hat, zuerst auf die Ursache der Harnalkalescenz
durch Säureverlust des Magens, durch Erbrechen, Ausspülungen etc
hingewiesen. W o der Mageninhalt nicht secernirte Salzsäure, sondern
nur organische Säuren enthält, bleibt der Harn natürlich sauer, so
dass die Feststellung der Harnroaction nach der Magenausspülung
oder Erbrechen unter Umständen diagnostische und prognostische
Fingerzeige geben kann.
Sticker und Hühner-) sind der Frage mehr von theoretischen
Gesichtspunkten nahe getreten und haben die Beziehungen zwischen
Magensaftsecretion und Harnroaction festzustellen versucht. Als
wichtiges und interessantes Resultat aus den Versuchen der genannten
Forscher ist hervorzuheben, dass die Säureverannung im Herrn
ausbleibt (oder vielmehr in ihr Gegentheil umschlägt), trenn mit
der Aufnahme von Speisen in den Magen keine nachweisbare
Ansammlung von Salzsäure im Magen einhergeht. Ringstedt3)
hat bei ausgedehnten Studien über die Harnacidität unter verschie
denen Bedingungen die Angaben von Stick er und H ü h n e r nach
geprüft und bestätigt.
Aus den genannten Harnuntersuchungen würden sich für die
Diagnostik der Magenkrankheiten folgende Schlüsse ergeben:
a) Alkalescenz des Harns nach Magenausspülung oder Erbrechen
würde für Hyperchlorhydrie oder Magensafttluss sprechen. Gleich
bleiben der Harnroaction deutet auf organische Säurebildung hin.
b) Ausbleiben der physiologischen Schwankungen der Ham-
reaction oder Zunahme der Harnacidität einige Zeit nach Aufnahme
i) 1. c. u. Zeitschrift f. klin. Med. Bd. 7, Supplementheft, S. 25.
-') Sticker und Hühner, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 12, S. 114—142.
•'<) 0. T. Ringstedt, Studier öfver aciditäten i menniskans urin under fysio-
logiska och patologiska förhallanden. Hygiea Bd. 15 nach Malv s Jahresb. f. Thierch.
Bd. 20, S. 196.
250 Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung'.
der Hauptmahlzeit würde für Mangel oder Fehlen von FI Cl-Ab
scheidung im Magen sprechen.
Bei umsichtiger Anwendung stellt demnach die Fiitersuchung
der Harnreaction ein auxiliäres diagnostisches Hilfsmittel dar das
vielleicht dann in sein Recht tritt, wenn die directe Mageninhalts
unters uchung aus irgend welchen Gründen nicht vorgenommen wer
den kann.
spedflsehes 2. Das speeifische Gewicht. Es kann unter entsprechenden
Gewicht. yer}1;-{pnjsson wesentlich erhöht sein, zumal bei spärlicher Diurese,
wie dies am häufigsten bei Dilatation des Magens beobachtet, wird.
Im übrigen kommt dem speeifischen Gewicht eine diagnostische Be
deutung nicht zu.
Chloride. 3. Die Chloride. Jaworski und Gluzinski1) hatten zuerst
darauf hingewiesen, dass bei Superacidität der Chlorgehalt im Harn
sich ausserordentlich vermindere. Sodann fand M Rosenthal 2) bei
Superaciditätsformen, die (furch geistige Ueberanstrengungen, heftige
Gemüthsbewegungen oder Migräne bedingt werden, auch öfters mit
Cardialgiecn und Vomitus einhergehen, beträchtliche Verminderung
der Chloride. Besonders auffällig war dies in Fällen mit längerem
oder hartnäckigem Erbrechen, woselbst geringe Mengen von Nähr
stoffen vom Magen nur wenig geduldet werden. Auch Stick er3)
und ebenso Gluzinski4) haben dieser Frage ihre Aufmerksamkeit
zugewendet und stimmen in der Thatsache der Chlorverarmung des
Harns bei starker HCl-Abgabe überein. Indessen kann die Chlor
verminderung im Harn auch die Folge verminderter Resorption aus
dem Magendarnitractus sein (carrinöse Pylorusstenose). Stroho
kam bei seinen Untersuchungen über die Chlorausseheidung bei
Magenkrankheiten zu dem Resultat, dass dieselbe bei Flcus ventriculi
ohne Complicationcn und bei nervösen Dyspepsieen und Ilyperacidität,
bei Chlorose u. s. w. völlig normal sind. Vermehrung der Chlor
ausscheidung ist niemals gefunden worden, Verminderung dagegen
regelmässig bei chronischer Jfypevseerefiou und Alai/eneetasie.
BobiiD) fand gleichfalls beträchtliche Verminderung der Chlor-
') Jaworski und Gluzinski, Sitzungsprotocoll der poln. Naturforscher und
Aerztc vom 2. Juni 1884 (citirt nach Riegel, Magenkrankheiten Th. I, S. 196).
'•*) M. Rosenthal, Berl. klin. Wochenschr. 1S87, No. 28.
3) G. Sticker, Berl. klin. Wochenschr. 1S87, Xo. 41.
4) Gluzinski, Ibid. No. 52.
•J) Stroh, Inaug.-Diss., Güssen 1888.
,;) Robin bei G. Lyon, L'analyse du suc gastrique, S. 89.
Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung. 251
aussoheidung bei Ilvpoehlorhydrio. doch ist dieselbe zuweilen auch
erhöht. Bouveret 1) \) F. Müller, Zeitsclir. f. klin. Mediein Bd. 10, S. 5Ö7.
252 Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung.
nach van den Velden auf die Aethersclrwefclsäuren etwa 0,6 bis
0,09 g, im Mittel 0,27, kommen, so dass das Verhältniss der gepaarten
zur präformirten Schwefelsäure etwa auf 1 : 10 angenommen werden
kann. Nach B a u m a n n und Herter ist dies Verhältniss aber weit
schwankender, so dass es sich zwischen 4,2 und 27,0 bewegen kann.
Von pathologischer Bedeutung ist, lediglich eine übermässige
Ausscheidung der Aetherschwefefsäuren (F Müller1), Käst-), Sal-
kowski 3), v. Noorden 4)). Als durchschnittliche Grenze bei Ge
sunden soll nach v. Noorden 0,2;") g gepaarte Schwefelsäure gelten.
Kast-i und Wasbutzki'1) fanden unabhängig von einander,
dass bei Salzsäuremangel die gepaarten Schwefelsäuren erheblich an
wachsen; zu demselben Ergebniss gelangten auch Biernacki') an
Menschen und Ziemke 8) an Hunden, deren Magensaft durch Ver
abreichung entchlorten Fleisches secretionsuntüchtig gemacht worden
war. v. Noorden») zeigte dagegen, dass Hei einfacher Inacidität
ohne sonstige Complicationen die gepaarten Schwefelsäuren innerhalb
der Breite des Gesundhaften liegen, und dasselbe fand ich10) in einem
Falle von Duodenalstenose mit dauerndem Salzsäuremangel. Auch
G. Hoppe-Seyler11) weist auf die Thatsache hin, dass sich bei
Magenkrankheiten, sogar wrenn sich Gährungsproducte in grösseren
Mengen anhäufen, nicht immer eine Mehrausscheidung' von gepaarten
Schwefelsäuren vorfindet. Andererseits kann es, wie die schönen
Versuche von B. Mester1-) erwiesen haben, zu ausgiebiger Ver
mehrung der x\etherschwefelsäuren im Harn kommen, sobald in
Fäulniss begriffene Substanzen in den salzsäurefreien Magen gebracht
werden. Im salzsäurehaltigen Magen dagegen bleibt mich den Unter
suchungen Mester s die Vermehrung der Aetherschwefclsäuren aus.
(5. Dus Verhalten des Stickstoffs im Harn bei Magenkrank
heiten ist in diagnostischer, prognostischer und therapeutischer Be-
i) F. Müller, Zeitschrift f. klin. Mediein, Bd. 12, S. O.'i.
-) Käst u. Baas, München, med. Wochenschr. 1SSS. S. 55.
:i) Salkowski, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 12. S. 223.
') v. Noorden, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 17, S. 52S u. 529.
'">) Käst, Fcstschr. zur Eröffnung' des allgemein. Krankenhauses zu Hamburg-
Eppcndorf 1889.
ß) Wasbutzki, Arch. f. experim. Bathol. u. Bhanuak. Bd. 26, S. 133.
<) Biernacki, Gentialbl. f. d. med. Wissenseh. 1890, Xo. 49 u. 50.
») E. Ziemke, Inaug.-Diss., Halle 1893.
ü) v. Noorden, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 17, S. 528 tt. 529.
i°) Boas, Deutsche medicinische Wochenschrift 1891, Xo. 28.
n) G. Hoppe-Seyler, Zeitschr. f. physiol. Chemie 1888, Bd. X H , S. 1—32.
w) B. Mester, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 24, Heft 5 u. 6, S. 440,
Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung. 253
ziehung von Bedeutung. In diagnostischer Hinsicht lagen bereits
früher Untersuchungen von B o m m e l n ire1) und nach ihm Thiriar-),
Kirmisson-'*) u. v. A. vor, welche zeigten, dass bei Krebskranken
im allgemeinen und besonders auch bei Magenkrebsleidenden der
X-Gehalt erheblich unter die Norm sinkt. Dieses Verhalten sollte
diagnostisch von Bedeutung sein beim Krebs des Magens gegenüber
anderen gutartigen Processen. Auch Dujardin-Beaumetz 1) fand
den X-Gehalt auf 7 — 14 g (gegen 30—10 g normalitcr) gesunken,
während der bei ulceröser Gastritis 20 — 2(5, bei Ulcus ventriculi 20 g
betrug. Das Verdienst, diese Frage zuerst, in exaeter Weise behandelt,
und gelöst zu haben, gebührt unstreitig Fr. Müller i und G. Klem
perer'1). Dieselben fanden als characteristisch für das Carcinom
eine erhöhte Eiweissausscheidung, die in manchen Fällen unabhängig
von der Nahrungsaufnahme ist und daher auf einen Zerfall von Ge-
webseiweiss hindeutet. Es gelang daher auch bei reichlicher Er
nährung nicht, die Schwelle des X'-Gleichgewiclites zu erreichen.
7. Gehalt an peptisehen Fermenten. Brücke 7) hat zuerst i'eptisrho
auf das Vorkommen eines pepsinartigon Körpers im Harn aufmerk
sam gemacht. Diese Beobachtung wurde von einer grossen Beihe
anderer Forscher (Grützner, Sahli, Leo. Gehrig, Stadel m a n n ,
Patella,) bestätigt. Auch Trypsin sollte nach den Untersuchungen
von Sahli und Gehrig sich im Harn vorfinden, was indessen durch
Leo, Stadelmann und Grützner widerlegt, wurde. Grützner«)
geht übrigens nicht so weit, das Vorkommen von Trypsin ganz zu
leugnen. Derselbe glaubt, dass man bei Prüfung kleiner Mengen
frischen Harns das Trypsin in Spuren nachzuweisen vermag und dass
man bei verschiedenen Affectionen des Pancreas, die irgend wie zu
Stauungen des Seeretes Veranlassung geben, auch grössere Mengen
im Harn antreffen wird. Ferner wurde zuerst von Holovtschi-
y> Rommelaire, Journal de med., de chir. et de pharniae. de Bruxelles 1883,
18S4, 1885, 1S8U
2) Thiriar, Congres francais de Chirurgie I8S5. Semaine medicale de Paris,
1885, Xo. 17.
3) Kirniisson ibid.
-') Dujardin-Beaunietz, Gazette des höpitaux 1884, S. 715. Gazette hebdonia-
daire 1884, No. 31.
•5) Fr. Müller, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 16, S. 490, s. a. daselbst die übrige
Literatur.
6) G. Klemperer, Berlin, klin. Wochenschr. 1889, No. 40.
~) Brücke, Sitzungsberichte der kais. Acad. d. W. 18*1, Bd. 44, S. 018.
8) P. Grützner, Deutsche medicinische Wochenschrift 1891, No. 1.
254 Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung.
ner1), sodann von Hoffmann 2) und mir3) auch Labferment im
Harn gefunden. Weiter haben Grützner, Gehrig, Holovtschi-
ner (I.e.), Breusing 4), v. Jaksch"-), Leo'1), und B. Rosenberg")
auch ein diastatisch wirkendes Ferment im Harn gefunden.
Die diagnostische Bedeutung des Pepsins scheint sehr gering
zu sein. Nach Untersuchungen von Stadelmann K) fehlt das Pepsin
selbst in den schwersten fieberhaften Fällen nicht, ist im Gegen-
theil sogar vermehrt; ebenso fand er den Pepsingehalt, bei Diabetes
vermehrt. Auch Leo, der ursprünglich dem Fehlen des Pepsins
eine diagnostische Bolle zuzuweisen geneigt war, kam auf Grund
weiterer Untersuchungen zu dem Resultat, dass die Verminderung
des Pepsins auch sonst ohne nachweisbare Ursache vorkommt,
Desgleichen haben Untersuchungen von Edgar Gans in meinem
Laboratorium ergeben, dass eine semiotisch verwerthbare Regularität
der Pepsinausscheidung nicht stattfindet, So fand derselbe in schweren
Fällen von Magcncatarrh, bei denen die Magoninhaltsuntersuchung
weder Pepsin noch Pepsinogen ergab, peptisches Vermögen des Harns,
während es in anderen mit gut erhaltener oder gesteigerter Secretion
der Magenschleimhaut zuweilen fehlte.
Genau zu denselben Resultaten kam auch Bendersky»), nur
Brunn er10) ist, gestützt auf Sectionsbefunde der Ansicht, dass Pep
sin bei Magenkrebs stets fehlen soll.
Auch dem Labferment kommt nach meinen Fntersuchungen
(s. o.) eine diagnostische Bedeutung nicht zu, da es gleichfalls in
pathologischen Fällen unabhängig vom Verhalten der Magensaftab-
scheidung vorhanden sein oder fehlen kann. .Vieh kommen, wie ich
beobachten konnte, bei ein und demselben Individuum grosse Schwan
kungen und quantitative Ungleichheiten im Fernieiitgehalte vor.
Feh er die etwaige diagnostische Bedeutung des diastatischen
Fermentes liegen Untersuchungen noch nicht vor. Leo (I.e.) konnte
i) Holovtschiner, Vüchow s Archiv 1S8G, Bd. 104.
y) Hoffniann, Pflüger's Archiv Bd. 41, S. 148.
;i) Boas, Zeitschr. f. klin. Med. 188S, Bd. 14, S. 204.
t) Breusing, Vüchow's Archiv Bd. 107, S. 18(i.
•"•) v. Jaksch, Klinische Diagnostik innerer Krankheiten 1890, 4. Auflage.
S. daselbst die übrige Literatur.
,;) Leo, Verhandlungen des (ongressos für innere Mediein 1888.
7) Kosen borg, Diss. inaug., Tübingen 1890.
*) Stadelmann, Zeitschr. f. Biologie Bd. 27, S. 208.
'•') J. Bendersky, Virch. Arch. Bd. 121, Heft 3.
M) W . Brunner, Gaz. lekarska 1,VJ0, No. 21.
Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung. 255
eine constantc Abnahme desselben unter pathologischen Verhältnissen
nicht constatiren. Dagegen wurde bei einer Beihe von Diabetikern
eine prägnante Zunahme des diastatixiieii Fermentes im Urin erwiesen.
Auch Benderskv hat dieselbe Erscheinung bei zwei Diabetikern
bestätigt und erwähnt, auch bei Diabetes insipidus hin und wieder
mehr diastatisches Ferment als unter normalen Verhältnissen gefun
den zu haben.
S. Abnorme Bestuudtheile bei chronischen Magenaffectionen
namentlich schwerer Art kommen häutig vor; hierzu gehört die An
wesenheit von Ubumen, Pepton (Albumosen), von ucetonuidigen
Substanzen und von Indigo der i raten.
a) Albuminurie. Auch abgesehen von Complicatioiien von Albuminurie.
Nieren- und Magenleiden, kommt Albuminurie theils vorübergehend,
theils constant in geringen Mengen vor. Nach v. Noorden 1) findet
man Albuminurie in etwas grösserer Menge nach Anfällen von Magen
krampf, besonders auch nach starken Magenblutungeii. Er. Müller
macht auf die Häufigkeit der Albuminurie bei Magencarcinom auf
merksam, welche, wenn auch nur vorübergehend, in 3 5 — 7 2 % aller
Fälle von Carcinomcii der verschiedensten Organe vorkommen soll.
b) Peptonurie-) findet sich bei einer grossen Reihe acuter und ivntomu-ir.
chronischer Krankheiten, nach Fischöl ist sie ein regelmässiges
Vorkommniss im Puerperium. Man kann eine hämatogene (Scorbut,
v. Jaksch), pyogene (Eiterungsproccsse im Körper, Hofmeister,
Maixner, v. Jaksch), enterogene (Mai.\ner, Pacanowski), hepa-
togene (Pacanowski, Alison) Peptonurie unterscheiden, schliesslich
könnte man auch von einer nekrogenen Peptonurie sprechen, nach
dem durch A. Köttnitz Peptonurie als Folge des Todes und der
Maceration der Frucht im Wochenbett beobachtet ist,
Für uns hat besonders die zuerst von Maixner'1), dann von
Pacanowski 1) und in neuester Zeit von RobitsehekA beschriebene
enterogene Peptonurie Interesse. Ersterer fand bei ulcerösen Pro
cessen des Magendarmcanals regelmässig Peptonurie, welche er auf
directe Aufnahme des Peptons durch die zerfallende Geschwulst (also
i) v. Noorden, Lehrbuch der Pathologie tUv. StefiVoehsels. Berlin 1893.
-) Es handelt sich hierbei nicht um echtes Pepton im Sinne Kühnc's, son
dern um Pepton im früheren Sinne; man hat demzufolge neuerdings die Peptonurie
richtiger als Albumosurie bezeichnet.
:i) Maixner, Zeitschr. f. klin. Med. 1884, Bd. 8, S. 534.
-t) Pacanowski, Zeitschr. f. klin. Med. 1885, Bd. 9, S. 428.
•"•) Uobüschck, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 24, Heft 5 u. 0, S. 550.
256 Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung.
nicht auf dem normalen Wege) zurückführt. Pacanowski, welcher
im übrigen die Angaben von Maixner bestätigen konnte, sieht die
Ursache der Peptonurie in dem Gewebszerfall, was sicherlich das
Zutreffendere ist. Der genannte Autor hat Peptonurie auch bei
schweren Erkrankungen der Leber gefunden (Carcinom, acute Atrophie,
Phosphorvergiftung). Robitschek fand Peptonurie in 7 Fällen von
Magencarcinom nur zweimal, desgleichen in einem Falle von Carci
noma recti und einem Fall von licus ventriculi. Endlich hat
Alison1) auf das Vorkommen von Pepton im Harn nach Gallen
steinkoliken hingewiesen.
Ueber die diagnostische Bedeutung der enterogenen Peptonurie
liegen noch zu wenig ausgedehnte, sich auf grösseres Material
stützende Erfahrungen vor. Offenbar sind auch die Bedingungen der
Ausscheidung von Peptonen noch nicht durchsichtig genug. Immer
hin würde der positive Nachweis derselben im Harn für Zerfall-
processe auf der Magen- oder Darmschleimhaut sprechen.
Aceton und c) Aceton und Acetessigsäure im Harn. Schon Retters und
Acetessig- Kaulich haben auf den Zusammenhang zwischen gastrischen Stö-
saure.
rungen und Acetonurie hingewiesen. Durch den von v. Jaksch2)
gelieferten Nachweis von Aceton im Mageninhalt und den Faeces
wurde dieser Anschauung eine feste Stütze verliehen. Litten3) hat
zuerst einen eigentümlichen dyspeptischen Symptomencomplex (Coma
dyspepticum) beschrieben, der sich nach mehrtägigen Prodromal-
erscheinungen durch acute gastrische Störungen (Uebelkeit, Auf
stossen, Flatulenz, Anorexie, Erbrechen, Stuhl Verstopfung oder Diar
rhoe) und durch eigenartige nervöse Störungen (Stirnkopfschmerz,
Schlaflosigkeit, Depression, Unruhe u. s. w.) characterisiren. Gleich
zeitig wird ein eigenthümlich aromatischer Geruch der Exhalations-
luft mit Auftreten der bekannten Burgunderrothfärbung des Harns
mit Eisenchlorid (Acetessigsäure) beobachtet. In einer speciell das
Vorkommen der Acetonurie bei Digestionsstörungen berücksichtigen
den sehr sorgfältigen Untersuchungsreihe fand Lorenz4) Acetonurie
und Diaceturie bei den verschiedensten primären und seeundären,
acuten und chronischen Magenaffectionen. Die acuten Fälle von
Magcndarmcatarrhen in Folge Genuss verdorbener Fleischspeisen
waren durch eonstantes Vorkommen von Aceton im Harn ausgezeichnet,
i) Alison, Arch. genorales de medecine 1887/88.
2) v. Jaksch, Zeitsclir. f. klin. Mediein Bd. 8, S. 36.
3) Litten, Zeitsclir. f. klin. Mediein Bd. 7, Supplementb. S. 81.
') Lorenz, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 19, S. 79.
Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung. 257
während Diacetessigsäurc sich verschiedenartig verhielt, vom gänz
lichen Fehlen bis zu reichlicher Anwesenheit. Bei chronischen Magen-
darmaffeetionen trat die Acetonurie nicht constant auf, sondern ging
mit den Schwankungen und besonders der Intensität der Krankheits
symptome parallel.
Auch bei schwereren Fällen von Gastroduodenalcatarrh, sowie
bei acuten Gastroenteritiden, desgleichen auch bei Darniocclusion, z. B.
in Folge von Ooprostase konnte Lorenz Aceton und Diacetsäure
im Harn nachweisen, in den letztgenannten Fällen auch in den
Faeces. Ferner fand der genannte Autor Acetonurie auch bei Taenien,
bei acuter Peritonitis, bei gastrischen (Visen, bei dem periodischen
Erbrechen v. Leyden's, bei Cholelithiasis, bei Colica saturnina, bei
Hysterie mit Magcndarmsyptomen u. a.
Meine eigenen Erfahrungen über diesen Gegenstand beziehen
sich ausschliesslich auf Magendarmaffectioneii; ich fand Aceton neben
Diacetessigsäure auffallend häufig bei schweren Formen der Gastrec-
tasie (in einem Fall mit exquisitem Acetongeruch der Fxhalationsluft),
ferner in zwei Fällen von Duodenalstenose, auch wiederholt bei Car
cinom des Magens.
Irgendwelche diagnostischen Schlüsse scheinen, wie aus den bis
herigen Untersuchungen hervorgeht, nicht gezogen werden zu können,
vielmehr weist das eonstanle Vorkommen von Aceton lediglich auf
gesteigerte Eiweisszersetzungen im Magcndarmcanalc hin.
c) Indienn und Indigoroth im Harn. Die Anwesenheit von indican und
Indican im Harn besitzt für die Erkrankungen des Intestinaltractus ^ Harn'
nur eine untergeordnete Bedeutung, namentlich seitdem wir wissen,
dass auch bei unschuldigen Processen im Darmcanal, z. B. Ooprostase,
Indican im Harn auftreten kann. Bei Magencarcinom fand Häber-
1 i 11n) in 2 0 % den Indicangehalt nicht erhöht, in ö O % massig und
in 2 0 % sehr stark vermehrt.
Indigoroth (Indirubin) ist nach den sehr eingehenden Unter
suchungen von R o s i n e ein dem Indigoblau verwandter Farbstoff des
Harns, welcher nach Rosenbach'A, der zuerst auf das Vorkommen
derselben hinwies und seine pathognostische Bedeutung begründete
als Ausdruck schwerer Stoffwechselstörungcn anzusehen und diagno
stisch zu verwertheu ist. Speciell kommt die Reaction nach Rosco
li a eh vor:
i) Häberlin, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 45, IL 3 u. 4, S. 339.
-') Hosin, (Vntralbl. f. klin. Med. 1889, No. 29.
••) iiosenbach, Berl. klin. Wochenschr. 1889, No. 1 und 1889, No. 2223.
Boas, Allg-. Diag-nostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. yj
258 Diagnostische Bedeutung der Harnuntersuchung.
1. bei schweren Darmleiden, die zur Insufficienz des Darmes
führen, mithin ausnahmlos bei Darmocclusion;
2. bei intensiven Diarrhöen;
3. bei Patienten mit chronischen Leiden, die sich im Zustand
schwerer Ernährungsstörungen befinden.
Ihr dauerndes Vorkommen soll als signum mali ominis gelten.
Untersuchungen von Ewald 1) haben indessen den diagnostischen und
prognostischen Werth wesentlich eingeschränkt. Der genannte For
scher sah die Reaction in Fällen schwerer Darmaffectionen (z. B.
Coloncarcinom) fehlen, ebenso auch bei Phthise mit hochgradigen
Ernährungsstörungen, wo sie in deutlicher Weise (I. Grad, E w a l d )
vermisst wurde. Nach E w a l d ist der Farbstoff ähnlich wie das
Indican nur der Ausdruck eines abnormen Darmstoffwechsels, und
zwar der sich im Dünndarm abspielenden Zersetzungsvorgänge. In
prognostischer Hinsicht gestattet das Auftreten und die dauernde
Anwesenheit des Farbstoffes allerdings eine ungünstige Prognose,
dagegen geht das Schwinden nicht dem günstigen Umschlag voraus,
sondern folgt ihm erst.
Zu ähnlichen Resultaten sind auch P. A b r a h a m 2 ) u. a. gelangt.
Biermer3) sah ferner die Reaction nicht blos bei Schwerkranken,
sondern auch bei leichten Magendarmleiden.
Es sind im Vorhergehenden nur die für die Seniiotik der Verdauungs
krankheiten wichtigen Abnormitäten des Harns zusammenfassend dargestellt, auf
den Nachweis derselben dagegen müssen wir, als zu weit führend, auf die unter
Literatur verzeichneten Lehrbücher verweisen.
Literatur.
Leube und Salkowski, Die Lehre vom Harn. Berlin 1882. Hirselrwald.
Löbisch, Anleitung zur Analyse des Harns. Wien 1883. Urban und
Schwarzenherg.
Laache, Harn-Analyse für practische Aerzte. Leipzig 1885.
Schotten, Kurzes Lehrbuch der Analyse des Harns. Leipzig und Wien 1888.
Den ticke.
v. Jaksch, Klinische Diagnostik innerer Krankheiten. Wien und Leipzig.
4. Aufl. 1896.
Penzoldt, Aeltere und neuere Ilarnproben. 3. Aufl. 1890.
i) C. A. Ewald, Berl. klin. Wochenschr. 1889, No. 44.
2) P Abraham, Berl. klin. Wochenschr. 1890, No. 17.
3) Biermer, Berl. klin. Wochenschr. 1889, S. 9(18.
Diagnostische Bedeutung der Blutuntersuchung bei Magenkrankheiten. 259
Neubauer und Vogel ('bearbeitet von Iluppert und Thomas!, Anleitung zur
qualitativen und quantitativen Analyse des Harns. 9. Aufl. Wiesbaden 1890.
Kredel. (Daselbst die gesammte Literatur.)
Wesener, Lehrbuch der chemischen Untersuchungsniethoden. Berlin 1890.
W reden.
Leo, Diagnostik der Krankheiten der Bauchorgane. Berlin 1895.
ACHTES CAPITEL.
Diagnostische Bedeutung der Blutuntersuchung bei
Magenkrankheiten.
Es ist von einzelnen Autoren der Versuch gemacht worden, die
Blutuntersuchung nach den in neuerer Zeit üblichen Methoden für
die Diagnose gewisser Magenaffectionen zu verwerthen. In erster
Reihe wird es sich hierbei u m die Dift'erentialdiagnose zwischen dem
häufigsten malignen Leiden des Magens — dem Magencarcinom —
und den gutartigen Processen der Magenschleimhaut handeln. Die
Ansichten über den Werth dieser Methoden sind noch getheilt, als
durchschnittliches Urtheil kann man aber den Satz aufstellen, dass in
der Blutuntersuchung ein nicht ganz bedeutungsloses Hilfsmittel für
die Differentialdiagnostik liegt. Wir folgen hierbei im wesentlichen
der sehr eingehenden und mit gesunder Kritik verfassten Monographie
von E. Reinert,1) berücksichtigen aber auch die sonstigen für den
Gegenstand in Betracht kommenden Arbeiten. F. Müller,-) Oppen
heim er3) und H ä berl in4) geben an, dass die farbigen Elemente
bei Ileus in der Begel nicht, bei Carcinom dagegen beträchtlich ver- «im bei ri.-us
mindert angetroffen werden. Leichtenstern •">) fand andrerseits in
drei Fällen von Ulcus einen verminderten Hämogiobingehalt, während
i) E. Keinert, Die Zählung der rothen Blutkörperchen und deren Bedeutung
für Diagnose und Therapie. Leipzig 1891.
••>) Fr. Müller Verhau dl im gen des Ver. f. hin. Med. Jahrg. 7, 1888, S. 378.
3) Oppenheimer, Deutsche medicinische Wochenschrift 1889, No. 42—44.
ti lläberlin, Münchn. med. Wochenschr. isxx, Xo. 22.
•"') Leichtenstern, Untersuchungen über den Hämoglobulingehalt im gesunden
und kranken Zustande. Leipzig 1878.
17--'
200 Diagnostische Bedeutung der Blutuntersuchung bei Magenkrankheiten.
Oppenheimer1) in zwölf Fällen eine Verminderung des letzteren
nicht, nachweisen konnte. Beinert2) hat indessen in zwei Fällen
sowohl die Zahl der rothen Blutkörperchen als ganz besonders den
Hämoglobingehalt stark vermindert gefunden. Osterspey3) fand in
neun Fällen von Ulcus ventriculi theils mit, theils ohne Hämatemesis,
regelmässig Herabsetzung der Zahl der rothen Blutkörperchen und
des Hämogiohingehalts, in einzelnen eine Verminderung der weissen
Elemente. Es geht daraus, wie 0 sterspey richtig bemerkt, hervor,
dass weder normale, noch anomale Blutbeschaffenheit für Ulcus ven
triculi characteristisch ist.
BUU Die Untersuchungen des Blutes bei Mageneureinoin haben gieich-
rclnom *a,^s keine eindeutigen Ergebnisse zu Tage gefördert. Zwar ist Ab
nahme der rothen Blutkörperchen und Hand in Hand damit Ver
ringerung des Hämoglobingehalts in den meisten Fällen beobachtet
(Leichtenstern, Laache, Malassez, Schneider, Daland und
Tadler, Häberlin, Osterspey4) u. a.), indessen ist diese Altera
tion des Blutes, ganz abgesehen von den Ausnahmen, für Magen-
carcinom durchaus nicht characteristisch. Auch bezüglich der Leuco
cyten sind die Blutbefunde nicht übereinstimmend, neben Berichten
über Vermehrung der weissen Blutkörperchen (Leichtenstern,
Sörensen, Potain) begegnen wir auch solchen mit normalem Ver
halten (Lepine, Laache, Schneider Osterspey u. a.).
Aus diesen Untersuchungen folgt die Unmöglichkeit, in zweifel
haften Fällen Ulcus von Carcinom, bezw. gutartige von bösartiger
Pylorusstenose, wie Häberlin dies aufgestellt, hatte, zu unterschei
den, um so weniger, als es sich bei zweifelhaftem Carcinom meist
u m nicht ausgesprochene Cachexie handelt und deshalb auch der
Blutbefund deutliche Abweichungen von der Norm entweder gar nicht
oder nur angedeutet zeigen dürfte.
Ausser diesen Blutalterationen haben v. Jaksch-5) sowie Gra-
witzr') und Strauer?) den Eiweissgehalt des Blutes bei Carcinomen
untersucht. Nach den Untersuchungen der letztgenannten Autoren,
welche sämmtliche in Betracht kommenden Eactoren (Zahl der rothen
!) Oppenheimer, 1. c.
2) Reinert, 1. c.
s) Osterspey, Berl. klin. Wochenschr. 1892, No. 12 u. 13.
4) Osterspey, 1. c.
•>) v. Jaksch, Zeitsclir. f. klin.Medicin Bd. 23, Heft 3 u. 4.
l!) E. Grawitz, Deutsche medicinische Wochenschrift 1893, No. 51.
") Strauer, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 24, Heft 3 u. 4.
Diagnostische Bedeutung der Blutuntersuchung bei Magenkrankheiten. 2(!1
und weissen Blutkörperchen, Trockenrückstand des Blutes, Trocken
rückstand des Serum, speritisehes Gewicht) in den Kreis ihrer Unter
suchungen gezogen haben, zeigte sich das Blut bei vorgeschrittener
Krebscachexie nach allen den genannten Richtungen hin subnormal.
Von einer gewissen unterstützenden Bedeutung dürfte vielleicht
die speeifische Gewichtsbestimmung des Blutes sein (Hammerschlag,
R. Schmaltz). Dieselbe beträgt unter normalen Verhältnissen nach
Schmaltz im Mittel 1,0501, nach Peipcr 1,0550, bei Frauen nach
Schmaltz 1,0562, nach Peiper 1,0535. Bei Anämieen verschiedener
Provenienz ist das speeifische Gewicht erheblich herabgesetzt. Von
besonderem Interesse ist der Befund von Peiper, dass bei Carcinoma
ventriculi und einem Falle von chronischer Gastritis das speeifische
Gewicht erheblich herabgesetzt war. Eigene Beobachtungen an vier
Fällen von Carcinoma ventriculi ergaben in zwei Fällen erhebliche
Herabsetzung des speeifischen Gewichtes (1,0272 bezw. 1,0275), in
den anderen weniger vorgeschrittenen Fällen war dasselbe gleichfalls,
aber in geringerem Maasse herabgesetzt, bei anderen, gutartigen
Magenaffectionen hielt sich das speeifische Gewicht innerhalb der
normalen Zahlen. Uebcreinstimmeiid mit Schmaltz fand ich in den
meisten Fällen, jedoch nicht regelmässig, Hand in Hand mit der Ab
nahme des speeifischen Gewichtes Verminderung des Hämoglobin
gehaltes. Auch D e v o t o fand nach einer anderen Methode in einem
Falle von Carcinom Herabsetzung des speeifischen Gewichtes, in
einem anderen war es normal.
In neuerer Zeit hat Schneyer 1) auf ein wichtiges differcntielles
Zeichen zwischen Magencarcinom und gutartigen Processen aufmerk
sam gemacht. Es besteht darin, dass das Vorhandensein von Ver-
dauungsleucoeytose gegen Carcinom spricht, dass hingegen der Mangel
an Leucocytose nicht beweisend sei. Von Härtung-) wurde das
Nichtvorhandensein der Verdauiuigsleucocytosc beim Magenkrebs be
stätigt. Dagegen zeigen Hassmann'sO Untersuchungen, dass von
dieser Regel auch Ausnahmen vorkommen.
Für die übrigen Alagenaffectionen liegen nur spärliche Unter- nmt bei
suchungen vor. So fand Leichtenstern bei Gastreetasio trotz he- s^lns', ,^eB
deutender Abmagerung und beträchtlichem Marasmus normale Hämo- k'-aukhcitcn,
globinziffcr und erklärt dies aus dem in Folge der schlechten Re
sorption verringerten Wassergehalt des Blutes. In zwei Fällen von
t) Schncver, Zeitschr. f. klin. Mediein 1S95. Bd. 27, S. 475.
••0 Härtung, Wiener klin. Wochentchr. 1895, S. (397.
:!) Ilassmann, Wiener klin. Wochenschr. 189(1, No. 17.
262 Diagnostische Bedeutung der Blutuntersuchung bei Magenkrankheiten.
Reinert war der Gehalt an rothen Blutkörperchen normal, der
Hämoglobingehalt ein wenig verringert. In einem Falle meiner Be
obachtung mit gleichfalls beträchtlichem Marasmus betrug der Hämo
globingehalt (nach C o v e r s bestimmt) 100%. Osterspey fand bei
Fällen von Anachlorhydric, Gastritis chronica, nervöser Dyspepsie
stets normale Zahlen für rothe und weisse Blutkörperchen, dagegen
einigemale ansehnliche Verminderung des Hämoglobingehaltes.
Magen- Eine sehr häufige Blutalteration bei schweren Magenerkran-
erkr
mnungen kungen stellt die pernieiöse Anämie dar, und zwar findet sie sich
pernieiöser besonders als Folgezustand von Atrophie der Magenschleimhaut. Für
mehrere Fälle dieser Art liegen bezüglich des Magens sehr sorg
fältige Sectionsbefunde vor. (Bamberger, Nothnagel, Fenwick,
Henry und Osler u. a.) Indessen ist die pernieiöse Anämie keine
constante Begleiterscheinung der Atrophie der Mucosa, und es können
überhaupt tiefergreifende Veränderungen der Magenschleimhaut hier
bei vollkommen vermisst werden ( I m m e r m a n n , Quincke u. a.).
Ausser bei Atrophie der Magenschleimhaut ist pernieiöse Anämie
auch bei Garcinomen des Intestinaltractus sowie bei Ulcus ventriculi
mit wiederholten, wenn auch latenten, Blutungen beobachtet, worden.
Diagnostische Bedeutung kommt demnach der pernieiösen Anämie nicht
zu, wenngleich bei Anschluss der letzteren an schwere Magensymptome
und bei tiefgreifenden Störungen der Secretion (Salzsäure und Fer
mentverlust) die Diagnose Atrophie der Magenschleimhaut wesentlich
gestützt wird.
Die Besprechung der Methoden der Blutuntersuchung liegt nicht im Rahmen
dieser Darstellung; wer sich genauer mit dem Gegenstände beschäftigen will, findet
in den unter »Literatur« angegebenen Schriften und Werken genügende Belehrung.
Literatur.
Immomiann, Anämie u. Chlorose, v. Ziemssen's Handbuch der spec. Pathol.
und Therapie Bd. XIII, 1875.
Leichtenstern, rnteisucliimgen über den Ilämoglobulingehalt des Blutes im
gesunden und kranken Zustande. Leipzig 1878.
Laache, Die Bedeutung der neueren Untersuchungen der Blutkörperchen-
zählmig in Bezug auf die anämischen und leukämischen Kranichcitsformen.
Deutsche medicinische Wochenschrift 1884, No. 42.
Siegel, F., reber die Methode und practische Venverthung der Blutkörper
chenzählung. Allg. Wien. med. Zeitung 1884, Xo. 11, 12, 16 und 24.
Gräber, 0., Zur klinischen Diagnostik der Blutkrankheiten. Leipzig 1888.
Hayem, D., D u sang et des alterations anatomiques. Paris 1889.
v. Jaksch, Klin. Diagnostik innerer Krankheiten. Wien und Leipzig. 4. Auf
lage. 188(5.
Diagnostische Bedeutung der Blutuntersuehmig bei Magenkrankheiten. 263
v. Linibeck, Grundriss einer klinischen Pathologie des Blutes. Jena 1892-
Oppenheimer, Leber die praktische Bedeutung der Blutuntersuchung mittels
Blutkörperehenzähler und Ilänioglobinonieter. Deutsche medicinische Wochen
schrift 1889, No. 42—44.
Behielt, E., die Zählung der Blutkörperchen und deren Bedeutung für die
Diagnose und Therapie. Von der mediein. Klinik zu Tübingen gekrönte Preis
schrift. Leipzig 1891. (Daselbst erschöpfende Literaturangaben.)
Osterspey Die Blutuntersuchung und deren Bedeutung bei Magenerkran
kungen. Berl. klin. Wochenschr. 1892, No. 12 u. 13. (Leiche Literaturangaben.)
Grawitz, E., Klinische Pathologie des Blutes. Berlin 1896. Enslin. (Reich
liche Literatur.)
IL
Die allgemeine Therapie.
NEUNTES CAPITEL.
Die Diätetik.
Eine zweckmässige Ernährung bei Verdauungskrankheiten hat
zu berücksichtigen: 1. die Frage des Stoffbedarfs im allgemeinen
und bei Krankheiten des Verdauungsapparates im besonderen, 2. die
subjeetiven Klagen und Wahrnehmungen des Kranken, 3. die Ergeb
nisse der objeetiven (physikalischen und chemischen) Untersuchung.
Alle diese Punkte sind von so eminenter Bedeutung, dass eine ge
sonderte Besprechung derselben unerlässlich erscheint.
A. Das Kostmaass im allgemeinen und bei Krankheiten des
Verdauungsapparates im besonderen.
Bei der Ernährung eines Kranken ist die Berücksichtigung der
Gesammtconstitution, die Förderung und Aufbesserung seiner vir
tuellen Leistungsfähigkeit erstes und oberstes Ziel. Eine Diät kann
nicht rationell sein, wenn sie über der Krankheit den kranken Kör
per ausser Acht lässt. Es giebt allerdings Krankheiten, bei denen wir
nothgedrungen hiervon absehen müssen — ich erinnere an das Ulcus
ventriculi, an chronische Enteritiden, Herz- und Nierenaffectionen —,
indessen geschieht dies mit Bücksicht auf das schonungsbedürftige
Organ, nach dessen Gesundung wir dem Körper wieder das volle
Maass der notwendigen Nährstoffe zuführen müssen.
Welches ist nun das nothwendige Mass? Diese Frage ist bisher
nur für den Gesunden mit Sicherheit beantwortet, für den Kranken,
speciell den Verdauungskranken, nur zum geringen Theil. Für den
Gesunden gelten für uns als Norm die Zahlen, welche v. Voit als
durchschnittliches Maass für die ausreichende Ernährung Erwachsener
gefordert hat und die im allgemeinen als Grundlage für alle Stoff-
wechselversuche angenommen sind.
2<;s Die Diätetik.
Bedarf an Danach beträgt der tägliche Bedarf
Jährstoffen. ^ . _ ^^
T^ , , , .
für Männer 118 g Eiweiss, 56 g Fett, 500 g Kohlenhydrate.
» Frauen 04 g » 45 g » 400 g »
Flierbei ist zu bemerken, dass sich diese Angaben auf einen Mann
v o n 70—75 kg Körpergewicht beziehen, welcher täglich 10 Stunden
mit nicht zu anstrengender Arbeit beschäftigt ist, und dass das
Kostmaass für Frauen sich gleichfalls für massig arbeitende Personen
versteht.
Man kann den Stoff bedarf auch nach Calorien berechnen, wie
dies Rubner zuerst entwickelt hat.1) Danach entwickelt bei der
Verbrennung im Körper
1 g Eiweiss = 4 , 1 Calorien.
1 g Fett = 9,3 »
1 g Kohlenhydrat = 4,1 »
1 g Alkohol = 7,0 »
Danach würde ein kräftiger, arbeitender Mensch mit einem Gewicht
von 70 kg rund 3000 Calorien oder pro Kilo Körpergewicht rund
45 Calorien gebrauchen. In der Buhe, also auch in Krankheiten,
kann man den Brennwerth der Nahrung auf ca. 34 Calorien pro Kilo
und Tag annehmen.2)
Gegen die genannte Grösse der Eiweisszahl ist in letzter Zeit
von verschiedenen Forschern (Pflüger, Bohl and, Bleibtreu,
Hirschfeld, K u m a g a w a , Klemperer u. a.) geltend gemacht wor
den, dass man mit einer weit geringeren Eiweissration den Bedarf
decken und das stoffliche Gleichgewicht erhalten könne. Nach Voit's
eigenem Zugeständnis« kann man mit der Eiweissration bei einem
Erwachsenen von mittlerem Gewicht und massiger Arbeit in der
That bis auf 100 g herabgehen. Ob man aber diese Eiweissgrösse
bis auf die Ziffern von K u m a g a w a , Hirschfeld und Klemperer,
die allerdings unter Erhöhung der Bation für Kohlenhydrate und
t) Unter Calorie oder Wärmeeinheit bezeichnet man die Wärmemenge,
welche zum Erwärmen von 1 kg Wasser von 0° auf ln erforderlich ist.
2) Für die Berechnung des Stoffbedarfes nach Calorien bietet zwar die
Verständigung mannichfaclie Vortheile, giebt aber, worauf in neuerer Zeit Im. Munk
mit Recht hingewiesen hat, nur ein einseitiges Bild von dein Stoffwechsel im
Körper. Wir werden daher die jetzt vielfach der Berechnung zu (Srunde liegenden
Calorienvrertho mit grosser Vorsicht und Kritik betrachten müssen. Auch die
Thatsache, dass ein Theil der W ä r m e erzengenden Substanzen beim Cesunden
sowohl wie beim Kranken den Körper unausgenutzt verlässt. weist auf die
Fehlerquellen derartiger Berechnungen hin.
Die Diätetik. 2(19
Eette mit erheblich niedrigeren Zahlen für Eiweiss (43 bezw. 59 und
30 g) Sticksfoffgleichgewicht erzielten, für die Dauer ohne Schaden
für den gesunden und kranken Momchcn herabdrücken kann, das
ist eine noch durch weitere eingehende Untersuchungen zu ent
scheidende Frage. Für den vorliegenden Gegenstand liegt das In
teresse dieser Untersuchungen in der Thatsache, dass man den
Eiweissbestand durch ein Plus an N-freien Substanzen wenigstens
für kurze Zeit stationär erhalten kann, mit anderen Worten, dass
man da, wo Eiweisskörper aus irgend einem Grunde schlecht aus
genutzt oder subjeetiv schlecht vertragen werden, ohne das Gleich
gewicht des Organismus zu schmälern, die Eiweissration bei er
höhter Fett- und namentlich Kohlenhydratzufuhr herabsetzen
kann. Andererseits haben die Stott'wechselversuche am Hunde von
Im. M u n k 1 ) und Roscnhoim-) gezeigt, dass die Herabsetzung der
Eiweissration, bei im übrigen ausreichender Nahrung schon nach
wenigen Wochen zur Beeinträchtigung der Verdauung und Ver
schlechterung der Ausnutzung führen kann. Ob diese Thatsachcn
sich unmittelbar auf den Menschen übertragen lassen, scheint, nach
den Untersuchungen von E. Breisacher3) noch nicht festzustehen.
Für die Verhinderung von Eiweissverlust, bezw. für den Eiweiss-
ansatz erweisen sich übrigens die Kohlenhydrate als weit günstiger
als die Fette, weil bei Steigerung der Kohlenhydrate stets eine
Herabsetzung der Eiwcissverbrennung erfolgt, während die Fette in
steigenden (iahen den Fiweissverbrauch nicht nothwendig verringern
müssen, ja ihn selbst steigern können.
Bezüglich des Stoff bedarfs bei chronischen Magenaffectionen
sind vor allem die Untersuchungen v. Noorden s>) über den Stoff
wechsel bei chronischer Gastritis mit Salzsäureverlust und Super
acidität zu erwähnen. Die ersteren führten in Bestätigung früherer
Beobachtungen von Ogata am magenberaubten Hunde zu dem Er-
gebniss, dass die Ausnutzung der Eiweisskörper bei völligem
Mangel der Salzsäure-Pepsinverdauung in vollkommen aus
reichender Weise im. Darm vor sich, geht. Unter 13 Fällen er
hielt v. Noorden zwölfmal N-Ansatz bei einer Kost, die der üblichen
i) Im. Munk, Verhandl. der physiol. Gesellsch. zu Berlin, du Bois, Arch.
1891, S. aas- an.
'i) Th. Rosenheim, ibid. S. ."»41—344.
•"') L. Breisacher, Deutsehe uiediciuisclic Wochenschrift 1891, No. 48.
i) v. Noorden, Zeitsclir. f. klin. Med. Bd. 17, 1890. Vergl. auch Lehrbuch
der Pathologie des Stoffwechsels. Berlin 189.3. S. 2:17.
270 Die Diätetik.
Diät im allgemeinen nahe kam. Die Dauer der Versuche erstreckte
sich hierbei auf 6—21 Tage. Auch die Ausnutzung der Fette und
Kohlenhydrate war keineswegs herabgesetzt, v. Noorden schliesst
aus seinen Untersuchungen, dass der Marasmus bei manchen chro
nischen Magenaffectionen (Ulcus ventriculi, Magenkatarrh, Gastrec-
tasie mit Hypersecretion) seinen Grund in der verringerten Nahrungs
aufnahme hat, und dass bei der Therapie hier vor allem der Hebel
anzusetzen sei. In einem Falle von Superacidität fand v. Noorden
den Koth in einer den normalen Verhältnissen analogen Weise zu
sammengesetzt. Zweifellos ist die Annahme einer Unterernährung
für eine grosse Zahl der Fälle einer der wichtigsten Gründe ihres
schlechten Befindens, allein dieselbe ist keineswegs immer auf mangel
hafte Nahrungszufuhr zu beziehen. So haben, u m nur ein Beispiel
anzuführen, Kranke mit gutartiger Pylorusstenose in der Eegel den
vortrefflichsten Appetit, auch ist die eigentliche peptische Kraft des
Magens gut erhalten, nur bewegt sich ihre Nahrungsaufnahme natur-
gemäss in den engsten Grenzen, da jede Ueberlastung des Magens
zu den heftigsten Beschwerden (Druck, Schmerzen, Aufstossen, FTebel-
keit, Erbrechen) führt. Mit dem Augenblick, wo auf chirurgischem
Wege die mechanische Behinderung gehoben ist, geht auch die
Nahrungs-Aufnahme und -Verarbeitung ihren richtigen W e g , es re-
sultirt sofort Gewichtszunahme. Auf der andern Seite wieder kann
die Unterernährung Folge einer renitenten, durch nichts zu über
windenden Appetitlosigkeit sein (s. u.).
Ausserdem liegen von F Müller1) und G. Klemperer 2) höchst
werthvolle Untersuchungen über die Stoffbilanz bei Krebskranken
vor, die in den wesentlichsten Punkten eine völlige Uebereinstimmung
ergeben haben. Danach wird der Organeiweissbestand bei Garcinomen
durch ein besonderes Gift beständig verringert, und es gelingt auch
bei möglichst reichlicher Ernährung nicht, das Stickstoffgleichgewicht
zu erreichen.
Von dieser Kegel kommen indessen, wie v. Leyden'9 schon
vor längerer Zeit mit vollem Becht hervorgehoben hat, auch Aus
nahmen vor, und es kann unter günstigen Umständen durch eine
ausreichende und den eigenartigen Bedingungen des Eiweisszerfalls
angepasste Ernährungsweise der Körper sich theils auf seinem Eiweiss-
bestand erhalten, theils ihn erhöhen. Dies sind vielleicht, die auch
!) F. Müller, Zeitsclir. f. klin. Mediein Bd. 16, S. 496.
*) G. Klemperer, Berl. klin. Wochenschr. 1889, No. 40.
3) E. v. Levden, Deutsche medicinische Wochenschrift 1890, No. 48.
Die Diätetik. 271
von Fr. Müller beobachteten analogen Fälle, bei denen der Eiweis-
zcrfall durchaus nicht die normale Grösse überschritt.
Meine eigenen Erfahrungen an Magenkrebs lauten folgender-
massen: Gewichtszunahmen bei Magenkrebskrauken, gehören nach
meinen Erfahrungen zu den grossen Ausnahmen und sind wohl nur
vorübergehend unter besonders nachdrücklicher Anwendung hoeh-
eoncentrirter Nährstoffe erreichbar. Vorbedingung ist aber auch
hier ein dauernd günstiges Verlangen nach Nahrung. Die Regel
bilden Gewichtsabnahmen. Doch ist ihre Ursache sehr verschieden:
sie können einmal in mechanischen Momenten (ebenso wie bei
gutartiger Dilatation), sodann in unüberwindlichem Appetitmangel
liegen. Letzterer findet sich keineswegs besonders bei mechanischer
Verengerung, sondern kommt auch bei völlig durchgängigem Magen
vor. Endlich kommt auch analog der .Anschauung von Fr. Müller
und Klemperer ein Zustand von progressivem Marasmus trotz guten
Appetites und normaler Magenmotion vor. Es liegt, in der That
nahe, hier an die Bildung gewisser Protoplasniagifte zu denken.
B. Die Bedeutung der subjeetiven Beschwerden für die Diät.
Trotz der wichtigen Aufschlüsse, die uns die Functionsprüfung
dos Magens und die Kenntniss des Stoffwechsels gewähren, ist die
Berücksichtigung der subjeetiven Empfindungen und der sich im An-
schluss an den Verdauungsact etwa einstellenden Beschwerden für
den Nährplan unter keinen Umständen zu unterschätzen. Denn die
Bekömmlichkeit eines Nahrungsmittels hängt, abgesehen von seiner
objeetiven Verdaulichkeit, in so hohem Maasse von der individuellen
Toleranz und anderen uns noch unbekannten Factoren ab, dass es
unumgänglich ist, an der Hand und unter steter Berücksichtigung
individueller Wahrnehmungen die Qualität der Nahrungsmittel fest
zusetzen.
Wenn es noch nothwendig wäre, einen Beleg hierfür heran
zuziehen, so ist das die Milch. Das Nahrungsmittel par excellence
im Kindesalter zeigt dem Magendarmtractus Erwachsener gegen
über die merkwürdigsten individuellen Verschiedenheiten. Die eine
Art Kranker verträgt Milch gar nicht, selbst nicht unter Anwendung
der üblichen Gorrigentien, ein zweiter Theil vermag nur rohe Milch
ohne Beschwerden zu gemessen, während anderen angeblich aus
schliesslich gekochte Milch ohne Unbehagen aufzunehmen möglich ist.
Bei gewissen Kranken bewirkt Milch eine auffällige, durchaus
nur hierauf zu beziehende Hemmung der Peristaltik, bei anderen
umgekehrt Diarrhöen. Auch hierbei spielt der Umstand, ob die Milch
272 Die Diätetik.
roh oder gekocht eingeführt wird, zweifellos eine Bolle. Daneben ist
die wechselnde Qualität der Milch, die vom feineren chemischen
Standpunkt betrachtet bekanntlich ein äusserst schwankendes Nah
rungsmittel darstellt, gewiss nicht die geringste PJrsaehe für die ver
schiedenartige Toleranz. Andererseits kommen objectiv nachweisbare
Störungen im Verdauungscanal (chronische Gastritis und Gastroen
teritis) vor, welche die ungünstigen Einwirkungen vollauf erklären.
Es bleiben aber immer noch Fälle genug, wo uns jeder Anhalts
punkt für das Verständniss der bei einem scheinbar so leicht assi-
milirbaren Nahrungsmittel auftretenden Beschwerden mangelt. Wie
gegen Milch, so verhalten sich Kranke auch in ihrer Reaction gegen
über manchen anderen Getränken und Speisen so verschiedenartig,
dass eine Berücksichtigung solcher Schwankungen unerlässlich ist.
Auf der anderen Seite müssen wir die Angaben der Patienten
über Verdauungsstörungen nach bestimmten Speisen nur mit grösster
Kritik für unseren Diätplan verwenden. Es besteht eben zu leicht
hierbei die Neigung, den herkömmlich als schwer verdaulich berüch
tigten Substanzen die Schuld an dieser oder jener Magenindisposition
zuzuschreiben. Wir müssen, u m die Stichhaltigkeit solcher Angaben
auf das richtige Maass zurückzuführen, nur daran denken, wie ausser
ordentlich complicirt selbst eine so einfache Mahlzeit wie unser
herkömmliches Frühstück ist, und dass es selbst für einen intel
ligenten Beobachter schwer hält, sich über den etwaigen schädlichen
Antheil desselben klar zu werden. U m letzteren mit Sicherheit
festzustellen, empfehle ich seit Jahren folgendes Vorgehen: Es sei
z. B. der von den Kranken beschuldigte Morgenkaffee auf seine Un
zuträglichkeit zu prüfen. Dann rathe ich dem Patienten, drei Tage
hing genau das bisherige Frühstück zu nehmen, also auch zur selben
Zeit bei gleichen Quantitäten und Zuthaten, aber unter Beiseite
lassung des Kaffees, dagegen nicht der zu letzterem etwa zugesetzten
Milch oder des Zuckers. Eine sorgfältige Beobachtung vermag jetzt
den Einfluss des Kaffees zu zeigen. Trotzdem besteht immer noch
keine Sicherheit, da wir ja ein Kaffceinfus mit Wasser haben und
letzteres allein vielleicht auch die Fnzuträglichkeiten (z.B. Aufstossen)
hervorrufen könnte. Der Sicherheit wegen ist also gerathen, noch
1—2 Tage ein Frühstück einzuschieben, das aus den übrigen Sub
stanzen + lauwarmem Wasser, und zwar in der dem Kaffee ent
sprechenden Quantität besteht, Dieser W e g ist, wie ich zugebe, recht
complicirt, und die Schwierigkeit steigert sich noch erheblich bei um
fangreicheren Mahlzeiten, aber er ist der einzig rationelle, u m über
die Ursachen subjeetiver Störungen zur Klarheit zu gelangen.
Die Diätetik. 273
Eine hervorragende Bolle unter den subjeetiven Störungen spielt
ferner der Appetit, von dessen Beschaffenheit der ganze Nahrungs-
effect zuweilen allein abhängen kann. W e n n wir von den seltenen
Fällen von gesteigertem Nahrungsbedürfniss absehen, so haben wir
nieist mit Darniederliegen der Esslust zu kämpfen, sei dieselbe durch
Furcht vor Schmerzen (Ileus ventriculi, Superacidität) oder durch
eine abnorme Magenvölle bedingt, die das Gefühl des Hungers nicht
aufkommen lässt, bezw. schnelle Sättigung hervorruft, Ferner giebt
es bekanntlich auch eine »nervöse« Anorexie, und es gehört zu den
wichtigsten Erfordernissen einer sorgfältigen Anamnese, festzustellen,
ob die Appetitlosigkeit Folge oder Symptom eines organischen
Magenleidens oder allgemeiner nervöser Depression, Angst, Sorgen,
K u m m e r und anderer abnormer Empfindungen ist. Es verdient end
lich hervorgehoben zu werden, dass Appetitlosigkeit auch arteficiell,
d. h. durch revkehrte diätetische Maassregeln bedingt sein kann
(allzu monotone Diät, Verbot von Genussmitteln, des Rauchens,
Bier- oder Weintrinkens u. s. w.). Es liegt auf der Hand, dass
die Regelung des Appetites in erster Linie eine Beseitigung der
die Appetitsstörungen veranlassenden Ursachen zur Voraussetzung
hat. Insoweit die letztere gelingt, werden wir auch ersteren lieben.
Insoweit das nicht der Fall ist, werden wir selbst mit forcirter Er
nährung, wie sie von Noorden empfiehlt, beim besten Willen des
Arztes und des Kranken nicht oder nur sehr vorübergehend zum
Ziele gelangen können.
C Die Bedeutung der objeetiven Untersuchungsmethoden.
Eine wesentliche Ergänzung der Beobachtungen, die der Kranke
an sich macht, bilden die objeetiven Ergebnisse der Fntersuehung.
Dieselben beruhen einerseits auf unseren Kenntnissen von der Phy
siologie und Pathologie im allgemeinen, andererseits auf empirisch
oder experimentell an Gesunden oder Kranken gewonnenen Er
fahrungen, endlich auf den Untersuchungsresultaten im speciellcn
Falle. Alle diese Fartoren wirken zur Feststellung der Diät mit,
am meisten begreiflicherweise die Ergebnisse der physikalischen und
chemischen Untersuchung.
Ueber die Bedeutung der Kenutniss der Physiologie und Patho
logie ein Wort zu verlieren, ist überflüssig. Eine eingehendere Be
trachtung dagegen erfordert der Werth von systematischen Prüfungen
Boas, Allg-. Diagnostik u Thorapit» d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. jg
274 Die Diätetik.
der »Verdauungsarbeit« bei Gesunden und Kranken, die wir v. Leube 1)
und neuerdings Penzoldt") verdanken.
Der erste, schon vor einer Beihe von Jahren von v. L e u b e
betretene W e g besteht darin, auf empirischem Wege eine Art Skala
der leicht verdaulichsten bis zu den schwerer verdaulichen Nahrungs
mitteln aufzustellen. Diese, zunächst für die Uleusbehandlung be
stimmte Diät hat sich auch für andere chronische Magenaffectionen,
bei denen das Bedürfniss besteht, die Leistungsfähigkeit des Magens
allmählich zu steigern, glänzend bewährt. Für eine Reihe anderer
(z. B. Mageninsufficienz 1. und 2. Grades, chronische in- oder subacide
Gastritis) dagegen ist die Diät weniger geeignet. Wir geben im fol
genden die berühmt gewordenen vier v. Leube'sehen Kostformen:
i.ounesche I. Bouillon, Fleischsolution, Milch, weiche und rohe Eier,
x
' eingezuckerter, fettloser Zwieback oder Cakes. Wasser oder natür
licher, nicht kohlensäurereicher Säuerling.
II. Gekochtes Kalbshirn, Thymusdrüse, Huhn, Taube, Schleim
suppen, Tapiokamilchbrei, eventuell gekochte Kalbsfüsse.
III. Goschabtes Lendenbeefsteak, geschabter roher Schinken,
Kartoffelpüree, wenig Weissbrod, versuchsweise kleine Mengen Kaffee
oder Thee mit Milch.
IV Gebratenes Huhn, Taube, Reh, Rebhuhn, (Hase weniger
zu empfehlen), Roastbeaf (rosa), Kalbsbraten (Keule), Hecht, Schill
(gesotten), Maccaroni, Bouillonreis, später leichteste Aufläufe, Wein
in kleinen Portionen.
Ein zweiter praktisch zum Ziele führender W e g besteht darin,
die Verdaulichkeit einer möglichst grossen Anzahl Nahrungsmittel
in bestimmter Menge, Form und Zubereitung nach gewissen Grund
sätzen beim Gesunden zu prüfen, u m hieraus Anhaltspunkte für die
Beköstigung Magenkranker zu gewinnen. Dieser W e g ist in syste
matischer Weise seit einer Reihe von Jahren von Penzoldt und
seinen Schülern beschritten worden. Maassgebend war hierbei stets
die Feststellung des Zeitpunktes, wann der Magen sich nach Ein
führung bestimmter Mengen von Getränken oder Speisen völlig ent
leert, Fs wurde hierbei auch das chemische Verhalten der Ingesta
geprüft, als vergleichender Maassstab diente indessen die motorische
Leistung des Magens. Aus der nachfolgenden, der PenzoldUschen
Arbeit entnommenen Tabelle gehen ohne weiteres die in Frage kom
menden Gesichtspunkte hervor.
t) v. Leube, Zeitschrift f. klin. Mediein Bd. VI.
'-') Penzoldt, Deutsches Archiv f. klin. Mediein Bd. 51 u. 53.
Die Diätetik. 275
Es verliessen den Magen in:
1- 2 Stunden:
100—200 g Wasser, rein,
220 g Wasser, kohlensäurehaltig,
200 g Theo ohne Zuthat,
200 g Kaffee » »
200 g Kakao » »
200 g Bier,
200 g leichte Weine,
100 200 g Milch, gesotten (F. 3—5,
F. 3-5, K. 5).i)
200 g kleischbriihe ohne Zuthat,
100 g Eier, weich.
2 — 3 Stunden:
200 g Kaffee mit Sahne,
200 g Kakao mit Milch.
200 g Malaga,
200 g Ofener Wein,
300- 500 g Wasser,
300—500 g Bier,
300—500 g Milch, gesotten,
100 g Eier, roh und Rühreier, hart
oder Omelette (E. 12, F 12),
100 g Uindfleiseliwurst, roh,
250 g Kalbshirn, gesotten,
250 g Kalbsbries, gesotten,
72 g Austern, roh,
200 g Karpfen, gesotten,
200 g Hecht, gesotten (F. 18,
F. 0-5),
200 g Schellfisch, gesotten (E. 17,
F- 0, 5),
200 g Stockfisch, gesotten (E. 80,
F. 1).
150 g Blumenkohl, gesotten (E. 2,
K. 4),
150 g Blumenkohl als Salat,
150 g Spargel, gesotten (E.2, K.2),
150g Kartoffeln, Salzkartoffeln
(E. 2, K. 20),
150 g Kartoffeln als Brei,
150 g Kirschencoinpot,
150 g Kirschen, roh,
70 g Weissbrod, frisch und alt,
trocken oder mit Theo (E. 7,
K. 52),
70 g Zwieback, frisch und alt,
trocken oder mit Thee,
70 g Bretzel,
50 g Albert-Bisquits.
3 — 4 Stunden:
230 g junge Hühner, gesotten
(E. 20, F 4),
230 g Rebhühner, gebraten,
220- 200 g Tauben, gesotten,
105 g Tauben, gebraten,
250 g Rindfleisch, roh, gekocht,
mager (E. 21, F. 1, 5),
250 g Kalbsfüsse, gesotten,
160 g Schinken, gekocht (E. 24,
E. 36),
160 g Schinken, roh, gekocht,
100 g Kalbsbraten, wann und kalt,
mager (B. 20, E. 1, 5),
100 g Beefsteak, gebraten, kalt
oder warm,
100 g Beefsteak, roh, geschabt,
100 g Lendenbraten,
200 g Rheinsalm, gesotten (E. 16,
F. 28),
72 g Caviar, gesalzen (E. 31, F. 16),
200 g Neunaugen in Fssig, Bück
linge, geräuchert,
150 g Schwarzbrotl (E. 6, F o 5,
K, 50),
150 g Schrotbrot!,
150 g Weissbrod,
100—150 g Albert-Bisquits,
150 g Kartoffeln -Gemüse,
150 g Reis, gesotten (E. 31, K. 76),
150 g Kohlrabi,gesotten(E.3,K.8),
150 g Möhren, gesotten (F. 1, K.9),
150 g Spinat, gesotten,
150 g Gurkensalat,
150 g Radieschen, roh,
150 g Aepfel.
4 — 5 Stunden:
210 g Tauben, gebraten,
250 g Rindsfilet, gebraten,
i) E bedeutet Eiweiss, F Fett, K Kohlenhydrate.
18*
276 Die Diätetik.
250 g Beefsteak, gebraten,
250 g Rindszunge, geräuchert
(E. 24, F. 31),
100 g Rauchfleisch in Scheiben
(E. 27, F. 15),
250 g Hase, gebraten,
240 g Rebhühner, gebraten,
250 g Gans, gebraten (E. 16),
280 g Ente, gebraten,
200 g Heringe in Salz,
150 g Linsen als Brei (E. 25, K. 54),
200 g Erbsen als Brei (E. 23, K. 52).
150 g Schnittbohnen, gesotten (E.
3, K 6.).
eenzoidcs Auf dieser Grundlage hat Penzoldt in Anlehnung an die er-
Kostform
-wähnten v. Leube sehen Formen eine neue Kostform aufgestellt,
die sich durch Angabe der Gewichtsmengen, der Zubereitung und
sonstigen Beschaffenheit der betreffenden Nahrungsmittel vortheilhaft
vor jenen auszeichnet, leider aber im wesentlichen gleichfalls im Sinne
der licusdiät gedacht ist. So kommen z. B. Gemüse, Mehlaufläufe
und Fette, die für die Ernährung bei Gastritis, zum Theil auch beim
Carcinom vorzugsweise in Betracht kommen, in dem Schema von
Penzoldt sehr schlecht fort. Trotzdem bietet es zweifellos für die
Ulcusbehandlung sowie für die sogenannte »schonende Magenbehand
lung« überhaupt werthvolle Anhaltspunkte.
Die Penzoldt'sehe Kostanordnung zerfällt gleichfalls in vier
Formen:
Speisen oder
Getränke
Fleischbrühe
Kuhmilch
Eier
Fl ei seh Solu
tion (Leube-
Rosenthal)
Cakes
(Albert-Bis-
quits)
I.
Grösste
Menge auf
einmal
250 g
(i/4 Liter)
250 g
(Vi Liter)
1—2 Stück
30—40 g
6 Stück
Kost (circa
Zubereitung
A u s Rindfleisch
Gut abgesotten,
event. sterilisirt
(Soxhlet'scher
Apparat)
Ganz weich,
eben nur erwärmt
oder roh
--
10 Tage).
Beschaffenheit
Fettlos, wenig oder
nicht gesalzen
Vollmilch (event.
!/3 Kalkwasser,
2/3 Milch)
Frisch
Darf nur einen
schwachen Fleisch-
brühgerueh haben.
Ohne Zucker
Wie zu nehmen
Langsam
(event. mit etwas
Thee)
Wenn roh, in die
warme nicht ko
chende Fleisch
brühe verrührt
Theelöffelweise
oder in Fleisch
brühe verrührt
Nicht einge
weicht, sondern
gut kauen und
einspeicheln
Die Diätetik. 277
Speisen oder
Getränke
Wasser
Grösste
Menge auf
einmal
Zubereitung Beschaffenheit Wie zu nehmen
V8 Liter Gewöhnliches oder
natürliches kohlen
saures, mit schwa
chem Kohlensäure-
gchalt (Selterser)
IL Kost (circa 10 Tage).
Nicht zu kalt
Kalbshirn
Kalbsbries
(Thymus
drüse)
Tauben
Hühner
Rohes Rind
fleisch
Rohe Rinder
wurst
Tapioka
100 g
100 g
1 Stück
1 Stück
von Tauben-
grösse
100 g
100 g
30 g
Gesotten
Gesotten
Gesotten
Gesotten
Fein gehackt
oder geschabt
mit wenig Salz
Ohne Zuthat
Mit Milch
als Brei gekocht
Von allem Haut-
artigen befreit
Ebenso, besonders
sorgfältig heraus
geschält
Nur jung ohne
Haut, Sehnen und
Aehnliches
Ebenso
(kleine Masthühner)
Vom Filet zu
nehmen
Wenig geräuchert
—
A m besten in der
Fleischbrühe
Ebenso
Ebenso
Ebenso
Mit Cakes zu
essen
Ebenso
—
III. Kost (circa 8 Tage).
Taube
Huhn
Beefsteak
Schinken
1 Stück
1 Stück
100 g
100 g
Mit frischer Nur junge ohne
Butter gebraten Haut u. s. w.
nicht zu scharf
Ebenso
Mit frischer
Butter, halbroh
(englisch j
Roh, fein ge
schabt
Ebenso
Das Fleisch vom
Filet, gut geklopft
Schwach geräuchert,
ohne Knochen sog,
Lachsschinken
Ohne Sauce
Ebenso
Ebenso
Mit Weissbrod
27« Die Diätetik.
Speisen oder
Getränke
Milchbrod od.
Zwieback od.
Frciburger
Bretzeln
Kartoffeln
Blumenkohl
Reh
Rebhuhn
Roastbeef
Filet
Kalbfleisch
Hecht, Schill,
Karpfen,
Forelle
Oaviar
Reis
Spargel
Rührei
Eier-Auflauf
Obstmus
Rothwein
Grösste
Menge auf
einmal
50 g
50 g
50 g
IV. I
100 g
1 Stück
100 g
100 g
100 g
100 g
50 g
50 g
50 g
2 Stück
2 Stück
50 g
100 g
Zubereitung
Knusperig ge
backen
a) als Brei durch
geschlagen
b) als Salzkartof
feln zerdrückt
Als Gemüse
in Salzwasser
gekocht
Beschaffenheit
Altbacken
(sog. Semmeln,
Wecken etc.)
Die Kartoffeln
müssen mehlig,
beim Zerdrücken
krümelig sein
Nur die Blumen
zu verwenden
Cost (circa 8 — 14 Tage).
Gebraten
Gebraten
ohne Speck
Rosa gebraten
Ebenso
Gebraten
[Gesotten in
Salzwasser, ohne
Zusatz
Roh
Als Brei, durch
geschlagen
Gesotten
Mit wenig-
frisch er Butter
und Salz
Mit etwa 20 g
Zucker
Frisch gesotten
durch geschlagen
Leichter, reiner
Bordeaux
Rücken, abgehängt,
doch ohne Hautgout
Junge Thiere ohne
Haut, Sehnen, die
Läufe etc. abgehängt
Von gutem Mast
vieh, geklopft
Ebenso
Rücken oder Keule
Sorgfältige Ent
fernung der Gräten
Wenig gesalzener,
rassischer Caviar
Weich kochender
Reis
Weich ohne die
harten Theile
Muss gut aufge
gangen sein
Von allen Kernen
und Schalen befreit
Oder eine entspre
chende reine Roth
weinsorte
Wie zu nehmen
Sehr sorgfältig
zu kauen, gut
einspeicheln
—
— s
W a r m oder kalt
Ebenso
Ebenso
In der Fisch
sauce
—
—
Mit wenig zer
lassener Butter
Sofort zu essen
—
Leicht ange
wärmt
Die Diätetik. •279
Wenn wir nun an der Hand dieser Grundlinien zu dem Diät
plan in einem uns etwa vorliegenden Fall übergehen wollton. so
treten uns weitere Schwierigheiton in den Wog. Hierzu uehört die
Lorücksichtigung der Lehensgowohiiheiton des Kranken, seiner Nei
gungen und Abneigungen gegenüber gewissen Nahrungsmitteln, dos
Wunsches nach Abwechslung in der Küche, der sucrossiven Abände
rungen je nach dem Wechsel des Befindens u. a. mehr.
Wir werden uns bei der Kostanordnimg im ganzen von dem
Prinzip leiten lassen, den Kranken von den passenden Nahrungs
mitteln zunächst die erfahrungsgomäss am leichtesten verdaulichen
zu verordnen. Nun ist der Begriff »Verdaulichkeit < allerdings ein
sehr schwankender, ja allgemein gesagt giebt es, wie ich an anderer
Stelle schon vor Jahren genauer ausgeführt habe,1) leicht- oder
schwerverdauliche Nahrungsmittel überhaupt nicht. Auf der anderen
Seite kann über die Verdaulichkeit gewisser Nahrungsmittel die
Meinung kaum getheilt sein. Wir wissen, dass grössere Mengen
von Fetten, von Kohlarten, von Zucker und zuckerhaltigen Substanzen,
dass ferner Alkohol in grossen Quantitäten die Venia.uungsJ'unctioiien
mehr oder weniger stark belästigen. Nur in einzelnen Fällen, nämlich
bei Atonie des Darmcanals und intacten Mageiitünctionen, können
wir von dieser Erfahrung ohne Gefahr abweichen, weil gerade in
solchen Fällen die unverdauten, bezw. unverdaulichen Nahrungsreste,
sowie der Gährung anheimfallende Substanzen einen salutären Reiz
auf die verringerte Bcfiexthätigkeit des Darmcanals ausüben.
Je besser wir über die subjeetiven und objeetiven Störungen
des Verdauungsgeschäftes im einzelnen unterrichtet sind, u m so
sicherer werden wir bei der specietlen Kostbestimmung das Passende
für den Kranken wählen.
Diese specielle, von Fall zu Fall mit kleineren oder grösseren specien? Kn*t-
Abweichungen verbundene Kostanordnung erfordert selbstverständ
lich eine eingehende Instruction des Kranken. Dieselbe muss ent
halten :
1. eine genaue Zeitangabe für die einzelnen Mahlzeiten;
2. ein erschöpfendes Verzeichniss der erlaubten Nahrungs- und
Genussmittel;
3. eine einigermassen genaue Angabe der in Betracht kommen
den Gewichtszahlen und Mengen der Speisen und Flüssig
keiten;
ij Boas, Berlin, klin. Wochenschr. ISUO, No. 20 23.
280 Die Diätetik.
4. kurze Notizen über die Zubereitung der Speisen, Temperatur
der Getränke und sonstige für den Einzelfall in Betracht
kommende Bemerkungen;
ö. möglichst specielle Angaben über Verbotenes oder allenfalls
Erlaubtes.
ad 1. Eine Regelung der Zeit für die einzelnen Mahlzeiten ist
erwünscht, weil sehr häufig die Frsache oder wenigstens ein Begleit
moment der Verdauungsstörungen eine falsche Zeiteintheilung dar
stellt. Im ganzen wird als Grundsatz festgehalten werden müssen,
kleine und häufige Mahlzeiten zu reichen, doch ist dies keineswegs
in allen Fällen nützlich oder gar nothwendig. Denn die häufige
Ingestion ist auch mit einem nicht zu übersehenden Missstand ver
knüpft, nämlich dem Mangel an Ruhepausen für das kranke Organ.
Die letzteren sind besonders in Fällen von abnorm gesteigerter
Drüsensecretion zu berücksichtigen. Im allgemeinen eignen sich die
häufigen und kleinen Mahlzeiten bei allen Zuständen von Hypotonie
oder Stenose des Pylorus, wo die Magenmuskulatur kleine Quanti
täten gut bewältigt und erst bei grösseren sich insufficient verhält.
Aber auch in den erstgenannten Fällen ist genaue Zeiteintheilung
erwünscht, u m nicht einerseits Ueberladung, andererseits frustrane
Magensaftabsonderung mit ihren ungünstigen Einwirkungen auf die
Magenschleimhaut herbeizuführen.
ad 2. Im ganzen pflegt gegen diesen Punkt nach meinen Er
fahrungen häufig gefehlt zu werden. Man verbietet mehr und erlaubt
weniger, als dem Kranken gut ist. Ich hin der Meinung, dass der
Arzt die Pflicht hat, sich bei jedem diätetischen Verbot streng zu
fragen, oh es nach Lage des Falles berechtigt ist. Der Einwurf,
dass man durch grosse Connivenz mehr als durch das Gegentheil
schaden könne, ist nicht stichhaltig, da wir auch durch übermässige
Entziehung den Gesammtorganisnius schädigen und ihm in vielen
Fällen die Möglichkeit nehmen, einen Ausgleich für die an sich schon
geschwächte und verminderte Assimilation zu finden. Auch darf
nicht übersehen werden, dass sich durch eine zu enge Umgrenzung
des Erlaubten leicht eine gewisse Monotonie, ja selbst Ekel gegen
die Küche einstellt, die sich entweder in zeitweiser Anorexie oder
noch schlimmer in einem violenten Durchbruch der Diätvorschriften
äussert und hierdurch das Leiden steigert.
ad 3. Die Wichtigkeit genauer quantitativer Dosirung der In
gesta bedarf kaum einer Begründung. Die erstere ist nicht schwer,
wenn man sich über die notwendigen Gewichts- und Volumenzahlen
der Speisen und Getränke beim Gesunden einmal praktisch klar
Die Diätetik. 281
geworden ist. Auch braucht man hierbei keineswegs pedantisch
vorzugehen und die Gewissenhaftigkeit bis zum Skrupel zu treiben
— nur soll man nicht Maassoinhoiten wie Ta^senkopf, Weinglas. Fss-
löffel, Teller wählen, welche herkömmlich in den weitesten Grenzen
differiren.
ad 1. Angaben über die Art der Zubereitung der Ingesta sind
häutig nothwendig. Zuweilen richtet der Kranke selbst dahingehende
Fragen. Die Bemerkungen sollen sich beziehen auf die Zubereitungen
des Fleischte (roh, halbweich, weich), auf Beigabe etwaiger Saucen
(ein wichtiger Punkt!) und Herstellung der letzteren, fernerauf etwa
nothwendige künstliche Zerkleinerung des Fleisches (Wiegen, Haehi-
ren u. a.), endlich auf Zuthaten von Gewürzen (Salz, Pfeffer, Paprika,
Senf, Citrone, Muskat. Essig, Gel u. a.). Dasselbe gilt auch für Fische.
Bei Gemüsen, Mehlspeisen, Compots ist gleichfalls die Frage der Zu
bereitung von Wichtigkeit; bei erstcren besonders die mechanische
Zerkleinerung, die Wahl der Zuthaten (Fette, Zucker, Gewürze,
Säuren u. s. w.), bei den Gompots die Art der Herstellung (in ur
sprünglicher Form, Muss, Zucker-, Säurezusatz oder ähnliches).
Für Getränkt1 und Flüssigkeiten (Suppen, Kaffee, Theo) kommt
vor allem die Temperatur1) in Betracht. Ausserdem ist für Alko-
holica von Bedeutung der Alkohol- und Zucker-, bei Mineralwässern
der Kohlensäuregehalt. Für Theo, Kaffee und Gaoao sind Angaben
über die Stärke der Aufgüsse, bezw. etwaige Zuthaten (Zucker, Milch,
Rum, Gognac) von Wichtigkeit.
ad 5. Hierbei muss wohl unterschieden werden zwischen ver
botenen Nahrungsmitteln und der Art der Zubereitung an sich er
laubter. Je specioller und eingehender die Angaben, desto besser für
den Kranken und u m so seltener der peinliche Vorwurf seitens des
Kranken, dass dies oder jenes überhaupt nicht Gegenstand der Be
sprechung gewesen sei. Häufig spielt auch die Qualität der Substanz
eine wichtige Rolle, indem ein an sich erlaubtes Nahrungsmittel
(z. B. Hammelfleisch) durch abnorme Beschaffenheit (z. B. grossen
Fettgehalt) zu einem schwer verdaulichen wird.
Wie man sieht, ist eine lege actis zu ertheilende Diätvorschrift
eine complieirte und namentlich für den Anfänger schwierige Aufgabe,
zumal es hierin den jüngeren Medicinern (im Gegensatz zum Reeept-
schreiben) meist an der nöthigen Anleitung fehlt. Fnsere moderne
mit Maschinenbetrieb arbeitende Zeit hat nun auch hierfür einen Ersatz
i) Vergl. hierüber die lehrreiche Abhandlung von Fffelmanu, Feber die
Temperatur unserer Speisen und Getränke. Wiener Klinik IsbT. lieft 0.
282 Die Diätetik.
in der Herstellung diätetischer Abreisskalender finden wollen. Be
trübend ist es, diesen Unfug auch von wissenschaftlich geschätzten
Acrzten ausgeübt und vertheidigt zu sehen, denselben Aerzten, die
sich gar nicht genug thun können in der Betonung streng indivi-
dualisirender Behandlung. Nach meiner Erfahrung ist eine Schablone
auf dem Gebiete der Diät mit dem Geiste einer individualisirenden
Behandlung völlig unvereinbar. Als Consequenz dieser Anschauung
stelle ich den Satz auf: »Fort mit den gedruckten oder anderweitig
vervielfältigten Diätzetteln.« Jeder Kranke muss seinen eigenen, ge
schriebenen, der Eigenheit des Falles, dem Zustand seiner Ernährung,
seinen Lebensgewohnheiten u. s. w. angepassten Küchenzettel empfan
gen. W e m dies zuviel Mühe macht, versuche sich lieber auf anderen
Gebieten als dem der Heilkunst!
Ganz anders steht es u m die Frage, ob es angemessen sei, dem Arzte zu
didaktischen Zwecken eine Anleitung für das »Verschreiben« von Diätzctteln zu
gclicn. Diese Frage ist entschieden zn bejahen. Hervorragende Kliniker, wie
Leube, Penzoldt n. a. haben mit vollem Recht für den Gebrauch und zur
Anleitung des Arztes derartige Diätformeln angegeben; ich selbst habe im spe-
ciellcn Theil dieses Werkes I »iätvorsehriften zum Gebrauch für Aerzte aufgestellt.
Sie dienen aber nur als Paradigmen, nicht zum gedankenlosen Abschreiben.
Diät bei W a s die diätetischen Vorschriften bei den einzelnen functionellen
Functions- Störungen betrifft, so ist mehr als allgemeine Gesichtspunkte zu
Störungen, gehen, nicht gut möglich. A m klarsten liegen die Verhältnisse bei
schweren Motilitätsstörungen, bedingt durch Stenosebildungen. Hier
kommt es vor allem darauf an, die eingeführten Substanzen in einer
Form zu reichen, welche dem Durchtritt durch den verengten Pförtner
keine Schwierigkeit bereitet. Die idealste Ernährungsart. wäre hier die
flüssige. Dies wird durch die praktische Erfahrung in Fällen schwerer
Pylorusstenosen vollauf bestätigt. Es steht nur der ungemein wich
tige Gesichtspunkt entgegen, dass sie zur Förderung, bezw. Erhaltung
des Organismus nicht ausreicht. Wir werden also immerhin danach
trachten müssen, neben flüssigen auch kleine Mengen fester Sub
stanzen zu geben. Hierbei spielt aber eine entscheidende Rolle die
Magensaftsecretion. Ist dieselbe ausreichend, wie dies bei gutartigen,
aber auch zuweilen hei malignen Pylorusstenosen der Fall ist, so
kann man von Eiweisssubstanzen auch gut zubereitete in fester Form
geben: also die leichteren Fleisch- und Fischarten, von Kohlen
hydraten die in Breiform zu bringenden und von festen Fetten kleine
Quantitäten Butter (etwa 50 — 60 g pro die). Ganz anders dagegen
muss sich die Diätvorschrift bei Pylorusstenosen mit erloschener oder
nahezu erloschener Secretion verhalten: hier werden in Wasser un
lösliche Eiweisskörper überhaupt nicht oder nur in sehr geringem
Die Diätetik. 283
Umfange verdaut und es besteht daher unsere diätetische Aufgabe
darin, die zur Erhaltung notwendigen Eiweisskörper in flüssigen
Vehikeln unterzubringen. Dasselbe gilt auch für Kohlenhydrate.
Frsteres geschieht durch Albumosen, Peptone, Fleischpulver, Fleisch-
und Fischpureesuppon, letzteres durch concentrirte Amylacceu- oder
Leguminosensuppen, dextrinhaltige Suppen, von denen wir ja eine
grosse Auswahl besitzen (s. u. S. 2!)2). Auch hier sind geringe Butter
mengen, gleichfalls in Suppen untergebracht, gestattet.
Einen wichtigen Einfluss auf die Diät in solchen Fällen üben
die bei Pylorusstenosen unausbleiblichen Gährungen und Fäulniss-
processe aus. Je mehr wir aber durch eine rationelle Diät uns der
Passagestörung anpassen, mit anderen Worten, je mehr wir bei einer
genau bestimmten Diät völlige Magonentleerung innerhalb der nor
malen Zeiten erzielen, u m so weniger wird es zu Magengährungen
kommen. Auf die letzteren, die früher immer im Vordergrund der
Erwägung standen, wird demnach erheblich weniger Rücksicht zu
nehmen sein als auf die rechtzeitige Fortschaftüng des Mageninhalts.
Wie wichtig für die Beurtheilung dieser Sachlage systematische
Messungen des nüchtern restirenden Mageninhalts sind, wie sie in
meiner Privatklinik seit Jahren geübt werden, bedarf wohl keines
besonderen Hinweises.
Aehnlich wie bei Stenosen liegt die Ernährungsfragc auch bei
Atonieen: wir wissen heutzutage, dass Flüssigkeiten jedenfalls den
Magen schneller verlassen als feste Substanzen; es wird also auch
hier unser Bestreben sein, die Substanzen in breiiger oder flüssiger
Form zu reichen und letzteres unisoinehr, je mehr die Magensccretion
erloschen ist.
W a s weiter die reinen, nicht durch mechanische Insufficienz
complicirten Secretionsstörungen betrifft, so sind über unser diäte
tisches Vorgehen die Ansichten noch sehr getheilt. Bei der Super
acidität z. B. fordert die Theorie möglichste Vermeidung von Amylaceen
und prononcirtc Empfehlung von Fleisch, sowie überhaupt Eiweiss-
körpern, in der Annahme, dass hierbei die überschüssige Salzsäure
am besten gebunden und so deren Reizwirkung auf die Magenschleim
haut verhütet wird. Andererseits fohlt es auch nicht an Stimmen,
welche gerade umgekehrt von der reichen Fleisch- und Eiweisszufuhr
eine Reizung der Magensaftseeretion befürchten und daher der Aniv-
laeeennahrung das Wort reden. Dieser Standpunkt, der schon vor
einigen Jahren in v. Sohlern 1) einen Veitheidiger gefunden hat, ist
M v. Sohlern, Berliner klin. Wochenschrift IS'.U, No. 20 21.
284 Die Diätetik.
in jüngster Zeit durch eine interessante Arbeit von JürgensenD in
Kopenhagen wieder in den Mittelpunkt der Discussion gerückt.
Jürgensen plädirt auf Grund seiner Erfahrungen sowie der Versuche
von v. Sohlern und v. Jaksch am Gesunden, denen sich die von
A. Schule2) anschliesscn, für eine vorwiegend vegetabilische Diät
bei Reizzuständen der Magensaftabsonderung. W a s die letzteren be
trifft, so giebt sie Jürgcnsen allerdings als zu wenig umfangreich
preis. Wichtiger sind die Erfahrungen des genannten Autors, die
sich auf mehr als ein Decennium beziehen. Leider fehlen aber gerade
hier die notwendigen Details in Form von Krankengeschichten. Der
Mangel derselben lässt die Frage offen, ob die vegetabilische Diät
bei Superacidität ein Palliativmittel ist, mit anderen Worten, ob die
Kranken nur bei dauernder Anwendung derselben von den mit jener
verbundenen Reizerscheinungen frei sind, oder ob hierbei die Super
acidität geheilt wird. W a s den erstgenannten Punkt betrifft, so muss
ich auf Grund einer bisher allerdings nicht grossen Beobachtungs
reihe zugeben, dass vegetarische Diät von Kranken mit Superacidität
und entsprechenden Reizerscheinungen bisweilen auffallend gut ver
tragen wird. In zwei oder drei Fällen hat auch die Prüfung der
Säurewerthe Verringerung derselben ergeben, selbstverständlich ohne
gleichzeitige Anwendung irgend eines anderen Mittels. In einem
weiteren Falle dagegen war die vegetarische Diät ganz ohne jeden
Einfluss auf die Beschwerden und auf die Säureproduction. Jeden
falls verdienen die Erfahrungen des oben genannten Autors weitere
sorgsame Nachprüfungen.
Die obigen Bemerkungen beziehen sich lediglich auf die un-
complicirte Superacidität, sei sie nun ein Vorbote des Ulcus, oder
ein Symptom der Gastritis aeida, oder endlich rein nervöser Natur.
W o immer zugleich eine motorische Insufficienz vorliegt, überwiegt
so sehr die Aufgabe, die Diät unter dem Gesichtspunkte der schnellen
Magenentleerung festzustellen, dass die Berücksichtigung der Säure
production, die wesentlich von letzterer abhängt, erst in zweiter Linie
steht.
Wiederum andere Grundsätze sind bei der mit llcm ventriculi
verbundenen Superacidität vorhanden. Hier tritt vor allem das Be
strehen in Kraft, mechanische, chemische und thermische Reize und
Noxen in der Diät zu vermeiden, wobei die Bevorzugung vegeta
bilischer gegenüber animalischen Substanzen wiederum in den Hinter-
i) Jürgensen, Arch. f. Verdauungskrankheiten Bd. 3, S. 2, 1897.
-) Schule, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 28 u. 29.
Die Diätetik. 285
grund tritt. Freilich haben die orsteron in Gestalt von Suppen und
Breien den grossen Vorzug, dass sie den Magen möglichst schnell
verlassen, während Fleisch auch bei sonst passender Zubereitung
immerhin eine gewisse Magensaftaction erfordert.
Die umgekehrte Functiomanomalie, das Versiegen der Magen
sattabsonderung, die Aehgiia gastrica, wie sie von Einhorn zuerst
genannt ist, mit ihren verschiedenen Durchgangsstadien erfordert fol
gende diätetische Berücksichtigung: Die Eiweisskörper speciell das
Fleisch, sind an sich in normalen Mengen zu reichen, nur in gewählter
Qualität und passender Zubreitung; künstliche Eiweisspräparate sind
kaum nöthig. Martius1) meint allerdings, man könnte dem Magen
auch schwerere Fleischkost zumutheu, und er hat sich von deren vor
trefflicher »Verdauung« überzeugt. Dass dies bei guter Duodenal-
verdauung an sich möglich ist, unterliegt durchaus keinem Zweifel,
fraglich ist nur, ob es gerathen ist, dem Darm die Arbeit aufzu
bürden, die er unter normalen Verhältnissen mit dem Magen zu
theilen gewohnt ist. Wir glauben demnach, an den oben genannten
Prinzipien festhalten zu sollen. Sehr gut werden hier die vegeta
bilischen Substanzen, soweit sie in breiige Form zu bringen sind,
verdaut, und es muss daher unsere Aufgabe sein, sie in der Diät
in Form von amylaceenhaltigen Suppen, Pureegemüscn, Mehlspeisen
und Aufläufen, auch Gompots, besonders zum Ausdruck zu bringen.
Ausdrücklich zu erwähnen ist, dass Fette bei diesen Formen von
Secretionsstörungen, von individuellen Ausnahmen abgesehen, vor
trefflich vertragen werden. Voraussetzung für diese Diätvorschriften
ist, dass die Motilität des Magens gut und der Pförtner durchgängig
ist, Bei Complicationen der Achylie mit letzteren treten die Grund
sätze ein, die wir oben besprochen haben.
Recht schwierig gestaltet sich die Diät beim Carcinom. Auch
hier ist das Entscheidende, ob eine Verengerung des Magens, also
Retention vorliegt oder nicht. Im letztgenannten Falle kann die
Diät sich ganz im Rahmen der soeben bei der chronischen Ga
stritis besprochenen Grundsätze bewegen. Maassgebend ist aber
hier vor allem der Appetit, Bei Fehlen desselben sind wir ledig
lich auf das Probiren angewiesen, scholastische Anschauungen von
Schwer- oder Leichtverdaulichkeit treten zurück gegenüber dem weit
eindringlicheren Erforderniss, den Kranken überhaupt über Wasser zu
halten. Wie leicht kann man solche Kranke durch ein harmloses
Genussmittel erfreuen und hierdurch über den Abstand zwischen
i) Martius, Ueber Achylia gastrica. Wien und Leipzig 1897.
286 Die Diätetik.
einst und jetzt, den sie am meisten an ihrem Magen fühlen, hinweg
täuschen! Auch das ist ein Theil der ärztlichen Deontologie! Nur
absolut schädliche Nahrungsmittel, wie Mayonnaisen, Speck, Salate,
Kohlarten verbanne man energisch! Die in den 70er Jahren von
Beneke u. a. vertretene Anschauung von der günstigen Beeinflussung
des Carcinoms durch vegetabile Kost hat sich in der Praxis nicht
bewährt, nur wird dieselbe in den meisten Fällen der animalen vor
gezogen. Dass aber das Carcinom an sich nichts damit zu thun hat,
ersehen wir daraus, dass z. B. Patienten nach erfolgreicher Gastro
enterostomie wieder zur gemischten Kost wie in gesunden Tagen
zurückkehren und dabei ausgezeichnet fortkommen.
Ueber Resorptionsstörungen als Symptome von Magenkrank
heiten sind unsere Kenntnisse leider noch recht lückenhaft. Ob über
haupt selbständige genuine Störungen im Lymphapparat des Magens
vorkommen, darüber fehlt es an Erfahrungen. Im ganzen dürfte
aber diese Functionsaiiomalie auf unsere diätetischen .Anordnungen
von unerheblichem Einfluss sein. Denn wie wir aus den Thier-
versuchen von Ogata 1) und denen am Menschen von v. Noor
den-) wissen, genügt der Darm für die Resorption völlig, und des
gleichen lehren die Beobachtungen von Atrophie der Drüsenschicht
des Magens, dass hiermit keineswegs directe Ernährungsstörungen ver
bunden zu sein brauchen, solange nur der Darm seine Schuldigkeit
thut. Dagegen dürften bei Erkrankungen der Blut- und Lymphge
fässe (Varicose, Amyloid u. a.), desgleichen bei degenerativen Pro
cessen des Nervenplexus und der Gangliengruppen Pesorptions-
störungen nicht ausbleiben. In diesen Fällen dürfte Vermeidung
schwer resorbirbarer Nährstoffe geboten sein: hier wären also Albu
mosen, Dextrine und andere ähnliche Nährmittel mit Nutzen ver
wendbar.
Sensorielle Störungen im Magenbereich sind entweder der Aus
druck einer organischen Erkrankung oder ein Symptom der sogenannten
nervösen Dyspepsie in ihren wechselvollen Erscheinungen.
In manchen Fällen, namentlich der ersten Gruppe, sind wir
im Stande, durch zweckmässige Anordnungen dem sich während
der Verdauung äussernden Missbehagen wirksam zu steuern. So
können wir bei Gastralgieen, die infolge Genusses kalter Getränke auf
treten, durch strenge Temperaturregelung den Eintritt derselben ver
hüten. In anderen Fällen, wo ähnliche Erscheinungen durch Genuss
i) Ogata, Arch. für Anatomie und Physiol. Physiol. Abth. 1883, S. 89.
•-) v. Noorden, Zeitschr. f. klin. Mediein Bd. 17, 1890.
Die Diätetik. 287
scharf gewürzter, saurer Nahrungsmittel bedingt werden, ist gleich
falls eine Remedur durch Verbot derselben gegeben.
Anders bei der nervösen Dyspepsie und den hiermit verwandten
Formen. In solchen Fällen fehlt uns jede Berechnung. Dies erhellt
schon daraus, dass Substanzen zuweilen gut, ja vortrefflich vertragen
werden, die zu anderen Zeiten die unangenehmsten Beschwerden im
Gefolge haben. Hierzu gehören keineswegs, wie man glauben sollte,
die sog. schwer verdaulichen Speisen, sondern gerade umgekehrt
solche, deren Zuträglichkeit allgemein erprobt ist, In diesen Fällen
ist ein vorsichtiges Expcrimentiren unerlässlich.
Soweit meine Beobachtungen mich gelehrt haben, ist in allen
diesen Fällen von caprieiösem, launischem Magen eine abwechselungs
reiche, dabei reichliche Kost eine wesentliche Bedingung für das
Wohlbefinden: nirgends passen Milch- oder Entziehungsriiren schlechter
als bei Neurasthenikern des Magens. Namentlich hüte man sich vor
Entziehung von Fett,
Aehnliches gilt auch für die proteusartigen Formen von »ner
vösem Erbrechen«. Durch vorsichtiges, systematisches Probiren wird
man sich am schnellsten Klarheit verschaffen, was der Magen am
besten verträgt, Als Grundsatz gilt aber für alle Fälle von nervösem
Erbrechen: Vermeidung grösserer Flüssigkeitsquantitäten, speciell
während der einzelnen Mahlzeiten und unmittelbar nachher.
Störungen einer einzelnen Function gehören bei chronischen
Störungen des Verdauungsapparates zu den Seltenheiten; wir haben
nur dem Schema zu Liebe im Vorhergehenden die einzelnen Func-
tionsanomalieen behandelt. Es ist daher die Berücksichtigung aller
klinisch in Betracht kommenden Factorcn für die rationelle Er
nährung im Einzelfalle unerlässlich. Auch gilt das Gesagte nur für
Fälle idiopathischer Magenstörungen, während bei seeundärer Beein
trächtigung des Digestionsapparates vor allem die diätetische Berück
sichtigung des Grund.feidens nothwendig ist. Dass indessen auch
hierbei die Kenntniss von dem Verhalten der Vcrdauungsfunotionen
nicht zu unterschätzen ist, unterliegt wohl keinem Zweifel.
Zu den objeetiven Fntersuchiingsergebnissen gehören streng ge
nommen auch StoffWechsel'Untersuchungen, insofern sie uns lehren,
ob die einzelnen Componenton der Nahrung assimilirt werden und
in dem Körper als Fleisch- oder Fettansatz zum Ausdruck kommen
oder aus irgend einem Grunde den Körper unausgenutzt verlassen
oder trotz guter Resorption im Körper zerstört werden. Derartige
systematisch fortgeführte Stoffwcchseluntersuchungen hätten grosse
Vorzüge, sie würden präciser als die Wage Antwort schon auf ge-
288 Die Diätetik.
ringste Schwankungen des Stoffwechsels nach der einen oder an
deren Richtung geben. Leider sind sie noch zu complicirt, u m am
Krankenbett Verwendung zu finden. Eine weitere Methode, die ge
legentlich Aufschluss geben und zum Wegweiser für unser diäteti
sches Flandeln dienen kann, ist die Untersuchung der Faeces. Be
sonders leicht begegnen wir bei schweren Catarrhen des Magens, die
häufig auch mit solchen des Darmes verbunden sind (Biedert,
M. E i n h o r n , B. O p p l e r ) , unverdauten Muskelfasern, ja sogar
völlig unverdauten Fleischstücken in ansehnlicher Grösse in den De-
jeeten. Selbstverständlich kommen geringe Mengen von Muskel
fasern, zumal bei reichlichem Fleischgenuss, auch normaler Weise
vor. Bei gewisser Uebung in der Untersuchung normaler und ab
normer Faeces und unter Berücksichtigung des letztgenannten Punktes,
ist ein Urtheil über pathologische Vermehrung von Muskelfasern mög
lich, falls wiederholte Untersuchungen gleichsinnig ausfallen.
In ähnlicher Weise geben uns Prüfungen der Faeces hinsichtlich
etwaiger unvollständiger Stärkeverdauung (Prüfung mit Jod-Jodkalium,
Zuckerprobe) oder Fettverdauung (Bestimmung der Fette, Fettsäuren
und Seifen nach den hierfür geltenden Regeln) brauchbare Anhalts
punkte über die Nothwendigkeit etwaiger Einschränkungen betreffs
dieser Nährstoffe.
Künstliche Nährpräparate.
Die Thatsache. dass Eiweisskörper im Magen häufig unverdaut
bleiben oder nur zum geringen Theil gelöst werden, bot Chemikern
und Physiologen schon seit langem Veranlassung, Präparate herzu
stellen, die künstlich derart vorbereitet sind, dass sie direct zur Auf
saugung gelangen können. In ähnlicher Weise wurde auch versucht,
Kohlenhydrate durch eigenartige Zubereitung in eine leicht lösliche,
von allem Schlackenmaterial befreite Form, meist Pulverform, über
zuführen. Endlich ist auch der Versuch gemacht worden, Fette in
eine für die Verdauung zweckmässigen1! Form zu bringen.
W a s zunächst die künstlich verdauten Eiweisskörper betrifft,
so sind sie in verschiedener Weise hergestellt, theils durch künst
liche Digestion mittelst der bekannten Enzyme (Pepsin, Papain, Pan-
creatin), theils durch Einwirkung überhitzten Wasserdampfes. Bei
einzelnen Präparaten ist die Herstellung unbekannt. Man bezeichnet
derartige künstliche Producte als Peptone oder richtiger Albumosen.
Im Laufe der letzten zwei Decennien ist eine grosse Zahl der
artiger Producte auf den Markt gebracht worden, und namentlich
Die Diätetik. 289
weisen die letzten 10 Jahre in Bezug auf die Verbesserung des Ge
schmackes, sowie die Concentration dieser Albumosen, grosse Fort
schritte auf. Es kann ferner als bewiesen betrachtet werden, dass
die Albumosen ebenso wie Fleisch im Körper zum Ansatz gelangen,
dass also in denselben bis zu einem gewissen Grade ein Ersatz für
Eiereiweiss, Fleisch oder Fisch erblickt werden kann (v. Noor d e n
und Deiters1), K u h n und Völker)2).
Die Praxis scheint darauf hinzudeuten, dass für derartige Pro
ducte ein grosses Bedürfniss vorliegt, und das Publikum, verleitet
durch ungewöhnliche Versprechungen in den Tagesblättern, verlangt
dringend nach der Anwendung dieser Präparate, aus denen es neues
Leben und neue Kräfte zu gewinnen hofft. Die exaote Wissenschaft
darf sich hierdurch nicht beirren hissen, sie muss, unbeeinflusst von
dem Tagesgeschrei, mit dem wahren Werth der Nährmittel rechnen
und, falls die Ergebnisse objeetiver Prüfung es heischen, vor deren
Ueberschätzung warnen.
Die erste Frage lautet nun: Liegt überhaupt ein Bedürfniss für
solche künstlichen Mittel vor, und wenn, für welche FälleV Es kann
letzteres unter dreierlei Umständen der Fall sein: einmal wo eine
natürliche Peptonisinnig oder richtiger Albumosirung nicht stattfindet.
Das geschieht am häufigsten bei der chronischen glandulären Gastritis,
sodann aber auch bei Fällen von Magencarcinoni, und auch bald
dauernd, bald nur vorübergehend bei anderen Magenaffectionen. Bei
der chronischen Gastritis, bei der sich eigentlich das Bedürfniss nach
derartigen Ersatzmitteln am meisten fühlbar machen sollte, liegt er-
fahrungsgemäss nie ein Grund dazu vor. Haben die Kranken Appetit,
dann vertragen sie auch natürliches Eiweiss und deren Producte, vor
ausgesetzt, dass sie passend zubereitet sind. Fehlt es daran, so
würden auch künstliche Mittel nicht im Stande sein, das im Körper
entstehende Eiweissdefieit in irgendwie in Betracht kommendem
Ablasse zu decken. Acimlich liegt es beim Magencarcinoni. Mit den
wenigen Grammen Eiweiss, die wir dem Kranken in Gestalt von
Albumosen zuführen, ist wenig geholfen: der Kranke selbst erkennt
dies nur zu bald, und das Nährpräparat, an das er sich noch heute
mit seiner ganzen Hoffnung geklammert, giebt er schon morgen ent
täuscht preis. Grosse Mengen Albumosen zu reichen, ist wiederum
wegen des hohen Preises, sodann aber auch bei dem sich schnell ein-
i) v. Noorden, Beiträge zur Lehre vom Stoffwechsel des gesunden und
kranken Menschen. Heft 1, 1892.
'^) Kuhn und Völker, Deutsche medicinische Wochenschrift 1804. No. 41.
Boas, Allg. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. J9
290 Die Diätetik.
stellenden Widerwillen und anderen Unzuträglichkeiten (Diarrhoeen)
— Ausnahmen kommen natürlich vor — meistens unmöglich.
Zweitens könnten Albumosengemisehe da indicirt sein, wo wir
absichtlich den Magen schonen und ihm eine Kost zuführen wollen, die
möglichst wasserlöslich und hierdurch geeignet ist, schnell in den Darm
überzugehen. Eine solche Indication liegt z. B. beim Flcus ventri
culi, ferner auch bei hochgradigen Motilitätsstörungen, speciell bei
Stenosebildungen am Pylorus vor, welcher Ursache sie auch immer
ihre Entstehung verdanken. In der That zählt die Darreichung der
Leuhe-Rosenthal'schen Fleischsolution als Unterstützungsmittel
der Ernährung bei Ulcus ventriculi zahlreiche Anhänger. Weniger
acceptirt ist die Albumosedarreichung bei Pylorusstenosen, obgleich
gerade hier, zumal in den Fällen, wo auch die Salzsäuresecretion
erloschen ist, eine Unterstützung der Ernährung nicht ohne Werth ist.
Endlich könnte man daran denken, die Albumosen als Förde
rungsmittel der Ernährung überhaupt zu geben, also in Fällen, wo
durch die Krankheit selbst oder die nothwendigerweise damit ver
bundene Diät eine Schwächung des Körpers verursacht ist. Diese In
dication ist am wenigsten zu begründen. Denn, wie Klemperer 1)
noch vor kurzem in treffender Weise ausgeführt hat, ist selbst der
Nährwerth der hochconcentrirten Albumosen immer noch ein so ge
ringer, dass er mit unseren üblichen natürlichen Präparaten, speciell
dem Hühnereiweiss oder der Milch, nicht concurriren kann.
Etwas besser als mit den künstlichen Albumosegemischen steht
es mit den sogenannten Mehlpulvern und Leguminosen, deren
Zusatz zu Suppen im Stande ist, den Nährwerth derselben, wenn
auch nicht erheblich, zu steigern, namentlich wenn man darauf
Rücksicht nimmt, dicke, concentrirte Suppen herzustellen. Auf den
Gehalt an Dextrinen bei einzelnen Fabrikaten, z. B. dem Nestle'schen
Mehl, dem Kufeke'schen Mehl u. a. ist hierbei kein erheblicher Werth
zu legen, da eine natürliche Saccharificirimg der Stärke, selbst
bei schweren Magenstörungen, kaum je vollständig vermisst wird.
Die künstlichen Fettpräparate endlich haben den Zweck, Fett
in möglichst geeigneter Form dem Magen zuzuführen. Besonderen
Werth haben einzelne Forscher darauf gelegt, fettsäurereiche Gele
herzustellen, um den Darmsäften die Arbeit der Fettspaltung zu er
sparen, oder die Fettresorption auch da zu ermöglichen, wo dieselbe
aus irgend einem Grunde ausbleibt. Als ältestes Fett dieser Art ist
der Leberthran, als modernstes das Lipanin und die von v. Mering
a) Klemperer, Berliner klin. Wochenschr. 1897, No. 26.
Die Diätetik. 291
empfohlene Kraftchocolade zu nennen. Die Zufuhr grösserer Mengen
Fett wird besonders behufs Verbesserung des Ernährungszustandes
emiifohlen, daneben aber auch auf subjeetive Bekömmlichkeit Werth
gelegt.
Zweifellos kann man mittelst der genannten Fette ebenso wie
mit den natürlichen einen grossen Fettansatz erzielen und hierdurch
dem Organismus nützen, es ist nur die Frage, ob dies nicht durch
Neutralfette, welche uns die Natur selbst bietet, vor allem Butter,
Rahm, Speiseöl in derselben Weise erzielt wird. Letzteres muss ent
schieden bejaht werden; wir werden daher von künstlichen Fetten
nur da Gebrauch machen, wo ein besonderer Grund gegen die An
wendung der Naturfette spricht,
Diese Auseinandersetzungen lehren uns, dass im grossen und
ganzen der Werth und die Bedeutung künstlicher Nährpräparate im
Publikum vielfach überschätzt werden. Sie verdienen gelegentlich An
wendung, aber im Ganzen ist ihr Indicationskreis beschränkt, Der
Wunsch nach Abwechselung, oder gar das Verlangen, dass etwas
geschieht, legt unter Umständen die Verordnung künstlicher Mittel
nahe, aber der Arzt thut gut, die Erwartungen der Kranken und be
sonders der Umgebung nicht zu hoch zu spannen. Wegen des hohen
Preises sind künstliche Nährmittel, besonders die Albumosen und
Fette, nur für begüterte Patienten zu reserviren, während man bei
ärmeren durch zweckmässige Zubereitung natürlicher Präparate den
selben Effect mit erheblich geringerem Kostenaufwand erreichen kann.
Wir geben zum Schluss eine kurze Uebersicht der gebräuch
lichsten Albumose-, Amylum- und Fettnährmittel.
A. Albumosepräparate.
Leube-RosenthaUs Fleischsolution (enthält 1,8—6,5% Peil
ten neben 0—11 % löslichem Eiweiss).
K e m m e r i c h s Pepton (enthält 00 % Albumosen, 18 % Pepton
|Kühne], ! ) — 1 2 % lösliche Eiweisskörper; dazu kommen 8 — 1 0 %
Kaliphosphat, Chlorkalium und Erdphosphate. <>,•>% Fett).
Kochs Pepton (enthält 1S,S % Pepton, 10,0% Propepton,
1,4%, unlösliches Eiweiss, 1 0 % sonstige N-haltige Stoffe, 0,8 %
Fett, 0,0 % Salze und 40,1 % Wasser).
Dcnaver s Pepton (Gemisch von Albumosen und Pepton; ent
hält 1 0 % , organische Substanz, 10,.") % Albumose, 1,5% Pepton).
Ross Kraftbier (enthält ca. 3,8 % Albumosen).
Somatose (geschmack- und geruchloses Pulver, aus Fleisch
19*
292 Die Diätetik.
hergestelltes Albumosegemisch, in Wasser löslich, enthält 8 0 % Al
bumose).
Eucasin (Case'in-Ammoniak, in Wasser fast völlig lösliches
Pulver, enthält 13,1 % N).
Nutrose (Casem-Natron; weisses Pulver, in Wasser leicht lös
lich, geschmack- und nahezu geruchlos).
Puro von Dr. Scholl, Fleischsaft (enthält 33 % Eiweisskörper,
davon 21 % nativcs Eiweiss, 3 % Leim, 7 % Pepton [Albumosen]).
B. Kohlenhydratpräparate.
Die gebräuchlichsten Kindermehle finden sich in folgender,
A. Stutzer1) entnommenen Tabelle ihrer Zusammensetzung nach
geordnet:
1. W . Nestle in Vevev
2. Faust & Schuster in
Göttingen
3. Frerichs & Co. in
Leipzig
4. Kufeke'sKindcrmehl
5. Rademann in Frank
furt
6. Ridge in London .
7. Carnriek in Ncw-
York
8. Matthinson's Food in
Heasby
9. Muffler & Co. in Frci-
berg
Stick-
stoff-
sub-
stanz
%
9,91
10,79
11,96
Fett
%
4,46
4,55
6,02
12,51 : 1,81
13,62 5,37
8,70
16,69
0,20
15,10
1,38
5,53
—
5,10
Kol
hyd
lösl.
%
42,37
43,21
28,76
21,92
15,51
5,79
28,11
70,50
32,37
ilen-
rate
un-
lösl.
%
35,04
32,99
44,48
Holz
faser
%
0,33
—
—
52,22 0,65
55,51
75,75
41,32
—
39,78
0,82
0,68
0,18
—
0,10
1
Asche
°/o
1,74
1,92
2,36
2,11
4,06
0,64
3,00
0,90
2,43
Phos-
phor-
säure
%
0,59
0,51
0,52
0,63
1,72
0,29
0,87
—
1,32
Kalk
%
0,32
—
—
0,11
1,04
0,06
0,64
—
1,00
Was
ser
%
6,15
6,54
6,42
8,78
4,54
7,08
5,17
28,40
4,76
Ausserdem sind noch von Kohlenhydratpräparaten die folgenden
in Gebrauch2):
Hartenstein s Leguminosen (feinstes Leguminosenmehl in vier
Mischungen, je nach dem Verhältniss von N-haltiger zu N-freier Sub
stanz, und zwar ist das Verhältniss in Mischung I = 1:2,3, in
i) A. Stutzer, Nahrungs- und Genussmittel, Weyl's Handbuch für Hygiene.
Jena 1894, Fischer.
2) Nach Penzoldt-Stintzing, Handbuch der spec. Therapie Bd. IV, S. 257.
Die Diätetik. 293
Mischung IT = 1 : 3,3, in Mischung III = 1 :3,9. in Mischung IV
= 1:4,8).
Knorr's präparirte Mehle (Hafer-, Gerste-, Reis-, Linsenmohl.
Hafergrütze-Gerichte, präparirte Kochgerste etc.).
Liebe's Leguniinosenniehl (löst sich nur zum Theil im Wasser,
enthält viel Stärke).
Meilin s Nahrung (soll gänzlich frei von Stärke sein, ziemlich
löslich, enthält viel Zucker, aber auch mit Jod sich blaufärbcnde
Antheile).
T i m p e s Präparate (1. lösliche Leguminose, 2. lösliches Hafer
mehl, nur zum Theil löslich; ausserdem T i m p e s Milchpulver, wenig-
Starke enthaltend und Maizena [Maisstärke]).
Dr. Theinhardt s Hygiama (röthliches Pulver von schwachem
Oacaogcschmack).
Weibezahn s Präparate (feines Hafermehl, Hafergrütze und
andere Präparate).
Zu den Amylumpräparaten gehören auch die verschiedenen aus
präparirten Mehlen hergestellten Zwiebäcke, wie z. B. Opel s Nähr
zwieback, R a d e m a n n s Nährtoast, Strohschein s Beef-Cakes, Aleu-
ronatzwieback u. A. Dieselben stellen eine brauchbare, schmackhafte
Zubereitungsform dar.
C. Fetthaltige Präparate.
Lipanin enthält 0 % Oelsäure.
Kraftchocola.de von v. Mering enthält 99,1 % Trockensubstanz,
4 , 4 % Eiweiss und Alkaloide 20,97% Fett, 72,44 ° „ X-freie Sub
stanzen, 1,25 n/o Asche (wird nach meinen Erfahrungen sehr gern ge
nommen und gut vertragen).
Nährklystiere.
W o aus irgend einem Grunde die Ernährung per os unmöglich
ist oder wo der Magen oder Darm nur geringe Mengen von Nah
rungsmitteln aufzunehmen und zu verarbeiten fähig ist, oder endlich,
wo aus therapeutischen Gründen eine temporäre Entlastung des Ver
dauungsapparats indicirt ist, sind die Nährklystiere ein wichtiges
Hilfsmittel der Ernährungstherapie.
Die physiologischen Grundlagen der bereits von Celsus em
pfohlenen und angewendeten Clysmata nutrientia sind erst durch die
Untersuchungen von Aoit und Bauer 1) sowie Eichhorst'-') ge-
i) Voit und Bauer, Zeitschrift f. Biol. Bd. 5.
-') Eichhorst, Pflüger's Archiv Bd. 4, 1871.
294 Die Diätetik.
schaffen worden. Die erstgenannten Forscher haben durch Thier-
versuche festgestellt, dass Eiweisskörper auch ohne vorhergehende
Peptonisirung der theilweisen Resorption anheimfallen, gewöhnliches
Hühnereiweiss dagegen erwies sich nur bei Gegenwart von Kochsalz
der Resorption zügängig. Eichhorst fand, dass auch die Eiweiss-
stoffc der Milch, sowie Lösungen von Myosin und Alkalialbuminaten
von der Mastdarmschleimhaut aus zur Aufsaugung gelangen können.
Versuche am Menschen von Czerny und Latschenberger 1) hatten
für die Albuminate dasselbe Resulsat ergeben, ausserdem aber ge
zeigt, dass auch Fett in Emulsion sowie Stärkekleister resorbirt
wurden, wobei es zweifelhaft blieb, ob letzterer vor der Aufsaugung
verzuckert oder als solcher resorbirt wurde.
Als besonders zweckmässiges und leicht resorbirbares Material
wurden dann von v. Leube 2) die Fleischpancreasklystiere empfohlen
und deren gute Ausnutzung im Mastdarm durch Harnstoffunter
suchungen dargethan.
Wie gross die Eiweissmenge und der Gehalt an X-losen Sub
stanzen behufs Erhaltung des Stickstoffgleichgewichts sein muss bezw.
ob es überhaupt gelingt, Kranke ausschliesslich oder vorwiegend vom
Mastdarm aus zu ernähren, ist eine viel ventilirte Frage. Voit und
Bauer meinen, dass nur 1/i der Eiweissmenge zur Aufsaugung ge
langt und dass es, zumal bei der Schwierigkeit, die nothwendigen
Mengen stickst off loser Substanz dem Körper zuzuführen, unmöglich
ist, einen Menschen oder Thier vom Rectum aus vollständig zu er
nähren.3) Eine wesentliche Klärung der Frage des Nährwerthes der
alimentären Klysmate verdanken wir E w a l d 0 und Huber.*) Der
erstgenannte Autor hat durch Stickstoffbestimmungen des Harns und
Koths am Menschen gezeigt, dass Eierklysmata, präparirt oder nicht
präparirt, nicht nur eben so prompt wie die käuflichen Albumosen
resorbirt werden, sondern auch einen erheblichen, den Peptonen
durchaus an die Seite zu stellenden Ansatz bewirken können. Ferner
hat E w a l d festgestellt, dass die Albumosen für die Aufsaugung keine
besseren Bedingungen bieten als gewöhnliches emulgirtes Hühnerei
weiss. 41 üb er hat die Angaben der früheren Forscher und besonders
die Ewald's gleichfalls an der Hand von X-Bestimmungen nach-
0 Czerny und Latschenberger, Virch. Arch. Bd. 59, S. 661.
*) v. Leube, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 10, S. 13.
3) Bauer, v. Zicmssen's Handbuch der allgein. Therapie Bd. 1, S. 264.
i) Ewald, Zeitschr. f. klin. Mediein 1887 Bd. 12, S. 407—425.
s) Huber, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 47, S. 495. Correspondenzblatt
f. Schweiz. Aerzte 1890, 15. Nov.
Die Diätetik. 295
geprüft und die Thatsarho dass Eiereiwoiss vom Mastdarm aus re
sorbirt wird, bestätigt, gleichzeitig aber gezeigt, dass geringer Koch
salzzusatz (auf 1 Ei 1 gXaCl) die Resorption der enmlgirten Eier
ausserordentlich begünstigt. Durch die Peptonisirung der Eier wurde
tue Pesorptionsfähigkoit der Klystiere nicht wesentlich gesteigert.
Feehnik und Zusammensetzung der Nährklystiere. Ewald 1) Technik und
giebt folgende Verordnung: 2 (oder 3) Eier werden mit 1 Esslöffel ^ "
kalten Wassers glatt gequirlt. 1 Messerspitze Kraftmehl wird mitNährklysliorP
r> Tasse einer 2 0 % Traubonzuckerlösung-0 gekocht und 1 Weinglas
Rothwoin zugesetzt. Dann wird die Eierlösung langsam eingerührt,
wobei darauf zu achten, dass die Lösung nicht mehr so heiss ist.
dass das Eiweiss gerinnt. Die ganze Masse darf nicht mehr als
knapp 1/4 Liter betragen. Dein Gemisch kann man 1 Theelöffel
Pepton beigeben, doch ist dies nicht nöthig, da die Eier auch so re
sorbirt werden. Auf Grund der oben angeführten Untersuchungen
IIüb er s würde man diesem Gemisch eine kleine Messerspitze Koch
salz zufügen.
Ein Rcinigungsklystler von % Liter Wasser oder Kochsalz
lösung muss der Injection des Nährklysma, vorangehen und dann ab
gewartet werden, bis die oft mehrmaligen Entleerungen vorüber sind.
Die Menge des Klysma soll nicht mehr als 250 ccm betragen.
Die Eingiessung geschieht entweder mit einer Spritze mit langem
weichem Ansatzrohr oder mit dem Irrigator, der ebenfalls ein weiches
Ansatzrohr mit weiter Oeffnung haben muss. Nach dem Einlauf soll
der Patient noch einige Minuten in Rücken- oder Seitenlage bleiben.
Jaccoud empfiehlt als Nährklystiere: 250 g Bouillon, 120g
Wein, 2 Gelbeier und 4—20 g Peptonum siecum.3)
Ich verwende neben Eiern seit mehreren Jahren Milch zum
Nährklysma und habe mich davon überzeugt, dass der grösste Theil
derselben durch Resorption verschwindet, während ein geringer, offen
bar in Folge Bacterienwirkung, gerinnt und später ausgestossen wird.
Die von mir verordneten Klystiere haben folgende Zusammensetzung:
250 g Milch,
2 Gelbeier,
1 Messerspitze Kochsalz,
1 Esslöffel Rothwein,
1 Theelöffel Kraftmehl.
i) Ewald, Therapeut. Monatshefte 1887, S. 159.
-) Von Traubenzucker ist wohl am besten Abstand zu nehmen, da er leicht
Durchfälle macht.
3) Ich halte diese Zusammensetzung schon des Peptonzusatzes wegen für im-
29ß Die Diätetik.
Ich habe mich an einer grossen Reihe von einschlägigen Fällen
(s. u.) überzeugt, dass dieses Quantum durchaus vom Mastdarm auf
genommen und erst nach vielen Stunden ein geringer Bruchtheil aus-
gestossen ward. Fast derselben Zusammensetzung bedient sich auch
Riegel.1)
Die Eingiessung applicire ich mittelst Hegar'sehen Trichters
und langen weichen Mastdarmrohrs. Weniger zweckmässig ist ein
Irrigator, weil man hierbei das letztere nach der Application des Rei-
nigungsklystiers wieder entfernen muss, während man bei Anwendung
des Trichters durch einfaches Heben und Senken das Wasser aus
dem Mastdarm ausfiiessen lassen und unmittelbar das Nährklysma
eingiessen kann.
In leichteren Fällen von Mastdarmschwäche oder übermässiger
Erregbarkeit setzt man dem Nährklysma zweckmässig 4—5 Tropfen
Tinctura thebaica hinzu. Man kann Klysmata dieser Art je nach der
Schwere des Falles und je nach der Grösse des Ausfalls der Magen-
verdainnig ein- bis viermal in 24 Stunden appliciren
indicationen Indicationen der Nährkl.gsmatu. W e n n wir die Krankheiten
Nahrkiysmata. des Oesophagus, die ja in engster Beziehung zu den Erkrankungen
des Magens stehen, hier mitberücksichtigen, so sind in erster Reihe
die Stenosen und Stricturen der Oesophagus, ferner die Oesophagus-
divertikcl als geeignetes Object für Mastdarmernährung zu nennen,
selbstverständlich nur in dem Stadium, in welchem auch Flüssig-
keiten gar nicht oder nur theilweise in den Magen gelangen. Spas
men des Oesophagus und der Cardia (Oesophagismus, Cardiospasmus)
machen wohl nur ausnahmsweise und vorübergehend Rectalernährung
nothwendig.
Von eigentlichen Magenaffectionen erfordert vor allem das
Cardiacarcinom im Stadium des völligen oder nahezu völligen Ver
schlusses des Magenostiums systematische Rectalernährung, falls die
Ernährung nicht etwa durch die Gastrostomie auf andere Weise in-
stituirt wird.
In den soeben erwähnten Fällen entspricht Rectalernährung aus
schliesslich der Indicatio vitalis, bei den folgenden Magenaffectionen
kommt zu dieser Indication eine zweite hinzu: Schonung und Ent
lastung des erkrankten Organs. Es gilt dies insbesondere für das
Carcinom des Magens, die gutartige Stenose des Pylorus oder Duo
denum mit consecutiver Ectasie und das Flcus ventriculi rotundum.
geeignet; Peptone (Albumosen), rectal injicirt, erzeugen fast ausnahmslos Durchfall.
!j Riegel, Die Erkrankungen des Magens. Wien 1896, S. 247.
Die Diätetik. 297
Beim Carcinom des Magens, gleichgültig ob dem Pförtner oder
der übrigen Magenhöhle angehörig, rechtfertigt sich die Unterstützung
der Ernährung mittelst Rectalklysmata einmal durch die mangelhafte
Verdauung der Ingesta in Verbindung mit der Entwicklung gewisser
toxischer Producte, die theils den Magen, theils weite Darmanschnitte
ungünstig beeinflussen. A m notwendigsten erscheint die comple-
mentäre Mastdarmernährung beim Pylorusearcinom, wo sich diese
Schädlichkeiten in grösstem Umfang finden und hierdurch der Kräfte-
zustand des Kranken ganz besonders stark herabgesetzt wird.
Auch die infolge der mangelhaften Resorption im Magen sich
geltend machende Wasserverarmung der Gewebe mit ihren ungünsti
gen Folgen für den Gesammtkörper begründet die Rectalernährung.
Klar und von den meisten Autoren übereinstimmend befür
wortet ist die Unterstützung der Ernährung durch alimentäre Klys-
mata bei Ectasie des Magens, welcher Ursache dieselbe auch immer
entspringen mag. In solchen Fällen liegt die Gefahr für den Orga
nismus vor allem in der mangelhaften Flüssigkeitsaufnahme. Ein
praktischer Maassstab für die Notwendigkeit systematischer Flüssig
keitszufuhr per rectum liegt in der Grösse der Frinsecretion. Geht
dieselbe wesentlich unter 1000 ccm in 24 Stunden herunter, so lasse
ich in der Regel sofort rectal ernähren. Der günstige Einfluss zeigt
sich nicht allein in der Vermehrung der Diirrese, sondern auch in
der Verringerung des qualvollen Durstes, sowie Zunahme des Körper
gewichts. Man kann als Flüssigkeiten auch einfach Wasser oder
Wasser mit Kochsalz (Wegele1), und zwar 2 — 3mal je % Liter in-
jiciren, oder nach dem Rathe Fleiner's2) schwach gesalzene Fleisch
brühe oder Fleischbrühe (%) mit Weiss wein (Oft) gemischt appliciren
lassen. Selbstverständlich sind aber die obigen, zugleich einen ge
wissen Nährwerth enthaltenden Einlaufe den Wassereingiessungen
vorzuziehen.
In mehreren besonders schweren, durch hochgradige Gährungs-
processe characterisirten Fällen habe ich, u m die letzteren zu be
seitigen und ausserdem den Magen zu entlasten, eine 10—14 Tage
fortgeführte ausschliessliche Rectalernährung durchgeführt, und zwar
mit auffallend gutem, wenn auch selbstverständlich temporärem Er
folg. Dieser günstige Erfolg äusserte sich, abgesehen von dem
besseren subjeetiven Befinden, durch wochenlangen Schwund der
Gährungserreger (Hefezellen, Bacillen aller Art), durch augenschein-
V) Wegele, Münchener mediein. Wochenschr. 1894.
-') Fleiner, Lehrbuch der Krankheiten der Verdauungsorgane 1896, 1. Hälfte,
S. 367.
298 Die Diätetik.
lieh günstigere Resorption (reichliche Diurese, Verbesserung der
Obstipationsbeschwerden), ja selbst durch temporäre Gewichtszunahme.
In einer meiner Beobachtungen hielt dieser Erfolg 3 -4 Monate lang
an, ein nicht zu unterschätzendes Resultat gegenüber einer allen
therapeutischen Maassnahmen (incl. der Magenausspülung) hartnäckig
trotzenden Magenaffection. Auch Rössler1) hat, wie es scheint,
ohne meine Empfehlung der Nährklystiere für diese Krankheiten zu
kennen, in vier Fällen von Dilatatio ventriculi ein ähnliches Ver
fahren gleichfalls mit günstigem Erfolge eingeschlagen.
Eine nicht weniger bedeutungsvolle Indication für partielle oder
complete Mastdarmernährung stellt das Ulcus ventriculi. Wir unter
scheiden hierbei streng das Ulcus im Stadium der Blutung und kurz
nach demselben von dem chronischen in der Vernarbung begriffenen,
bezw. reeidivirenden Ulcus.
Im Stadium der Blutung und mehrere (mindestens fünf) Tage
nachher erscheint mir, wenn überhaupt Nahrungszufuhr erforderlich
ist, die ausschliessliche Rectalernährung als die beste und sicherste
Methode der Heilung, da nur hierdurch die Vorbedingungen für eine
schnelle Thrombenbildung in ausreichendem Maasse erfüllt wird.2)
Da zudem Rectalernährung für die Erhaltung des Kranken zunächst
völlig ausreicht, so entbehrt eine Abweichung hiervon, etwa in Form
gleichzeitiger Nahrungszufuhr per os, meines Erachtens jeder Be
gründung.
Frühestens 3 — 4 Tage nach dem Aufhören der Magenblutung
kann man neben Rectalernährung vorsichtig in der üblichen Weise
(Milch, Beeftea, Bouillon, weiche Eier, Thee etc.) mit der Ingestion
flüssiger Nahrungsmittel heginnen.
Ausser in dem Stadium der Hämatemesis ist nun in neuerer
Zeit besonders von englischen Verzten, von denen ich Mc Call An
derson'*) und besonders D o n k i n O hervorhebe, auf die günstigen
Resultate hingewiesen worden, die man mit ausschliesslicher Rectal
ernährung auch in Fällen von chroniseh-reeidivirendem ITcus erzielt.
Donkin hat in mehreren Fällen die absolute Rectalernährung bis
auf 23 Tage ausgedehnt und berichtet über vortreffliche Resultate.
Ich habe, hierdurch angeregt, als der erste in Deutschland in Fällen
von schwerem, häufig reeidivirendem und mit heftigen Gastral-
i) Rössler, Wiener klin. Wochenschr. 1803, No. 40.
a) Vergl. hierüber den speciellen Theil, 3. Aufl., S. 58 u. 51).
3) Mc Call Anderson, British medic. Journal. 1890, May 10.
i) H. B. Donkin, The Lancet 1890, Sept. 27.
Die Diätetik. 299
gieen einh-rgehendem Ileus ventriculi, bei welchen die üblichen
Behandlungsmethoden von nur vorübergehendem oder aar keinem
Erfolg begleitet waren, die ausschliessliche Ernährung per Klysma
tu \uwendttng gezogen und in zahlreichen Fällen dauernde
Heilung erzielt Die Periode der Klysmenernährung, die selbst
verständlich in dauernder Bettruhe der Kranken vorgenommen wird,
beträgt in der Regel 10—14 Tage. Täglich werden drei, in seltenen
Fällen vier Eingiessungen, aus der oben (S. 295) genannten Mischung
bestehend, applicirt. Eine Medication kommt, abgesehen von warmen
Priessnitz-Einschlägen oder heisson Breiumschlägen nicht zur An
wendung.
Bei grossem Durst kann man ab und zu kleine Quantitäten
eines alkalischen Säuerlings trinken lassen, doch suche ich dies mög
lichst zu vermeiden. Nach Beendigung der Abstinenzkur beginne
ich nach wenigen Tagen mit kräftiger aber leicht assimilirbarer
fester Kost (Fleisch, Weizenbrod, Gemüsebrei, Mehlspeisen), die
nunmehr, ohne Schmerzen hervorzurufen, vertragen werden.
Meine Erfahrungen über die Rectalernährung beziehen sich seit
meiner ersten Mittheilung an dieser Stelle auf mehr als 100 Fälle,
wovon etwa 1/:i klinisch beobachtet ist. Ich darf daher mein Urtheil
als ein einigermasscn abschliessendes betrachten. Danach kann ich
sagen, dass sie in einem Theil der Fälle gut vertragen wird und
fast sofort und «lauernd, die Schmerzen beseitigt. Diesen Fällen
stehen andere, an Zahl nicht geringere, gegenüber, bei denen der
Erfolg ein guter, aber nicht anhaltender ist; mit der Einleitung der
natürlichen Ernährung beginnen auch die Schmerzen wieder. Weiter
giebt es Fälle, in denen der Erfolg überhaupt ausbleibt. Fls ist aber
zweifelhaft, ob es sich in diesen (übrigens seltenen) Fällen nicht u m
Magennourosen, die zuweilen ganz unter dem Bilde eines Ulcus ver
laufen können, gehandelt hat. Endlich verfüge icli über zwei Beob
achtungen, die mich gelehrt haben, dass zuweilen die Empfindlich
keit des Magens die Application von Nährklystieren überhaupt nicht
zulässt, so dass man davon absehen muss.
Wie man sieht, ist weder der Erfolg der Ernährungsklysmata
ein absolut sicherer, noch ist die Methode als angenehme zu be
zeichnen. Ja in der Privatpraxis, ohne genügendes Wärterpersonal,
ist sie überhaupt nicht durchführbar. Ich habe schon schwere Col-
lapse, Inanitioiisdelirien u. a. bei Kuren in der Häuslichkeit gesehen,
die mich nöthigien. das Verfahren vorzeitig abzubrechen. Jedenfalls
soll die Klvsmenernährung bei Ulcus ventriculi nur das äusserste
Hilfsmittel sein und nur bei völlig sicherer Diagnose in Frage kommen.
300 Die Diätetik.
Wenn Ratjen1) demgegenüber in neuester Zeit die Rectalernährung
als souveräne Ulcuskur überhaupt empfiehlt, so liegt darin eine Ver-
kenimng der Schwierigkeiten, die mit jeder 10—14 Taue systematisch
durchgeführten Klysmenernährung für Kranken, Arzt und Wartung
verknüpft sind. Abgesehen hiervon kommen wir in gut T/s aller Fälle
mit den üblichen, weit weniger eingreifenden Methoden zum Ziele.
Eine wichtige Indication für die Keetaleniährung bilden endlich
die häufigen Fälle von nervösem Erbrechen oder Hyperästhesie des
Magens (irritable stomach); die theilweise Vehernahme des Nahrungs
geschäftes durch den Darm ist hier nicht allein durch die starke
Depotenzirung des Organismus, sondern mehr noch dadurch be
gründet, dass die Entlastung des Magens offenbar beruhigend auf
die Magennerven wirkt.
Literat ur.
Molesehott, Die Physiologie der Nahrungsmittel, ein Ilandb. <1. Diätetik. 1859.
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C. Wegelc, Die diätetische Behandlung der Magen-Darmerkrankungen, mit
einem Anhang: Die diätetische Küche. Jena 1893. (Praktische, übersichtliche
Zusammenstellung alles Wissenswerthen.)
i) Hatjen, Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 52.
Die Diätetik. 301
Anhang'.
Diätetische Kuren bei Magenkrankheiten.
1. Milchkuren. In dem llcilapparat gegen Verdaiiungsstörun- Miu-neuren.
gen kommt der Milch eine wesentliche Bedeutung zu; man wendet
sie gegen die allervorschiedeiisteu Krankheiten des Magen-Darmcanals
an, oft mit durchschlagendem, zuweilen mit geringem Frfolg, nicht
selten mit schwerem Schaden für den Kranken. Diese Versehieden-
artigkeit der Wirkung wird nicht allein durch die früher betonte ver
schiedene Toleranz gegen dieses Nahrungsmittel, sondern auch durch die
eigenartigen Umwandlungen bedingt, welche die Milch im Vordauungs-
canal erfährt und die uns erst zum geringen Theile bekannt sind.
Inzwischen besitzen wir wenigstens einige für die Milchverdauung
und deren Einfiuss auf den Stoffwechsel giltige, klinisch brauchbare
Anhaltspunkte, welche die Ordination von Milchkuren aus dem breiten
Fahrwasser der Empirie in das enge Bett wissenschaftlicher Kritik
zu leiten geeignet sind.
Wir müssen bei der Ventilirung dieser Frage wohl unterscheiden
zwischen systematischen Milchkuren, wie sie1 Kareil zuerst metho
disch durchgeführt und begründet hat, und zwischen gelegentlicher
Beigabe von mehr oder weniger grossen Quantitäten Milch zu der
übrigen Kostration.
Bei der ersteren müssen wir stets im Auge haben, dass die
Milch selbst in den höchsten in Betracht kommenden Mengen (3000 g
pro die) zur Deckung des Bedürfnisses an Stickstoff, besonders aber
an Kohlenstoff in keiner Weise genügt. Dies gilt allerdings nur fin
den Gesunden unter normalen Verhältnissen, und es ist zweifellos,
dass der in seinen vegetativen Functionen geschwächte Organismus,
wie uns die Stoffwcchselimtersuehungen von Fr. Müller1) und Kleni-
perer-) gelehrt haben, sielt mit diesen Nährst offzahlen ins Gleich
gewicht setzen kann. Indessen darf nicht übersehen werden, dass
in derartigen Fällen die Ausnutzungsfähigkeit des Organismus stark
herabgesetzt und der Yerdaiiungseanal zur Aufnahme derartig grosser
Mengen von Nährmaterial ungeeignet ist. W e n n irgendwo, so muss
gerade hei Intestinalerkrankungen das Bestreben herrschen, mit wenig
Substanz eine grosse Nährkraft zu verbinden, d. h. die Nährstoffe in
comprimirter Form zu reichen.
i) Fr. Müller, Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. 16. S. 496.
2) Klcmperer, Zeitschr, f. klin. Medicin Bd. 16, S. 550.
302 Die Diätetik.
indicationen Auf der anderen Seite muss zugegeben werden, dass für ehi-
indicaüonen zelne Fälle von Digestioiiski'ankheiteu die Milch nicht nur ein souve-
„., ,
für
räites Nahrungs-, sondern selbst ein Heilmittel darstellt. Hierzu ge-
Milchcuren. ' 7
hört in erster Linie die folliculäre Gastritis und das Ulcus ventriculi,
bezw. duodeni. Hier, wo es, namentlich in frischen Fällen, darauf
ankommt, jeden mechanischen Insult zu vermeiden und ausserdem
die überschüssige freie Säure zu binden, füllt die Milchcur, wie wir
seit langem wissen, besser als jedes andere Nahrungsmittel ihren
Platz aus.
Soweit eigene Wahrnehmungen mir ein Urtheil gestatten, sind
ausser den eben erwähnten Magenerkrankungen systematische Milch
kuren noch bei denjenigen Formen der Dyspepsie von Nutzen, die,
meist im Gefolge anderer Krankheiten (Phthise, Anämie u. a.), sich
»unter dem Bilde der Mageninsuffirienz« äussern. Hier wird die
Milch sowohl subjeetiv vertragen als auch gut ausgenutzt. Auch in
einzelnen Fällen von nervöser Dyspepsie und Fehlen objeetiver Ver
dauungsstörungen können Milchkuren von Frfolg begleitet sein, aber
durchaus nicht in allen; hier giebt es eben keine Kegel. Deshalb
lasse ich vor Antritt einer systematischen Milckhur eine Art Vorkur
gebrauchen, deren Ausfall für die eigentliche Kur entscheidend ist.
Sehr schlecht vertragen wird die Milch häutig bei Dyspepsieeil
mit constantem HCl-Verlust; man muss einmal die gelben, dick
flüssigen, stark nach Fettsäuren riechenden, ungeronnenen Massen
dem Magen entnommen haben, u m die Beschwerden dieser Patienten
nach Milchgenuss zu begreifen. Hier verbindet sich mit dem .Mangel
der Coagulation noch die Gefahr abundaiiter Gabrangen im Magen-
Darme anal.
Dagegen hat die Milch einen wichtigen Platz bei allen Ver
engerungen am Pylorus, nicht in Form von Milchkuren im Sinne
Karell's sondern als Theilernährung in wiederholten, kleinen
Dosen, kühl gereicht, sorgfältig sterilisirt und. wo nofhwendig, mit
verschiedenen Mehlen (s. o. S. 29-2) abgekocht, Fast unentbehrlich
ist die Milch, w o mit der motorischen eine chemische Insuffizienz
verbunden ist, also bei der chronischen Pylorushyportrophie oder dem
Pyloruscarcinom u. a. Hier haben nur flüssige Substanzen Aussicht,
den verengten Pförtner zu passiren. In einem Falle von chronischer
Pvlorushypcrtrophic gelang es mir durch ausschliessliche Ernährung
mit Flüssigkeiten, darunter 4 — 5 Liter Milch in 2-1 Stunden, Bildung
von Rückständen im Magen zu verhüten, die Diurese bis 2000 g zu
bringen und erhebliche Gewichtszunahme des aufs äusserste abgema
gerten Patienten zu erzielen.
Die Diätetik. 303
Weniger geeignet sind Milchkuren im strengen Sinne bei Atonieen
und mechanischer Insuffizienz ohne Stenose. Hier würden grössere
Milchmengett der Indication, die Magenniuskulaüir möglichst zu
schonen, entgegen wirken. Auch die Erfahrungen sprechen hier gegen
die Anwendung systematischer Milchkuren. Uoiitraindieirt erscheint
mir auch der kurgemässe Milchgehrauch bei starker Flatulenz, ferner
bei chronischen Diarrhöen, bei Darmtuherculose, Amyloid des Darmes
und auch wohl bei uicerativen, mit Diarrhöen einhergehenden Pro
cessen des Darmes. Doch giebt es einzelne Fälle, in denen Milch,
besonders heisse Milch, gut vertragen wird.
I eherhaupt erfordert bei vielen Milchcuren der Darm mehr
Rücksicht als der Magen. In einer grossen Keilte von Digestions-
krankheiten besteht z. B. als lästiges Symptom Obstipation, das durch
systematischen Milchgcnuss in manchen Fällen noch gesteigert wird.
Die Verdaulichkeit der Milch kann durch gewisse Zusätze mehr oder w e
niger erhöht werden, so durch Zusatz von Gersten- oder (O'ioschleini (1 Theil
Milch zu 2 — 3 Theilen Schleim) event. auch durch Versetzen mit Kalkwasser, schliess
lich durch Beigabe von Gognac oder Arrae (im Yerhältniss von 10:200). Nament
lich bewirkt die Beigabe von Alkohol, vielleicht wegen der gährungswidrigen
Einwirkung, recht häufig bessere Verdauungsbedingungen.
Ein für manche Fälle von Verdauungsstörungen sehr geeignetes Mitch-
präparat ist der liolim w e g e n seines ausserordentlichen Fettgehalts (30—33 °0).
Seine Darreichung ist besonders da angezeigt, w o grössere Flüssigkeitsniengen
vermieden werden müssen. Allerdings k o m m t die subjeetive Toleranz auch hier
bei in Frage. Aehnlich wie der R a h m ist auch die kürzlich von W . J a w o r s k i i )
angegebene und empfohlene »Kraftniilcli« durch einen hohen Fettgehalt aus
gezeichnet. J a w o r s k i verwendet zwei Arten, eine fettere mit 10 % Fett, 1 , 8 %
Kiweiss, (i '»/„ Milchzucker und eine weniger fette mit 7 % Fett, 1 , S % Fiweiss,
6 IJ.ö Milchzucker. Die Herstellung der Milch geschieht so, dass die frische Milch
zuerst mit Wasser verdünnt, der Itahin von 10 "/„ herauscenfrifugirt und mit 6 %
Milchzucker versetzt wird.
Beachtung verdient ferner die Gärtner'sche Fettmilch, deren Herstellung
in der Weise geschieht, dass frisch gemolkene Kuhmilch durch Zusatz von Wasser
verdünnt wird, bis der Casoüigehalt d e m der Muttermilch gleicht. Das G e m e n g e
wird hierauf eentrifugirt, und zwar soweit, dass die aus d e m iiahinrohr aM'liessendc
Milch den Fettgehalt der Muttermilch besitzt. Das Deficit an Zucker wird durch
Zusatz einer entsprechenden M e n g e Milchzucker ersetzt. A u f diese Weise er
halten wir eine Milch, die in Bezug auf ihre wesentlichsten Bestandteile der
Muttermilch gleicht. Dementsprechend gerinnt auch bei künstlicher Verdauung
die Gärtner'sche Fettmilch feinflockiger als Kuhmilch; nach neueren Unter
suchungen von E m i l Schütz-] verlässt die Gärtner'sche Fettmilch schneller
den M a g e n als Kuhmilch. Eigene Erfahrungen über die zunächst für die Säug
lingsernährung hergestellte Gärtnermilch fehlen mir; nach K i e g e l s, allerdings
i) W Jaworski, Therapeut. Monatsh. 1SU7, Maiheft.
-) Emil Schütz, Wiener klin. Wochenschr. 1896, No . 48.
304 Die Diätetik.
nicht zahlreichen, Erfahrungen wird dieselbe von den meisten Magenkranken
besser vertragen als Kuhmilch.
Andere Milchpräparate, die concenfrir/e Milch (von ü r e n k h a n in Sten-
dorf bei Eutin), die eondensirte Schweiz er milch (von der Anglo-Suisse Compagnie
in Chaux), die von verschiedenen Fabrikanten hergestellten Älilch/mlcer. endlich
die Lahmann'schc vegetabile Milch haben eine allgemeine Verbreitung für diäte
tische Zwecke bei Magenkrankheiten nicht gefunden.
Ein häufig bei Magen- und Darmkrankheiten seit der Empfehlung von
K r u k e n b e r g angewendetes diätetisches Mittel ist ferner die Buttermilch. Sie
wird häufig theils wegen ihres angenehmen, erfrischenden Geschmacks, theils
wegen der (durch den Milch- und Buttersäuregehalt bedingten) Einwirkung auf
die Peristaltik mit grossem Nutzen gereicht, wenngleich nicht in dem Umfang
Avie süsse Milch. Aehnlich wie die Buttermilch werden auch Kumys und Kefir
angewendet. Ich selbst habe vom Kefir in einzelnen Fällen von Darmatonie recht
zufriedenstellende Erfolge beobachtet. Durch die Veröffentlichungen von Weiss,1)
Eckervogt'-) u. a. ist die Wirksamkeit des Kefirs bei Magen-Darmkrankheiten
gleichfalls erwiesen.
Literatur: siehe bei Bauer, Handbuch der allgemeinen Therapie Bd. 1,
Theil 1, S. 334.
Mastkur. 2. Weir Mitchell-üTwr3) (Playfair-Jf^r,4) Mastkur). Man
hat wie bei anderen Neurosen auch bei denen des Magens den Ver
such gemacht, die Ernährungsverhältnisse und das Allgemeinbefinden
unter Anwendung von Mastkuren zu verbessern und zu kräftigen.
Im ganzen lauten aber die Erfahrungen der maassgebenden Autoren
hinsichtlich der nervösen Dyspepsie wenig ermuthigend. Nach Burk-
hart hat die Mitchell'sche Kur bei der nervösen Dyspepsie keinen
sicheren, nicht selten einen ungünstigen Erfolg. Ferner gelten nach
diesem Autor als Uontraindicationeu der Mastkur: Erregungszustände
des Gehirns sowohl nach der depressiven als nach der excitirenden
Seite hin, ferner Hysterie mit unstillbarem Erbrechen und viscerale
Neuralgieen, die sich als Sympathicuserkranlamgen herausstellen.
Im wesentlichen würden also als geeignet für die Mitchellkur Formen
von Neurhastenie oder Hysterie in Betracht kommen, bei denen hoch
gradige Anorexie und in Folge dessen starke Abmagerung, im übrigen
aber objeetiv gute Verdauung besteht.
Nach meinen sehr zahlreichen Erfahrungen eignen sich für Mast-
i) Weiss, Klin. Zeit- und Streitfragen. Wien 1890, Heft 10.
~
l) Eckervogt, Kefir, seine Darstellung aus Kuhmilch. Berlin und Neu
wied 1890.
3) Weh-Mitchell, Fat and blood. Third. edit. 1884 und Die Behandlung
gewisser Formen von Neurasthenie und Hysterie, übersetzt von Dr. G. Klemperer.
Berlin 1887.
•<) Playfair, Systematische Behandlung der Hysterie und Nervosität. Deutsch
von Tischler. 1883.
Die Diätetik. 305
kuren am meisten solche Fälle, wo eine Unterernährung bei normaler
Magen- und Darmthätigkeit besteht. Gerade die nervöse Dyspepsie,
soweit sie mit Unterernährung verbunden ist, giebt also, wie ich
im Gegensatz zu Burkhart hervorhebe, die günstigsten Aus
sichten. Hier werden glatte Resultate fast immer erzielt. Anders
dagegen, wo neben der nervösen Dyspepsie eine wirkliche organische
Erkrankung besteht: Gastritis, Myasthenie, Descenstts ventriculi,
Ectasie u. a. In solchen Fällen kommt es, wie ich beobachtet habe,
leicht zu acuten Verdauungsstörungen (Erbrechen, Durchfall, Druck,
Schmerzen), die zeitweilig eine Unterbrechung der Kur erfordern.
Bei der grossen Zahl von Mastkuren bei nervöser Dyspepsie,
die ich im Verlaufe der letzten zehn Jahre unternommen habe, sei es
mir gestattet, einige Regeln für deren Technik zu geben, ohne hier
bei auf alle Details einzugehen: Die Kranken haben 4—5 Wochen
absolute Bettruhe zu halten. Die Ernährung erfolgt alle 2 — 3 Stunden
und ist möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Die grossen Quan
titäten Milch, die ursprünglich als integrirender Bestandtheil em
pfohlen wurden, sind nach meinen Erfahrungen durchaus unnöthig,
ja sogar in Fällen von Magenatonie ein directer Ballast. Sie werden
am besten durch V2 Liter Sahne in 3 — 4 Portionen ä 150 g ersetzt.
Die Ernährung enthalte viel Kohlenhydrate und Fette, berücksichtige
aber auch unter allen Umständen die Genussmittel. W o Obstipation
vorhanden ist, hat die Diät durch Zufuhr von viel Süssigkeiten,
sowie Säuren (Apfel-, Moselwein, Citronenlimonade 11. a.) darauf
Rücksicht zu nehmen. Massage und Faradisation wirken nach meiner
Erfahrung im wesentlichen suggestiv. Der Erfolg, d. h. das sub-
jeetiv gute Befinden und die Gewichtszunahme werden durch letztere
kaum beeinflusst. Dagegen hat die Massage vielleicht den Werth,
das Fett besser zu vertheilen, was bei Frauen kosmetisch unter U m
ständen von Werth ist.
Zur Orientirung gebe ich die Diätvorschriften, die sich mir in
zahlreichen Fällen bewährt haben.
7 Uhr:
V'4 Liter Kraftchocolade in Satine,
3—4 Zwieback (2 Semmeln),
20—30 g Butter.
91/2 Uhr:
Kaltes oder warmes Fleisch, Eier,
Eierspeisen, Weissbrod (event.
Grahambrod, Butter [20 g]),
150 g Saline. | Salat.
Boas Allg. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. 20
12 Uhr:
150 g Sahne,
2—3 Cakes.
2 Uhr:
!/4 Liter Suppe (mit Einlauf),
Gemüse 1 .
T1 ,
Kartoffeln / m 1 Uree'
Fleisch und Fisch (auch die fettenb
306 Die Diätetik.
Compots (süss),
Mehlspeise,
1—2 Glas Apfel- oder anderen
Fruchtwein (event. auch rohes
Obst).
4V2 Uhr:
Kaffee oder Thee mit Sahne (150 g),
Zwieback, Cakes, Butter (20 g) oder
Honig.
5 Uhr:
Kaltes oiler warmes Fleisch oder
Fisch,
Eier, Eierspeisen,
Weissbrod, Butter (30 g),
Compot,
1 Glas Fruchtwein oder 1 Flasche
Malzbier.
91/2 Uhr:
200—300 g Sahne mit 2—3 Cakes.
Selbstverständlich kann man an derselben variiren, ja in ein
zelnen Fällen revidire ich den Küchenzettel von Tag zu Tag und
ändere solange, bis der Wunsch des Kranken mit meiner Intention
der Gewichtszunahme zusammenfällt. Die von mir erzielten Gewichts
zunahmen betragen bei diesem Regime durchschnittlich 6 — 8 kg
in vier Wochen, übersteigen demnach die anderer Autoren, z. B.
Ewald's,1) der bei einer aufs äusserste abgemagerten Patientin in
sieben Wochen nur e empor-
gerissen worden.
Eine Seite der pharmakodynamischen Wirkung der alkalischen
Säuerlinge wird auch in deren schleimlösenden Eigenschaften ge
sucht. Aber auch diese Wirkung ist mehr theoretisch postulirt als
praktisch erwiesen. Ausserdem handelt es sich nicht Mos darum,
den den Magenwänden anhaftenden Schleim zu lösen, sondern die
Bedingungen für die Bildung desselben aufzuheben.
Vielleicht liegt auch eine der therapeutischen Agentien in der
Temperatur des Wassers, die theils nativ ist (Vichy, Neuenahr), theils
künstlich bewirkt wird. Diese Wirkung, der auch bei den Thermal-
wässern Karlsbads eine gewichtige Rolle zufällt, ist besonders in sen
sitiver Hinsicht von nicht zu unterschätzender praktischer Bedeutung.
Die Irritabilität des Magens, die grosse Empfindlichkeit gegen Tem
peraturdifferenzen und gegen stärkere, an sich physiologische Reize, vor
allem aber die abnorme Rcaction gegen viele sonst leicht assimilirbare
Ingesta wird, wie klinische Beobachtungen lehren, durch temperirte
Wässer herabgesetzt. Hierdurch wird andererseits das Allgemeinbefin
den gehoben, der Appetit nimmt zu, und das Körpergewicht steigt an.
Wir geben nun im folgenden eine Uehersicht der am häufigsten
angewendeten alkalischen Säuerlinge nach der Stärke ihres Gehalts an
doppeltkohlensaurem Natron geordnet, wobei wir bemerken, dass die
Wässer Bilin, Vals, Vichy und Fachingen wegen ihres hohen Xatrium-
bicarhonatgehaIt.es und des Reichthums an freier Kohlensäure sich tun
meisten für unsere Zwecke eignen. Die Zahlen der folgenden Tabelle,
sowie der übrigen sind mit geringen Aenderungen dem vortrefflichen
»Grundriss der klinischen Balneotherapie« von Kiseh entnommen.
Doppeltkohlensaures
Natron in 1 Liter
Freie C 0 2 in
1 Liter
Vals
Bilin
Fachingen
Vichyi) (Grande Grille)
Fei lathal quelle
Preblau.
Salzbrunn
Geilnau.
Giesshübel
N'euenahr1)
7,28
6,47
0,55
4,88
4,30
2,86
2,42
1,06
1,26
1,05
1039,8
1337,6
945,02
460,57
609,12
637,91
630,49
1468,8
1537,7
498,5
i) sind Thermalwässer.
312 Balneotherapie.
Atkaiisch- 2. Alkalisch-muriatische Säuerlinge. Es sind dies Wässer,
säueriing0e welche neben Kohlensäure und doppeltkohlensaurem Natron noch Koch
salz in hervorragender oder wenigstens wirksamer Menge enthalten.
Auch bei diesen Wässern, die eine Combination dreier Factoren
darstellen, lässt sich eine bestimmte Art der Wirkung nicht abstra-
hiren. Denn einerseits ist der Kochsalzgehalt (s. Tabelle) bei den
meisten so gering, dass von einer wesentlichen Wirkung kaum die
Rede sein kann, andererseits kann auch in dem schwachen Gehalt an
doppeltkohlensaurem Natron ein wesentlich therapeutisches Agens nicht
gesucht werden. Bezüglich des Antheils, welchen die Kohlensäure in
allen derartigen Fällen hat, haben wir den Mangel einschlägiger
Untersuchungen bereits oben hervorgehoben.
Die klinische Balneotherapie weist den genannten Quellen eine
wichtige Stellung hei der Behandlung des chronischen Magencatarrhs,
namentlich im Gefolge atonischer Zustände zu. Meine eigenen Er
fahrungen reserviren die genannten Quellen in erster Linie für secun-
däre Formen der Dyspepsie, besonders bei der incipienten Phthise,
beim Emphysema pulmonum, bei Bronchitis mit Dyspepsie, ferner für
die chronische Enteritis, die Stauungsleber und Abdominalplethora
leichterer Grade.
Die hervorragendsten alkalisch-muriatischen Quellen finden sich,
nach dem Gehalt an Kochsalz und Natriumbicarbonat geordnet, in
folgender Tabelle zusammengestellt:
Sczawnicza (Magdalenenquelle).
Luhatschowitz (Vincenzbrunnen)
Gleichenberg (Constantinquelle)
Tönisstein
Ems 1) (Fürstenbrunnen)
Selters
Doppeltkoh
lensaures Na
tron im Liter
8,45
4,29
3,55
2,57
2,036
1,23
Kochsalz
im
Liter
4,61
3,06
1,85
1,41
1,01
2,33
Freie
Kohlensäure
im Liter
711,5
1452,6
1149,7
1269,6
599,3
1204,3
Aus dieser Tabelle springt sofort der imponirende Natrium-
bicarbonatgehalt von Luhatschowitz (in Mähren) und besonders Sczaw
nicza (in Galizien) hervor, mit dem sich auch ein beträchtlicher Gehalt
an Kochsalz und bei dem erstgenannten an Kohlensäure verbindet.
Es würde sich daher der Gebrauch dieser Quellen bei den oben be
zeichneten Störungen des Verdauungstractus am meisten empfehlen.
i) hat Thermalquellen.
Balneotherapie. 313
3. Alkalisch-salinische Quellen (Glaubersalzwässer), ausge- oiaubersaiz-
zeichnet durch einen bedeutenden Gehalt an Natriumsulfat, mit dem
sich noch mehr oder minder grosse Mengen von Natriumbicarbonat,
Kochsalz und freier Kohlensäure eomhiniren. Die Quellen sind theils
kalte (Elster, Franzensbad, Marionbad, Rohitsch, Tarasp), theils Ther
men (Karlsbad, Bertrieh).
Das Prototyp der genannten Quellen stellt Karlsbad dar. Bei
der anerkannten Wirkung der Karlsbader Thermalquellen ist es er
klärlich, dass man den Versuch unternommen hat, die Pharmako
dynamik derselben, die bis in unsere Zeit hinein in einen gewissen
Mysticismus gekleidet war, zu enthüllen.
Das Verdienst, einen ersten Schritt in dieser Richtung hin ge-
than zu haben, gebührt unstreitig Jaworski. Derselbe hat in einer
eingehenden Untersuchungsreihe theils bisher Bekanntes zusammen
gestellt und auf seinen kritischen Werth hin geprüft, theils neue
Gesichtspunkte für die Klarlegung der Wirkungsweise geschaffen.
Die Beobachtungen Jaworski's1) haben Wirkungen des Thermal-
wassers ergeben: a) auf die Magenfunctionen, b) auf die Gallen-(und
Pancreassaft-V) Secretion, c) auf die Sensibilität des Digestionstractus.
W a s die ersteren betrifft, so bestehen sie in einem mächtigen
Reiz auf die Magenschleimhaut in dem Sinne, dass die Magensecre-
tion stark angeregt wird. Repetirte kleine Dosen ivirken kräftiger
als einmalige grosse.
Bei grösseren Gaben Karlshader Wasser tritt eine Herabsetzung
oder selbst Aufhebung der Magcnsaftabseheidung ein.
Längerer Gebrauch des Karlshader Thermalwassers (analog
einer Karlshader Kur) hatte eine entschiedene Herabsetzung der
Acidität des Magensaftes zur Folge.
Als für die Praxis gültiges Resume seiner Untersuchungen führt
Jaworski an: dass sehr geringe Quantitäten von Karlsbader Wasser
oder Salz im Stande sind, die Säuresecretion und Verdauungsthätig-
keit anzuregen, dass grössere Quantitäten die Secretionstüchtigkeit
des Magens successive so herabsetzen, dass durch die gewöhnlichen
digestiven Reize eine Säure- oder Fermentahscheidung nicht mehr
statt hat. Auf die Gallensecretion und die Duodenalfunctionen wirkt
das Karlsbader AVasser in der Weise, dass es erstere steigert und
auch die Peristaltik des Duodenums stark anregt. Endlich wirkt das
Karlsbader AVasser auch derart, dass es den im Magen angesammel
ten Schleim und zurückgetretene Galle in die Därme überführt.
i) Jaworski, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 37, Sep.-Abdruck.; ferner:
Wiener med. Presse 1888, No. 3 und 4.
314 Balneotherapie!
Auch die Herabstimmung der Irritabilität ist als Wirkung des
Karlsbader Thermalwassers nicht zu unterschätzen, wobei sicherlich
der Temperatur die wesentliche Bedeutung zukommt.
Eine gewisse Einschränkung haben die genannten Resultate
durch Beobachtungen von Fwald und Sandberg1) erfahren, insofern
dieselben eine wesentliche Beeinflussung der Acidität, der peptischen
Kraft und schliesslich der Labfermenteinwirkung nicht constatiren
konnten. Eine Ucbereinstimmung mit den Resultaten Jaworski's
besteht nur darin, dass bei den Personen mit erhöhter Acidität nach
Beendigung des Versuches (30—36 Tage) eine Herabminderung der
Acidität eintrat. Nach den neuesten ITntersuchungen von W Spitzer,2)
welche sich bezüglich der Einwirkung auf die Acidität des Magen
inhalts mit den Erfahrungen von Jaworski und denen der eben
genannten Autoren im ganzen decken, soll durch den Gebrauch der
Karlsbader Thermalquellen auch die motorische Thätigkeit des Magens
erhöht werden.
Die klinischen Erfahrungen stimmen mit den Beobachtungen
Jaworski's im ganzen gut überein. Jedenfalls sind sie geeignet,
uns hinsichtlich der Dosirung die bemerkenswerthe Directive zu
geben, dass zu lange fortgesetzte Karlsbader Kuren selbst unter An
wendung schwacher Dosen schädlich wirken können. Endlich glaube
ich hieraus unter gleichzeitiger Berufung auf mehrfache ungünstige
Erfahrungen aus meiner Praxis vor zu häufig wiederholten Karls
bader Kuren warnen zu müssen. In jedem Falle sollte vor dem Ge
brauch von Karlsbad eine genaue JTntersuchung der functionellen
Störungen des Magens vorgenommen werden, da ohne diese die Ver
ordnung einer Karlsbader Kur stets ein Experiment ist, das schlecht
und gut ausfallen kann.
Da, wie oben betont, die Wirkung des Karlsbader Wassers eine
complexe ist und sich auf verschiedene Digestionsabschnitte erstreckt,
so wird die Prognose der Wirkung und auch die Indicationsstellung
wesentlich erschwert. Wenn wir trotzdem versuchen, Indicationen
für den Gebrauch der Karlsbader Thermalquellen aufzustellen, so ge
schieht dies lediglich auf Grund persönlicher Frfahrungen, die in ein
zelnen Punkten möglicherweise der (Zrrectur bedürfen.
rndicationen Die Karfsbader Thermen sind indieirt:
rar den j i)ej frjs(qien Formen von Dvspepsie, besonders solchen mit
lebrauch der - i i ** '"'" "«.u
Karlsbader Aciditätssteigeruug und massiger Obstipation;
Thermal-
i) Kwald und Sandberg, Centralblatt für die medicin. Wissenschaften 1888,
No. 16 u. 18.
••9 W . Spitzer, Therap. Monatsh. 1894, Aprilheft.
Balneotherapie. 315
2. bei Gastritis acida, namentlich den mit abnormer Sehleim
bildung einhergehenden Formen;
3. bei manchen (nicht nervösen) Formen von Superaeidität,
continuirlichcm Magensaftfluss. Pvrosis hydroehlorica;
4. bei leichteren Formen von Atonie der Magenmuskulatur,
bedingt durch sitzende Lebensweise, einseitige Ernährung
(Suppen), habituelle Obstipation und consecutiver Steigerung
der Secretion;
5. hei Insiiffieienz des Chemismus und Verringerung (nicht Ver
lust) der freien Salzsäure;
(>. als Nachkur nach Heilung eines chronischen Ulcus ven-
triculi et duodeni; besonders den mit Superaeidität ein
hergehenden Formen ;
7. bei dyspeptisehen Beschwerden, welche durch Obstipation,
Leberanschoppung und Aehnliches bedingt sind und wo das
primäre Leiden noch nicht die äussersfen Grade erreicht hat.
Contraindicirt ist der Gebrauch von Karlsbad; rontramdi-
. i •
n . -,-, T -r • • cationen für
1. bei vorgeschrittenen lormen der Dvspepsic, namentlich mit den < ^ brauch
Salzsäureverlust; **£?££-
2. bei allen Formen der echten, durch die Mageninhaltsunter- maiqueiien.
suchung erwiesenen Gastritis chronica mit Salzsäureverlust.
3. bei Gastrectasieen, mögen sie vorgeschrittene Stadien einer
Atonie oder Folgezustände einer Pylorusstenose darstellen;
4. hei allen Formen nervöser Dyspepsie, auch solchen mit gut
erhaltener chemischer und motorischer Thätigkeit;1)
5. bei allen Dvspepsieen, die mit hartnäckiger habitueller Ob
stipation einhergehen;
b\ bei Verdacht auf maligne Processe des Magcndarmtractus.
Bei 1., 2., 3. und 6. werden im ganzen grössere Dosen (5—600 g)
Thermalwasser pro die, bei den übrigen nur kleine Dosen (2—400 g)
zu gestatten sein.
W a s die einzelnen Quellen Karlsbads angeht, so unterscheiden
sie sich bekanntlich im wesentlichen nur durch die Temperatur. Im
ganzen sind die mittclwarmcn Quellen (Felsenquelle | (50,9"], Mühl
brunnen |57,N<>], Schlossbrunnen | 5(5 J) °], Marktbrunnen [50°]) den
höher tomporirton (Sprudel |73,N"], Ncubruiinen |()3,4°| und Theresien-
brunnen |(>1 "]) vorzuziehen. Unbedingt ist dies, wie v. Letibc betont,
bei Ulcus ventriculi der Fall; dagegen wähle ich in Uebereinstimmung
i) Doch sind hier nur Trinkkuren contraindicirt, nicht der Aufenthalt in
Karlsbad selbst, welcher Gelegenheit zur Vornahme hydropathisch er Kuren sowie
zur Heilgymnastik, Ma.ssage u. s. w. bietet.
316 Balneotherapie.
mit Anderen bei catarrhalischen Affectionen des Dünn- und Dick
darms mit Vorliebe und gutem Erfolg die hochtemperirten Quellen.
Im übrigen ist ein wesentlicher Antheil der eminenten Karls
bader Kurerfolge auf die in ihrer Weise einzig dastehende Diät zu
beziehen, die im weitesten Sinne des Wortes als »Schoiiungsdiät«
bezeichnet werden muss. Daher der günstige Erfolg bei allen denen,
die den Genüssen der Tafel in allzu reichem Maasso huldigen und
hierdurch Zustände von Magen-Darmschwäche acquiriren. Anderer
seits ist durch die neuesten Stoff Wechseluntersuchungen von Friedr.
Kraus 1) erwiesen, dass unter dem Gebrauch von Karlsbader Wasser
eine durchaus normale Fettresorption im Darmcanal stattfindet, eine
Erfahrung, die empirisch bei einsichtigen Aerzten schon längst fest
stand. Thatsächlich gehören denn auch heute die früher berüchtigten
Karlsbader Consumptionskuren immer mehr zu den Seltenheiten, da
Fette nicht mehr in dem Umfange wie früher verboten werden.
Von den übrigen Glaubersalzwässern (s. Tabelle) zeigen einige,
von der Temperatur abgesehen, sehr ähnliche Zusammensetzungen
wie Karlsbad: hierzu gehört Rohitsch (Tempelbrunnen) und die Fran
zenshader Salzquelle, während Marienbad und Elster durch den fast
doppelten Glaubersalzgehalt und Tarasp (Luciusquelle) durch einen
beträchtlichen Mehrgehalt an Alkalien von Karlsbad nicht unwesent
lich abweichen.
Ich wähle die Quellen von Elster und Marienbad in den Fällen,
in denen an sich Karlsbad indicirt wäre, wo aber eine ausgesprochene
Darmträgheit besteht, während ich Tarasp für solche Fälle reservire,
wo neben der Einwirkung auf den Magen auch solche auf das Nerven
system und das Allgemeinbefinden in Frage kommen.
Die Zusammensetzung der Glaubcrsalzquellen erhellt aus der
folgenden, dem Glaubersalzgchalt nach geordneten Tabelle:
1.
•>
3.
4.
5.
6.
7.
Elster (Salzquelle)
Marienbad (Ferdinandsbrunnen)
Franzensbad (Salzquelle)
Karlsbad.
Tarasp (Luciusquelle)
Rohitsch (Tempel braunen)
Bcrtrich (31° C)
Schwefel
saures
Natron
im Liter
5.2(5
5,05
2,SO
2,37
2,1
2,02
0,91
Doppelt
kohlen
saures Na
tron im
Liter
1,68
1,S2
o,t)6
1,92
5,45
1,075
0,26
Kochsalz
im
Liter
0,S2
2,00
1,14
1,03
3,67
0,09
0,435
Freie
Kohlen
säure im
Liter
986,84
1127,74
S31,42
104,1
1060,00
1129,02
120,09
]) Fr. Kraus, Berliner klin. Wochcnschr. 1897, No. 21.
Balneotherapie. 317
4. Koch Salzwässer. Aehnlich wie bei den Glaubersalz^ässern Kochsais-
besteht hei den Koehsalzwässem ein scheinbar unlöslicher Wider
spruch zwischen Theorie und Praxis. Das Experiment hat gelehrt,
dass das Kochsalz ungünstig auf die Magen Verdauung wirkt, theils
weil es die Proteolyse hemmt theils weil es an Stelle der Magen-
saftabsonderung alkalische Transsudate producirt, durch welche jene
unwirksam gemacht wird; die Praxis zeigt das Gcgentheil, und es
muss unsere Aufgabe sein, diese Contraste zu vereinigen. Man hat,
wie ich glaube, hier den Fehler begangen, von ungleichen Voraus
setzungen auszugehen. Wenn z. B. Wolff,1) in der Absicht, den
Einfluss des Kochsalzes auf die Magen Verdauung zu studiren, auf ein
Mal 5 g Kochsalz in den Magen bringt, so entspricht diese Gabe un
gefähr 1 Liter Rakoczy-Wasser = 5 Becher, eine Dosis, die wohl
kaum jemand als Einzeldosis ordiniren würde.
Es unterliegt für mich keinem Zweifel, dass speeiell kleine Koch-
salzgaben von grosser balneodynamischer Wirkung sind, und daher
pflege ich unter den vielen kochsalzhaltigen Quellen, die uns zur Ver
fügung stehen, den kochsalzärmeren (bis zu 1 °/0) den Vorzug zu geben.
Bei einigen Wässern ist vielleicht neben dem Kochsalz- noch
ein beträchtlicher Kohlensäuiegehalt von Bedeutung. Durch letzteren
zeichnen sich, wie nachstehende Tabelle lehrt, besonders aus: Kis
singen, Homburg, Pyrmont (Salzquelle) und Soden (Milchbrunnen).
Ueber die Wirkung der Kohlensäure ist bereits oben (S. 310) das
Wichtigste ausgeführt.
Den Kochsalzwässern kommt im Gegensatz zu den Sulfatquellen,
wie es scheint, keine Wirkung auf die grossen Unteileibsdrüsen (Leber,
Pancreas), sondern einzig und allein auf den Magen, bezw. Darm zu.
Die wesentliche Wirkung der Kochsalzwässer besteht nach
meinen Erfahrungen in einer Anregung der Drüsensecretion, Besse
rung des Appetits und Beseitigung des Schleims.
Geradezu typisch ist diese günstige Wirkung in Fällen be- indicationen
ginnender, mit HCl-Verlust einhergehender Gastritiden, bei "ndicSoneii
denen sieh subiectiv Störungen durch Druck und Völle nach dem für Kochsalz-
Essen, Salivation, Uebelkeit, Brechneigung oder wirkliches Erbrechen,
objeetiv durch mehr oder weniger verminderte HCl-Production und
Schleimt»ildung äussern. In diesen Fällen wirkt, vorausgesetzt, dass
nicht etwa ein seeundärer Process vorliegt, der Gebrauch der Koch-
salzwässcr (event. in Verbindung mit Salzsäure) nahezu ausnahms
los in wenigen Wochen vortrefflich. Gleichzeitig hiermit kann man,
wie ich dies eonsequent verfolgt habe, ein kräftiges Ansteigen der
i) L. Wolff, Zeitschrift f. klin. Medicin Bd. 16, S. 256.
wasser.
318 Balneotherapie.
HCl-Production und damit wesentlich bessere Chymification und
Schwund der dicken zähen Schleimmassen beobachten. Diese von
v. Sohlern1) und mir zuerst gemachte Erfahrung ist in neuester
Zeit auch von D a p p e r bestätigt worden. Freilich hat D a p p e r 2 )
auch umgekehrt bei Hyperacidität in einer kleinen Zahl von Fällen
Nachlass der Störungen sowie Verringerung der Säurewerthe erzielt.
In Fällen von langjährigen Gastritiden und constantem HC1-
Verlust und gleichzeitigem Fennentmangel konnte ich zwar gleich
falls günstige Resultate, dagegen keine Einwirkung auf den Chemis
mus verzeichnen.
In den meisten dieser Fälle wirken Kochsalzwässer (in mittleren
oder grossen Dosen) auch günstig auf die Magen- und Darmperistaltik,
wenigstens sieht man sich den Stuhl regeln und die Neigung zu
Flatulenz abnehmen. In kleinen Dosen (1 — D / 2 Becher pro Tag)
wirken sie obstipirend.
Hieraus folgt schon, dass Fälle mit gesteigertem Chemismus
sich nicht für Kochsalzwässer eignen. Ich habe dies auch praktisch
bei Patienten, die mich nach erfolgloser Kur in Kissingen aufsuchten,
wiederholt beobachten können. Dieselben Erfahrungen hat im Gegen
satz zu Dapper auch v. Sohlern3) gemacht, und auch ich bin in
meinen Anschauungen trotz der oben erwähnten Beobachtungen
Dappers nicht erschüttert worden. Dieselben beziehen sich augen
scheinlich auf Zustände von nervöser, irritativer Dyspepsie, wobei
die Darreichung des Rakoczy gegenüber einer rationellen Diät in
den Hintergrund tritt. Ob in solchen Fällen die Acidität zu- oder
abnimmt, ist meines Erachtens völlig gleichgültig, wichtig allein ist
die Förderung der Ernährung und des Kräftezustandes. Für Fälle
von Pyrosis hydrochlorica, ulceröser Hyperacidität und Gastritis
acida, das steht bei mir fest, sind die Trinkkuren in Kissingen nicht
zu empfehlen.
Desgleichen bin ich in einem weiteren Punkte ebenso sicher:
Atonieen und Mageudilatationen gehören nicht in Kochsalz
bäder Bei den ersteren besteht in der Regel, zumal in relativ frischen
Fällen, Steigerung der Magensaftseeretion. Lässt man wenig trinken,
so erhält man einen Effect, der unerwünscht ist: die Säuresecretion
steigt noch mehr an; wählt man grosse Dosen, so findet eine weitere
1) v. Sohlem, Berlin, klin. Wochenschr. 1897, Nu. 21.
2) Dapper, Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. 30, Heft 3 u. 4.
3) v. Sohlern 1. c.
Balneotherapie. 319
Hyperextension des Magens statt. Ich könnte dieses Raisonnement
mit einer großen Anzahl von Krankengeschichten belegen.
Noch woniger passen Kochsalzwässer oder überhaupt Mineral
wässer für Dilatationen in Folge organischer Stenosen oder Myasthenie.
Hier ist unsere wesentliche Aufgabe, die Abflussbedingtuigeii günstiger
zu gestalten, jede überflüssige Wasseizufuhr, sei sie kochsalz-, oder
glauborsalzlialtig, ist daher dringend zu vermeiden.
Bezüglich des Ulcus ventriculi hat sich Karlsbad einen so donii-
nirenden Ruf erworben, dass es vergebliche Mühe wäre, hieran etwas
ändern zu wollen. Indessen möchte ich glauben, dass für einzelne
Fälle von chronischem Magengeschwür, namentlich für die nicht mit
Superaeidität einhergehenden, leichte Kochsalzwässer nicht weniger
iudicirt wären, eigene Erfahrungen hierüber stehen mir indessen
nicht zur Verfügung. Von der Anwendung von Kochsalzwässern bei
Uarciiiom, selbst wenn dasselbe sich in seinen Anfangstadien be
findet, ist selbstverstädlich Abstand zu nehmen.
So wenig sich die Glaubersalzwässer für die Behandlung von
Mageimeurosen eignen, so wenig auch die Kochsalzwässer. Aller
dings gilt dies nur für solche Fälle, in denen nachweislich die ein
zelnen Magenfunctioiieu in normaler Weise vor sich gehen. In den
gemischten Fällen, wo nervöse Symptome im Bilde der Verdauungs
störungen sich nur schärfer abheben, können, wenn letztere keine
Oontraindication darstellen, Kochsalzwässer mit Vortheil zur Anwen
dung kommen.
Die wichtigsten Kochsalzquellen und deren Zusammensetzung
sind aus nachstehender Tabelle ersichtlich:1)
In 1000 Theilen Wasser
Nauheim (Kurbrunnen)
Neuhaus (Bonifaciusquelle)
Also - Sebes
Homburg (Elisabeth 1 irunnen)
Schnialkalden
Pyrmont (Salzquelle)
Wiesbaden (Kochbrunnen) Temperatur 68" C.
Mergentheim
Bourbon les Bains, Temperatur 50° ('
Kissingen (Hakoczy)
Soden (Milchbrunnen)
Kochsalz
in g
15,42
14,77
11,77
9,86
9,34
7,05
6,83
6,67
5,98
5,82
5,42
Kohlensäure
in ccin
995
1138
1039
115
954
200
297
228
1305
951
i) Wir haben in der Tabelle die unter 2 pro mille enthaltenden Wässer
nicht mehr unter die Kochsalzwässer rubricirt, da sie diese Bezeichnung kaum
noch verdienen.
320 Balneotherapie.
Von den verzeichneten Quellen repräsentiren Bourbon les Bains
und Wiesbaden Kochssilzthermen.
Eisenwässer. 5. Eisenwässer. Dieselben kommen häufig bei der Behandlung
chronischer Dyspepsieen in Anwendung, und zwar meist in Form der
sogenannten alkalischen Säuerlinge, da reine Eisenwässer bei aus
geprägten Dyspepsieen schwer vertragen werden. In erster Reihe
stehen hier Franzensbad und Elster, weil beide neben den Eisen
säuerlingen eine fast reine Glaubersalzquelle haben, deren Gebrauch
wegen der fast bei allen Anämieen bestehenden habituellen Obsti
pation von grösstem Werthe ist. Hierin gehören auch die Eisen
wässer von Reinerz und Cudowa in Schlesien, Rippoldsau, Bart
feld u. v. a. Ich selbst habe in einer grossen Reihe von Fällen vom
Gebrauch der Eger-Franzensquelle und der Eisenquellen von Elster
vortreffliche Resultate gesehen.
Kalkhaltige 6. Die kalkhaltigen Wässer, darunter in erster Linie die an
Wässor
kohlensaurem Kalk reichen, werden in denjenigen Fällen angewendet,
wo neben dyspeptischen Störungen Neigung zu Durchfällen besteht,
speciell bei Dünndarmkatarrh. Ganz besonders eignen sich diese
Wässer auch als Tafelwässer, zur Vermischung mit Wein, Cognac u. a.
Die wichtigsten Quellen dieser Art sind: Wildungen (Königsquelle),
Driburg (Hersterquelle), Lippspringe (Arminiusquelle), Rappoldsweiler
(Carolaquelle), Coburg (Mariannenquelle) und Marienbader Rudolfs
quelle. Die genannten Quellen sind sämmtlich kalte Quellen.
Bitterwässer. 7. Bitterwässer. Dieselben kommen für die Behandlung von
Magenaffectionen nur insoweit in Betracht, als letztere die Folgen
habitueller Obstipation oder Abdominalplethora, Hämorrhoidalleiden
u. a. darstellen. Bei primären Störungen der Verdauung ist ihr
Gebrauch thunlichst einzuschränken. Direct contraindicirt ist der
Gebrauch der Bitterwässer beim Ulcus ventriculi oder duodeni. Ich
habe in der Praxis eines Collegen nach Anwendung von Bitterwasser
bei Ulcus den Tod eintreten sehen, in zwei anderen Fällen erfolgten
wesentliche Verschlimmerungen des Zustandes. Auch in allen Magen-
Darmaffectionen, die zu adhäsiven Verklebungen geführt haben oder
führen könnten, z. B. bei der Typhlitis stercoralis, sind Bitterwässer
stets durch milde Purgantien (Oleum Ricini, Rheum, Frangula) oder
noch besser durch diätetische Abführmittel zu ersetzen.
In den meisten Fällen von Störungen im Bereich des Ver-
dauungstractus werden mit Trinkkuren Badekuren combinirt. Einer
besonders grossen Beliebtheit erfreuen sich hier die Sool- und Moor-
Balneotherapie. 321
beider, während in einzelnen Fällen auch die einfachen Akratothermen,
sowie Stahlbäder von günstigem Einfluss sein können. Die ersteren
eignen sich besonders bei exsudativen Processen im Boreich des Magen-
darmcanals, peritonitischen Verklebungen, Adhäsionen u. a. Kisch1)
rühmt hei Magenneurosen mit erhöhter Sensibilität die Anwendung
von Moorcataplusinen. Ich empfehle heisse Moorcataplasmen be
sonders bei Ulcus ventriculi. A m häufigsten und erfolgreichsten an
gewendet werden die Moorbäder von Marienbad, Franzensbad und
Elster. Von den Soolbädcrn eignen sich für die Anwendung hei
Digestionskrankhciteii besonders diejenigen, die auch mit Trinkkuren
comhinirt werden können, also Kissingen, Soden, Wiesbaden u. a.
Hierdurch soll der Nutzen der allein zu Soolbädcrn dienenden
Quellen, von denen wir eine überreiche Auswahl besitzen, selbstver
ständlich in keiner Weise geschmälert werden.
Unsere obigen Auseinandersetzungen haben zu dem Resultate
geführt, dass zwei Gruppen von Magen- und Darmaffectionen sieh im
allgemeinen für den Gebrauch von Mineralwässern nicht eignen:
1. Zustände muskulärer Frschlaffung des Magen- und Darmrohrs, so
wie Magendilatationen in Folge von Stenosen oder Atonie, 2. Neu
rosen des Verdautingstractus. Damit soll nicht gesagt werden, dass
in speciellen Fällen nicht auch Neurosen in Badeorten, die ihrem
Mineralwasser ihren Ruf verdanken, gut fortkommen; aber ich möchte
diesen Erfolg mehr auf die günstigen äusseren Verhältnisse, den Klima
wechsel, die geeignete Diät, die Anwendung sonstiger Hilfsmittel,
über die heutzutage jeder grössere Badeort verfügt, zurückführen.
Auch spreche ich nur von solchen Neurosen, bei denen die objeetive
Untersuchung keinen Anhaltspunkt für die Gegenwart functioneller
oder anatomischer Veränderungen bietet. 3. Sind bei Oarcinomen
Brunnenkuren grundsätzlich zu unterlassen, da selbst von einer
palliativen Wirkung keine Rede sein kann. Magenearcinome bleiben
am besten der häuslichen Pflege oder dem Krankcnhause reservirt.
W o Mineral Wasserkuren contraindicirt sind, bleiben uns zwei Klimatisch
grosse und mächtige Heilpotenzen: die klimatischen Karorte (Höhen- Kurorte-
luft, Waldluft u. a.) und Seeluft und Seebäder Zwischen diesen
beiden zu wählen, ist im Einzelfalle recht schwielig. Spezielle In-
dicationen lassen sich hier kaum aufstellen, nur einige ganz allge
meine Gesichtspunkte mögen hervorgehoben werden. Klimawechsel,
i) Kisch, Balileo-, Hydro- und Kliniatotherapie. Wien und Leipzig 1883.
Boas, Allg. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. £1
322 Balneotherapie.
namentlich Höhenluft, passt überall da, wo die Neurose offenbar
durch unzweckmässige sitzende Lebensweise bedingt ist, wo ferner
geistige oder körperliche Ueberanstrengungen zu Grunde liegen. Man
kann es von solchen Patienten selbst hören, wohin sie passen: ein
sorgfältiges Krankenexamen ergiebt, dass ihre Beschwerden, sobald
sie den Staub der Grossstadt von sich abgeschüttelt haben und in
Zurückgezogenheit leben, wie mit einem Schlage beseitigt sind.
Für Seeluft und Seebäder passen andererseits Individuen mit
ausgeprägten nervösen Störungen im Bereiche der Magen- und Darm-
nerven. Hierzu gehört: Mangel an Appetit oder perverser Appetit,
Abgeschlagenheit, deprimirte Gemüthsstimmung, Obstipation, Ge
wichtsabnahme.
In diesen P'ällen hat man allerdings zu beachten, ob sich neben
den nervösen Störungen nicht functionelle Abweichungen finden, die
eine strenge Diät erfordern. Da die meisten Seebäder, zumal die
an der Nordsee gelegenen, in Bezug auf rationelle Diät viel zu wün
schen übrig lassen, so bedarf es einer sorgfältigen kritischen Aus
wahl. In den Ostseebädern, deren Verbindungen mit dem Festlande
(wenigstens von Deutschland aus) äusserst günstige sind, lässt sich
die Führung eines eigenen Haushaltes oder Anschluss an Familien,
die einen solchen führen, leichter ermöglichen.
Ein in einzelnen Fällen unentbehrlicher Heilfactor ist die Be-
• handlung in geeigneten Heilanstalten.]) Die Bedeutung der An
staltsbehandlung liegt in der Möglichkeit, den Kranken beständig zu
überwachen, seine Diät im Verfolg fortlaufender Untersuchungen der
Magen- und Darmfünctionen zu regeln und ihm mit Bezug hierauf
eine richtige Directive für sein späteres Verhalten zu geben. Es
eignen sich daher für die Anstaltsbehandlung solche Kranke, die einer
sehr subtilen Diät bedürfen oder bei denen aus äusseren Gründen
eine zweckentsprechende Beköstigung undurchführbar ist. Auch wo
n Unter geeigneten Heilanstalten verstehe ich nicht grosse, allen möglichen
Disciplinen dienende Sanatorien, in denen Chirurg und Frauenarzt, Haut- und
Nervenarzt und dazu der Magenspecialist zusaunnenfHessen, sondern kleinere An
stalten, die ausschliesslich der rationellen Ernährung Magen- und Darmkranker
dienen, also über eine lediglich für solche Kranke bestimmte, sachgemäss
geleitete Küche verfügen. Eine Reihe von Sanatorien entsprechen diesen An
forderungen nicht und stehen daher den anderen im obigen Sinne eingerichteten
entschieden nach. Dass ausserdem die Persönlichkeit des Leiters der Anstalt,
seine wissenschaftliche Befähigung und praktische Erfahrung bei der Wahl der
Anstalt in Betracht kommen, liegt auf der Hand. Eine Auswahl bekannter A n
stalten findet sich bei Penzoldt-Stintzing, Handbuch der speciellen Therapie Bd. IV
S. 247.
Balneotherapie. 323
die Application technischer Heilmethoden indicirt ist (Massage, Elec-
tricität, hydriatisehe Behandlung) ist die Anstaltsbehandlung der am
bulanten vorzuziehen. Im einzelnen halten wir die Anstaltsbehand
lung für indicirt in Fällen von hartnäckigem, häufig recidivirendem
Ulcus ventrieuli oder dttodeni, ferner bei vorgeschrittenen Ectasieen
des Magens, bei gewissen Neurosen (nervösem Erbrechen, Gastralgieen,
nervöser Dyspepsie), bei Enteroptose, bei Darmcatarrhen in vorge
schrittenen Stadien, endlich bei solchen Individuen, die zu energie
los sind, sich einer strikten, diätetischen Kur zu unterwerfen.
L i t e r a t u r
Ditterich, Klinische Balneotherapie, 1861.
Seegen, Lehrbuch der allgemeinen und speciellen Heilquellenlehre. Wien
1862, 2. Aufl.
Kisch, Handbuch der allgemeinen und speciellen Balneotherapie. Wien 1864.
Valentiner, Handbuch der allgemeinen und speciellen Balneotherapie. Ber
lin 1873.
Helfft, Balneotherapie, herausgegeben von Thilenius, 8. Aufl. Berlin 1874.
Lehmann, Bäder- und Brunnenlehre. Bonn 1877.
0. Leichtenstern, Allgemeine Balneotherapie, v. Ziemssen's Handbuch der
allgemeinen Therapie Bd. 2, S. 215. Leipzig 1880. (Daselbst erschöpfende Lite
raturzusammenstellung und kritische Beleuchtung des umfangreichen Materials).
Kisch, (irundriss der klinischen Balneotherapie einschliesslich der Hydro
therapie und Kliniatotherapie. Wien und Leipzig 18SI5.
Braun, Systematisches Lehrbuch der Balneotherapie, herausgegeben von
B. Fromm, 5. Aufl. Braunschweig 1887.
Flechsig, Handbuch der Balneotherapie für praktische Aerzte, 2. Auflage.
Berlin 1892.
21*
324 Massage, electrischc, hydriatische, orthopädische Behandlung.
ELFTES CAPITEL.
Massage, electrische, hydriatische, orthopädische Behandlung.
Die Massagre.
Der Umstand, dass motorische Schwäche, Erschlaffungszustände
des Digestionscanais ungemein häufige Leiden sind, weist der mecha
nischen Behandlung eine bedeutende unterstützende Kolle zu.
Die dieser Behandlung zu Grunde liegende Idee beruht darauf,
dass 1. die träge, paretische Muskulatur gekräftigt, event. ligamen-
töse Verbindungen gelockert und gelöst werden, 2. der abnorm
lange im Magen-Darmcanal verweilende Inhalt mechanisch weiter
geschafft wird.
Während die Massage des Darmes sich im Laufe der Jahre all
gemein Geltung verschafft hat und praktisch erprobt ist, kann man
dies weniger vom Magen sagen. Es hängt dies damit zusammen,
dass genaue Indicationen noch fehlen, so dass unter Umständen die
mechanische Behandlung geradezu Schaden stiften kann.
indicationen I m allgemeinen ist Massage indicirt:
der Massage. i_ |)ej solchen Magenleiden, bei denen einfach eine Atonie der
Muscularis oder eine Erschlaffung der Fixationsbänder und infolge
dessen ein mangelhafter Halt des Organs (Gastroptose) vorliegt;
2. sodann auch bei gewissen Formen von Gastrectasie auf Grund
einer Pylorusstenose. Ueber günstige Erfolge in solchen Fällen hat
in neuerer Zeit besonders Zabludowski 1) berichtet. Die hierfür
geeigneten Fälle erfordern indessen eine sorgfältige Auswahl, insofern,
als bei allen mit ausgesprochenen Gäki'ungsprocessen einhergehen
den Pylorusstenosen Massage von erheblichem Nachtheil sein kann
da hierbei die gährenden Massen in die weit günstigere Vegetations
verhältnisse bietenden Därme gepresst werden;
3. bei gewissen Formen von nervöser Dyspepsie, zumal den
sensiblen Formen (Druck-, Schmerzgefühl, irritable stomach u. a.).
Auch hier eignet sich nicht jeder Fall für die mechanische Behand
lung; ein Vorversuch muss event. hierüber entscheiden;
i) Zabludowski, Bert kliu. Wochenschr. 1886, No. 26 u. ff.
.Wa^a^-e electi-ische. hydriatische. orthopädi-che Behandlung. ;}•_'.)
4. Massage i>t indicirt in allen den Fällen, wo eine primäre
Darniatonie vorliegt, die zu secundären Störungen der Mauenfunrtioiien
geführt hat. Der Nutzen der mechanischen Behandlung ist hier durch
zahlreiche Erfahrungen erwiesen.
• >: dunstige Uhauceii bietet die Application der Massage bei
allen localen Entzünduiigsprocossen am Magen, Adhäsionen, entzünd
lichen Verdickungen it. a. doch ist hier grosse Vorsicht und ein
gehende Prüfung des Falles unerlässlich.
(onfrautdicirt ist Massagt1 einmal in frist'Jicn Fällen von Ulcus Cuntrain.n-
•. li-- i r i i i 1 - v T , ,
n . , n , cationen der
mit adhäsiven \ erklebungen der Aachharorgane, bei denen es selbst M,,S,;II,0.
bei vorsichtiger A])])lieatioii derselben zur Perforation des Ulcus in
ein Nachbarorgali mit den traurigen Folgen derselben kommen kann.
Auch bei abnormer Anfüllung d(^ Magens und Darmes mit Uoiitcntis
oder Luft ist grosse Vorsieht angebracht. »Ist die Muskulatur des
Magens spontan in voller Aetion, sind die poristaltischon Bewegungen
stark und häutig, manchmal sogar wie im tetanischen Zustande und
fühlt sieh der Magen mit der aufgelegten Hand etwa wie ein contra -
hirter Uterus posf partum an, dann Hände weg!« (Zabludowski.)
Dass Massage ferner bei allen (ioscliwulstbildungcn, an welcher
St die des Abdomens sie auch sitzen und welcher Art sie auch sein
mögen, contraindicirt ist, zu erwähnen sollte eigentlich überflüssig
sein, wenn ich nicht wiederholt Gelegenheit gehabt hätte, die trau
rigen Folgen derartigen Thafondrangs leider auch bei Acrzten zu
beobachten. Ich bemerke hier beiläufig, dass Massage auch bei
Gholelithiasis vermieden werden sollte; wenigstens habe ich mehr
mals Anfälle schwerer Art unmittelbar nach Batichmassage beobachtet.
Was die Methodik der Massage betrifft, so müssen wir uns an Technik der
dieser Stelle auf einige Angaben allgemeiner Natur beschränken. Es Mass;1-e-
ist zunächst klar, dass bei den einzelnen Krankheitsformen die me
chanische Behandlung verschiedene Zwecke im Auge hat. In manchen
Fällen (Pylorusstenose) soll der Mageninhalt zum Theil oder ganz
unter Anwendung mechanischer Hilfsmittel durch den Pvlorus ge-
presst und hierdurch die Durchgängigkeit des letzteren forcirt werden,
ähnlich wie es bei der chirurgischen Digitaldilatation in acuter Weise
der Fall ist. In anderen Fällen soll die mechanische Behandlung
die Muskulatur des Magen-Danncanals tonisiren und zu einer er
höhten dvnamischen Leistung befähigen. In diesen Fällen wird man
selbstverständlich gut thun den Magen im leeren i. e. erschlafften
Zustande zu massiren. Dasselbe gilt auch für die Massage bei den
oben erwähnten Formen der nervösen Dyspepsie. Die von Cseri1)
i) Cseri, Wiener medicin. Wochenschrift 1894. No. 46—48.
326 Massage, electrische, hydriatische, orthopädische Behandlung.
wiederholt und eindringlich gegebene Weisung, stets bei gefülltem
Magen zu massiren, mag für einzelne Fälle ihre Vortheile haben,
darf aber nicht verallgemeinert werden.
Die Wirkung der Massage mit Sicherheit festzustellen ist schwer
möglich, da sie meist in Verbindung mit anderen Heilmitteln wie
diätetischen Verordnungen zur Anwendung kommt. Nicht einmal
die Frage, ob die Muskulatur durch Massage dauernd oder vorüber
gehend oder überhaupt zu ergiebiger Thätigkeit angeregt wird, ist
mit Sicherheit beantwortet. Versuche von A. Schmidt 1) unter Pen-
zoldt's Leitung scheinen dafür zu sprechen, dass unter dem Ein-
fluss von Massage der Chymus den Magen schneller verlässt, doch
ist die Zahl der genannten Versuche zu klein, u m sichere Schlüsse
zu gestatten. Nach meiner Ueberzeugung wirkt die Magenmassage,
die übrigens meist mit Bauchmassage verbunden wird, vorwiegend
auf den Darm, und insoweit die Darmperistaltik durch letztere günstig
beeinflusst wird, wird auch die Magenmotilität indirect günstig be-
einflusst.
Bei circumscripten Entzündungen und Verwachsungen wird
selbstverständlich der betreffende Abschnitt des Magens allein oder
vorwiegend Gegenstand der Behandlung sein.
Je nach den der mechanischen Behandlung zu Grunde liegen
den Intentionen wird auch die Technik eine andere sein müssen. Bei
der passiven Entleerung des Magens durch den Pylorus hindurch
empfiehlt Zabludowski,2) mit der ganzen rechten Hand möglichst
tief einzugreifen und linksseitig ein Stück am Fundus zwischen dem
gestreckten Daumen und den vier anderen Fingern zu fassen. Man
bekommt auf diese Weise eine Art Falte, enthaltend Bauchdecken,
Magenwand mit dem darin eingeschlossenen Chymus. Durch ruck
artige, resp. Schleuderbewegungen, an der Falte hervorgebracht, wirft
man gleichsam den Mageninhalt gegen den Pylorus.
In vorgeschritteneren Fällen, bei paretischer Muskulatur theilt
man durch Druck auf die Wirbelsäule den Magen gewissermaassen
in zwei Abtheilungen, eine der Fundusregion und eine der Portio
pylorica angehörige. »Die in die letztere eingeschlossene, als un-
comprimirbarer Körper anzusehende Speisebreisäule dient beim Druck
von aussen als Bougie zur Erweiterung der stenosirten Stelle« (Za
bludowski). Beim eigentlichen Kneten (petrissage und massa"e
i) A. Schmidt eitirt bei Penzoldt, Allgemeine Behandlung der Magen- und
Darmkrankheiten, Penzoldt-Stintzing's Handbuch der Therapie Bd. IV S. 304.
'<*) Zabludowski 1. c.
Manage, electrische. hydriatische, orthopädische Behandlung. .'J27
a friction) soll man nach Zabludowski möglichst tief in die zu
bearbeitenden Partieen hineingreifen. »Man knetet den Bauch in
querer Lichtung, wie wenn man Teig kneten würde, mit grossen für
beide Hände gleichniässigeii Ilandschwinguiigeii und macht abwech
selnd mit letzterer Manipulation mit der einen Hand kreisförmige,
mit der andern Längsbewegimgen.«
Hin und wieder kommt auch der Credo sehe Handgriff zur An
wendung, nur mit dem Unterschied, dass dort der Druck in der
Längs-, hier jedoch in der Ouerrichtung des Abdomens ausgeübt wird.
Weniger geeignet sind nach Zabludowski das eigentliche
Streichen, die Efficurage und das Tapotement. Doch bin ich auf
Grund eigener Erfahrungen nicht zu dem absprechenden Urtheil wie
der genannte Autor gelangt, Das Tapotement wegen der Befürchtung
einer Reflexwirkung auf das Herz (Goltz'scher Klopfversuch) völlig
aufzugeben, liegt, soweit ich sehe, keine Veranlassung vor.
Die Dauer jeder Sitzung soll 10 Minuten, die der einzelnen
Manipulationen 2 — 3 Minuten nicht übersteigen.
Mit der Massage des Magens kann zweckmässig die des übrigen
Abdomens, namentlich der Därme, soweit eine Indication hierzu vor
liegt, eombinirt werden. Bezüglich der hierbei in Frage kommenden
Technik muss auf die Lehrbücher der Massage verwiesen werden.
Vielfach sind auch Apparate in Form von Kugeln oder Rollen
zur Selbstmassage empfohlen worden und beim Publikum verbreitet.
Etwaige Erfolge dieser Methode dürften weniger dieser als der Auto
suggestion zuzurechnen sein.
Z u m Schluss noch die Bemerkung, dass Magen- und Bauch
massage überhaupt am besten vom Arzte selbst, niemals von Laien
applicirt werden sollte.1) Indessen stellen sich dieser Forderung in
praxi insofern Schwierigkeiten entgegen, als die Massage noch heut
zutage an unseren Hochschulen eine äusserst stiefmütterlich bedachte
Disciplin ist und nur wenige Aerzte mit der Technik so vertraut
sind, dass sie die rationellen und technisch erprobten Methoden be
herrschen. Nur hierdurch war es möglich, dass dieses wichtige und
erfolgreiche Gebiet der Heilktinst der ärztlichen Bcthätiguiig nahezu
völlig verloren gegangen ist.
i) Hoffa sagt in seiner kürzlich erschienenen, vortrefflichen «Technik der
Massage«: «Ich behaupte, dass jeder Laienmasseur, der selbständig die Massage
ausübt, ein Pfuscher ist und bleibt.«
328 Massage, clectrische, hydriatische. orthopädische Behandlung.
Die eleetrisehe Behandlung-.
Zwar fehlt uns noch vielfach die Einsicht in die Art der Wir
kung des electrischen Stromes, wie denn auch die bisherigen experi
mentellen Forschungen an Widersprüchen und Gegensätzen reich sind.
Bis zur Klärung dieser Differenzen müssen wir an der klinischen Er
fahrung festhalten, die sich fast allgemein für die Anwendung der
electrischen Behandlung ausspricht.
Die Anwendung der electrischen Therapie bei Magenkrankheiten
bezieht sich wie auch sonst in der Electrotherapie auf den faradischen
und galvanischen Strom, und zwar soll der erstere mehr auf den
motorischen, letzterer mehr auf den socretorischen Apparat wirken;
einzelne vermuthen auch eine Einwirkung auf die Resorption.
Die physiologischen Grundlagen dieser Lehren, soweit sie sicli im Augen
blick übersehen lassen, basiren auf folgenden Beobachtungen und Experimenten:
a) Hinsichtlich der Motilität; Nachdem schon von älteren Autoren
(v. Ziemssen, Rossbach, Lüderitz) festgestellt war, dass Reizungen des Magen
fundus durch faradische Ströme an Thieren in recht geringfügigem Maasse Oon
tractionen hervorrufen, hat Meltzcri) durch eingehende Untersuchungen an Hunden
diese Angaben bestätigt und erweitert. Niemals traten bei noch so starken fara
dischen Strömen auf den Fundustheil des Magens Oontractionen ein, nur wenn
Meltzer sich dem Pylorustheil näherte gelang es, Zusammenziehungen zu er
zielen, am stärksten am Pylorus selbst. Dagegen gelang dies nicht von der
correspondirenden Stelle der Schleimhaut aus. Wurde ferner nach Freilegung des
Magens eine Elektrode auf die Bauchwand in der Nähe des Magens aufgesetzt.
während die andere am Rücken angebracht oder in den Magen eingeführt
wurde, so trat selbst bei stärksten Strömen nur eine Contraction der Bauchmusku
latur, keineswegs aber eine solche des Magens auf. Diesen Versuchen hat Ein
horn andere zum grossen Theil an Fröschen gegenübergestellt aus denen die
Contractilität der Fundusregion hervorgehen soll, indessen ergeben doch auch diese
Versuche nur eine sehr geringe Activität der Funduspartie bei Reizung mit dem
faradischen Strom. Ganz analoge Resultate liefern auch die neueren Unter
suchungen Goldschmidt's-) und (! ol d b a u m s,'\) welche weder eine seereto-
rische noch eine motorische Beeinflussung des Magens durch faradische oder galva
nische Ströme nachweisen konnten. Damit ist schon eine von dem Altmeister
der Klinik, v. Ziem ssen,') geäusserte Ansicht als bewiesen zu betrachten,
welcher sich folgendermaassen ausdrückt: «Die Auffassung, als handle es sich
bei der Fdectrisation des Magens vor allem um die Tendenz Oontractionen der
Magenmuscularis und Verkleinerung eines eetatischen Magens zu bewirken, kann
ich in der Hauptsache nicht als zutreffend bezeichnen.«
i) Meltzer, New-York medic. Journ., June l.~>; s. a. Areh. f. Verdauungs
krankheiten Bd. a, Heft 2, 1897.
2) Goldschmidt, Deutsch. Areh. f. klin. Medicin Bd. 5(i, 1896.
3) Goldbaum, Archiv f. Verdauungskrankheiten Bd. 3, Heft 1, 1897.
') H. v. Ziemssen, Die Electricität in der Medicin 1887, S. 445.
Massage, electrische. hydriatische, orthopädische Behandlung. 329
b) Hinsichtlich der Srcretion: Auch bezüglich der'Secretion sind die Unter-
siichungsergebiiisx» schwer in Einklang zu bringen, v. Zienissen und Rossi
hatten auf Grund von Thierversuchen, und zwar mit beiden Stromesarten Secre-
tionsverinehrung bewirkt. Zu demselben Resultat kam II off m a n n an Menschen,
die mit galvanischen Strömen, und zwar intraventriculär behandelt wurden. D e m
gegenüber konnten weder G oldschmidt noch Goldbaiini bei ihren bereits er
wähnten, gleichfalls am Menschen ausgeführten Untersuchungen irgend eine deut
lich erkennbare Beeinflussung, sei es durch Application des galvanischen oder
des faradischen Stromes erweisen. Die Frage muss demnach als nicht spruchreif
betrachtet werden.
Uebrigens ist dem Umstand der Secretions- oder Motilitätssteigerung wiihrend
der electrischen Reizung meiner Ansicht nach kein erhebliches Gewicht beizulegen.
Denn die Praxis verlangt keinen schnell abklingenden, nur während der Phase
der electrischen Behandlung erfolgenden Reiz, sondern eine dauernd anhaltende
günstige Beeinflussung. In dieser Hinsicht liegen zwar noch keine Versuche vor,
indessen thut man gut, sieh kennen zu grossen Hoffnungen bezüglich der Dauer
wirkung des electrischen Stromes hinzugeben.
c) Hinsichtlich der Resorption liegen nur wenige Versuche von pjinhorn
vor, welche an der Hand der Penzol dt'sehen Jodkaliumprobo angestellt wurden
und eine Steigerung der Resorption bei innerer Magenfaradisation ergaben.
d) Hinsichtlich der Sensibilität haben L e u b e und neuerdings Einhorn
von der Galvanisation günstige Erfolge gesehen, und zwar besonders bei hart
näckigen Gastralgieen.
Mehr Uehereinstimmung zeigen die klinischen Erfahrungen
mittelst der lokalen und electrischen Behandlung. Bevor wir zu
diesen übergehen, seien wenige Bemerkungen zur Technik voraus
geschickt:
Man kann den galvanischen und faradischen Strom anwenden,
beide entweder percutan oder besser extraabdominal und intra
abdominal. Was zunächst die letztere Methode betrifft, so ist sie
zuerst wohl von K u s s m a u l praktisch ausgeführt, von Bürdet
später auch auf den galvanischen Strom ausgedehnt worden. Die
Methode besteht in ihrer einfachsten Form darin, dass ein Mctall-
draht, der mit dem Inductions- oder constanten Apparat in Verbindung
gebracht wird, in eine Sonde geschoben und verschluckt wird. Bar
aus haben sich nun in neuester Zeit eine ganze Reihe ^electrischer
Magensonden« entwickelt, die indessen alle auf den genannten Prin-
cipien beruhen und nur unwesentliche technische Vorzüge aufweisen.
Die in Fig. 40 abgebildete, von mir angegebene electrische Magen-
sonde, welche sich vor anderen dadurch auszeichnet, dass sie eine
Platinspirale besitzt, und gleichzeitig Wasserzu- und Abfluss gestattet,
hat sich mir seit mehreren Jahren für die endofaradische und galva
nische Behandlung besonders bewährt. Zweckmässig erscheint mir auch
die der mehligen sehr ähnliche von Wegejo 1) construirte electrische
i) Wegele, Therapeut. Monatsschrift 1895,
330 Massage, electrische, hydriatische, orthopädische Behandlung.
Magensonde. Es existiren aber ausserdem noch zahlreiche andere Son
den, mit denen man selbstverständlich ebenso gut zum Ziele gelangen
kann. Vor dem Beginn der electrischen Behandlung, besonders der
galvanischen, füllt man den Magen mit etwa 3—f>00 ccm Wasser an.
Im ganzen lauten die Erfahrungen über die intraventriculäre
Electrisation sehr verschieden: günstige Erfolge sah Kussmaul, 1)
unbefriedigende, namentlich bei Ectasieen, v. Ziemssen.2) Erb 3)
reservirt sie nur für seltene Fälle und empfiehlt mehr nach dem Vor
gange von de Watteville die combinirte Galvanofaradis'ation. E w a l d
(1. c.) tritt für die intraventriculäre Behandlung ein und meint, dass
die ungünstigen Erfahrungen v. Z i e m s s e n s aus einer Zeit stammen,
wo die Technik der Magenbehandlung noch nicht auf der Hohe der
Fig. 40.
Electrische Magensonde des Verfassers.
modernen Zeit stand Meine Erfahrungen sprechen gleichfalls nicht
zu Gunsten der intraventriculären Application, wenngleich ich nicht
so weit gehe, dieselbe durchaus und in allen Fällen durch die per-
cutane Methode zu ersetzen. So scheint sie mir z. B. sehr geeignet
in Fällen von Cardiaparese als Folge centraler Innervationsstörungen
oder Neurasthenie, wo die genannte Lähmung nach meinen Wahr
nehmungen eine häufige und lästige Complication darstellt.
Einhom's Eine neue Methode der intraventriculären Magenelectrisation
Methode. ^ at -n neuerer zeit M. Einhorn 4) angegeben und für die Praxis
i) Kussmaul, Areh. f. Psychiatr. und Nervenkrankh. 1877, Bd. 8, S. 205.
2) v. Ziemssen, Ueber die physikalische Behandlung chronischer Magen-
und Darmkrankheiten. Leipzig 1888, S. 10.
3) Erb, Handbuch der Electrotherapie 1882, S. 662.
i) M. Einhorn, Berl. klin. Wochenschr. 1891, No. 23.
Massage, electrische, hydriatische orthopädische Behandlung. 331
empfohlen. Der genannte Autor hat nach dem Princip des bereits
oben erwähnten »Mageneimers« (S. 134) eine Electrode construirt,
welche von dem Kranken verschluckt wird und so von selbst in
den Magen gelangt. Der Seidenfaden des Eimers wird durch einen
ganz dünnen Gummischlauch ersetzt, durch dessen Lumen ganz feine
Leitungsdrähte zur Batterie führen; das Endstück der Electrode be
steht aus einer vielfach durchlöcherten Hartgummi-Kapsel, in der sich
ein Metallknopf befindet und dieselbe mit dem Schlauch verbindet.
Her Patient trinkt nun, am besten im nüchternen Zustande,
1—2 Glas Wasser und schluckt, gleichfalls mit Hülfe von Wasser,
die Hartgummi-Kapsel herunter, womit gleichzeitig die Electrode in
den Magen gelangt. Die andere Electrode wird am besten entweder an
den Rücken links vom 7. Brustwirbel oder vorn ans Epigastrium
angesetzt, oder man lässt sie einfach in der Hand halten. Einhorn
hält diese Methode, über die mir keine Erfahrungen zur Verfügung
stehen, für »äusserst einfach und bequem für Patienten und Arzt«
und ebenso leicht auszuführen wie die percutane Electrisation. Dem
gegenüber hat Ewald 1) daraufhingewiesen, dass die Einführung der
Ein hörn'sehen verschluckbaren Electrode häufig auf Schwierigkeiten
stösst, und verwendet deshalb unter Beibehaltung der Form der
genannten Electrode statt des Leitungsdrahtes einen gewöhnlichen
Magenschlauch (entsprechend Charriere 13), der mit der Electrode
passend verbunden wird.
Bezüglich der Technik hei der extraabdominalen Electrisation Technik der
des Magens ist zu erwähnen, dass nach dem Vorgänge v. Ziems- Pei\c",a°en
- ^ >-• Electrisation.
sen sa) die grossen Platteneleetroden den üblichen kleinen entschie
den vorzuziehen sind. v. Ziemssen legt die grössere (600 qcm) auf
die vordere Bauchwand in der Richtung vom Pylorus zum Fundus.
die kleineren (500 qcm) vom Fundus zur Wirbelsäule der Lage des
Magens entsprechend. »Der Abstand zwischen den über dem Fundus
ventriculi liegenden Bändern der Electroden von einander soll nicht
mehr als 1—2 cm betragen. Die Stromstärke muss bei der Grösse
des Electrodenquerschnitts sehr beträchtlich sein. Beim Inductions-
strom, sowie bei Commutationeii des constanten Stromes, Stromstärke
(10—20 M.-A.) müssen kräftige Contractionen der Bauchmuskeln u. s.w.
eintreten, welche durch Verkürzung der Bauch- und Rückenmuskeln
Rumpfbewegungen und auch wohl Zwerchfellcontractionen auslösen,
ohne indesson erheblich schmerzhaft zu sein.« (v. Ziemssen.) Die
i) Ewald, Berl. klin. Wochenschr. 1892, No. 26,27.
2) v. Ziemssen 1. c.
332 Massage, electrische, hydriatische, orthopädische Behandlung.
Einzelsitzung soll nicht länger als 10 Minuten dauern. Zweckmässig
kann man Massage mit Electricifüt combiniren. Hierzu eignet sich
auch vortrefflich die »electrische Rolle«, bei deren Anwendung,
speciell bei atonischen Zuständen des Magen-Darmcanals, ich einige
überraschende Resultate zu verzeichnen habe.
Desgleichen hat sich mir bei Atonie des Magen-Darmcanals die
Behandlung mittelst -wlcefrischcr Barste« als wirksam erwiesen, na
mentlich auch hinsichtlich der Förderung der Peristaltik.
specieite Was die speciellen Indicationen für die Anwendung der electri-
erdecM-" sehen Behandlung betrifft, so kommen vor allem die häufigen Ah-
schen Be- Schwächungen der mechanischen Thätigkeit des Magen-Darmcanals
handlung.
in Betracht, also Erschlaffungen der Muskulatur desselben mit ihren
Folgezuständen, und zwar empfehlen hier Einhorn und mit ihm die
meisten anderen die Faradisatinn, Rosen heim umgekehrt die Gal
vanisation. Keine glänzenden Resultate sind bei Pylorusstenosen zu
erzielen, weil hierdurch die Causalindicntion, d. h. die Beseitigung
des Hindernisses selbstverständlich in keiner Weise tangirt wird-
Vielleicht fällt aber der Mageiielectrisation eine wichtige Rolle in
der Nachbehandlung operativ beseitigter (z. B. cicatricicller) Stenosen
zu. Grosser Erfolge hat sich die Faradisirung des Bauches zuweilen
bei habitueller Obstipation zu rühmen. Doch eignen sich hierzu
offenbar nur die auf muskulärer Trägheit beruhenden Fälle, während
bei Vorhandensein mechanischer Hindernisse ein wesentlicher Erfolg
kaum zu erwarten ist. Die Bauchelectrisation haben manche Elec-
triker durch die Einführung einer Electrode in den Mastdarm ersetzt,
in einzelnen Fällen mit grossem oder selbst überraschendem Frfolg-
Ich selbst halte, nachdem ich früher mit schlechten electrischen
Sonden ungünstige Resultate erzielt hatte, diese Methode namentlich
bei Atonie der unteren Pickdarmabschiiitte für sehr erfolgreich.
Die zweite Indicalion stellt das grosse Heer der Magenneu-
rosen. Welche Fälle im einzelnen günstige Chancen für das elec
trische Regime bieten, ist schwer zu sagen Häufig ist ein befriedi
gendes Resultat der combinirten Anwendung verschiedener Heil
factoren zu danken.
v. Leube 1) sah vortreffliche Erfolge von der Anwendung des
constanten Stromes bei Gasfralgieen, S e m m o l a - ) desgleichen bei
nervösem Erbrechen Hysterischer und Schwängeret'. Rosenthal 3)
i) v. Leube, Ziemsscn's Handbuch Bd. 7, Theil 2. S. 205.
2j Semmola, Gaz. med. ital. Lombard. G7S.
•
f) Kosenthai, Magenneurosen und Magencatarrh, sowie deren Behandlung.
Wien 1880.
Massage, electrische. hydriatische. orthopädische Behandlung. 333
wendet bei der asthenischen Dyspepsie allgemeine Faradisation an,
daneben Galvanisirung des Sympathicits und der Wirbelsäule. Bur-
kart1) berichtet Günstiges vom faradischen Strom bei Gastralgieen
und nervösen und neurasthenischen Dyspepsieen. Rosenheim 2) und
Brock 3) rühmen gleichfalls die Calvanisation bei Magenneuroseii,
besonders bei sensiblen Beizeischeinuiigcii. Nach (ioldschmidt's
neuesten Fiiteisiichuiigeii ist kein wesentlicher Fntersehied zwischen
Eiidogalvanisation und Endofaradisation, doch scheint die Galvani
sation (Anode im Magen) mehr für die schmerzhaften, die Faradi
sation mehr für die functionellen Störungen des Magens zu passen.
Endlich sahen Caron 1) und in neuester Zeit G o l d b a u m sehr be-
inerkenswerthe Erfolge von der intraventriculären Faradisation in
hartnäckigen Fällen von habituellem (nervösem) Erbrechen. In
neuerer Zeit hat sich besonders Einhorn"') eingehend mit der
Technik und den Indicationen sowie seinen Erfahrungen mit der
intraventriculären Faradisation und Galvanisation beschäftigt. Der
selbe stellt folgende Indicationen auf:
Die directe Gastrofaradisation zeigt vielfach Nutzen bei den
meisten Erkrankungen des Magens (ausgenommen Krebs), sehr deut
lich ist die Wirkung bei Atonie des Magens, gleichgiltig, ob ein zu
hoher oder zu niedriger Säuregehalt besteht. Ferner empfiehlt Ein
horn die innere Faradisation bei Pvlortts- und Cardiaerschlafft!ng.
Die directe Galvanisation wurde mit viel Erfolg in Fällen von hart
näckigen Gastralgieen angewandt, sei es, dass sie auf nervöser Basis,
sei es, dass sie auf llcusnarhen beruhen. Ausserdem beobachtete
Einhorn einen günstigen Effect bei Herzaffectionen, welche mit
Gastralgieen vergesellschaftet sind.
Für die intraventriculäre Gastrofaradisation und -Galvanisation giebt Ein
horn folgende Vorschriften:
1. Gastrofaradisation: Sitzung 10 Minuten; zuerst breite Plattenelectmde
im Epigastrium fünf Minuten. Darauf kleine Schwammelectrode; quer durch die
Magengegend; bei Obstipation zugleich Gegend des Colon (in der Iloocöcalgegend
anfangend, dann Colon ascendens, transversum, descendens). Dann links um den
Magenl'undus herum nach dem Kücken 7. Brustwirbel (eine Minute), sodann nach
vorn zurück, die Magengegend auf- und altstreichend (zwei Minuten); allmählich
i) Burkart, Zur Pathologie der Neurasth. gastrica. Bonn 1882.
••i) Rosenheim, Berliner Klinik lM)f>. Heft 71.
3) Brock, Therap. Monatshefte, Juni I80f>.
•i) Cantn, These de Paris l.s) M. Einhorn, Ncw-Vorker med. Wochensehr. 1801, No. '.); Deutsche medi-
cinische Wochenschrift 1893, No. 33 aö; Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. 23, Heft 3
und 4; ferner: Diseases of the stomach. New-Vork 1897, p. 136 u. f.
334 Massage, electrische, hydriatische, orthopädische Behandlung.
Nachlassen des Stromes. Der Strom soll so stark genommen werden, dass deut
liche Coiitractionen ausgelöst werden, jedoch nicht so stark, dass Schmerz her
vorgerufen wird.
2. Gastrogalvanisation: Negativer Pol im Magen, kleine Schwammelectrode.
Dauer acht Minuten. Zuerst zwei Minuten an der Stelle unterhalb des Processus
ensiformis (langsam Anschwellenlassen); drei Minuten in der Magengegend auf- und
abstreichen, dann nach hinten gehen (eine Minute am 7. Brustwirbel), nach vorn
zurückkehren (eine Minute streichen), eine Minute unterhalb des Processus ensi
formis, langsam den Strom abschwächen und aufhören. Stromstärke 15—20 Milli
amperes.
Die hydriatisehe Behandlung.
Dieselbe bildet einen wesentlichen Theil unserer Therapie bei
Verdauungsstörungen. Die einfachste Form der hydriatischen Be
handlung bilden die bekannten Priessnitz'sehen Umschläge, deren
Nutzen bei vielen Krankheiten des Magendarmtractus über jedem
Zweifel steht. Doch erfordert, wie jeder Praktiker aus Erfahrung
weiss, selbst die Application dieser einfachen Einwickelung eine be
sondere Technik, die es nothwendig macht, dem Kranken genaue
Vorschriften zu geben. Bei nicht genügendem Abschluss der nassen
Binde entwickelt sich nämlich fortwährend Verdunstungskälte, durch
welche der Leib und die inneren Organe beständig einem Tempe
raturwechsel unterworfen werden, der namentlich von sensiblen
Kranken höchst lästig empfunden wird. Also absoluter Abschluss
durch Wachstaffet und ein den nassen Umschlag überragendes wolle
nes Tuch ist dringend erforderlich.
Die methodisch ausgeführte hydriatische Behandlung verfügt
über die verschiedensten Variationen, die grösstenteils der Empirie
ihren Ursprung verdanken. Hierzu gehören die Frottirungen, feuchte
Abklatschungen, nasse Einwickelungen, die kalten, lauen und ab
geschreckten Voll- und Halbbäder (von 24—20° C), die Douchen,
Frottirungen u. v. a. Rosenthal empfiehlt besonders die schottische
Douche (mit Wasser von 28°, dem schnell solches von 12° C folgt)
bei Dyspeptikern mit lästiger Pneumatose und Luftaufstossen, von
der auch ich in einigen Fällen recht Zufriedenstellendes gesehen habe.
Ein gleichfalls hier zu erwähnendes wichtiges Hilfsmittel sind
die heissen Cataplasmen, welche zuerst von v. L e u b e in die Therapie
des Magengeschwürs eingeführt, seit dieser Zeit Allgemeingut der
ärztlichen Praxis geworden sind. Leinsamen werden mit Wasser
unter Zusatz von etwas Borax1) zu einem Brei gekocht und so in
i) Der Zusatz, der, wenn ich nicht irre, von Quincke herrührt, hat den
Zweck, den unangenehmen Geruch des Leinsamens zu verhüten.
Massage, electrische, hydriatische. orthopädische Behandlung. 335
ein Tuch eingeschlagen. Darauf kommen sie in die sogenannte Cata-
plasmamaschine, einen viereckigen, mit Blecheinsatz versehenen Kasten,
der durch eine Spirituslampe eonstant heiss gehalten wird. Letztere
Methode eignet sich besonders für die klinische, aber auch für die häus
liche Behandlung. Der Kranke selbst kann den heissen Umschlag aus
dem an seinem Bett aufgestellten Blechkasten entnehmen. Statt der
heissen Breiunischläge kann man sieh auch nach meinem Vorschlage
des in heisses Wasser getauchten Filzschwanmies bedienen. Doch
veranlassen mich meine Erfahrungen, die heissen Breiumschläge vor
zuziehen. Ausser bei Ulcus ventriculi kommen sie auch bei Gastral
gieen, Cholelithiasis, Nephrolithiasis, Colica flatulenta u. a. mit Er
folg zur Anwendung. Einfacher und in den letztgenannten Fällen
gleichfalls erfolgreich sind die jetzt überall käuflichen und ver-
schlicssbaren Guminiflaschen, die mit heissem Wasser gefüllt werden
und sich lange auf constanter Temperatur halten.
In neuerer Zeit hat Winternitz 1) ein Verfahren empfohlen, Hydriatische
das sich ihm sowohl bei Magenneurosen als auch bei organischen M^t°ttLlT
' \> I I) I O l I11T.A.
Yerdauungskrankheiteii (Ulcus ventriculi, Magendilatationen) bewährt
hat. Dasselbe besteht darin, dass er auf die kalten, feuchten, gut
trocken verbundenen, erregenden Leibumschläge einen Kautschuk
schlauch mit durchmessendem heissem Wasser (40°) applicirt. Diese
directe locale Wärmezufuhr übertäubt nach Winternitz die unan
genehme Kälteempfindung der den Leib umhüllenden kalten Tücher
»wie ein höherer Nervenreiz einen weniger intensiven übertäubt.«
Bemerkenswert!! ist, dass in den von Winternitz mitgetheilteii
Fällen die einfache Wärmeapplication auf die Magengegend von
keinem günstigen Resultat begleitet war.
Im allgemeinen eignen sich für die hydriatische Behandlung indicationen
Fälle von Gastro- und Enteroneurosen der verschiedensten Art. Spe- tische^ Be-
ciellere Indicationen sind hier schwer aufzustellen, da die Reaction handlung--
gegen hydriatische Proccduren bei einzelnen Individuen eine äusserst
verschiedene ist. Bei manchen Kranken wirken dieselben calmirend
und angenehm tonisirend, bei anderen im höchsten Grade excitirend.
Namentlich ist dies bei der irritativen Form der Neurasthenie der
Fall, hei der hydriatische Kuren unter Umständen eine Verschlimme
rung der Symptome herbeiführen können.
U m die Reaction des Organismus gegen hydriatische Behandlung
zu prüfen, pflege ich vor definitiver Beschlussfassung einer systema
tischen Kur die Reaction des Kranken in Bezug hierauf durch einen
i) Winternitz, Deutsche Medicinal-Zeitung 1891, No. 38.
336 Massage, electrische, hydriatische, orthopädische Behandlung.
Vorversuch (kalte Abreibung, kalte Uebergiessungen im lauwarmen
Bade, Abklatschungen u. s. w.) festzustellen. Der Frfolg dieses Vor
versuches ist ein brauchbarer Anhaltspunkt, was etwa von einer der
artigen Kur zu erwarten ist.
Die methodische Wasserbehandlung ist mit Nutzen meist nur in
Heilanstalten, von denen wir ja eine überreiche Auswahl haben,
durchführbar. Dort kommen auch in der Regel die übrigen physika
lischen Behandlungsmethoden (Massage, Electricität) in zweckmässiger
Weise mit jenen combinirt zur Anwendung. Einen wesentlichen Heil-
factor bietet auch die geordnete Diät, wenngleich gerade hierin manche
Anstalten noch viel zu wünschen übrig lassen. Nur ausnahmsweise
und in leichteren Fällen kann auch eine externe Behandlung von
günstigem Erfolg begleitet sein.
Die orthopädische Behandlung-.
Die orthopädische Behandlung bei Affectionen des Magen-Darm
canals verfolgt das Ziel, einzelnen dislocirten Organen der Bauch
höhle Halt und Stütze zu gewähren, bezw. weiteres Herabsinken der
selben zu verhüten. Das unvollkommenste, wenn auch häufig ange
wendete Stützmittel stellt die »Leibbinde« in ihren verschiedensten
Formen und Arten dar. Dieselbe hat den grossen Nachtheil, dass
sie sich sehr leicht verschiebt, und zwar meist dahin, wo das dis
Bandagen- locirte Organ gar nicht liegt. Es sind daher seit langem Binden
'
ehandlun&-construirt worden, die den Zweck verfolgen sollten, das dislocirte
Organ (am häufigsten die Niere) durch eine der Grösse der letzteren
entsprechende Pelotte zu stützen. Man hat, da dieser Zweck nur in
höchst unvollkommener Weise errreicht wird, diese Art Bandagen in
den letzten Jahren vollkommen fallen gelassen und ist dazu über
gegangen, einfach die Batiehdecken in ihrer Gesammtheit zu stützen
oder, wie sich L a n d a u treffend ausdrückt, »künstliche Batiehdecken«
zu construiren. Diesem Zweck entspricht das von L a n d a u angege
bene und von anderen mehr oder weniger zweckmässig modificirte
Leibcoiset am besten. Dasselbe besteht aus einer herzförmigen über-
polstertcn Blechplatte, die auf ihren Aussenseiten je eine Feder trägt,
an welcher ein elastischer Leibgurt befestigt wird. Recht praktisch
und für alle Formen der Dislocation von Unterleibsorganen an
wendbar ist die von Bardenheuer angegebene Binde. Dieselbe
besteht aus zwei Federn, welche die Hüftbcinkämme einschliessen
und daselbst ihren Stützpunkt finden. Die beiden Federn sind an
der Symphyse durch eine dritte Feder verbunden. Von letzterer gehen
Magonaiisspülung, Magenpuinpe und Mageiidouclu'. 337
lächerartige Blanchets aus. welche oben mit einem Gurt versehen
sind, der dieselben fest zusammen hält.
Bandagen ähnlicher Art sind in so vielen Varietäten vorge
schlagen worden, dass es unmöglich ist, auch nur die gebräuchlich
sten hier anzuführen. In jedem Falle sollten sie nach Maass ge
arbeitet sein; auch hat der Arzt die Pflicht, sich von dem guten
Sitz und der Wirksamkeit des Corsets zu überzeugen und betreffen
den Falles Aeiiderungen zu veranlassen.
Die genannten Binden leisten, wenn man nicht unbillige An
sprüche stellt, in den meisten Fällen recht gute palliative Dienste.
Die Kranken fühlen sich weniger beschwert und ermüdet, können
körperliche Arbeiten in grösserem Maasse verrichten, klagen weniger
über ziehende Schmerzen und trennen sich schwer von der Binde,
deren Vortheile sie erprobt haben.
Literatur: Yergl. die Lehrbücher der Massage, Llectricität, Hydrotherapie
und Orthopädie.
ZWÖLFTES CAPITEL.
Magenausspülung, Magenpumpe und Magendouche.
Technik der Magfenausspülung".
Man bedient sich hierzu am zweckmässigsten der Hebcrvorrich- Technik der
tung, indem man an der Sonde ein Schaltstück aus Glas anbringt ausspüiung.
und dieses am andern Ende mit einem Gummisehlaueh verbindet,
an welchem ein nicht zu kleiner Glastrichter angebracht ist. Nach
Einführung der Sonde wird der hochgehaltene Trichter mit Wasser
gefüllt und nach Abfluss desselben gesenkt, wobei durch Höh er
wirkung etwaige Speisereste nach aussen befördert werden. Durch
Heben und Senken des Trichters kann der Magen in dieser Weise
bis zum klaren Abfliessen des Wassers gereinigt werden.
Ausser dieser einfachen Vorrichtung kann man sich behufs
Mageiiausspülting namentlich zum Selbstgebrauch des von L. Rosen
thal angegebenen und von v. Leube modificirten Apparates be
dienen. An den Schlauch eines Irrigators wird ein Y-Bohr befestigt,
dessen beide seitlichen Schenkel mit langen Gummischläiiehen ver
bunden sind. Oeffnet man den Hahn des Irrigators und schliesst
zugleich den des Abflussschlauches, so fliesst das Wasser in den
Boas, Allg. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. 22
338 Magenausspülung, Magenpumpe und Magendouche.
Magen, wird letzterer dagegen geöffnet, so stürzt der Mageninhalt
heraus. Für poliklinische Zwecke habe ich früher ein 5 Liter-Gefäss
an einem (Znsol angebracht und den Abflusshahn nach v. L e u b e -
Rosenthal mit einem Triangel verbunden, dessen einer Schenkel
mit einem Gummischlauch verbunden ist, der an seinem Ende einen
Glastrichter trägt. Hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, die Be
schaffenheit des ausfliessenden Mageninhalts in jedem Augenblick zu
besichtigen. Aehnlich ist auch ein neuerdings von Litten1) ange
gebener Apparat. Indessen haben sich weder der Rosenthal'sche
noch der letztgenannte in der Praxis eingebürgert, weil auch diese
zur Bedienung (d. h. zur Füllung des Irrigators) einer zweiten Person
bedürfen.
Die für die Lavage gebrauchte Flüssigkeit muss lauwarm (etwa
25 °R) sein. Das Quantum der zur Reinigung des Magens noth-
wendigen Flüssigkeit hängt von der Art der Magenkrankheit ab, zu
weilen sind 5 — 6 Liter Wasser und noch mehr zur völligen Säube
rung erforderlich. Man achte darauf, dass der Ahfluss dem Zufluss
entspricht, giesse demnach die Ausspülflüssigkeit nicht auf einmal,
sondern allmählich ein. Stockt der Abfluss, so kann dies einmal
daran liegen, dass das Sondenfenster nicht eintaucht, oder dass das
selbe durch Speisepartikel verlegt ist. Im ersten Falle stellt weiteres
Einfliessenlassen sofort den unterbrochenen Abfluss her, im zweiten
treibe man mittelst Ballon vorsichtig Luft durch die Sonde, wobei
man unter einem zischenden Geräusch das Herausfliegen der ein
gekeilten Substanz hören kann.
Ganz ähnlich sind die zur Behebung etwaiger Hindernisse in
der Passage angegebenen Apparate von Friedlieb2) (Fig. 41) und
von II. Strauss.3) Der Apparat von Strauss hat ein für allemal
die Einschaltung eines Doppelballons zwischen Sonde und Schlauch
mittelst T-Stückes. Dadurch wird der ganze Apparat etwas unhand
lich, und ich sehe den Vortheil nicht ein, den das Verfahren gegen
über der Application eines Doppelballons besitzt, wenn man des
selben benöthigt. Man kann den instrumentellen Apparat, wie be
reits bemerkt, nicht einfach genug gestalten.
Sobald der Abfluss klaren Spülwassers aus dem Magen auf
hört, entferne ich den Gummischlauch und Trichter und lasse den
noch im Magen befindlichen Flüssigkeitsrest durch Expression ent-
i) Litten, Therap. Monatsh. 1893, S. 255.
2) Friedlieb, Deutsche medicinische Wochenschrift 1893, No. 51.
3) 11. Strauss, Therapeutische Monatshefte 1895, Märzheft.
Maxenausspülung, Magenpumpe und Magendouche. 339
leeren. Derselbe ist im ectatischen Magen durchaus nicht gering
und das Entfernen desselben von hoher Wichtigkeit.
Man kann auch nach Kleiner si) Vorschlage die Kranken mich
der Ausspülung im Sitzen sich hinlegen lassen und in dieser Position
noch mit einem oder mehreren Litern Wasser weiter spülen, wobei
häufig noch ansehnliche Reste zum
Vorschein kommen, indessen setzt
dieses Vorgehen schon eine gewisse
Uebung voraus. Vortheilhaft ist
auch die von Fleiner gegebene
Vorschrift, den Kranken im Sitzen
oder noch besser im Liegen Schüt-
telbewcgungen ausführen zu lassen,
wodurch bessere Mischung und Ver
dünnung etwa im Magen befind
licher Reste stattfindet.
Der Ausspülflüssigkeit können
einmal Salze oder Mineralwässer
oder deren Constituentien, sodann
antiseptische Mittel, endlich auch
adstringirende Mittel zugesetzt wer
den. Von ersteren kommen am
häufigsten zur Anwendung: Koch
salz 1 o/o, Nati'iumcarbonat oder
bicarbonat 2 —5<>/0, Karlsbader
Salz, die Karlsbader Thermalwässer,
die Quellen von Ems, Vichy, Kis- Friedlieb's Saugapparat für Magen
singen, Giesshübel u. v. a. entweder anss])ülungen.
in ihrer ursprünglichen Form oder, a Gummiballon, h, c Schaltstücke
was wohl für diese Fälle stets vor
zuziehen ist, in Form der künstlichen, von San (low in zweck
mässiger Weise hergestellten Mineralsalze.
Als gähmngswidrige Zusätze zur Ausspülflüssigkeit sind mit
Ausnahme der giftig wirkenden (Carbolsäure, Sublimat) fast alle
Antiseptica vorgeschlagen worden, insbesondere Kalium hyperman-
ganieum, Thymol (Va °/n), Resorcm^) (2—3°/0), Salicylsäure (3 : 1000),
Natriumsalicylat (0,5—1%), benzöesaures Natron ( 1 — 3 % ) , Borsäure
(3%) u. a. Dujardin B e a u m e t z hat auch das Schwefelkohlenstoff-
i) Fleiner, Volkmann's Sammlung klin. Vorträge 1894, Xo. 103.
2) Dasselbe muss chemisch rein sein (Resorcin. resublimatum!).
22*
340 Magenausspülung, Magenpumpe und Magendouehe.
wasser empfohlen, ohne dass, wie es scheint, diese Empfehlung Nach
ahmung gefunden hat. M. Rosenthal empfiehlt Ausspülungen mit
amylnitrithaltigem Wasser (3 — 4 Tropfen Amylnitrit auf V-' Liter
Wasser). Ich bediene mich ausschliesslich der Borsäure in 3°/0iger
Lösung, der Salicylsäure, des Creolin (10 — 15 Tropfen auf 1 Liter
Wasser), des Lysol O/4 — V'2°/oige Lösung) und des Chloroformwassers,1)
mit denen ich im einzelnen Falle gewöhnlich alle Woche wechsele.'2)
Der praktische Werth dieser Zusätze ist mir, je grösser meine Erfahrungen
werden, u m so geringfügiger erschienen. U m eine wirkliche Beseitigung der
(tährungserreger zu bewirken, ist die Bespülung mit antiseptischen Mitteln sicher
unzureichend, für die mechanische Herausschaffung dürfte aber sterilisirtes Wasser
völlig ausreichen. Nur bei Fäulnisszuständen (exuleerirenden Carcinomen) sind
antiseptische Magenspülungen (Lysol, Creolin, Solveol u. a.) indicirt und 'nach
meinen Erfahrungen auch nützlich.
Von adstringirenden Substanzen kommen in Betracht: das Bis-
muthum subnitricum und das Argentum nitricum. Das erstere wirkt
nach Fleiner3) bei Reizzuständen des Magens, bedingt durch alte
Magengeschwüre, bei ulcerirenden Carcinomen, bei hämorrhagischen
Erosionen, bei Magenblutungen, die bei der Ausspülung entdeckt oder
während derselben entstanden sind. Die Technik ist nach Kuss
maul's und Fl ein er's Vorschriften die folgende: Zunächst wird der
Magen früh nüchtern gründlich ausgespült, sodann eine Wismuth-
suspension (10—20 g : 200 Wasser) per Sonde eingegossen. Der
Patient wird nun je nach dem Sitze der Ulceration auf die rechte
Seite (beim Sitz am Pylorus) oder auf den Rücken (beim Sitz an
der kleinen Curvatur) gelagert und der Schlauch durch einen Hahn
abgesperrt. Nach 5—10 Minuten schlägt sich das Wismuth so voll
kommen auf die Magenwände nieder, dass das Spülwasser nunmehr
klar abläuft. Bei unruhigen Patienten kann man den Magenschlauch
gleich nach der Eingiessung entfernen. Die Eingiessung soll zunächst
täglich, sodann einen u m den andern Tag applicirt werden. Ver
giftungserscheinungen sind von Fleiner trotz lang andauernder Wis-
muthhehandlung nicht beobachtet worden.
Das Argentum nitricum wende ich seit einiger Zeit mit grossem
Erfolge bei der mit Hypersecretion einhergehenden Myasthenie des
i) Dasselbe wird in der Weise hergestellt, dass man einen 1 Liter haltigen
Ballon zu :V4 mit Wasser füllt, eine unbestimmte Menge von Chloroform hinzu
fügt, kräftig schüttelt und von dem abgesetzten Chloroform abdekantirt.
-) Anwendung verdienen auch die von Trommsdorf in Erfurt hergestellten,
zum Theil in Wasser leicht löslichen Sozojodolsalze, z. B. das sozojodolsaure
Natrium, Kalium und Zink.
3) Fleiner, Verhandl. d. X U . Congr. f. innere Medicin, Wiesbaden 1893.
Magenaiis>pülung, Magenpumpe und Magendouehe. ;)41
Magens an, indem ich anfangs taglich, später mehrmals w(ichentlieh
nach vorhergegangener Ausspülung Einlaufe von 1 Liter Argentum
nitricum (1 : 1O0U) mache. Nach kurzer Einwirkung wird die Flüssig
keit entfernt. Macht sich starkes Brennen bemerkbar, so lässt man
eine verdünnte Kochsalzlösung (1 : 200) nachtrinken, doch ist das in
der Hegel nicht nothwendig.1)
Wichtig ist die Frage: wie oft und zu welcher Zeit am Tage
soll man ausspülenV Hinsichtlich der ersten Frage bin ich der An
sicht, dass, wo überhaupt eine bestimmte Indicatioii für Ausspülungen
vorliegt, dieselbe täglich vorgenommen werden soll. Nur bei hoch
gradiger Schwäche kann man die Lavage in 1 — 2tägigen Intervallen
vornehmen. Mehr als einmal am Tage den Magen auszuspülen, dürfte
wohl nur selten erforderlich sein.
Hinsichtlich der Zeit kommen in Betracht: die am frühen Morgen,
bezw. bei nüchternem Magen und die vor dem Schlafengehen. Beide
Zeitpunkte haben ihre Vorzüge und Schattenseiten. Die Vorzüge
der abendlichen Ausspülung, für welche Riegel-) und seine Schüler
insbesondere eintreten, bestehen, wie der genannte Forscher mit
Recht betont, darin, dass der Magen eine längere Ruhepause hat,
was gewiss für die Wiedergewinnung des normalen Tonus von Werth
ist. Auch darin sehe ich einen Vortheil, dass bei abendlicher
Evacuirung die Gelegenheit zu Gährungs- und Zcrsctzungsprocessen
im Magen während 12 Stunden fortfällt. Andererseits liegt in den
abendlichen Ausspülungen der Nachtlieil, dass durch die Ausspülung
mehr oder weniger zahlreiche Mengen von Ingcsta dem Organismus
entzogen werden. Dieser Nachtlieil fällt bei der am Morgen vor
genommenen Lavage fort, da die über Nacht nicht in den Darm ge
schafften oder vom Magen nicht resorhirten Chymusrestc kaum noch
für die Ernährung Verwendung finden können. Auch einen wichtigen
diagnostischen, bezw. prognostischen Anhaltspunkt gewährt die La
vage am Morgen. Man kann sich leicht überzeugen, wie gross die
Behinderung der Peristaltik ist und ob dieselbe im Laufe der Be
handlung zu- oder abnimmt. Endlich ist der noch schwer ins Ge
wicht fallende Gesichtspunkt hervorzuheben, dass die abendliche, un
mittelbar vor dem Zubettegehen zu applicirende Ausspülung in der
Praxis mit grossen, zuweilen nicht überwindbaren Schwierigkeiten
verknüpft ist. Ich pflege daher meist den Magen des Morgens aus-
!) Nachdem ich einen Fall von Argvrie nach abundanteni Oebrauch von
Argentunispülungen gesehen habe, empfehle ich grosse Vorsicht und nicht über
mässig lange Anwendung.
•±) Riegel, Die Frkrankungeii des .Magens I. Theil, S. 293. Wien 189(1.
342 Magenausspülung, Magenpumpe und Magendouche.
zuwaschen und wähle in besonderen Fällen, z. B. bei häufigen
Schmerzen zur Nachtzeit, die Lavage am Abend.J)
Als Magenpumpe werden verschiedene mehr oder weniger
zweckmässige Apparate angewendet, die alle auf demselben Princip
beruhen, d. h. Pumpen mit doppeltem Ventil darstellen, durch welche
Saug- und Spritzwirkung in einfacher Weise erreicht wird. Ein sehr
brauchbarer Apparat ist der von W y m a n n construirte und von
C. M ö c k e in Leipzig dargestellte.
Ich selbst habe praktisch die Magenpumpe niemals angewendet
und halte sie aus den bereits (S. 135) entwickelten Gründen für ein
entbehrliches Instrument. Der früher von v. Leube dem Heber
gegenüber betonte Nachtheil, dass hierdurch nur flüssige Substanzen
den Magen verlassen könnten, ist durchaus hinfällig, da es sich hier
bei wesentlich u m die Weite des Sondenlumens und der Fenster
handelt. Dass man übrigens auch durch den Heber ansehnlich grosse
Nahrungsreste herausbefördern kann, davon habe ich mich oft zu
überzeugen Gelegenheit gehabt.
Alles in allem bin ich der Ansicht, dass sich durch die Magen-
pumpe kein Erfolg in Hinsicht auf die Reinigung des Magens er
zielen lässt, der nicht auch durch die Heberung erreicht werden
könnte. Die Magenpumpe dürfte daher mit der Zeit ihren Platz in
der Nähe ihrer Zwillingsschwester, der Klystierspritze, finden.
Dass wir hiermit die epochemachende Erfindung Kussmaul's
nicht schmälern wollen, folgt aus den einleitenden Worten dieser
Schrift: nicht in der mechanischen Ausführung der Idee, sondern
in der letzteren selbst erblicken wir das unsterbliche Verdienst
dieses genialen Klinikers.
Indicationen der Mag-enausspülung*.
Wenn wir von den Magenausspülungen, die bei Vergiftungen,
Ileus, Cholera infantum, Cholelithiasis, Icterus, drohender Magen-
ruptur u. a. applicirt werden, an dieser Stelle als nicht zu unserem
Gegenstand gehörig absehen, so können wir die Indicationen der
Magenausspülungen dahin präcisiren:
Magenausspülungen sind indicirt:
1. falls mechanische Hindernisse für die Fortschaffung des Chv-
mus im Magen-Darmcanal bestehen, die zu abnormen Zer
setzungen Veranlassung geben;
i) Febrigens scheint Riegel der Frage eine grössere Bedeutung beizumessen
als ihr in Wirklichkeit zukommt. Ich glaube, dass man mit beiden Methoden
bei sonst zweckmässiger Behandlung des Kranken zum Ziele gelangt.
Magenansspülung, Magenpumpe und Magendouche. 343
2. falls fremdartige Ansammlungen dem Mageninhalt beigemischt
sind, welche mit der Zeit die Verdauung stören.
Aus diesen Indicationen folgt, dass Magenausspülungen in der
Praxis weit öfter applicirt werden, als sie indicirt sind. Je mehr
wir aber die Anwendung beschränken, u m so weniger werden wir
dieses bei richtiger Indicationsstellung souveräne Heilmittel in Miss-
credit bringen.
ad 1. Hierzu gehört, wie bekannt, vor allem die Gastrectasie
in Folge narbiger Verengerungen am Pylorus oder Duodenum, sowie
die Beeinträchtigung der motorischen Thätigkeit in Folge von orga
nischen Schleimhauterkrankungen des Magens (Carcinom, Atrophie
der Magenschleimhaut, Myasthenie, Amyloid, Anätzungen der Magen
schleimhaut durch Säuren und Laugen u. a.), soweit sie zur Retention
der Ingesta führen. Damit ist auch die Art und der Grad der Di
latation, bei der meinem Dafürhalten nach Magenausspülungen am
Platze sind, genügend begrenzt. Denn ich bin auf Grund vielfacher
Misserfolge der Ansicht, dass die einfache Atonie, hei der es sich
nicht u m directe Abflusshindernisse, sondern lediglich u m Verlang
samung der Peristaltik handelt, durchaus kein geeignetes Object für
die Lavage darstellt. Im Gegentheil beobachtet man, falls nicht auf
sorgfältige Entleerung des Spülwassers geachtet wird, nicht selten
directe Verschlimmerungen. M a n muss sich nur klarmachen, dass
die Ausspülung hierbei in keiner Weise die Krankheitsursache trifft
oder in hervorragender Weise symptomatisch wirkt, dass sie hin
gegen — als unerwünschtes Moment — die Gefahr der Hyper-
distension der Magenwand in sich schliesst. W a s die Erfolge der
Magenspülung bei Gastrectasie betrifft, so muss man wohl unter
scheiden, in welchen Stadien sie applicirt werden: Ist eine hoch
gradige cicatricielle Pylorusstenose vorhanden, die Resorption und
Urinsecretion stark herabgesetzt, so ist der Effect nur ein palliativer.
Die Patienten sind stets an den Gebrauch der Sonde gebunden. Das
selbe gilt für Fälle vorgeschrittener, jahrelang bestehender Atonieen.
Ganz anders dagegen steht es mit frischeren und an sich mil
deren Fällen der genannten Arten: ich habe in den letzten Jahren
wiederholt Kranke dieser Art zur Heilung kommen sehen. Der Be
weis ist folgender: Der nüchterne Magen enthielt nach Ablauf der
Behandlung nichts oder geringe Mengen freier Salzsäure, die Patienten
assen und vertrugen unter nicht eben grossen Vorsichtsmaassregeln
die gewöhnliche Kost. Diurese und Stuhl wurden normal, die
Kranken nahmen an Gewicht erheblich zu. Wahrscheinlich handelt
es sich hier u m eine eompensatorische Hypertrophie der Muskulatur,
344 Magcnausspiüung, Magenpumpe und Magendouchc.
durch welche der Magen befähigt wird, die Ingesta wieder in der
solennen Zeit auszutreiben. Es unterliegt keinem Zweifel, dass
durch übergrosse Belastung des Magens von neuem Störungen in
der Mechanik eintreten können, trotzdem bleibt die für mich un
anfechtbare Thatsache bestehen, dass noch nicht zu weit vorge
schrittene Ectasieen durch angemessene Behandlung zur Heilung zu
bringen sind.
ad 2. Es handelt sich hierbei einmal um übermässige Säure
abs chei dun g, bezw. um Magensaftfluss. Durch die Ausspülungen (bei
nüchternem Magen!) werden theils objeetiv die Verdaiiungsbedinguiigen
gebessert, theils auch die subjeetiven Beschwerden (Sodbrennen, Ge
fühl von Völle, Verstopfung u. a.) wesentlich gemildert. Zweitens
ist die Lavage indicirt in Fällen von Schleimansammlungen im Magen,
wie wir sie bei chronischer Pharyngitis und Oesophagitis und bei
mueösen Catarrhen des Magens finden. Hier liegt die Berechtigung
der Lavage, die in solchen Fällen zweckmässig mit den leichten
Säuerlingen oder angemessener deren Constituentien oder mit Aqua
Calcis, Kochsalz, Natriumcarbonat, und zwar in warmer Lösung vor
zunehmen sind, auf der Hand. Auch bei starkem Galle- und Pan-
creassaftrückfluss in den Magen in Folge von Duodenalstenose ist
die Ausspülung indicirt und, wie mich meine Erfahrungen lehrten,
von gutem Erfolge begleitet. Endlich giebt die Ansammlung von
Fäulnissproducten (bei ulcerirendem Carcinom) oder die Harnstoff-
ansammlung (in Folge von Urämie) eine Indication für die Vornahme
der Lavage ab.
Contraindicirt sind Magenausspülungen überall da, wo auch
die Einführung der Sonde contraindicirt ist (S. 100). Namentlich
bilden frische Magenblutungen selbst da, wo eine Veranlassung zu
Ausspülungen vorliegt (z. B. Pylorusstenose mit reeidivirendem Ulcus),
nach meinen Erfahrungen eine entschiedene Contraindicatioii für die
Lavage. Erst 3—4 Wochen später können die Ausspülungen wieder
aufgenommen werden.
Gegen das planlose Probiren der Magenuusspidungen, das
leider auch con angesehenen Klinikern nicht genügend cerur-
theilt wird, möchte ich mich aufs entschiedenste aassprechen;
auch giebt es thatunehlich nur selten Fälle, bei denen »zufällig«
die Magoiuasspähtngen von Erfolg begleitet sind. Bei einigen
derselben möchte ich der Ansicht Raum geben, dass der Erfolg ledig
lich der Einführung der Magensonde zu danken gewesen sei. So
habe ich z. B. zwei Fälle von habituellem Erbrechen (irritable sto-
mach) einfach durch längeres Liegenlassen der Mageiisonde im Magen
Magenaiisspülung, Magenpumpe und Magendouche. 345
geheilt. In dem einen waren innerlich fast sämmtliehe Nervina ohne
jeden Erfolg versucht worden. Ich griff daher zur Mageiiausspülung,
kam aber auf Grund der obengenannten Uebeilegungen zu der An
sicht, dass der Wassoreingiessung keine wesentliche Bedeutung zu
kommen könne. Der Verlauf zeigte die Berechtigung dieser Piä-
sumption indem in beiden Fällen lediglich die Soiidenapplication
dauernde Heilung brachte.
Die Mag-endouehe.
Unter Magendouche versteht man die Berieselung des Magens Ma^ -n-
mit Wasser unter starkem Druck behufs therapeutischer Einwirkung douc1"'
auf die Magenschleimhaut Diesem zuerst auf der Kussmaul'schen
Klinik geübten, von Malbranc 1) beschriebenen Verfahren soll die
Wirkung zukommen, die vasomotorischen Magcnnerven zu stimuliren,
hierdurch die Circulation anzuregen und vor allem die Peristaltik
mechanisch zu fördern. Malbranc hat besonders bei hartnäckigen
Gastralgieen günstige Erfolge davon gesehen. Als Ausspülflüssigkeit
bediente sich Malbranc warmer Sodalöstingen (38" C). Ich habe
mich in mehreren Fällen von Magenneurosen des Verfahrens in der
Weise bedient, dass ich eine mit vielen kleinen stricknadelknopf-
grossen Oeffnungen versehene Sonde einführte und hierdurch Wasser
in den Magen einfliessen Hess. Dasselbe berieselt in fontaineartigem
Strahl die Magenwandungeii. Diese Mageubeileselungeii waren in
mehreren Fällen von heftigen Gastralgieen von vortrefflichem Erfolge
begleitet. Auch bei nervöser Inacidität habe ich von der Magen
douche (mit physiologischer Kochsalzlösung) ausgezeichnete Erfolge
nicht allein mit Rücksicht auf die Besserung der subjeetiven Er
scheinungen, sondern specicll auch der Secretion gesehen. Ich kann
sie in den genannten Fällen (vielleicht versuchsweise auch bei anderen
Neurosen) warm empfehlen.
Rosenheim'2) hat in neuerer Zeit gleichfalls die Magendouche,
theils mit warmem Wasser, theils mit Kochsalzlösung, kohlensätirc-
haltigem Wasser und Cliloroformwasser bei Individuen mit Dyspepsie
nervöser Natur, mit und ohne allgemeine neurasthenischc Beschwerden,
ferner bei solchen mit mittelschweren catairhalisehcii Erscheinungen,
mit und ohne Herabsetzung der motorischen Function, endlich auch
bei verschiedenen Magenneurosen angewendet. Specicll sah Rosen-
') Malbranc, Berliner klin. Wochenschrift ls7S, No. 4.
•2) Rosenheim, Therap. Monatsh. 1892, Augustheft; Berliner Klinik 1894,
Heft 71 und Bert klin. Wochenschr. 1897, No. 11 u. 12.
346 Magenausspülung, Magenpumpe und Magendouche.
heim günstige Wirkung der Magendouche auf Störungen der Sensi
bilität mittleren Grades, ferner bei Störungen der Motilität. Die
Secretionsenergie kann gelegentlich durch Kochsalzirrigationcn er
höht, durch Argentum nitricum-Berieselungen herabgesetzt werden
(s. o. S. 340). Meine eigenen Erfahrungen mit der Magendouche haben
mich wenig ermuthigt, das Verfahren häufig zu verwenden, auch
Penzoldt1) drückt sich recht skeptisch aus. Immerhin mögen die
Magcnberieselungen, namentlich bei Neurasthenikern, als »Suggestiv
mittel« Anwendung finden.
Fleiner2) rühmt der Magendouche eine besondere Anregung
des Hungergefühls nach und verwendet zur Verstärkung der Wirkung
Berieselungen mit Aufgüssen von Hopfen oder von Quassiaholz.
Einhorn'5) bedient sich zum Zweck der Magenberieselung eines
mit einer Nelatonsonde verbundenen Sprayapparates. Er empfiehlt
den Apparat: 1. behufs Desinfection der Magenschleimhaut; 2. u m
adstringirend zu wirken; 3. u m in geeigneten Fällen, speciell bei
Gastralgieen, analgesirend einzuwirken. Einhorn hat die Methode
in mehreren Fällen angewendet und findet, dass dieselbe leicht und
gut von statten geht.
Literatur
Kussmaul, Behandlung der Magenerweiterung durch eine neue Methode
mittelst der Magenpumpe. Deutsches Areh. f. klin. Medicin. 1869, Bd. (5, S. 455.
Leube. Die Magensonde. Erlangen 1879. (Daselbst die interessante Ge
schichte der Sonde und Literatm-.)
Sticker, Magensonde und Magenpumpe. Berlin 1887.
Oser, Artikel Magenpumpe in Eulenburg's Rcalencyclopädie. 2. Aufl.,
Bd. 12, S. 465.
i) Penzoldt, Allgemeine Behandlung der Magen- und Darmkrankheiten in:
Pcntzoldt-Stintzing's llandb. Bd. IV, S. 299.
2) Fleiner, Volkmann's Sammlung klin. Vorträge, N. V 103.
3) Einhorn, New-Yorker med. Monatsschrift 1891, Octobcr.
Anwendung von Säuren und Alkalien. 347
DREIZEHNTES CAPITEL.
Anwendung von Säuren und Alkalien.
Die Säuren.
Von Säuren wendet man bei chronischen Erkrankungen des
Magens wesentlich die Mineralsäuren an, und unter diesen vor allem
die Salzsäure. Es scheint, dass die Salzsäure wenigstens digestiv
die günstigste Gombination darstellt: Schwefelsäure, Salpetersäure,
Phosphorsäure vermögen in weit geringerem Grade Pepsin und Lab
ferment aus dem Labdrüsensecret abzuspalten.
Welches ist die Wirkung der Salzsäure im Magen? Hierüber Wirkung
sind die Anschauungen sehr gctheilt du Mesnil1) glaubt sich auf Salzsäure
Grund von Versuchen an Gesunden, denen er zugleich mit dem
Probefrühstück in steigenden Dosen Salzsäure gab, zu dem Schluss
berechtigt, dass Salzsäure die Acidität steigere. Indessen ist dieser
Schluss, wie Riegel zutreffend bemerkt, aus du Mesnil's eigenen
Zahlen nicht zu ziehen, welche in der That ohne und mit Salzsäure-
darrcichung die erheblichsten Schwankungen aufweisen. Neuere
Untersuchungen von Schule2) haben denn auch absolut keinen Ein-
fluss selbst von grossen Dosen Salzsäure ergeben. Viel wahrschein
licher ist, dass die Salzsäure auf die Motilität des Magens einwirkt;
hiefür sprechen vielleicht Versuche von Eichenberg,3) der unter
Salzsäuredarreichung eine Beschleunigung der Verdauung von 20 bis
25 Minuten beobachtete. Die Unsicherheit der Kenntniss der physiolo
gischen Wirkung spiegelt sich auch in der Therapie wieder. Soll man
grosse, soll man kleine Dosen, soll man sie vor oder nach dem Essen,
soll man sie in wiederholten kleinen oder in einmaligen grösseren
Dosen geben? Soviel Fragen, soviel verschiedene Antworten. So
befürwortet Ewald 4) die Darreichung möglichst grosser Dosen (90 bis
100 Tr.) drei- bis viermal in einviertelstündigen Intervallen, während
i) du Mesnil, Deutsche medicinische Wochenschrift 1892, No. 49.
*) Schule, Habilitationsschrift. Berlin 1895, S. 69 u. f.
••') Eichenberg, citirt bei Penzoldt, Allgemeine Behandlung der Magen- und
Darmkrankheiten und Penzold-Stintzing's Handbuch 130, IV, S. 273.
i) Ewald, Berliner klin. Wochenschr. 1886, No. 4,
348 Anwendung von Säuren und Alkalien.
Cahn 1) diese Dosis für zu gross erachtet. Auch andere Autoren, z. B.
v. Leube begnügen sich mit weit geringeren Dosen. Riegel-') ist der
Ansicht, dass man die Dosis von Fall zu Fall feststellen müsse. Ich
selbst habe von kleinen Dosen Salzsäure, die bei den grossen Mahl
zeiten wiederholt werden, nicht schlechtere Erfolge gesehen, als bei
den grossen, bin aber der Ansicht, dass die Frage durchaus nicht
geklärt ist. Man könnte z. B. erwarten, dass durch grössere Salz
säuremengen mehr Eiweiss in Acidalbumin umgewandelt, also, wenn
auch nur unvollkommen, angedaut wird. Andererseits wissen wir
ja, dass auch bei hochgradigster Achylie, bei der nachgewiesener-
maassen Weissbrod, Fleisch den Magen wieder so verlassen, wie sie
in denselben hineingelangt sind, weder objectiv noch subjectiv die
geringsten Störungen zu entstehen brauchen. Und wenn wirklich
unter Gebrauch von Salzsäure subjective Störungen schwinden, ist
dies wirklich Folge der Salzsäuretherapie oder vielmehr der hierbei
kaum je ausser Acht gesetzten Diät zu verdanken? Man sieht, die
Dinge liegen nicht so einfach.
Im Ganzen haben sich mir folgende Principien bewährt: Bei
beabsichtigter digestiver Wirkung lasse ich die Salzsäure (Acid.
hydrochlorat. offic.) sofort oder kurz (15—30') nach der Ingestion
in Dosen von 8—10 Tr. in einem Weinglas Wasser, und zwar bei
den kleinen Mahlzeiten ein-, bei den grösseren zwei- bis dreimal
wiederholt nehmen. U m zu stimuliren, bezw. antizymotisch zu wirken,
verlege ich die Darreichung der Salzsäure ausserhalb der Digestions
zeiten, da in diesem Zustande die beabsichtigte Wirkung am besten
zu erzielen ist. Ich lasse in solchen Fällen die Salzsäure Morgens
nüchtern und Abends vor dem Schlafengehen, und zwar in gleicher
Dosis gebrauchen. U m die Zähne zu schützen, thut man gut, die
Salzsäure aus Glasröhrchen einsaugen zu lassen.
Die Frage, ob man durch Salzsäure allein die geschwundene
Secretion der Magendrüsen zur Norm zurückführen kann, ist gleich
falls verschieden beantwortet. Jaworski 3) ist der Ansicht, dass im
Gegentheil nach längerer IKl-Darrcichung die Acidität allmählich
sinkt. Riegel4) dagegen konnte bei einem Patienten, bei dem monate
lang vergeblich nach freier Salzsäure gefahndet wurde, nach Htägi-
gem Gebrauch von 11ji g Salzsäure im nüchternen Mageninhalt wieder
holt freie Salzsäure nachweisen. Fbenso konnten R e i c h m a n n und
i) Cahn, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 12, S. 42.
2) Hiegel, Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. 11, S. 213.
•'9 Jaworski, Deutsche medicinische Wochenschrift 1887, No. 36—38.
') Riegel, Deutsch. Areh. f. klin. Medic. Bd. ;><>.
Anwendung von Säuren und Alkalien. 340
Mintz 1) in mehreren Fällen von herabgesetzter Saftsecretion durch
Salzsätirebehaiidluug die Magensaft-, bezw. die II tl-Abschcidung an
regen. L. W o l f U ) konnte wiederum bei keinem seiner Versuchs
individuen nach achttägiger Anwendung grosser Salzsäuredosen eine
Veränderung des Chemismus wahrnehmen. Eigene Erfahrungen haben
mir bewiesen, dass der Erfolg der dauernden Salzsäuretherapic sehr
verschieden ist, d. h. dass in einer gewissen Gruppe von Krankheiten
freie Salzsäure von selbst wieder auftritt, in einer andern Faibstoff-
reactionen selbst bei jahrelang fortgesetzter Salzsäuretherapie aus
bleiben, dass endlich es in einer dritten zur Bildung von Spuren freier
Salzsäure kommt, bei denen es meist bleibt. Dies ist ganz natürlich,
wenn man, worauf von mir wiederholt hingewiesen ist, bedenkt, dass
der HCl-Maitgel den verschiedensten Ursachen entspringen kann.
Dass in geeigneten Fällen (Neurosen, Stauungscatarrhen) Salzsäure-
mangel weniger durch Salzsäuredarreiehuiig als durch passende Diät
sowie durch Verbesserung der äusseren Verhältnisse des Kranken
(Luftwechsel, Seebäder u. s. w.) dauernd gehoben werden kann, ist
für mich eine unumstößliche Thatsache.
In fast allen grösseren Officinen sind Pillen oder Dragees mit Salzsäure,
Pepsin und aromatischen Pflanzenpulvern vorräthig. Ich halte diese Art der Dar
reichung für eine Spielerei und bin der Ansicht, dass die damit erzielten Erfolge
in das Gebiet der Suggestion gehören. Wenn man, wie ich, sich überzeugt hat,
in wie seltenen Fällen secretorischer Störungen die eingegebene Salzsäure zur
Action gelangt, der wird von der Meinung, durch 2—3 Pillen einen nennenswerthen
Einfluss auf die Verdauung auszuüben, bald abkommen. Wie es im übrigen be
züglich des Pepsins steht, wird weiter unten entwickelt werden.
Als Contraindication der Salzsäuretherapie müssen, wie kaum cont.aindi-
noch erwähnt zu werden braucht, alle Formen von krankhaft ge- ''^°eäui-r
steigertet' Drüsenseeretion betrachtet werden. Auch soll es nach Anwendung-.
Talma 3) eine Art Hyperästhesie gegen Salzsäure geben, doch wirft
Riegel4) mit Recht die Frage auf, ob es sich nicht in den Fällen
von T a l m a u m Zustände von Hyperchlorhydile gehandelt habe.
Die Alkalien.
Die häufige Anwendung der Alkalien bei Krankheiten des In- Aikaiien.
testinaltractus und ihr grosser Nutzen bei richtiger Indicatioiisstelluiig
rechtfertigt es, auf die Art der Darreichung und die physiologische
i) Reichmann und Mintz, Wien. klin. Wochenschr. 1892. No. 2.1.
•S) Wolff, Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. 1<>, S. 224.
3) Talma, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 8, S. 407.
i) Riegel 1. c.
350 Anwendung von Säuren und Alkalien.
Wirkung derselben genauer einzugehen, wenngleich uns die letztere
erst zum Theil bekannt ist.
In der Regel kommen Alkalien allein oder (meist) in Verbin
dung mit anderen Salzen oder pflanzlichen Pulvern zur Anwendung,
meist aber bilden die Basis der Verordnungen das Natriumbicarbonat
(Kaliumbicarbonat) oder (seltener) Natriumcarbonat, der kohlensaure
Kalk und die Magnesiapräparate. Die Combination dieser Mittel
mit anderen mehr oder weniger indifferenten Zusätzen bilden die
Grundlage der im Handel unter den hochtönendsten und vielver
sprechendsten Namen vorkommenden Magenmittel (u. a. des bekannten
Barella'schen Magenpulvers,1) das neben Natrium bicarbonicum
auch — sehr sinnreich — Pepsin enthält).
Karlsbader Als Antacidum wie überhaupt als Magenmittel spielt seit langer
Zeit das Karlsbader Salz, theils als natürliches Product aus dem
Thermalwasser, theils als künstliche Mischung eine so hervorragende
Rolle, dass es unumgänglich ist, den Werth und die Indicationen
dieses Mittels mit einigen Worten zu berücksichtigen.
Von den Karlsbader Thermalwässern werden zwei ihrer Zu
sammenstellung nach ganz verschiedene und daher auch pharmakody-
namisch verschiedenartig wirkende Producte gewonnen: das natür
liche Karlsbader Sprudelsalz (krystallisirt) und das natürliche
Karlsbader Sprudelsalz (pidverförmig).
Das erstgenannte, zuerst von dem berühmten Karlsbader Badearzt David
Becher (1764) in grösserem Umfang hergestellte Salz besteht, wie die folgende
Analyse lehrt, vorwiegend aus Natriumsulfat, während kohlensaures Natrium und
Kochsalz in einer, gegenüber der Zusammensetzung der Thermalwasser sehr ge
ringen Menge darin enthalten sind. Das krystallisirte Sprudelsalz zeigt folgende
Zusammensetzung:
Schwefelsaures Natron 37,695 "
0
Chlornatrium 0,397 °'0
Kohlensaures Natron 5,997 %
Schwefelsaures Kali Spuren
Krystallwasser 55,520 g. Dies gilt für die grossen Mahlzeiten, für die kleineren
genügt die Hälfte. Bei einer Acidität über 3 p. m. HG1 kann man
mit Natriumbicarbonat bis auf 12 g, mit den Magnesiasalzen bis auf
5, bezw. 7,5 g steigen. In allen diesen Fällen liegt als Mageninhalt
eine Flüssigkeitsmenge von 400 com zu Grunde, und es ist dabei
völlige Neutralisirung vorausgesetzt Da aber ein Theil des Alkali
in die Därme geschafft und ein zweiter (wenigstens vom doppelt
kohlensauren Natron) aufgesaugt wird, da endlich der Berechnung
nur der augenblickliche Salzsäitrevorrath zu Grunde liegt, so sind
die im Vorhergehenden genannten Zahlen eher noch zu niedrig als
zu hoch gegriffen.
Die genannten Zahlen sollen indessen kein absolutes Maass,
sondern nur einen Maassstab für die Dosen geben, von denen wir
bei der Behandlung auszugehen haben. Ein gewisses Probiren wird
hierbei nicht ganz zu umgehen sein.
Ob man kohlensaure Alkalien oder die genannten Erdsalze wählt,
ist selbst abgesehen von den oben erwähnten Momenten nicht ohne
Bedeutung. Kohlensaure Salze legen die Gefahr nahe, den Magen
durch die Gasentwicklung auszudehnen, und wenn die Anwendung
täglich, womöglich zu mehreren Malen geschieht, so ist die Möglich
keit einer arteticiellen Ueberdehnung durchaus nicht von der Hand
zu weisen. Deshalb sind die Erdsalze den kohlensauren bei etwa
schon vorhandener Mageiiatonie vorzuziehen. Ebenso wird man hei
grosser Gasansamniluiig im Iiitestiiialtractus mit Neigung zur Ob
stipation den Magnesiasalzen entschieden den Vorzug geben, während
man für die übrigen Fälle zwischen beiden wählen kann.
Das Karlsbader Thermalsalz und desgleichen das künstliche
Karlsbader Salz eignet sich nach Jaworski besonders für die Be
handlung der Hypersecretion (Magensaftffuss), für Magensäure-Iii-
sufficienz und Magengeschwür (bei letzteren beiden kleine Dosen),
ferner bei habitueller Obstipation und schleimigen Gatarrhen. Bei
Eetasiecn des Magens empfiehlt Jaworski das Thermalsalz nur zu
Ausspülungen.
Ein dem Karlsbader Salz ähnlich zusammengesetztes empfiehlt
L. Wolff 1) für die Behandlung der Superaeidität. Es hat die fol
gende Zusammensetzung:
i) L. Wolff, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. IG, S. 263.
23*
356 Anwendung von Säuren und Alkalien.
Natrium sulfuric. 30 g
Kalium sulfuric. 5 g
Natrium chlorat. 30 g
Natrium carbon. 25 g
Natrium biborac. 10 g
Von dieser Mischung lässt Wolff dreimal täglich einen halben
Theelöffel in einem halben Glase lauwarmen Wassers gereicht nehmen,
und zwar nüchtern, 2 Stunden vor dem Mittag- und 2 Stunden vor
dem Abendessen. Bei Anwendung dieses Pulvers verringert sich die
Menge des nüchtern abgesonderten Magensaftes und erhält immer
weniger Salzsäure, desgleichen sinkt auch der HCl-Gehalt des auf
der Höhe der Verdauung ausgeheberten Mageninhalts. Auch ich
habe mich der von Wolff angegebenen Mischung häufig mit gutem
Erfolg bedient, in der Regel aber verordne ich seit Jahren behufs
Herabsetzung krankhaft gesteigerter Secretion die folgende Mischung:
Pv Magn. ust. 15,0.
Bism. carbon.
Natrii carbon. ää 5,0.
Extr. Belladonn.
Extr. Strychni ää 0,1—0,2.
D. S. 3 x tägl. 1 Theelöffel V* Std.
nach den einzelnen Mahlzeiten.
In keinem Falle darf der Arzt sich in Fällen von Säureüher-
schuss auf die Verordnung antacider Mittel beschränken; die Haupt
sache hierbei ist die Regelung der Diät und Lebensweise. Bezüglich
der ersteren verweisen wir auf das Capitel Diät (S. 267 u.f.). Dass man
durch letztere allein zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Be
schwerden gelangen kann, unterliegt keinem Zweifel. Besonders ist
dies bei der Form der Superaeidität der Fall, die aus einem zu
langen Verweilen der Speisen im Magen resultirt (Insufficienz,
Hypersecretion, gutartige Pylorusstenose.) Aber auch bei der ein
fachen nervösen Superaeidität kann man, wie dies Jürgensen 1)
kürzlich besonders hervorgehoben hat und wie ich, wenn auch zu
nächst nur in bescheidenem Umfange, bestätigen kann, mit einer
rationellen (möglichst vegetabilischen) Diät bemerkenswerthe Erfolge
erzielen.
i) Archiv für Verdauungskrankeiten Bd. HI, H. 3, 1897.
Künstliche Fermente. 357
VIERZEHNTES CAPITEL.
Künstliche Fermente.
(Ptyalin, Diastase, Pepsin, Pancreatin, Papayotin, Papain.)
Die künstlichen Fermente finden in der Therapie der Magen- ptyalin und
krankheiten ihren Platz da, wo ein Ersatz für mangelhafte Prodtiction DinMils/0 iges.
•2) Werther, Berliner klin. Wochenschr. 1892, No. 27-
3) Hugonneng, Lyon media 1892, No. 9.
4) Georges, Archiv, de medecine experimentale et d'anatomie pathologique
1890, S. 88.
360 Künstliche Fermente.
genau untersucht und kommt zu folgendem Schluss: »L'action digestive des pre-
parations citees plus haut est nulle dans tous les cas.« Für eine grosse Reihe
der in Deutschland vertriebenen Digestivmittel gilt nach meinen Erfahrungen
genau dasselbe.
Indicationen der Pepsinanwendung.
indicationen Die Anzeige für die Ordinirung von Pepsinpräparaten scheint
der Pepsin- theoretisch klar zu sein; man soll es da verordnen, wo die Magen-
anwendung. ~
Schleimhaut zu wrenig oder gar kein peptisches Ferment abscheidet.
In praxi erleidet dieser Satz indessen wesentliche Einschrän
kungen. Wir müssen nämlich hierbei zwei Möglichkeiten scharf aus
einander halten. Die erste besteht darin, dass von der Magenschleim
haut ausschliesslich oder fast ausschliesslich Pepsinogen abgeschieden
wird und es nur an der nöthigen Menge Salzsäure mangelt, die zweite
ist darin gegeben, dass die Enzymproduction überhaupt zum grossen
Theil oder ganz erloschen ist.
Im ersten Fall ist die Verordnung von Pepsin überflüssig, da
die Darreichung von Salzsäure völlig ausreicht, u m eine genügende
Fermentproduction zu Stande zu bringen. Im zweiten Fall ist zwar
die Einführung eines peptischen Ferments in den Magen sehr er
wünscht, indessen ist das Pepsin deswegen hierzu nicht geeignet,
weil es einer so enormen Menge H C l bedarf, u m dem Pepsin Wir
kung zu verleihen, wie sie, ohne subjeetive oder objeetive Störungen
hervorzurufen, nicht gereicht werden kann.
Im allgemeinen wird demnach Pepsin viel zu oft verschrieben.
Ich kann nicht umhin, die grossartigen Erfolge von Pepsinessenzen,
Lactopeptin u. a. den Suggestivwirkungen zuzurechnen. Dann sollte
man sich aber an weniger kostspielige Präparate halten!
Pancreatin.
pancreatin. Das Pancreatin (richtiger Pancreaspulver) ist zuerst von En
gesser1) in grösserem Maassstabe dargestellt und therapeutisch ver
sucht worden. Indessen wurde es praktisch wenig verwendet, da
man von der Vermuthung ausging, dass es im Magen zerstört würde
in neuester Zeit ist mit der Aufstellung präciserer Indicationen das
Interesse für die Pancreasfermente mit Recht ein regeres geworden.
Wie vom Pepsin kommen auch vom Pancreaspulver ver
schiedene Fabrikate vor, von denen einzelne brauchbar, andere
wegen völligen Fehlens der tryptischen Wirkung absolut unverwerth-
bar sind. Ich habe Gelegenheit gehabt, eine ganze Anzahl aus ver-
i) H. Engesser, Deutsches Areh. f. klin. Medicin Bd. 24, S. 539.
Künstliche Fermente. 361
schiedenen Officinen bezogener Pancreaspräparate auf ihre Wirksam
keit hin zu prüfen und darunter fast die Hälfte absolut inaetiv ge
funden. Fs ist daher unerläßlich, und ich entbinde mich in keinem
Falle von dieser Pflicht, das Präparat vor dem Gebrauch auf seinen
digestiven Werth hin zu untersuchen.
Das Engesser'sche Präparat stellt, obgleich es von groben
Verunreinigungen verschiedener Art nicht frei ist, jedenfalls ein durch
aus wirksames und im ganzen auch subjeetiv gut bekömmliches Präpa
rat dar. Auch ein mir neuerdings von Merck in Darmstadt zur Ver
fügung gestelltes Pancreatin (Pancreatinum absolutum) ist ein recht
kräftig trvptisch und amylolyfisch wirkendes Pancreaspulver, das
von Nebenprodueten ziemlich frei ist Ausserdem habe ich noch auf
ihre Wirksamkeit geprüft: das Simon'sehe Pancreatin, das Witte sehe
und Schering'sche Pancreatin. Alle diese Mittel stellen brauch
bare Mittel dar, nur ist der Preis derselben leider noch höher als
der des Pepsin.
Die Dosis, in welcher man Pancreaspulver verschreibt, beträgt Dosts und
1—2 g, sehr zweckmässig in Combination mit Natriunicarbonat Ich r°de"ung
verwende hier namentlich gern die Tablettenform und ordinire: Paucreas-
pulvers.
R' Pancreatin.
Nattli. carbon. ää 0,5
M. f. pulv. f. tabul. compress.
S. 1/4 Std. nach dem Essen 2 — 4 Tabletten
zu gebrauchen.
Reichmann 1) empfiehlt statt der häufig unwirksamen Fan-
creatinpräparate ein alkoholisches Extra et vom Ochsenpancreas,2)
davon ein kleines oder grösseres Weingläsehen nach dem Essen zu
gebrauchen.
Indication der Pancreatindarreichung.
Die einzige Indication bildet Mangel oder noch besser indication
vollkommenes Fehlen der HCl im Mageninhalt. Namentlich
Pailer
e
e
r
atin.
sind hiervon diejenigen Fälle geeignet, bei denen die M("»glich- darreienung.
keit einer Magensaftsecretion ausgeschlossen oder unwahrscheinlich
ist Hier ist das Pancreaspulver das souveräne Mittel, und die Er
folge damit sind — ich kann dies auf Grund einer grossen Er-
1) Reichmann, Deutsche medicinische Wochenschrift 1889, No. 7.
-) Nach Reichmann übergicsst man ein frisches Ochsenpancreas mit !'._> Liter
12 150;'0igem Alkohol, lässt 2—ö Tage an einem kühlen Orte stehen und filtrirt.
Nach meinen Erfahrungen sind Fäulnissproeesse bei diesem Verfahren äusserst
schwer zu vermeiden,
362 Künstliche Fermente.
fahrungsreihe aussprechen — recht befriedigend. Besonders günstig
wird in Folge der besseren Proteo- und Amylolyse die Stuhl
entleerung beeinflusst. A'on der directen digestiven Wirkung des
Pancreaspulvers im Magen habe ich mich, u m Täuschungen zu ent
gehen, fast in jedem einzelnen Falle überzeugt.
U n n a hat versucht, durch Herstellung keratinirter Pillen, die sich erst im
Darm lösen sollen, das Pancreaspulver vor dem zerstörenden Einflüsse der Magen
säure zu schützen. Dieser Versuch ist illusorisch, da man hierbei übersehen hat,
dass die saure Reaction sich bis auf den Dünndarm hin fortsetzt. Ausserdem
hat E w a l d gezeigt, dass die Pillen häufig ungelöst den Darmcanal passiren.
Papayotin und Papain.
Papayotin Dieselben werden aus dem Milchsaft der Carica Papaya, eines
1-
zur Familie der Papayaceen gehörigen und von den Molukken kom
menden, besonders in den Tropenländern (namentlich in Central- und
Südamerika) gedeihenden Baumes dargestellt. Aus diesem haben
W u r t z und Bouchut 1) zuerst das Papain und Peckolt das Pa
payotin bereitet. Das Papain soll nach den \Tersuchen von W u r t z
bis zu 1000 Theilen seines Gewichtes an Fibrin verdauen, auch dem
Papayotin kommt nach Untersuchungen von Peckolt eine kräftige
digestive Wirkung zu. Zudem sollen das Papain und Papayotin so
wohl in neutraler als auch in schwach saurer und alkalischer Lösung-
wirksam sein. Indessen ist die Wirkung des Präitarates nach Control-
untersuchungen von verschiedener Seite (Rossbach, A. Eulenburg
u. a.) eine sehr ungleiche, und es ist auch hier, zumal hei dem hohen
Preise des Mittels erforderlich, sich von der Activität desselben durch
einen Vorversuch zu überzeugen.
indicationen Fink 1 er2) empfiehlt das Mittel zur Unterstützung der Magen-
der Papain- .
anwendung. Verdauung und zieht es dem Pepsin sogar vor. Alb recht3) be
richtet über günstige Erfolge von Papayotinpräparaten bei Kindern
mit Verdauungsstörungen. Rossbach 4) glaubt das Papayotin bei
Mangel der Verdauungssäfte empfehlen zu sollen. Trotzdem hat das
Papain erst in neuester Zeit wieder Beachtung gefunden, seitdem
Sittmann5) wieder auf den Nutzen dieses pflanzlichen Fermentes
bei Verdauungsstörungen hingewiesen hat. Er bediente sich eines
von der Firma Böhringer & Rettss in Caniistatt in den Handel ge-
i) Wurtz et Bouchut, Compt. rend. 1879, Bd. 89.
2) Finkler, The Therap. Gaz. 1887, Aug. 15.
3) Albrecht, Correspondenzbl. für Schweizer Aerzte 1880, Bd. 10.
i) Rossbach, Zeitschr. f. klin. Medio. 1880, Bd. 6.
:>) G. Sittmann, München, medicin. Wochenschr. 1893, No. 29.
Amara und Stomachica. 363
brachten Präparates, welches nach den Angaben des Autors Hühner-
eiweiss in neutraler, alkalischer und schwach saurer Lösung energisch
auflöst Günstige Erfolge mit dem Mittel in Dosen von 0,3—0.5 g
sah Sittmann bei acutem und chronischem Magencatarrh, bei Magen
dilatationen, bei Carcinom des Magens, bei Dyspepsie nach chroni
schem Ulcus.
Diese günstigen Resultate sind von anderen nicht bestätigt
worden. Untersuchungen von Hirsch1) aus meinem Laboratorium
ergaben allerdings, dass Papain leicht verdauliche eiweisshaltige
Nahrungsmittel, namentlich Eiereiweiss, Milch und rohes Fleisch
besser peptonisirt, als ein salzsäurefreier Magensaft, dass indessen
die Wirkung weit hinter der des Pepsins zurückbleibt. Grote2)
glaubt sogar, vor der Anwendung des Papain bei hyporaeiden und
ulcerativen Zuständen des Magens warnen zu müssen, während es bei
In- und Subacidität versuchsweise Anwendung verdient.
FÜNFZEHNTES CAPITEL.
Amara und Stomachica.
Amara.
Gewissen Mitteln wird von Alters her die Eigenschaft zuge- Amara.
schrieben, die Magcnfunctionen zu stimulircn, die Secretion der Ver
dauungssäfte zu fördern und gleichzeitig die Appetenz zu steigern.
Inwieweit dies thatsächlich zutrifft, ist bis heute noch eine offene
Frage. Die Lösung derselben begegnet fast unüberwindlichen Schwie
rigkeiten. Denn es ist offenbar, dass Mangel an Esslust und Eintritt
der Appetenz den allerverschiedensten Ursachen entspringen können,
ja es giebt kaum einen Fall, bei dem die Wirkung der Stomachica
so klar und unumstößlich ist, dass der Erfolg zwingend auf den
Gebrauch dieser zurückgeführt werden darf.
Die experimentellen Untersuchungen wenigstens haben für die
Annahme gewisser topischer Einwirkungen auf die Magenschleimhaut,
namentlich hinsichtlich der Secretion, eine brauchbare Unterlage kaum
i) Hirsch, Therapeut. Monatshefte 1894, December.
•J) Grote, Deutsche medicinische Wochenschrift 1896, No. 30.
364 Amara und Stomachica.
ergeben. Schon B u c h h e i m und Engel1) fanden die Amara sowohl
für die Peptonisirung des Eiweiss als auch für die Verzuckerung der
Stärke indifferent und sahen ihre wesentliche Bedeutung in dem anti-
fermentativen Einfiuss, den sie ausüben.
Tscheizoff2) experimentirte theils an künstlichen Verdauungs
gemischen, theils an Thieren. Die letzteren, besonders werthvollen
Versuche haben ergeben, dass grosse Dosen der bitteren Extracte die
Magensaftabsonderting stark hemmen, auch bei mittleren erwies sich
die Secretion verringert. Nur kleine Dosen rufen passagere Steige
rung der Saftsecretion, indess ohne Besserung der Verdauungskraft
hervor.
Erst aus neuester Zeit liegen systematische pharmakologische
Studien über Bittermittel von R a m m 3 ) und Bokai 4) vor. Die
ersteren, unter Roberts Leitung ausgeführten Untersuchungen an
Thieren ergaben als auffallende und sehr beachtenswerte Wirkung
der Bittermittel eine Vermehrung der Leucocyten und (in geringem
Grade) auch der Erythrocyten. Ferner war Verstärkung der nor
malen Magen- und Darmcontractionen nachzuweisen. Die Unter
suchungen Bokai's und seiner Schüler führten zu dem Ergehniss,
dass die Bittermittel (Gentianin, Erythrocentaurin, Quassin, Absyn-
thin, Lupulin, Cetrarin, Columbin, Condurangin) die künstliche Magen
verdauung ein wenig hemmen, die Pancreasverdauung dagegen un_
beeinflusst lassen. Antibacterielle Eigenschaften besitzen die bitteren
Mittel nicht, dagegen wurden unter dem Gebrauch der Bittermittel
die gepaarten Schwefelsäuren im Harn vermindert. Einzelnen Bitter
mitteln (Cetrarin, Absynthin, Columbin) kommt auch eine energische
Wirkung auf die Darmperistaltik zu, während Quassin nur sehr ge
ringe Wirkung zeigt.
Die Versuche Jaworski's5) am Menschen haben gleichfalls
eine Verminderung der Magensaftabscheidimg und Peptonisirung untei
der Einwirkung von Bitterstoffen ergeben, aber er wünscht dieselben
trotzdem nicht aus der Therapie zu verbannen, da sie calmirend aui
die Magenschleimhaut wirken könnten.
Weitere eingehende Bearbeitungen dieses Gebietes verdanker
wir S tekho v en, besonders aber Reichm ann und L. W o 1 f f. Stek•
i) Buchheim und Engel, Beiträge zur Arzneimittellehre 1849.
*) Tscheizoff, Centralbl. f. d. med. W . 1886, No. 23.
•"») Ramm, Kobert's historische Studien II, S. 1; nach Virch. Hirsch Jahresb
1890, Bd. I, S. 442.
i) Bokai, Magyar orvosi Archiv; nach Centralbl. f. klin. Medicin 1894, No. 11
•>) Jaworski, Zeitschr. f. Therapie 1886, No. 23.
Amara und Stomachica. 365
hoven 1) kommt zu dem Resultate, dass durch keinen der zur An
wendung gezogenen Bitterstoffe (Quassiatinctur, Gentianatinctur, Cala-
musinftisionen etc.) eine erhöhte Salzsäuresecretion eintritt, sobald
sie nicht länger als eine Stunde im Magen blieben; nach l1/2stündi-
gem Verweilen scheint nur das Infusum Calami eine stärkere Salz-
säurereaction hervorzurufen.
Reichmann's 2) recht eingehende und sorgfältige Untersuchun
gen mit verschiedenen Amaris führten zu dem Ergebniss, dass Ein
führung der bitteren Mittel in den nüchternen, nicht verdauenden
Magen eine geringere Abscheidung von Magensaft hervorruft, als die
einfache Einnahme destillirten Wassers; in zahlreichen Fällen war
durch Anwendung von Amaris Magensaft nicht zu erhalten, wo dies
durch destillirtes Wasser vollkommen gelang. Ebensowenig war in
Fällen, wo destillirtes Wasser Magensaftsecretion nicht hervorrief,
eine solche durch bittere Mittel zu erreichen. Nach dem ATerschwin-
den des bitteren Mittels tritt in der Regel eine Steigerung der
Drüsenthätigkeit und demzufolge vermehrte Absonderung von Magen
saft ein.
In Fällen von normaler Verdauungsthätigkeit rufen die ge
nannten Mittel keine Aenderung der Secretionsverhältnisse hervor.
W o dagegen saurer, aber nicht HCl-haltiger und, wenn überhaupt,
nur äusserst schwach peptonhaltiger Magensaft abgesondert wurde,
konnte nach Darreichung bitterer Mittel (insbesondere des Absynths)
ein stärkerer Aciditätsgrad, deutliche Reaction auf HCl und Pepton
im Mageninhalt constatirt werden. In Fällen mit erloschener Drüsen-
funetion war es nicht möglich, durch Darreichung der bitteren Mittel
einen wirksamen HCl-haltigen Magensaft herbeizuführen. Bei Er
höhung der Magensaftabscheidung steigerten die Amara den Säure
gehalt noch mehr. EineFunetionsänderung erzeugten bittere Mittel
weder im gesunden noch im kranken Magen.
Die Untersuchungen Wolff's3) über diesen Gegenstand, denen
die Prüfung des Strychnins, der Conditrangorinde und der Galle zu
Grunde lag, führten ungefähr zu demselben Resultate. Von der Con-
durango fand Wolff, dass sie auf die Secretion des Magensaftes ab
solut einflusslos blieb, einen merklichen Erfolg vermochte Wolff da-
i) Stekhoven, Over den infloed van eenige Stoffen op the soutzuursechretie.
Weekbl. v. het Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 1887. Refer. in Schmidt's Jahrb.
Bd. 219, S. 42.
a) Reichmann, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 14, Heft 1 u. 2.
3) L. Wolff, Zeitschr. f. klin. Medicin Bd. 16, S. 222.
366 Amara und Stomachica.
gegen in dieser Richtung von Strychnin zu beobachten, das wenig
stens in einzelnen Fällen die Drüsenreaction anzuregen scheint
Desgleichen fand auch Penzoldt, dass mit Rheum, Condurango
u. a. eine Abkürzung der Magenverdauungszeit nicht zu erzielen ist.x)
Wenn wir das Facit aus dem bisher vorliegenden Material
ziehen, so scheint die Wirkung der Amara sich theils auf die
Magen-, theils auf die Darmthätigkeit, theils endlich auf die Blut be
reitenden Organe zu beziehen. Ob diese Wirkung allen Bittermitteln
eigen ist, muss fraglich erscheinen. Desgleichen ist fraglich, ob in
den genannten Effecten die Haupt- oder nur secundäre Wirkungen
liegen. Die eigentliche Einwirkung auf die Appetenz ist trotz der
vielen verdienstvollen Arbeiten über Amara nicht gelöst und wird
auch solange ungelöst bleiben, als wir die Nervenbahnen, welche
vom Magen aus zum Hungercentrum leiten, noch nicht kennen. Bis
dahin bleibt für Hypothesen noch ein grosser Spielraum.
Stomachica (sive Dig-estiva).
stomachica. Man versteht hierunter Substanzen, welche in ähnlicher Weise
wie die Amara den Digestionsact im einzelnen, sowie die Ver
dauungsvorgänge überhaupt günstig beeinflussen. Von Substanzen,
die derartige Wirkungen prätendiren, befinden sich, abgesehen von
den künstlichen Digestivfermenten, unzählige im Handel, darunter
aber nur wenige, die eine strenge Kritik der ihnen zugesprochenen
Wirkung vertragen.
Auch hier steht die wissenschaftliche Begründung der genannten
Mittel auf recht schwachen Füssen.
Dies hängt mit dem Umstände zusammen, dass die Ansichten über das,
was ein Stomachicum leisten soll, noch ausserordentlich getheilt sind. Eine ganze
Reihe von Autoren besonders der neueren Zeit betont, dass ein Stomachicum
neben dem Appetit auch die Secretion des Magensaftes und die motorische
Thätigkeit steigern müsse. A m weitesten gellt wohl Penzoldt'-*), welcher von
einem echten Stomachicum prätendirt, dass es säniintliche Magenfunctioncn ein
schliesslich des Appetites zu verbessern im Stande sein müsse. Dieser Auffassung
kann ich mich nicht anschliessen. Sie wäre berechtigt, wenn Darniederliegen der
Appetenz stets oder auch nur häufig Folge oder Ausdruck verringerter funetio-
neller Leistungen des Magens wäre. Dies ist alter keineswegs der Fall. Denn
es kann Appetitlosigkeit sogar in sehr hohem Grade bei normalen oder krank
haft gereizten Verdauungsfunetionen bestellen, bei denen eine Stimulirung der
letzteren durch Stomachica durchaus nicht erwünscht ist, praktisch auch nicht
zum Ziele führt. In anderen Fällen, z. B. bei Pylorusstenose mit Stagnation des
i) Vergl. Eichenberg, Erlanger Dissertation 1889, citirt Therap. Monatsh.
1890, S. 60.
2) Penzoldt, Therap. Monatsh. 1890, No. 2.
Amara und Stomachica. 367
Mageninhalts, wird dasjenige Mittel als Stomachicum anzusehen sein, welches die
abnormen Fermentationszustände einschränkt oder anflicht, bezw. die Ueberführung
des Mageninhalts in das Duodenum befördert. Mit anderen Worten: es giebt,
allgemein ausgedrückt, überhaupt keine Stomachica im obengenannten Sinne,
sondern jede I>igestion»törung erfordert ihr eigenes, den Ursache/) der letzteren
Rechnung tragendes Stomachicum. Fs kann liierfür unter Umständen ein Sti
mulans passend sein, in anderen Fällen kann aber gerade umgekehrt ein Seda
tivum in Betracht kommen, in noch anderen sind antifermentative Mittel die
besten Stomachica. Mit dieser Auffassung deckt sich auch die weitere, unten
beim Orexin zu erörternde Thatsache, dass bestimmte Stomachica auch nur in
ganz bestimmten Fällen wirken.
1. Das Kochsalz. Nur über die Wirkung des am häufigsten Kochsat
gebrauchten Stomachicum, des Kochsalzes, besitzen wir einige Unter
suchungen von Werth. Allerdings gehen die Resultate derselben noch
vielfach aus einander. Die älteren Forscher (Lehmann, Frorichs
u. a.) vindicirten auf Grund künstlicher Verdauungsversuche dem
Kochsalz eine günstige Rolle, während AI. Schmidt, Petit, W o l -
berg, Pfeiffer, Klikowicz und Roberts zu dem Resultate kamen,
dass die Eiweissverdauung schon durch geringe Kochsalzmeiigen (0,1
bis 0,4 o/0) gehemmt, durch grössere aufgehoben werde.
Die Versuche am Lebenden haben diese Thatsache bestätigt und
zum Theil erklärt, namentlich ergab sich aus den Untersuchungen
von Reichmann 1), dass mich Einnahme von Kochsalz überhaupt
kein sauer reagirender Mageninhalt ausgehebert werden konnte, son
dern nur eine neutrale, ja selbst alkalische Flüssigkeit Wolff und
Schule-^) kamen gleichfalls auf Grund von Untersuchungen an
Kranken zu dem Ergebniss, dass Kochsalz in grösseren Mengen die
Acidität des Magensaftes und demgemäss die Peptonisirung herab
setzen, unter Umständen die HCl-Secretion selbst völlig aufheben.
Nach Schule soll auch die Zuckerresorption gestört sein.
D e m gegenüber zeigten experimentelle Untersuchungen von
Cahn 3), Forster4) die grosse Bedeutung dieses Salzes für die Magen
saftsecretion. Die genannten Forscher zeigten, dass im Salzhunger
auch der Magensaft seine Salzsäure einbüsst, ohne dass an Stelle der
selben eine andere Säure tritt, falls digestive Reize auf ihn einwirken.
Mit Zufuhr derselben im Ueberfiuss beginnt sofort die Salzsäure-
abscheidung durch den Magen.
Unsere eigenen Erfahrungen beziehen sich auf natürliche Koch-
!) Reichmann, Areh. f. exper. Pathologie Bd. 24, Heft 1 u. 2.
2) Schule, Untersuchungen über die Secretion und Motilität des normalen
Magens. Habilitationsschrift, Berlin 1895, S. 42.
3) Cahn, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 10, S. 522—530.
4) Forster, Zeitschr. f. Biologie Bd. 9.
368 Amara und Stomachica.
Salzwässer (Kissinger Rakoczy, Wiesbadener Kochbrunnen und Hom
burger Elisabethbrunnen) und haben in nicht zu vorgeschrittenen
Fällen von Gastritis fast ausnahmslos Steigerung der HCl-Secretion
bei drei- bis vierwöchentlichem Gebrauch der betreffenden Quellwässer
ergeben (s. o. S. 316). Ich kann daher, wenngleich ich die über
einstimmenden entgegengesetzten Ergebnisse der genannten Autoren
gebührend würdige, mich von der LTeberzeugung nicht trennen, dass
kleine, häufig gebrauchte Dosen von Chloriden langsam eine Steige
rung der Drüsensecretion herbeiführen. Ich habe denselben Effect
auch bei Gebrauch der Kissinger Quellen, an Ort und Stelle ge
trunken, zu beobachten Gelegenheit gehabt.
In der That lassen sich die experimentellen Untersuchungen von Reich-
m a n n , Wolff und Schule mit den durch die Erfahrung gewonnenen vereinigen.
So fand z. B. Schule (allerdings entgegen Wolff), dass kleine Kochsalzdosen (5 g)
die HCl-Secretion nicht tangiren. Dass grössere Gaben eine Vernichtung der
Salzsäuresecretion hervorrufen, ist einfach Folge der Transsudaten, die — teleolo
gisch betrachtet — den Zweck hat, sich durch Verdünnung des Reizmittels
vor dessen irritativen Wirkungen auf die Magenschleimhaut zu schützen.
Alkohol. 2. Alkohol. Eine wichtige Rolle als Stomachicum spielt be
kanntlich der Alkohol, und es ist wahrscheinlich, dass bei mannich-
fachen unter pomphaftem Namen angepriesenen Tincturen und Elixiren
dem Alkohol die Hauptwirkung zufällt. Ueber die Einwirkung des
selben auf den Magen sind die Ansichten noch nicht genügend ge
klärt. Aeltere Forscher (Gosse 1760, Frerichs 1846) sahen indem
Alkohol ein die Secretion des Magensaftes beförderndes Mittel, auch
Cl. Bernard constatirte, dass geringe Mengen verdünnten Alkohols
die Secretion im ganzen Verdauungscanale anregten. Von anderen
dagegen (Buchheini, Brinton) wurde dem Alkohol eine weniger
günstige Bedeutung für den Digestionsablauf beigemessen.
Die neueren Versuche ergaben, soweit sie künstliche Digestions
gemische betrafen, fast ausnahmslos schon bei geringem Alkoholzusatz
keine wahrnehmbare Verzögerung, bei höherem mehr oder weniger
starke Verlangsamung und bei starkem Alkoholzusatz Sistirung der
Verdauung (Buchner, Schellhaas, Bikfalvi, Ogata, Klikowicz,
W . Roberts u. a.).
Weniger übereinstimmend sind die Resultate am Menschen:
Richet fand, dass der Alkohol die Acidität des Magensaftes steigerte,
Kretschy, dass er sie schon in geringen Quantitäten verzögerte.
Buchner's Versuche am Lebenden ergaben gleichfalls, dass Bier
und Wein in massigen Quantitäten die Verdauung zu verlangsamen
scheinen.
Eingehende und mit ebensoviel Sorgfalt als Kritik angestellte
Amara und Stomachica. 369
Versuche über die Wirkung des Alkohole verdanken wir Gluzinski1)
und L. Wulff-'). Festerer kam auf Grund seiner Beobachtungen zu
dein Resultate, dass man zwei Phasen der Alkoholverdaitung consta-
tiren könne; während der ersten wird die EiweissVerdauung bei nor
maler oder selbst vermehrter HCl-Secretion behindert. Nach dem
Verschwinden des Alkohols (2. Phase) steigt die HCl-Secretion zur
zwei- bis dreifachen Höhe der sonst stattfindenden, und zwar geht
diese Steigerung proportional mit der Menge des Alkohols. Die mecha
nische Kraft des Magens wird nur in massigem Grade beeinträchtigt.
Die Secretion von Magensaft dauert nach Beendigung der Verdauung
länger als bei Abwesenheit von Alkohol.
Bei dem Eintiuss des Alkohols auf den Magen in pathologischen
Fällen ist zu unterscheiden zwischen geringer und gesteigerter Aci
dität. In den letztgenannten Fällen soll eine deutlich ausgesprochene
zweite Phase fehlen, mit anderen Worten, es besteht entweder gar
kein oder ein minimaler Unterschied in der Acidität. Bei Verringerung
der Acidität ist der Alkohol nicht mehr im Stande die Secretion
anzuregen, daher auch hier keine Aenderung der Säureproduction.
In allen Fällen mit gesteigerter oder verringerter Magensaft
absonderung soll daher der Gebrauch starker geistiger Getränke ver
mieden werden.
Wolff's Versuche gipfeln in dem Resultate, dass Alkohol, resp.
Cognac in kleinen Dosen einen speeiell auf die Acidität, resp. die
HCl-Absonderung im menschlichen Magen schwach fördernden Einfluss
hat, in grösseren Dosen jedoch die Acidität und vielleicht auch die
Peptonbildung herabzusetzen vermag. Ausserdem scheint durch die
obigen Versuche die längst bekannte Thatsache ihre physiologische
Erklärung zu finden, dass nach öfterem Einwirken des genannten
Genussmittels der Reiz der gewöhnlichen Kost nicht mit der früheren
Energie von Seiten des Magens beantwortet wird.
Klemperer •"•) kommt auf Grund seiner Untersuchungen über
diesen Gegenstand zu dem Resultate, dass der Alkohol die Secretion
nicht wesentlich steigert, dagegen die motorische Thätigkeit bedeutend
stimulii't
Umgekehrt findet Wolffhardt4) bei Darreichung von absolutem
Alkohol (D>—30 g) auf einmal oder in kleinen Einzeldosen eine Ver-
langsamung der Chynmsaustreibung gegen die Norm von 30—40'
i) Gluzinski, Deutsch. Areh. f. klin. Med. Bd. 39, S. 405—430.
2) L. Wolff, 1. c. S. 229.
•H) Klemperer, Zeitschr. f. klin. Medic. Bd. 17, Supplementheft.
•i) R. Wolffhardt, Münch. med. Wochenschr. 1890, No. 35.
Boas, AUg'. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aufl. ^4
370 Amara und Stomachica.
Andererseits ergeben wieder die Versuche mit geringen Mengen Cognac
(30—40 g, 5 0 % Cognac) auf einmal oder in bestimmten Rationen
genommen, eine Beschleunigung der Verdauung um 30—35' Auch
Roth- und Weissweine üben einen verdauungsbefordernden Einfluss
aus, sowohl wenn sie während der Mahlzeit als vor derselben ge
nommen werden.
Die genannten Untersuchungen, wenngleich sie in der Methodik
noch manche Lücke aufweisen, zeigen wenigstens soviel, dass dem
Alkohol in massigen Mengen kein direct schädlicher Einfluss auf
die Magenverdauung zukommt. Allerdings würde es auch nicht
viel bedeuten, wenn der thatsächliche Beweis einer Verdauungsver
zögerung oder Verringerung der Secretion erbracht wäre. Denn es
fände eine desto bessere Duodenalverdauung statt, welche das Deficit
an gebildeten Peptonen völlig ausgleichen würde.
Für bedeutungsvoll halten wir beiläufig auch den leider bisher
zu wenig in Betracht gezogenen antizymotischen Effect des Alkohols
namentlich auf die Duodenalverdauung.1)
Kreosot. 3. Kreosot. Man hat neuerdings das Kreosot, das als anti-
fermentatives Mittel von Alters her geschätzt war, auch als Stomachi
cum empfohlen. Namentlich führt G. Klemperer 2) die Heilerfolge
bei der Phthise auf die günstige Beeinflussung des Magendarmcanals
zurück. In neuerer Zeit hat der genannte Forscher3) diesen Ge
danken noch weiter ausgeführt und zu zeigen versucht, dass der
wesentliche Effect des Kreosots in seiner stimulirenden Wirkung auf
die Peristaltik zu suchen sei. Desgleichen konnte er einen, wenn
auch weniger ins Auge fallenden secretionserhöhenden Einfluss be
obachten. Klemperer bediente sich der bekannten Bouchard-
Fräntzersehen Mischung. (Kreosot 13,5, Tinct Gentian. 20,0, Vin.
Xerens. 800,0, Spirit. 200,0).
orexin. 4- Orexin. (Phenyldihydrochinazolin.) Penzoldt4) empfahl
vor kurzem das genannte Mittel, ein Chinolinderivat, als »echtes
Stomachicum« gemäss den von ihm hierüber geäusserten Anschau
ungen (s. S. 366). Besonders günstige Erfolge sah Penzoldt bei
!) Der Fehler unserer bisherigen experimentellen Forschung besteht über
haupt darin, dass alle Mittel lediglich unter dem Gesichtswinkel der Magen Ver
dauung betrachtet werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass günstige oder un
günstige Wirkungen eines Mittels sich erst unterhalb des Magens äussern können
und gewiss auch thatsächlich äussern.
2) G. Klemperer, Beil. klin. Wochenschr. 1889, No. 11.
3) G. Klemperer, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 17, Supplementheft.
4) Penzoldt, Therap. Monatsh., Februarheft 1890.
Amara und Stomachica. 371
Phthisikern, Anämischen, in der Ernährung Heruntergekommenen,
bei der Nachbehandlung von Reronvalesecnten nach schweren Opera
tionen, bei denen die Fsslust daruiederliegt P>ci eigentlichen Magen
kranken hat Penzoldt das genannte Mittel wegen seiner sehleim-
hautreizenden Eigenschaften nur in wenigen Fällen probirt
Ueber das Mittel ist seit Penzoldts Empfehlungen fast eine
Literatur entstanden, die sich in der letzten Arbeit dieses Autors
übersichtlich zusammengestellt findet.
Die Ansichten über den Werth des Mittels sind getheilt: es überwiegen
alter entschieden die günstigeren Resultate (nach Penzoldt unter 27S Fällen
144 Erfolge). Die Resultate werden nach der positiven und negativen Seite hin
getrübt: nach ersterer durch den nie ganz auszuschaltenden Suggestionsvcrdacht,
nach letzterer durch die häufig verkehrte Indicationsstellung. Aber auch abge
sehen davon, kommen neben überraschenden Wirkungen unerklärliche Versager
vor. Erst Erfahrungen im grossen und womöglich in einer Hand werden hierin
Wandel schaffen.
Nach Penzoldt und Kronfeld1) bewirkt das Orexin eine Er
höhung der Salzsäuresccretion. Möglicherweise findet auch eine An
regung der motorischen und resorptiven Hurtigkeit im Magen statt.
Die eigentliche Domäne der Orexin Wirkung liegt in den leichteren
Formen der Dvspepsie (Magenatonie, beginnende Gastritis). Bei
Ulcus und Hyperacidität dagegen dürfte es contraindicirt sein. Das
früher von Penzoldt empfohlene (>rcxinum hydrochloricum hat der
Autor wegen der Reizerscheinungeii, die dasselbe gelegentlich hervor
ruft, durch die Orexinbase ersetzt'2) (Orexinum basicum). Man lässt
dasselbe als feinstes Pulver in Oblaten, Oblatenkapseln oder auch
ohne weiteres (mit einem Schluck Wasser) einnehmen und reichlich,
etwa i/4 Liter Wasser nachtrinken. Die beste Darreichungszeit ist
etwa 10 Uhr Vormittags. Die mittlere Dosis für den Erwachsenen
beträgt 0,3, event kann man bei mangelnder Wirkung bis 0,5 steigern
Tritt die gewünschte Wirkung nach ein- oder mehrmaliger Dar
reichung ein, so kann man aussetzen und abwarten, ob der Effect
ein dauernder ist Hat man mich 5--10 tägiger Anwendung keinen
Effect, so kann man nach s tägiger Pause den Versuch wiederholen.
i) Kronfeld, Wien. klin. Wochenschr. 1891, No. 3 u. 4.
2) Penzoldt, Therap. Monatsh. 1893, Maiheft.
24*
372 Operative Behandlung bei Magenkrankheiten.
Anhang.
Die Bedeutung: und Grundsätze der operativen Be
handlung1 bei Magenkrankheiten.
Die operative Behandlung Magenkranker ist heutzutage keine
ausschliessliche Domäne der Chirurgie, wie zur Zeit, da Bill
roth und Pean ihre ersten berühmt gewordenen Operationsresultate
mittheilten. Aus dem Rahmen blosser chirurgischer Kraftproben,
die nur zeigen sollten, was alles die Technik unter dem Schutze
der Asepsis und Antisepsis wagen dürfe, ist die Magen- und Darm
chirurgie bereits zu einem wissenschaftlich wie praktisch gleich be
deutungsvollen Zweige der Heilkunst emporgewachsen, und wie die
innere Medicin der Bacteriologie das entlehnte, was ihr praktisch
förderlich schien, so hat sie auch die Pflicht, sich u m die Wand
lungen und Fortschritte der Abdominalchirurgie zu kümmern, soweit
hierdurch die Behandlung und Heilung von Magendarmkrankheiten
ernstlich gefördert wird.
Ob letzteres der Fall ist, darüber gehen die Anschauungen
allerdings noch weit auseinander. Die Gegner der operativen Chir
urgie weisen auf die allgemeinen Statistiken hin, die noch eine
erhebliche Mortalitätsquote aufweisen. Nirgends sind aber umfassende
Statistiken von geringerem Werth als in der Abdominalchirurgie.
Was wird hier nicht alles in Zahlen bunt zusammengewürfelt: richtige
und unrichtige Indicationen, schlechte und gute Technik, mangel
hafte und tadellose Asepsis, zweckmässige und unzweckmässige Nach
behandlung, Resultate aus der ersten und der gegenwärtigen Periode
der Abdominalchirurgie.
Es liegt auf der Hand, dass der Arzt sich aus einer solchen
kaleidoskopischen Zusammenstellung kein Urtheil bilden kann. Es
ist dies nur möglich an der Hand von Statistiken einzelner hervor
ragender Abominalchirurgen. Wenn man dieselben verfolgt, so unter
liegt es gar keinem Zweifel, dass die Resultate im Laufe der letzten
Jahre ganz erheblich günstigere geworden sind. Sehr characteristisch
sind in dieser Hinsicht die Resultate eines unserer hervorragendsten
Abdominal Chirurgen, Mikulicz. Im Ganzen wurden von ihm, resp.
seinen Assistenten in den Jahren 1882—1895 103 Operationen a m
Magen ausgeführt mit 231/3°/0 Mortalität1). Theilt man die Fälle
!) Mikulicz, Areh. für klin. Chirurgie Bd. öl, Heft 1, Sonderabdruck S. 4.
Operative Behandlung bei Magenkrankheiten. ;J73
in zwei Gruppen und rechnet zur er>ten die der ersten 10 Jahre.
so handelt es sich hier um 35 Magenoperationen mit 37"/o Mortalität.
In der zweiten Periode dagegen, welche die letzten -J' , Jahre nin-
fasst, starben von ßs Operirten nur 11 1(5%. Ich -elbsf habe an
einem grossen Material von Magenkranken, das ich operativ habe
behandeln lassen, dieselbe Erfahrung machen können. Während ich
noch vor 3 — 4 Jahren hin und wieder über Verluste nach Operatio
nen zu klagen hatte, werden dieselben in den letzten Jahren immer
seltener.
Dazu tragen offenbar mehrere Umstände bei: erstens die grössere
Technik und Sicherheit der Operateure, zweitens die bessere Aus
wahl der Fälle, drittens der Umstand, dass die Kranken nicht mehr
in einem so desolaten Zustande zur Operation kommen wie vordem.
In diesen letztgenannten Momenten liegt das Interesse, das die
interne Medicin an der heutigen Entwickelung und Gestaltung der
Abdominalchirurgie nimmt Der Internist hat die Aufgabe, und man
kann bei dem heutigen Stande der Chirurgie sogar sagen, die Pflicht,
dem Chirurgen seiner Wahl die operativ geeigneten Fälle zuzuführen,
er hat die Indication zur Operation zu stellen. Das kann er aber
nur, wenn die Diagnose so scharf und sicher wie möglich gestellt ist.
Ist der praktische Arzt hierzu im Stande — und es giebt zahlreiche
Aerzte, die, ohne Specialistcn zu sein, genügende Sicherheit in der
Diagnose auch schwieriger Fälle besitzen, dann kann ohne Weiteres
der Rapport mit dem Chirurgen beginnen; falls nicht, ist eine vor
gängige Berathung mit einem erfahrenen Specialarzt für Verdauungs
krankheiten, an denen es jetzt in grösseren Städten nicht mehr
mangelt, wie dies auch Penzoldt räth, sehr erwünscht Denn es
ist immer eine Art macnla levis für den Arzt, wenn er einen Kran
ken auf die Notwendigkeit einer Operation vorbereitet oder sie
auch nur andeutet, während der Chirurg sie auf Grund eingehender
Untersuchung für nicht oder für nicht mehr indicirt erklärt.
Nur in seltenen Fällen wird der Internist zur Operation rathen,
ohne dass die Situation klar liegt Die Hoffnung, dass die Eröffnung
der Bauchhöhle die Sachlage klären werde, ist keineswegs stichhaltig.
Gewöhnlich erstreckt sich der Bauchschnitt über ein so kleines Terrain,
dass selbst während der Laparotomie die Orientirung auf Schwierig
keiten stösst Zudem ist eine allzulange Beschäftigung mit der
Diagnose, das Abpalpiren der verschiedenen Abdominaltheile fin
den Patienten nicht unbedenklich, mindestens dehnt sie die Narkose
länger als nöthig aus, wodurch auch die Gesammtdauer und damit die
Chancen der Operation beeinfiusst werden. Immerhin ist zuzugeben,
,374 Operative Behandlung bei Magenkrankheiten.
dass gelegentlich einmal auch Fälle dieser Art vorkommen. Im
Ganzen sollten sie möglichst eingeschränkt werden.
Wenn wir nun zu den einzelnen Magenaffectionen übergehen,
bei denen unter Umständen eine Operation in Frage kommt, so kann
es sich hier nur u m die Erörterung einiger allgemeiner Gesichts
punkte handeln, die Details sind bei den einzelnen Magenkrankheiten
im zweiten Theil dieses Werkes besprochen.
Das Gebiet, auf welchem die Abdominalchirurgie die grössten
Triumphe feiert, ist die Beseitigung von gutartigen Pylorusstenosen,
welchen Ursachen sie auch immer ihre Entstehung verdanken. U m
für die Indication der operativen Behandlung solcher Fälle eine feste
Basis zu finden, muss man vor allem die Frage aufwerten, was
leistet die interne palliative Behandlung in solchen Fällen? Und
da lehren uns die Erfahrungen, dass die operative Behandlung von
nicht malignen Pylorusstenosen nur in einem Theil der Fälle indicirt
ist. Eine nicht unbeträchtliche Zahl wird durch zweckentsprechende
Diät, Magenausspülungen, wahrscheinlich auch durch eine sich bei
zweckmässigem Verhalten entwickelnde compensatorische Muskel
hypertrophie dauernd geheilt. Da aber die erstgenannten Factoren
vielfach vernachlässigt werden, zuweilen aber auch aus den ver
schiedensten Gründen nicht durchführbar sind, so tritt die Noth-
wendigkeit einer operativen Behandlung seihst da heran, w o an sich
die Möglichkeit einer erfolgreichen internen Behandlung gegeben
wäre. Es giebt endlich Kranke, welche lieber die Gefahren einer
Operation laufen, als sich für Jahre hinaus an eine monotone,
sie von vielen Lebensgenüssen ausschliessende Diät gebunden sehen
wollen.
Keineswegs gehören aber, wie dies einzelne Chirurgen heutzu
tage schon fordern, sämmtliche gutartigen Pförtnerverengerungen vor
das chirurgische Forum. Wir können es bei dem heutigen Stande
unseres Wissens keinem Fall ohne Weiteres ansehen, ob er sich nicht
bei zweckentsprechendem Verhalten — im weitesten Sinne des
Wortes — und rationeller Behandlung in solchem Maasse bessern
wird, dass die Operation vor der Hand unterbleiben, mindestens aber
noch verschoben werden kann. Die Erschöpfung aller möglichen
palliativen Maassnahmen ist daher wichtigste Vorbedingung für
die Indication eines operativen Eingriffes. Dass man dieselben nicht
zu weit treiben und den Kranken bis zur höchsten Inanition bringen
darf, ist hierbei selbstverständlich vorausgesetzt
Was die Art des operativen Vorgehens betrifft, so handelt es
sich im wesentlichen u m zwei Operationen, Anlegung einer Magen-
Operative Behandlung bei Magenkrankheiten. ?,~ih
dünndarmfistel (Gastroenterostomie)1) oder um die Herstellung der
natürlichen Pyloruspassage durch die sogenannte Pvloroplastik nach
Heinecke-Mikulicz. Die forcirte Digitalerweiterung des Pylorus
nach Loreta ist wegen ihrer Unsicherheit heutzutage als völlig auf
gegeben anzusehen. Welche von den oben genannten Methoden im
einzelnen Falle den Vorzug verdient, das zu entscheiden wird natür
lich stets Sache des Chirurgen sein, wobei die individuelle Vorliebe
für die eine oder andere Operation und die damit erzielten Resultate
mitsprechen dürften. Doch kann man soviel sagen, dass die Gastro
enterostomie das allgemeine, in allen oder fast allen Fällen ausführ
bare Verfahren ist, während die Pvloroplastik eine gute Beweglichkeit
des Pylorus und eine noch leistungsfähige Magenmuskulatur voraus
setzt, Momente, die nur in einem Theil der Fälle vorhanden sind.
Welches Verfahren leichter ausführbar ist oder kürzere Operationsdauer
beansprucht, darüber ist schwer zu urtheilen: nach eigenen Erfahrungen
dürften sich beide Methoden, gute Operationstechnik vorausgesetzt,
ungefähr das Gleichgewicht halten. In den überwiegend häutigen
Fällen meiner Erfahrung wurde die Gastroenterostomie .ausgeführt und
zwar in den letzten drei Jahren in keinem Falle mit irgend einem
functionellen Misscrfolg.
Einfacher liegt die Frage der operativen Behandlung von Fällen
schwerer muskulärer Insufficienz. Hier kommen bezüglich der Indi
cation die oben bereits geschilderten Grundsätze in Betracht, nur
dass hier eine einzige Operation ernstlich in Frage kommt: die Gastro
enterostomie. Ein vor einigen Jahren von Bircher empfohlenes Ver
fahren, die Gastroplicatio (Faltenbildung), die darauf hinauslief, einen
vergrösserten Magen gewissermaassen einzunähen, beruht auf falschen
mechanischen Voraussetzungen, da hierdurch der Magen nichts an
seiner Functionsfähigkeit gewinnt, sondern, was gleichgültig ist, nur
an Grösse verliert: statt eines grossen schlaffen Magens resultirt, wie
B. U l l m a n n sich treffend ausdrückt, ein kleiner schlaffer Magen.-)
Neben der Pylorusstenose erfordert am häufigsten chirurgisches
i) Die Resection des durch ein Geschwür verengten Pförtners wird nur
noch selten ausgeführt und ist wohl meist entbehrlich.
2) Es ist auffallend, wie selten Fälle von einfacher muskulärer Insufficienz
zur Operation kommen; ich verfüge über keinen einzigen. In der Zusammen
stellung von Mintz vom Jahre 1894 finden sicli nur zwei Fälle von nicht steno-
tischer Ectasie. In einem meiner Fälle glaubte ich die Diagnose einer primären
muskulären Insufficienz des Magens stellen zu sollen, die Operation ergab zwar
eine solche, aber als Ursache ein Careinoin des Duodenum. Ein Tumor war
weder von dem Chirurgen noch von mir gefühlt worden, da er tief unter dem
rechten Leberlappen versteckt lag.
376 Operative Behandlung bei Magenkrankheiten.
Eingreifen das Carcinom des Magens. Die zunehmenden Erfahrungen
der Internisten und Chirurgen haben die hier in Frage kommenden
Punkte in den letzten Jahren gleichfalls wesentlich geklärt. Die
Hoffnung, in der Mehrzahl der Fälle das Carcinom durch Radical-
operation zu entfernen, ist bei dem heutigen Stande der Wissenschaft
als aufgegeben anzusehen. Fs hängt dies damit zusammen, dass das
Carcinom, solange es bequem exstirpirbar wäre, latent oder doch
so wenig characteristisch verläuft, dass es selbst unter Anwendung
der modernen und modernsten Hilfsmittel der Diagnose nicht mit
Sicherheit zu erkennen ist; häufig sind Krebskranke in diesem Sta
dium nicht einmal Gegenstand ernster ärztlicher Behandlung. Hin
und wieder gelingt es aber doch, eine Frühdiagnose des Carcinoms
zu stellen und hieran auch eine radicale Operation anzuschliessen.
Die Gesammtmortalität wird hierdurch freilich nicht wesentlich be-
einflusst
Wir müssen uns in den überwiegend häufigen Fällen mit einer
Behebung der mechanischen Beschwerden, wiederum durch die Gastro
enterostomie, begnügen. Die Gefahren derselben sind hier zwar
etwas grösser, schon weil wir es mit hämoglobinverarmten, unter
ernährten, manchmal selbst schon im Stadium vorgeschrittenen Maras
mus befindlichen Individuen zu thun haben, indessen werden doch
bei geschickter Auswahl der Fälle und wachsender Technik die Re
sultate günstiger. Die durchschnittliche Lebensdauer nach erfolg
reicher Gastroenterostomie beträgt ca 7 Monate. W e n n diese Frist
ganz beschwerdefrei wäre, so müsste man unbedingt jeden Fall von
Magencarcinom mit mechanischer Insufficienz, Erbrechen, zunehmen
der Entkräftung der Gastroenterostomie unterwerfen, leider hat nur
eine, wenn auch erhebliche, Zahl von Kranken wirkliche und bis zu
ihrem Erlöschen anhaltende Vorthcile. Wir werden also gut thun,
nur solche Fälle der Gastroenterostomie zu überweisen, welche
einen gewissen Fonds an Kräften besitzen und ausgesprochene Symp
tome der Mageninsufficienz aufweisen, die durch palliative Behand
lung nicht oder nur unwesentlich zurückgehen.
Andere Operationsmethoden des Carcinoms. wie Auskratzungen
u. s. w., haben sich kein Bürgerrecht in der operativen Therapie des
Magcnearcinoms erworben.
Zu erwähnen wäre noch die Anlegung einer Magenfistel bei
Cardiacarcinomen (Gastrostomie). Sie tritt ineist erst in Frage, wenn
flüssige Nahrungsmittel nicht oder nur zum Theil in den Ma'en <>o-
langen. Weit günstiger lägen die Chancen in einem früheren Stadium
wenn breiartige Substanzen dem Hindurchpassiren Schwierigkeiten
Operative Behandlung bei Magenkrankheiten. 377
bereiten. Die Technik der Fistelanleguug hat in den letzten Jahren
grosse Fortschritte zu verzeichnen. Trotzdem ist der Gewinn der Gastro
stomie ipioad vitam kein sehr erheblicher: die Lebensdauer wird um
etwa 3) — ,") Monate, nur in seltenen Fällen u m mehr verlängert Da
bei ist aber zu berücksichtigen, dass die Patienten wenigstens nicht
dem grausamen Geschick des Hungertodes ausgesetzt sind.
Eine erst der neuesten Zeit angehöilge Indication bildet die
operative Behandlung von Magengeschwüren. Zwei hervorragende
Kliniker, v. Leube 1) und Mikulicz-), haben jüngst, der eine vom
internen, der andere vom chirurgischen Standpunkte aus, ihre reichen
Erfahrungen hierüber mitgetheilt.
Dieselben haben zu folgenden, im Princip übereinstimmenden
Ergebnissen geführt: Klar und unbestritten ist die Indication zur
Operation bei eingetretener Perforativperitonitis, vorausgesetzt, dass
die Perforation bei nachweisbar gefülltem Magen eingetreten ist, und
die Frist nach derselben 10—12 Stunden nicht wesentlich überschritten
hat. Eine weitere Indication liegt vor bei unstillbaren, wiederholt
eintretenden und der palliativen Behandlung nicht weichenden Blu
tungen, ferner ist die Operation indicirt bei Perigastritis, Verwach
sungen des Magens mit der Nachbarschaft, subphrenischen Abseessen.
Eine relative Indication zur Operation liegt auch dann vor, wenn
ein Ulcus trotz wiederholter rationell durchgeführter Citren immer
erneut Sehmerzen und Erbrechen hervorruft und hierdurch den
Kräftozustand des Patienten in bedrohlicher Weise herabsetzt
Eine weitere Indication zu operativen Eingriffen bilden Ad
häsionen des Magens mit anderen Organen. Leider liegt es mit der
Diagnose solcher partiellen Verwachsungen noch sehr im Argen. Es
sind einzelne Symptome, so besonders von Landerer, angegeben
worden, indessen sind dieselben nicht .ausreichend, u m einen Eingriff
zu rechtfertigen. Heber mehr als eine Vermuthungsdiagnose wird
man, wie ich im Gegensatz zu anderen Autoren hervorhebe, selten
kommen. Andererseits kann die Intensität der Beschwerden einen
Eingriff erfordern, ja in mehreren meiner Beobachtungen verlangten
ihn die Patienten selbst. Wenn (bis Arsenal unserer diätetischen
und medikamentösen Therapie erschöpft ist, die Patienten durch
ihre Beschwerden ihrem Berufe entzogen sind und abmagern, halte
ich die Probelaparotomie für berechtigt, selbst auf die Gefahr hin,
dass deren Ergebniss negativ ausfällt
i) v. Leube, Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Medicin und Chi
rurgie Bd. 2, lieft 1 und 2, 1897.
a; Mikulicz, ibid.
378 Operative Behandlung bei Magenkrankheiten.
Schliesslich haben wir noch einer Operation zu gedenken, die
ihre Berechtigung erst noch erweisen soll: die Jejunostomie. Die
bisherigen Erfahrungen von M a y dl1), H a h n 2 ) , v. Eiseisberg3),
Karewski4) sind nicht gerade ermuthigend. Die Operation kommt
in Frage, wo der Magen verätzt oder stark geschrumpft ist Von
H a h n rührt der Vorschlag her, bei Fällen von Ulcus ventriculi
durch die Jejunostomie den Magen völlig auszuschalten und hier
durch die Heilung des Ulcus zu bewerkstelligen. Praktisch ist die
an sich discutable Idee bei dem letztgenannten Magenübel noch
nicht ausgeführt.
Die vorstehende kurze Uebersicht zeigt die mannichfachen Fort
schritte, welche die moderne Abdominal Chirurgie aufweist. Die in
terne Medicin erkennt sie dankbar an, indem sie in wachsendem
Maasse geeignete Fälle der operativen Behandlung zuweist. Sie hat
aber auch die Pflicht, übermässigen Ansprüchen gegenüber ihren Be
sitzstand zu schützen. Sie wird dies am besten dadurch thun, dass
sie ihr eigenes therapeutisches Armamentarium verbessert und vervoll
kommnet Denn die höchste Aufgabe der Therapie besteht nicht
darin, neue Operationen zu erfinden, sondern unnöthig zu machen.
i) Maydl, Wiener medicin. Wochenschr. 1892, No. 18—20.
2) Hahn, Deutsche medicinische Wochenschrift 1894. No. 27.
3) v. Eiseisberg, Areh. f. klin. Chirurgie Bd. 50, Heft 4, 1895.
4) Karewski, Berlin, klin. Wochenschr. 1896, No. 50.
Sachregister
Abdomen, Inspection des 70.
Acetessigsäure im Harn 256.
Aceton im Mageninhalt 225.
Acctonurie bei Magenerkrankungen 256,
Aehroodextrin 17.
Achylia gastrica, Diät bei 285.
Acidität, wechselnde 183.
A corie 53.
Adhäsionen der Magenwand 82.
Albuminurie b. Magenerkrankungen 255.
Albumosen 24.
- Reactionen auf 24.
Albumosepräparate 288. 291.
Algesimeter 78.
Alimentation forcee 305.
Alkalien, Anwendung u. Dosirung 354.
- therapeutische Verwendung 340.
— Wirkung auf den Magen 352.
Alkalische (Säuerlinge 309.
Alkalisch-muriatische Säuerlinge 311.
— salinische Quellen 312.
Alkohol als Stomachicum 368.
Almen'sche Blutprobe 220.
Amara 363.
Amidulin 17.
Ammoniak im Erbrochenen 142.
— magnesia, phosphorsaure im Magen
inhalt 237.
Amylodextrin 17.
AmvlumVerdauung, Producte der 17.
Amicidität 182.
Anämie, pernieiöse bei Magenerkran
kungen 262.
Anamnese 47.
Anatomie des Magens 4.
Anorexie 52.
Antiseptik bei der Magensondirung 97.
Apepsie 129.
Appetit, Bedeutung für die Diät 273.
— Verhalten bei Verdauungskrank
heiten 52.
Argentum nitricum zu Magenausspü
lungen 340.
Aspiration des Mageninhalts 1:55.
Atrophie der Magenschleimhaut, Appetit
bei 53.
Aucrbach'scher Plexus 13.
Aufblähung des Dickdarms 104.
Magens 102.
Aufstossen 00.
Auscultation des Magens 92.
Azofarl tstoffe 156.
B.
Bacillen im nüchternen Mageninhalt 228.
Bacillus aeidi lactici 30.
— butyricus 31.
Bactericnflora des Magens 234.
Ballonaspiratoren zur Mageninhaltsge
winnung 136.
Balneotherapie 308.
Bandagenbehandlung 336.
Benzopurpurin 157.
Bewegungen, active des Magens 37.
Bindegewebsgerüst des Magens 12.
Bisinuthuni subnitricum zu Magenaus
spülungen 340.
Bitterwässer 319.
Biuretreaction 203.
Blähungen 67.
Blut bei Magencarcinom 260.
— — Ulcus ventriculi 260.
- im Erbrochenen 63. 129.
- Mageninhalt 21«.).
— — Magensaft 141.
Stuhl 65.
— Untersuchung, diagnostische Bedeu
tung der 259.
Brillantgrün 155.
Bulimie 52.
Buttermilch 302.
Buttersäuregährung 31.
— nachweis 194.
- diagnostische Bedeutung 195.
c.
Capacitätsbestimmung des Magens 106.
Cardiaparesc 60.
Cellulose im Mageninhalt 2:51.
Chemische Functionsprüfmig des Ma
gens 128.
— Untersuchung des Mageninhalts 150.
380 Sachregister.
Eiter im Stuhl 66.
Eiweissausnutzung bei mangelnder Salz
säurepepsinverdauung 269.
— füulniss im Magendarincanal 225.
— körper im Magen, diagnostische Be
deutung 204.
— — künstlich verdaute 288.
- Verhalten im Mageninhalt 202.
Electrische Behandlung 328.
— Bürste 332.
— Magensonde 330.
— Rolle :5:12.
Enteritis membranacea 6.").
Enzyme, diagn. Bedeutung der 200.
— Untersuchung auf 196.
Epigastrium, Druck im 57.
Epigastrische Hernien 75.
Epithel des Magens 7.
Epithelien im Mageninhalt 232.
Erbrechen 61.
— bei chronischer Gastritis 62.
— — Dünndarmstenosen 63.
- — Magencarcinom 63.
- Magenerweiterung 62
— — Superaeidität 62.
- — Ileus ventricnli 62.
— Diät bei nervösem 287.
— von Galle und Darmsaft 132.
Schleim 132.
Speichel 131.
Erbrochenes, Ammoniak im 142.
— Aussehen und Menge 63.
— Blut im 63. 129.
— Eiter im 130.
— Halle im 130.
und Pancreassaft im 64. 132.
- Geruch und Geschmack des 64.
— Harnstoff im 142.
— Parasiten im 131.
— Schleim im 64. 130.
— Schleimhaut- und Geschwulstpartikel
im 130.
— Speisereste im 128. 130.
Ervthrodextrin 17.
Essigsäuivgährung 32.
- nach weis 195.
— — diagnostische Bedeutung 196.
Expression des Mageninhalts 138.
Chemische Untersuchungsmethoden 125.
Chloride des Harns 250
Cholestearmnachweis 217.
Coefl'ieient de partage 186.
Congoroth 153.
Crises gastriques 59.
D.
Danninhalt im Magen 142.
Darmsaft im Mageninhalt 216.
— im nüchternen Magen 141.
van Deen'sche Blutprobe 220.
Diät, Bedeutung der objeetiven Unter
suchung für die 273.
- subjeetiven Beschwerden für
die 271.
- des Appetits für die 273.
— bei Achvlia gastrica 285.
Atonie 283.
- Magencarcinom 285.
- Motilitätsstörungen 282.
— — nervösem Erbrechen 287.
- nervöser Dyspesie 287.
Pylorusstenosen 282.
- Eesorptionsstürungen 286.
- Secretionsstörangen 28:5.
— — sensoriellen Störungen 286.
— — bei Superaeidität 283.
- Ulcus ventriculi 2*4.
- Beziehung zum Körpergewicht 55.
Diätbestimmung, speciclle 279.
Diätetik 267.
Diätetische Kuren 301.
Diätformen für Magenkranke 274.
Diastase 357.
Diastatisches Ferment, Nachweis im
Mageninhalt 18.
Dickdarm, Aufblähung des 104.
Dimethylamidoazobenzol 157.
Divertikal 56.
Druck im Epigastrium 57.
Druckempfindlichkeit des Magens 73.
Druckpunkte 75.
Drüsen des Magens 8.
Drüsenschläuche im nüchternen Magen
inhalt 227.
Dünndarmsaft 141.
- im Mageninhalt 218
Dünndarinstenosen, Erbrechen bei (53.
Durchleuchtung des Magens 113.
Durst 55.
Dyspepsie, Diät bei nervöser 287.
Dysphagie 56.
E.
Eisenprobe auf Blut im Mageninhalt 221.
— wässer 320.
Eiter im Erbrochenen 130.
Mageninhalt 112 219. 232.
F.
Fäulnissproducte. abnorme, im Magen
inhalt 221.
Fermente im Harn 253.
— künstliche 357.
Fermentgehalt des Mundspeichels p>6
Fettmilch 303.
- präparatc 290. 293.
— säuren, Nachweis der flüchtigen 194
- trüpfchen und Fettsäurekristalle in
Mageninhalt 232.
Sachregister. 381
Flasclienaspiratoren zur Mageninhalts-
gewinnung 136.
Flatulenz 67.
Fleiscliniilchsäure, Nachweis der 187.
Fremdkörper im Magen 81.
— gefühl 67
Functionsprüfung des Magens, che
mische 128.
— praktischer Werth der einzelnen Me
thoden 212
Fundus ventriculi, Lage des 5.
G.
(iährungsproduete, abnorme, im Magen
inhalt 221.
-- Vorgänge im Magen 29.
— — — Ucctalernährung bei 297.
Cärtner'sche Fettmilch 303.
Galle im Erbrochenen 64. 130.
— — Mageninhalt 216.
Magensaft 140.
Gallenerbrechen 13.2.
— farbstoffnachweis 216.
— säurenaehweis 217.
Gasgührung im Magen 222.
Gastralgie, periodische 59.
Gastritis chronica, Appetit bei 53.
— — Erbrechen bei 62.
Gastrodiaphanie 113
Gastroenterostomie 375. 376.
Gastro faradisation 333.
Gasti'ogalvanisation 334.
Gastroskopie 118.
Gastrostomie 376.
Gastroxynsis 59.
Gaumen, Inspection des 69.
Gavage 305.
Gefässe des Magens 12.
Gasainmtacidität, Bestimmung der 161.
Gesammtsalzsäure, Bestimmung der 164.
Geschmack, Bedeutung für die Diagnose
von Magenaffectionen 55.
Geschwulstpartikel im Erbrochenen 1:50.
— — Mageninhalt 238.
Getränke, Einfluss von Menge und Art
auf den Magen 56.
Glaubersalzwässer 313.
Globusgefühl 50.
Glykogen 19.
Guajacprobe 220.
H.
Hämatemesis 131.
Häminprobe 220.
Hämorrhoiden 66.
Harn, Aceton und Aeetessigsäure im 256.
— Albumen im 255.
— Chloride im 250.
— Fermente im 253.
Ilarnindican und Indigoroth im 257.
— Pepton im 255.
— Phosphate im 251.
- Reaction des 248.
— Schwefelsäuren im 251.
-- spoeifisches Gewicht des 250.
— Stickstoff im 253.
Harnstoff im Erbrochenen 142.
Harnuntersuchung, diagnostische Bedeu
tung der 448.
llefegährung 33.
— pilzc im Mageninhalt 2:53. 23.5.
Heilanstalten 322. 336.
Ueller'sche Blutprobe 219.
Hernien. Schmerzempfindüngen am Ma
gen bei epigastrisehen 75.
Histologie des Magens 7.
Höhenkurorte 322.
Ilvdriatisehe Behandlung 334.
Ilypermotilität 149.
I.
Inacidität 182.
lndicanurie hei Magenerkrankungen 257.
Indigoroth im Harn 257.
Inguinaldrüsen, Palpation der 83.
Innervation des Magens 41.
Inspection der Mundhöhle 68.
Zunge (59.
— des Abdomens 70.
— — Gaumen« und des Pharynx 69.
Insufflation des Magens 102.
J.
«Jodkaliumprobe zur Prüfung der Re
sorptionsfähigkeit des Magens 214.
Jodoformmethode zur Prüfung der mo
torischen Function des Magens 209.
K.
Kalkhaltige Wässer 320.
Karlsbader Curen 313.
— Salz 350. 355
Kataplasnien, heisse bei Ulcus ventri
culi 334.
Kefir 304.
Klimatische Curortc 321.
Kochsalz als Stomachicum 367.
— wässer .'517.
Körpergewicht und Diät 55.
Kohlcnhydratprüfung, diagnostische Be
deutung der 206.
- Verdauung im Magen 205.
Kohlensäureaufblähung des Magens 102.
Kostbestininiung, specielle 279.
— formen 274.
- niaass bei Krankheiten des Ver
dauungsapparats 267.
382 Sachregister.
Kotherbrechen 130.
— tumoren 82.
Krankenuntersuchung 68.
Krebszellennester im Mageninhalt 232.
Kreosot als Stomachicum 370.
Künstliche Nährpräparate 288.
Kuniyss 304.
L.
Lab, quantitative Bestimmung des 29.
Labenzvm 27.
— Nachweis des 28.
— qualitative Prüfung auf 199.
— quantitative Prüfung auf 200.
Labzytnogen 27.
- Nachweis des 28.
— Prüfung auf 200.
Lactate, Darstellung behufs Milchsäure
nachweises 186.
Leguminosepräparate 290. 292.
Leucin im Mageninhalt 230. 237.
Luftaufblähung des Magens 103.
—• füllung des Magens zur Capacitäts-
bestimmung 109.
Lymphdrüsen, Palpation der 83.
— gefässe des Magens 13.
M.
Magen, active Bewegungen des 37.
— Aenderungen der Pcrcussionsfigur
des 90.
— Anatomie des 4.
— Antiseptik bei der Sondenuntersu
chung des 97.
— Auscultation des 92.
— Befestigung des 6.
— Bestimmung der Lage und Capacität
des 106.
— Bindegewebsgcrüst des 12.
— chemische Fimctionsprüfung des 128.
— Darminhalt im 142.
— Druckempfindlichkeit des 73.
— Eiweissfäulniss im 225.
— Epithel des 8.
— Fremdkörper im 81.
— Gährungsvorgänge im 29.
— Gasgährung im 222.
— Gefässe des 12.
— Grösse und Capacität des 6.
— Histologie des 7.
— Innervation des 41.
— Insufflation des 102.
— Kohlenhydratverdauung im 205.
— Kohlensäureaufblähung des 102.
— Lage des 4.
— Luftaufblähung des 103.
— Lymphgefässe des 13.
— Nerven des 13.
— Neubildungen des 79.
Magen Milchsäuregährung im 33.
— 'motorische Function des 206.
-— Verrichtungen des 36.
— Muscularis des 12.
— Palpation des 71.
— Percussion des 85.
— Peristaltik des 36. 42.
— Physiologisch-chemische Vorbemer
kungen 14.
— Resorption im 34.
— Resorptionsprüfung im 214.
— Rotation des 37.
— Sondenuntersuchung des 94.
— Speichel Wirkung im 19.
— Submucosa des 12.
— Tunica propria des 8.
Magenatonie, Diät bei 283.
—• ausspülung 337.
—• bacterien 234.
— blutung, vicariirende 131.
•— breite, percutorische Bestimmung
der 90.
— carcinom, Appetit bei 53.
Blut bei 260.
— — Consistenz des 80.
Diät bei 285.
— — Erbrechen bei 63.
— — Emährungsergebnisse bei 270.
— — Lage und Grösse des 80.
- Nährklystiere bei 297.
— — operative Behandlung des 375.
respiratorische Verschiebung d. 81.
— — Verschieblichkeit des 80.
— douche 345.
— drüsen 8.
— durchleuchtung 113.
— electrisation, percutane 331.
— erkrankungen, Acetonurie bei 256.
— — Albuminurie bei 255.
diätetische Kuren bei 301.
diagnostische Bedeutung derBlut-
untersuchung bei 259.
— — electrische Therapie bei 328.
— — hydriatische Behandlung bei 33.4.
— — Indicanurie bei 257.
— — Kostformen für 274.
Nährstoffbedarf bei 269.
— — operative Behandlung bei 372.
Peptonurie bei 255.
— — pernieiöse Anämie bei 262.
— erweiterung, Appetit bei 53.
— — Erbrechen bei 62.
Magenausspülung bei 343.
Nährklystiere bei 297.
— — Schmerzen bei 58.
— funetionspräfung nach chemischen
Reizen 143.
nach digestiven Reizen 144.
nach electrischen Reizen 144.
— — nach thermischen Reizen 143.
— gegend, Schmerzen in der 57.
Sachregister. 383
Magengeräusche 92.
— grenze, Bestimmung der oberen 89.
der rechten und linken 90.
— — — der unteren 87.
— höhe, pcrcutorischeBestimmung d. 90.
— inhalt, abnorme Bestandteile des 216.
— — abnorme Gährungs- und Fäulniss-
processe im 221.
Aceton im 225.
• Aussehen 147.
— — Bacillen im nüchternen 228.
Blut und Eiter im 219.
— — Cellulose im 231.
— — chemische Untersuchung des 150.
— — Darnisaft im nüchternen 141.
— — Drüsenschläuche im nüchternen
227.
— — Eiter im 142.
— — Epithelien im 232.
Fetttröpfchen und Fettsäurekry-
stalle im 232.
— — Galle und Darmsaft im 216.
Geruch des 150.
— — Geschwulstpartikel im 238.
Hefepilze im 233. 235.
Leucin im 230. 237.
— — Magensaft im nüchternen 139.
— — makroskopische Untersuchung des
147.
Menge des 148.
— — mikroskopische Untersuchung des
226.
— — mikroskopische Untersuchung
nach Nahrungsaufnahme 230.
— — Muskelfasern im 231.
Pflanzenzellen im 231.
— — phosphorsaure Aninioniakmag-
nesia im 237.
— — Reaction 152
— — Sarcina ventriculi im 235.
— — Schleinihautfiagniente im 238.
— — Schleim u.Eiterkörperchen im 232.
— — — und Speichel im 216.
— — Schnecken- u. Spirallzellen im 232.
— — Schwefelwasserstoff im 224.
— — Spaltpilze im 233.
— — Speiche] und Schleim im nüch
ternen 140.
— — Speisereste im nüchternen 139.
— — Spiralzellen im nüchternen 226.
— — Tyrosin im 230. 237.
— — Untersuchung auf Eiweisskörper
202.
— — — des nüchtern gewonnenen 138.
— inhaltsprüfung 147.
— — Untersuchung, übersichtlicher
Gang der 246.
— — gewinnung durch Ballonaspira-
toren 136.
— — — — die Magenpumpe 135.
— — — — Expression 138.
Mageninhaltsgewinnung durch Flaschen
asp iratoren 136.
— neurosen, Druckbezirke bei 76.
— muskulatur, Prüfung des Tonus der 88.
— pumpe 342.
— saft 21.
Blut im 141.
Galle im 140.
im nüchternen Magen 139.
— — Salzsäuregehalt des 21.
— — secretion, Prüfung der 133.
— schmerz, circuniscripterchronischer74.
diffuser 74.
— secret, mikroskopische Untersuchung
des nüchternen 226.
— sonde, Form u. Beschaffenheit der 97.
—• sondirung, Indicationen und Contra-
indicationen der 100.
Technik der 98.
— Verdauung, Einwirkung des Spei
chels auf die 20.
— wand, Adhäsionen der 82.
Magnesia animonio-phosphorica 354.
— usta 354.
Maltose 18.
Malzdiastase 357.
Massage 324.
Mastkur 304.
Megastrie 91.
Mehlpulver 290. 292.
Meissner'seher Plexus 13.
Mervcisnius 61.
Metliylviolett 155.
Micrococcen im nüchternen Magen
inhalt 228.
Mikroskopische Untersuchung des Ma
geninhalts 226. 230.
Mikroskopischer Nachweis von Blut im
Mageninhalt 21t).
Milchkuren 301.
— ernährung, verschiedenes Verhalten
Erwachsener gegen die 271.
— säure 183.
— — quantitative Bestimmung der 189.
— — Reaction auf 183».
— —• bestimmung, praktischer Werth
der einzelnen Methoden der 192.
— — gährung 30
— — — im Magen 33.
— •— nachweis, diagnostische Bedeu
tung 192.
— durch Darstellung ihrer Salez
186.
— nach Boas 187.
— — — nach Hoffmannu.Vollhardtl86.
— — reaction nach Uffelniann 183.
— — Untersuchung, Cautelcn bei derl91.
Mineralwässer, Eintheilung der 309.
Moorbäder 320.
— kataplasmen 321.
Motilitätsstörungen, Diät bei 282.
384 Sachregister.
Motorische Verrichtungen des Magens 36.
— Schwäche, Ursachen der 212.
Mucin im Speichel 16.
Mundhöhle, Inspection der 68.
— speichel 15.
— — Farbenreactionen des 127.
— — Fernientgehalt des 126.
- — Reaction des 125.
— — Rhodangehalt des 127.
— — Untersuchung des 125.
Muscularis des Magens 12.
Muskelfasern im Mageninhalt 231.
Myasthenie, Schmerzen bei 58.
N.
Nährklystiere 293.
— präparate, künstliche 28s.
Nährstoffbedarf 2(58.
Natriumbicarbonat 354.
Nerven des Magens 13.
Nervöse Dyspepsie, Diät bei 2*7.
- Magenaffectionen, Appetit bei 54.
Nervöses Erbrechen, Diät bei 287.
Neubildungen des Magens 79.
Norniallösungen 162.
O.
Oelmcthode zur Prüfung der motorischen
Function des Magens 209.
Oesophagismus 56.
Operative Behandlung bei Magenkrank
heiten 372.
Orexin 370.
Organische Säuren im Magen 183.
Orthopädische Behandlung 336.
P.
Palpati on der Lymphdrüsen 83.
— des Magens 71.
Pancreassaft im Erbrochenen 64.
Pancreatin 360.
Papain 362.
Papayotin 362.
Parasiten im Erbrochen 130.
Stuhl 66.
Parorexie 53.
Pepsin 23. 196. 358.
— qualitative Bestimmung 196.
— quantitative Besitmniung 26 196.
Pepsinogen 23. 196.
Pepsinproben 196.
Peptische Fermente im Harn 253.
Peptone 23.
— Reactionen auf 24.
Peptonpräparate 288.
Peptonurie bei Magenerkrankungen 255.
Percussion des .Magens 85.
Percussionsfigur des Magens, Acnde-
I rangen der 90.
Perigastritis 74.
: Peristaltik des Magens 36. 42.
Peristaltische Unruhe (57. 70.
Peristole 36.
| Perniciöse Anämie bei Magenerkran-
; klingen 2(52.
Pflanzenfarbstoffe 157.
— zellen im Mageninhalt 231.
Pharynx, Inspection des 69.
Phloroglucin-Vanillin l.">7.
Phosphate des Harns 251.
Physiologisch-chemische Vorbemerkun
gen 14.
Plätschergeräusch 83.
Playfair-Cur 304.
Polyphagie 53.
Probeabendessen von Boas 207.
— frühstück von Ewald und Boas 145.
— — Jaworski 146.
Klemperer 145.
— zur Prüfung der motorischen
Function des Magens 207.
- mahlzeit von v. Leube 207.
- Riegel 145.
- — (.erniain See 146.
Propepton 203.
Ptyalin 16. 357.
Pt'valismus 307.
Ptyalose 18.
Pvloroplastik 375.
Pylorus, Lage des 4.
— driisen 11.
— stenose, Diät bei 282.
Operative Behandlung 374.
Pyrosis 59.
R.
Rahm 30: i.
Reaction auf Albuniosen 24.
- freie Salzsäure 154.
Peptone 24.
I — des Mageninhalts 152.
i — Solera'sche 16.
Reactionen auf Milchsäure 183.
Reagens, Boas'sches 158.
Günzburg'sehes 157.
Rectalernährungbei(b'ihrungs\'oigängen
im Magen 297.
Ulcus ventriculi 298.
Regurgitation 61.
Resorcinprobe 158.
Resorption im Magen 34.
Resorptionsfähigkeit des Magens, Prü
fung der 214.
— Störungen, Diät bei 286.
Respiratorische Verschiebung von Ma-
I gentumoren 81.
Rhodangehalt des Mundspeichels 127
Sachregister. 38 f)
Rhodankalium im Mundspeichel 16.
Röntgenstrahlen, Anwendung in der
Diagnostik der Magenkrankheiten 122.
Rotation des Magens 37.
Elimination 61.
310.
he 312.
auf die Speichel-
160.
und
s.
Säuerlinge, alkalische
— alkalisch-muriatisi
Säuren, Einwirkung
diastase 19.
— freie und gebundene 152.
— organische, im Magen 183.
— therapeutische Verwendung 347.
Salolmethode zur Prüfung der nioto
rischen Function des Magens 208.
Salpetrige Säuren im Speichel 16.
Salzsäure, Bestimmung der freien 177
— — — gebundenen 179
— quantitative Bestimmung der
— Reaction auf freie 154
— therapeutische Wirkung ,"547.
— Wirkung auf die Verdauung :
Salzsäurebestimniung nach ('ahn
v. Mering 164.
— — Hehner-Seeniann 164.
-- — Hayem und Winter 17t.
— — Hoifmann 178.
Leo 169
Lüttke 172.
— — v. Mierzvnski 175.
Mintz 177.
— — Monier und Boas
— — v. Moracewski 17<
— — Sjöquist 166.
Töpfer 174.
— praktischer Werth
Methoden 180.
Salzsäuregehalt des Magensaftes 2
— nachweis, diagnost. Bedeutung
— proben, praktischer Werth der
Sarcina ventriculi 235.
Schleim im Erbrochenen 64. 130.
Mageninhalt 216. 232.
\:
der einzelnen
ISO.
158.
— nüchternen Mageninhalt 140.
Stuhl 65.
Schleimdrüsen des Magens 11.
Schleiinerbrechen 132.
Schleimhautfragniente im Mageninhalt
238.
Schleimhautpartikel im Erbrochenen 130.
Schluckgeräusche 92.
Schmerz, circumscripter chronischer des
Magens 74.
Schmerzen bei der Defäcation 66.
— — Magendilatationen 5x.
— bei Myasthenie 58.
Ulcus ventriculi 58.
— — und duodeni 74
— beim Schlucken öd.
Schmerzen in der Magengegend 57.
Schmerzhaftigkeit, diffuse des Magens 74.
Schmerzeiiipfindung am Magen bei epi-
gastrisclien Hernien 75.
Sclineckenzellen 226.
— im Mageninhalt 232.
Schwefelsäure im Harn 251.
Schwefelwasserstoff im Mageninhalt224.
Secretionsstörungen, Diät bei 283.
Seebäder 322.
Sensorielle Störungen, Diät bei 286.
Solera'sche Reaction 16.
Sondenpalpation 94.
— Untersuchung des Magens 94.
Soolbäder 320.
Spaltpilze im Mageninhalt 233.
Specfroskopiseher Nachweis von Blut
im Mageninhalt 219.
Speichel 15.
- Einwirkung auf die Magenverdau-20.
130.
19
— im Erbrochenen 64.
— — Mageninhalt 216
— — nüchternen Mageninhalt 140.
Speicheldiastase 16.
— Einwirkung von Säuren auf die
Spcichelwirkung im Magen 19.
Speisereste im Erbrochenen 128.
- nüchternen Magen 139.
Spiralzellcn 226.
— im Mageninhalt 232.
Stickstoff im Harn 253.
Stoff Wechseluntersuchungen 287.
Stomachica 306.
Stuhl, Aussehen, Farbe u. Geruch d. Cu).
— Blut im 65.
— Eiter im 66.
— Parasiten im 06.
— Schleim im 65.
Stuhlentleerung, Bedeutung des Verhal
tens für die Diagnose (54.
Subacidität 182.
Subniucosa des Magens 12.
Succussionsgeräusch 93.
Superaeidität 182.
— Diät bei 283.
— Erbrechen bei 63.
Supraclaviculardrüsen, Palpation der 83.
Suralimentation 306.
Svntonin 203.
Takadiastase 357.
Therapie, allgemeine 265.
Traubeneuren 307.
Tropaeolin 156.
Trvpsinnachwcis 218.
Tunica propria des Magens 8.
Tyrosin im Mageninhalt 230. 237.
Boas, Allg. Diagnostik u. Therapie d. Magenkrankheiten. 4. Aull. •2ö
386 Sachregister.
U.
Uebelkeit 61
rebercrnährung 306.
Ulcus ventriculi, Appetit bei .">4.
— — Blut bei 260.
- — Diät bei 284.
- Druckbezirke bei 7U
- — Erbrechen bei 02.
— — Kataplasmenbehandlung 334.
— — Kostformen für 274
— — operative Behandlung 377.
— — Rectalernährung bei 298.
— — Schmerzen bei 58.
— — et duodeni, Schmerz bei 74.
Fntcrsucluingsniethodcn, chemische 125
V.
Verdauungsproben 196.
Vicariirende Magenblutung 131.
Vollsein, Gefühl von 57.
Vomitus matutinus 131.
W.
Wasserfüllung des Magens 106.
Weir Mitchell-Kur 304.
Z.
Zunge, Aussehen u. Verhalten der 69.
Namenregister
Abele 215.
Abelous 228. 234.
Abraham 258.
Albrecht 362.
Alison 255. 256.
Almen 220.
Anderson 298.
v. Anrep 34. 35.
Arthus 28.
B.
Bäklin 134.
Bamberger 262.
Bardenheuer 336.
Bürdet 329.
de Bary 233.
Bauer 293. 294. 307.
Baum 37.
Baumann 176. 252
Beaumont 21. 37. 38.
Becher 350.
Benderskv 254. 255.
Beneke 106. 286.
Bernard 368.
Berthelot 186.
Bctz 37. 224.
Bialocour 31.
Bidder 16.
Biedert 2*8.
Bienstock 229.
Biermer 258
Biernacki 21. 252
Bikfalvi 368.
Billroth 372.
Binet 310.
Bircher 375.
Black 34.
Blanchier 29.
Blass 161.
Bleibtreu 268.
Blum 153. 179.
Boas 17. 19. 27. 28. 29. 34.
53. 59. 95. 114. 121. 132.
138. 140. 141. 115. 153.
155. 156. 157. 158. 159.
159. 167. K58. 177. 187.
191. 19.'i 201. 207. 215.
222. 225. 252. 254. 279.
328. 341.
Bocci 144.
Böttieher 153.
B< ihland 268.
Bokai 364
Bongers 29.
Bonnet 9. 10. 12.
Bouchut 362.
Bourget 167.
Bouveret 156. 251.
Brandl 35.
Braun 165.
Breisacher 269.
Breusing 254.
Brieger' 226.
Brinton 38. 79. 106. 368.
Brock 333.
Brown 17. 18.
Brück 113.
Brücke 17. 26. 42. 140. 253.
Brunner 208. 254.
Buchheim 3(54. 108.
Buchner 368
Bunge 22. 181.
Burchardi 209
Burkart 333.
Burkhart 304.
Cahn 13,2. 164. 181. 194.
348. 367.
Caron 333.
Cazenave 113.
Chittenden 16. 19. 24.
Cohn 31. 33.
Cohnheim 227. 243. 245.
Contejean 10.
Corvisart 358.
Crämer 135.
Cseri 325.
Curchod 307.
Cyrniaiiski 138.
Czennak 113.
Czernv 294.
D.
Daland 260.
Danisch 104.
Dapper 309. 318.
Dauber 225.
Debove 306.
Decker 208.
van Deen 220.
Dehio 88.
Deiters 289.
Devoto 204. 261.
Donders 8.
Donkin 298.
Drechsel 217.
Drosdorff 36.
Dujardin -Beauinetz 253.
307. 339.
E.
Ebstein 10. 79. 104. 135.
Eckervogt 304.
Edinger 9. 10. 133.
Edkins 23.
Ehrenberg 226.
Eichenberg 347.
Eichhorst 71. 86. 87. 237.
293. 294.
Einhorn 113. 114. 116. 134.
175. 2:59. 285. 288. 326.
329. 330. 331. 332. 333.
346.
v. Eiseisberg 378.
Ellenbergei- 19.
Emminghaus 224.
Engel 364.
Engcsser 360.
Epstein 114.
Erb 330.
Eulenburg 362.
Eves 19.
25*
3SS Namenregister.
Ewald 6. 19. 60. 92. 97.
9.S. 103,. 136. U58. 145.
155. 186. 20S 224 232
258. 294. 295. 306. 3.14.
330 331. 347.
F.
Faber 214
Falk 22. _
Falkenheim 236
Favizky 168.
Fcnwick 127. 238 2(52.
Finkler 362.
Fischcl 255.
Fite 358
Fitz 31.
Fleiner 13,5. 146. 297. 339.
340. 246.
Fleischer 108. 184. 209
Flügge 31. 32.
Fonssagrives 113.
Förster 181. 3,(57.
Fränkel 10.
Frank 22.
Frerichs 34. 102. 125. 367.
3,68.
Friedenwald 358.
Friedheim 170.
Friedlich 23«.
Friedreich 224.
Fürbringer 136.
G.
Gültig 251.
Gärtner 303.
Gans 254.
Gehrig 253. 254.
Geigel 161.
Georges 156. 359.
Gerhardt 113. 130.
Gillepsie 234.
Ghizinski 250. 369.
(Jorges 24*.
Goldbaum 3,2*. 329. 333,.
Goldschmidt 144. 211. 328.
329 3,33.
(Josse 368.
Grande 20s.
Grawitz 26o.
(Jriswold 19.
Grote 363.
Grünewald 21.
Grützner 10. 26. 197. 253
254.
Gabler 251.
Günzburg 133. 157. 158.
H.
Haas 185.
Habennann 237.
Häberlin 214. 257. 259. 260.
Hahn 378
Hamburger lo. 17. 22
Ilaminarsten 19. 27.
Hamnierschlag 121. 193.
198 201. 261.
Häri 157. 165. 175.
Harnack 35. 350.
Härtung 201.
Ilassmann 261.
Hausmann 3()7.
Havem 171.
Helmer 164.
HeidenliainS. 9 10. 3,6.218.
[leinecke 375.
van Helniont 3,8.
Heule 106.
Henne 13,4.
llenrv 262.
rileritier 125. 127.
lleron 17. 18.
Heiter 252.
Kernig 114. 115.
Herz 13,2.
Herzen 23.
Ilerzfeld 17. 55.
llevnsius 25.
Hirsch 38. 42. 3,63,.
Hirschfeld 31. 26s
Hlasiwctz 237.
Hochhaus 132.
v. Hösslin 153.
Hoffa 326.
Hoff mann 13,9. 144. 170.
172. 178. 186. 23,0. 254.
329.
Hofmeister 19. 36. 38 41.
255.
Holovtschiner 254.
Honigmann 13,2 164 174.
Iloppe-Seyler 3,6. 195. 218.
222 224 ''52
Huber 208. 209. 294. 295.
Hübner 126. 249.
Hueppe 30. 31.
Hugonneng 359.
Hyrtl 7.
I.
Immermann 262.
J.
Jaccoud 295.
Jacobsohn 114. 115. 116.
v. Jakseh 152. 154. 157.
164. 194. 225. 254. 255.
256. 260 284.
Jawein 125.
Jaworski (55. 107. 109. 138.
143. 146. 197. 221. 226.
250. 303. 310. 313. 314.
348. 351. 353. 355. 364.
Johannessen 189.
Johnson 27.
Jones 248.
de Jong 189.
Jürgensen 284. 356.
Jukcs 9.
K.
Kandidoff 29.
Kareil 301.
Karewski 378
Käst 22. 252.
Katz 168.
Katzenellenbogen 79.
Kaufmann 23,4. 307.
Kaulisch 256.
Kelling 110. 114. 116. 117.
119. 121 184 185. 189.
Kirmisson 253.
Kisch 311. 321.
Kjeldahl 198.
Klemensiewicz 5. 10.
Klemperer 27. 28. 126. 145.
264. 209. 253. 268. 270.
271. 290. 301. 369. 370.
Klikowicz 367. 368.
Klug 10.
Knauthe 307.
Kotiert 364.
Koch 22.
Köttnitz 255.
Korezvnski 221.
Kossler 172. 174 179.
Kraus 309. 316.
Krause 9.
Kretschy 368.
Kronfehl 371.
Krukenberg 156. 160. 304.
Küchenmeister 131.
Kühne 24. 25
Külz 17.
Kulm 222. 223. 224. 289.
Kumagava 268.
Kupffer 9. 11.
Kurloff 22
Kussmaul 1. 70. 93. 106.
135. 3,29. 330. 340. 342.
345.
Kutner 97. 114. 115. 116.
117. 131.
Kypke 209.
L.
Laache 260.
Laborde 155.
Lahmann 304.
Laker 94
Landau 336.
Landerer 377.
Namenregister. 389
Landwehr 140.
Langerhans 114. 116.
Langley 19. 22. 23.
Lannois 155.
Latschenberger 294.
Laudcnheimer 251.
Lazarowicz 113.
Lebert 79.
Lehmann 367.
Leichtenstcrn 85. 132. 260.
262
Leineweber 29.
Leiter 118.
Lenioine 352. .'553.
Leo 27. 28. 77. 153. 167.
169. 170. 194. 199. 253,.
254. 255 3,58.
Lepine 59 155. 260
Lesshaft 3,7.
v. Leube 1. 60. 72. 81. 94.
135. 143 165 197. 206.
207 212 274. 276. 282.
294. 315. 329. 3,32. 334.
336. 312. 3,48. 377.
Lewaschew 310.
v. Leyden 59. 270. 307.
Lindemann 123.
Linossier 352. 353».
Litten 238. 256.
Lorenz 225. 256. 257.
Loreta 375.
Lovcn 13.
Loye 144.
Lubarsch 23,8. 243. 246.
Lublinski 131.
Ludwig 144. 350.
v. Ludwig 309.
Lüderitz 328.
Lüttke 34. 156. 158. 1(59.
172. 173. 178. 193
Luschka 5. 106.
Luton 79.
Macfadven 22.
Maier 213.
Maixner 255. 256.
Malassez 260.
Malbranc 13,5 345.
Malv 155. 165. 181. 248.
Mannkopf 102.
Marfan 134.
Martins 34. 114 139 152.
156. 158. 169. 172. 178.
192. 285.
Mathieu 148. 156. 210.
Maurer 209.
Mavdl 378.
Meiner! 114. 116.
Meltzer 92. 328.
Meltzing 114. 116.
v Mering 17. 35. 39. 164.
194. 215. 219. 293.
Mesehede 310.
du Mesnil 347. 352. 353,.
Moster 252.
Mierzynski 175.
Mikulicz 118. 119. 122 3,72
375. 2,77.
Miller 15. 22. 29. 3,0. 35.
C>^. 123. 203. 206. 223,.
Milliot 112,.
Minkowski 105. 234.
Mintz 172. 177. 349.
Mitchell 304.
Monier 177.
v Moracewski 176.
Moritz 3,5. 2,7. 39. 41. 153,.
223,.
Müller 65. 213. 218. 251.
252 253,. 255 259. 270.
271. 301.
Munk 3,6. 269.
Musculus 17.
Melius 217.
N.
Naegeli 32.
Nasse 18. 3,10.
Mc Naught 59. 222 224.
Naunvn 230
Neubauer 108.
Noumeister 24. 25.
Nencki 29.
v Noorden 164. 251. 252.
255. 269. 286. 289. 308.
309.
Nothnagel 65 262
Nylon 19.
o.
Obrastzow 89.
Ggata 29. 286. 368.
v. Openehowski 3,9. 41.
Oppenheimer 259. 260.
Oppler 198. 201. 234 236.
288.
Oppolzer 127.
Oser 40. 41. 98. 103. 118.
Osler 262.
Ost 106. 110.
Osterspey 260. 262.
P.
Pacanowski 88. 89. 90. 102.
Pages 28.
Pal 208.
Palm 189.
Pariser 114. 239.
Pasteur 30. 33.
Patella 253,.
Pean 123. 372.
Peckolt 3,62.
Peiper 261. 307.
Penzoldt 88. 185. 214. 225.
274. 276. 282. 326. 329.
3,4(5. 366. 37o. 371. 373.
Petit 367.
Retters 256.
Fever 53.
Pfeiffer 367.
Pflüger 268.
v. Pfungen 42. 153. 169
Pick 13,9.
PhllTV 88.
Piria*230.
Plavfair 304.
Podwvssotzki 23.
Poch 123.
Popoff 224.
Potain 2(50.
Prazniowski 31.
Prevost 310.
Q.
Quetsch 214.
Quincke 106. 131. 248. 249.
262. 332,.
R.
Ramm 364.
Ratjen 300.
Raudnitz 27.
Raw 123.
Reale 208.
Rees 248.
Regnard 144.
Reiche 132.
Reichmann 114. 115. 139.
146. 149. 348. 352 353
361. 364. 365. 367. 368.
Reid 123.
Reineboth 238.
Reinert 259. 260. 262.
Remond 59. 148.
Renvers 114. 116.
Riebet 186. 368.
Riegel 76. 132. 145. 146.
153. 223,. 296. 303. 341.
347. 3,48. 349.
Ringstedt 249.
Robert 248.
Roberts 2,67. 368.
Robin 250 251.
Robitschek 255. 256.
Rochefontaine 29.
Röhrig 310.
Röntgen 122.
Rössier 298.
390 Namenregister.
Rollet 8. 9.
Ronnnelaire 253,.
Rosenbach 104. 107. 112.
127. 217. 23,8. 3,57.
Rosenberg 254.
Rosenheim 119. 120. 121
122. 140. 152. 174. 177
180. 181. 222. 269 332
333. 345
Rosenthal 28. 127. 250
33,2. 334. 33,6. 3,40.
Rosin 139. 257.
Rossbach 39. 40. 59. 328
362.
Rossi 329.
Kühner 268.
Runeberg 103.
Rutherford 310. S.
Sachs 9. 10.
Saldi 134. 253.
Salkowski 152. 218 252
Samojloff 27
Sandberg 314.
Sansoni 172.
Savclicff 225.
Schäffer 153.
Schcllhaas 368.
Schenk 217.
Scheurlen 29.
Schleich 241.
Schlesinger 125. 234.
Seh maltz 261.
Schmidt 16. 21. 243. 326.
367.
Sclmiilinsky 95.
Schneider 260.
Schneyer 261.
Schön bein 16.
Schreiber 82. 139. 140.
Schule 139. 284. 347. 3,52.
353. 367 368.
Schüren 106.
Schütz 27. 38. 41. 97. 303.
Schuld 21.
Schnitze 224.
Schumburg 27.
Schwartz 114
See 146.
Seemann 165.
Sehrwald 10.
Semmola 332.
Senator 131. 224.
Sievers 208.
Silberstein 209.
Sittmann 3,62 363.
Sjöquist 166. 168. 1(59. 174.
' 179.
Smith 34 35.
Soemmering 106.
Sörcnsen 260.
v. Sohlern 283. 284. 318.
Soxhlet 18.
Späth 133.
Spitzer 3,14.
Stadelmann 253,. 254. 310.
Stadel er 23,0.
Stein 208. 248.
Stekhoven 364.
Sticker 16. 21. 59. 12(5. 214.
249. 250.
Stiller 104.
Stintzing 10. 11. 242.
Stöhr 8 9. 10
Störk 113.
Strauer 261.
Strauss 22. 31. 148. 157.
174 175. 184. 222. 224.
234. 238.
Stroh 250.
Strümpell 93.
Stutzer 292.
v. Swiecicki 10.
T.
Tadler 260.
Talma 146. 349.
Tappeincr 34. 35.
Tcllcring 227.
Thiriar 253.
Thorspeckler 93.
Töpfer 157. 174.
Trzehinski 26. 2'.». 201.
Tscheizoff 364.
U.
Uffclmann 157. 183. 281.
Ullmann 375
V.
Vagedes 59.
Vaughan 226.
van den Veldcn 19. 20. 155.
252.
Vignal 310.
Völker 289.
Vogel 17.
v. Voit 267. 268. 293. 294.
Yolhard 172.
Vollhardt 186.
Voltolini 113
Wagner 22. 89. 170. 172.
Waidenburg 224.
Wasbutzki 252.
de Wattevillc 33,0
Weber 144. 218 219. 220.
Wegele 123. 297. 329
Weil 86.
Weiss 3,04.
Wenz 24.
Werther 359.
Wesener 22.
van der Wevdc 114.
White 123.
Wiener 176.
Wilkes 104.
Williams 93.
Winter 171.
Winternitz 335.
Wolbcrg 367
Wolff 214. 3,17. 349. 355.
3,5(5. 3,64. 365. 367. 368.
369.
Wolffhardt 369.
Wotitzkv 208. 209.
Wright '127.
Wullstein 123.
Wunderlich 127.
Wurster 230.
Wurtz 22. 3,62.
Wyniann 342. Z
Zabludowski 324. 325. 326.
327.
| Zawadzki 224.
Ziemke 252.
v. Ziemssen 102 104. 135.
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